TE Vwgh Beschluss 2017/10/18 Ro 2016/13/0012

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.10.2017
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Index

E1E
E6J
10/07 Verwaltungsgerichtshof
32/08 Sonstiges Steuerrecht
37/01 Geldrecht Währungsrecht
37/02 Kreditwesen
59/04 EU - EWR

Norm

BWG 1993 §93
StabAbgG 2011 §2
StabAbgG 2011 §3
StabAbgG 2011 §7a
VwGG §38b
12010E056 AEUV Art56
12010E063 AEUV Art63
12010E267 AEUV Art267
61998CJ0390 Banks VORAB
62004CJ0174 Kommission / Italien
62004CJ0393 Air Liquide Industries Belgium VORAB
62004CJ0446 Test Claimants in the FII Group Litigation VORAB
62005CJ0157 Holböck VORAB
62012CJ0385 Hervis Sport VORAB
62014CJ0066 Finanzamt Linz VORAB

Beachte


Vorabentscheidungsverfahren:
* EU-Register: EU 2017/0008
* EuGH-Zahl: C-625/17
Vorabentscheidungsverfahren:
* Vorabentscheidungsantrag:
Ro 2016/13/0012 B 23.01.2019
* EuGH-Entscheidung:
EU 2017/0008
* Ausgesetzte Revisionsverfahren gemäß §38 AVG iVm §62 VwGG:
Ro 2016/13/0021 B 22.11.2017
* EuGH-Entscheidung:
EuGH 62017CJ0625 B 22.11.2018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der V AG in B, vertreten durch DDr. Hans Rene Laurer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Salesianergasse 1b/III/Top 11, zustellungsbevollmächtigt die Arlamovsky Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Wollzeile 6-8/47, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 1. April 2016, Zl. RV/1100554/2015, betreffend Stabilitätsabgabe und Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe für das Jahr 2014 (belangte Behörde vor dem Bundesfinanzgericht: Finanzamt Feldkirch in 6800 Feldkirch, Reichsstraße 154), den Beschluss gefasst:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) wird gemäß Art. 267 AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Spruch

Widerspricht eine Regelung, die eine Abgabe von der Bilanzsumme der Kreditinstitute vorsieht, der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 ff AEUV und/oder der Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV, wenn ein Kreditinstitut mit Sitz in Österreich für Bankgeschäfte mit Kunden in der übrigen Europäischen Union zur Entrichtung der Abgabe herangezogen wird, während dies auf ein Kreditinstitut mit Sitz in Österreich, das solche Geschäfte als Gruppenspitze einer Kreditinstitutsgruppe über ein gruppenzugehöriges Kreditinstitut mit Sitz in der übrigen Europäischen Union tätigt, dessen Bilanz wegen der Gruppenzugehörigkeit mit der Bilanz des als Gruppenspitze fungierenden Kreditinstituts zu konsolidieren ist, nicht zutrifft, weil die Abgabe von der unkonsolidierten (nicht in einen Konzernabschluss einbezogenen) Bilanzsumme zu entrichten ist?

Begründung

1 A) Sachverhalt und Verfahren:

2 Die Revisionswerberin ist ein österreichisches Kreditinstitut, dessen Bilanzsumme zu einem nicht unwesentlichen Teil aus Bankgeschäften mit Kunden in anderen Mitgliedstaaten resultiert. Der Anteil der aus diesem Kundenkreis herrührenden Einlagen und sonstigen Passiven betrug ihrem Vorbringen nach im Jahr 2013 etwa ein Fünftel und im Streitjahr 2014 nicht ganz ein Viertel.

3 Mit Bescheiden vom 20. Jänner 2015 setzte das Finanzamt die von der Revisionswerberin für das Jahr 2014 zu entrichtende Stabilitätsabgabe sowie den Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe 2014 nach dem mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, eingeführten und in der Folge wiederholt geänderten Stabilitätsabgabegesetz (StabAbgG) fest.

4 In der Beschwerde dagegen beantragte die Revisionswerberin die Festsetzung beider Abgaben mit EUR 0,00. Sie begründete dies - soweit hier wesentlich - mit der behaupteten Unanwendbarkeit der die Festsetzung der Abgaben regelnden österreichischen Vorschriften wegen Unvereinbarkeit dieser Vorschriften mit Unionsrecht. Die Revisionswerberin werde durch die herangezogenen Vorschriften in ihrer Dienstleistungsfreiheit diskriminiert. Eine solche Diskriminierung könne auch versteckt erfolgen. Im vorliegenden Fall ergebe sie sich aus § 2 StabAbgG (Zugrundelegung der unkonsolidierten Bilanzsumme als Bemessungsgrundlage), weil gleichartige Vorgänge - nämlich bilanzwirksame Geschäfte mit Kunden in anderen Mitgliedstaaten - unterschiedlich behandelt würden. Bei Ausübung der Geschäfte durch konzernzugehörige juristische Personen würden solche Geschäfte von der Bemessungsgrundlage nicht erfasst, während dies bei der Revisionswerberin der Fall sei.

5 Die Revisionswerberin verwies dazu auf das Urteil vom 5. Februar 2014, Hervis Sport- es Divatkereskedelmi, C-385/12. Eine Diskriminierung, die darauf abziele, bestimmte Unternehmen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Unternehmensgruppe stärker zu belasten als solche, die keiner derartigen Gruppe angehören, sei danach unionsrechtswidrig. Dies müsse auch für den umgekehrten Fall gelten, in dem ein Unternehmen, das keiner solchen Gruppe angehöre, deswegen stärker belastet werde als ein gruppenzugehöriges Unternehmen. Diese Differenzierung hätte durch Abstellen auf die konsolidierte Bilanzsumme (mit Anrechnung allfälliger vom Tochterunternehmen in einem anderen Mitgliedstaat zu bezahlender gleichartiger Abgaben) ohne weiteres vermieden werden können.

6 Die Revisionswerberin machte auch geltend, es liege eine verbotene staatliche Beihilfe vor. In diesem Zusammenhang wandte sie sich - neben der Nichteinbeziehung der sich aus Konsolidierungen ergebenden Bemessungsgrundlagenteile - auch gegen die Nichteinbeziehung gesicherter Einlagen gemäß § 93 Bankwesengesetz und gegen den in § 3 StabAbgG vorgesehenen Freibetrag als selektive Steuerbegünstigungen, durch die der Wettbewerb zugunsten von Konkurrenten der Revisionswerberin verzerrt werde.

7 Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnis vom 1. April 2016 wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab.

8 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, in der die Revisionswerberin - soweit hier wesentlich - wieder geltend macht, die der Abgabenbemessung zugrunde gelegten Vorschriften seien unionsrechtswidrig. Ob dies zutrifft, ist für die Entscheidung über die Revision von Bedeutung.

9 Das Finanzamt Feldkirch als Verfahrensgegner der Revisionswerberin mit Parteistellung im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof hat auf die Erstattung einer Revisionsbeantwortung verzichtet.

10 B) Maßgebliche Bestimmungen des nationalen Rechts:

11 § 1 StabAbgG lautet:

"Steuergegenstand

§ 1. Der Stabilitätsabgabe unterliegt der Betrieb von Kreditinstituten. Kreditinstitute im Sinne dieses Bundesgesetzes sind solche, die über eine Konzession nach dem Bankwesengesetz (BWG), BGBl. Nr. 532/1993, verfügen und Zweigstellen von ausländischen Kreditinstituten, die gemäß BWG berechtigt sind, Dienstleistungen im Wege einer Zweigstelle in Österreich anzubieten. BV-Kassen im Sinne des Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetzes (BMSVG), BGBl. I Nr. 100/2002, sind keine Kreditinstitute im Sinne dieses Bundesgesetzes."

12 § 2 StabAbgG lautet in der für das Jahr 2014 zum Teil (siehe § 7b Abs. 2 StabAbgG) noch maßgeblichen Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 184/2013:

"Bemessungsgrundlage der Abgabe

§ 2. (1) Bemessungsgrundlage für die Stabilitätsabgabe ist die durchschnittliche unkonsolidierte Bilanzsumme (Abs. 2) des Kreditinstitutes, vermindert um die in Abs. 2 genannten Beträge. Für die Kalenderjahre 2011, 2012 und 2013 ist die

durchschnittliche unkonsolidierte Bilanzsumme jenes Geschäftsjahres zugrunde zu legen, das im Jahr 2010 endet. Ab dem darauf folgenden Kalenderjahr ist die durchschnittliche unkonsolidierte Bilanzsumme jenes Geschäftsjahres, das im Jahr vor dem Kalenderjahr endet, für das die Stabilitätsabgabe zu entrichten ist, zugrunde zu legen.

(2) Die durchschnittliche unkonsolidierte Bilanzsumme errechnet sich aus dem arithmetischen Mittel der für die ersten drei Kalendervierteljahre des Geschäftsjahres übermittelten Vermögensausweise gemäß § 74 BWG und der Bilanzsumme des Jahresabschlusses des Geschäftsjahres. Die Bilanzsumme des Kreditinstitutes ist nach den Vorschriften des § 43 ff BWG und der Anlage 2 zu § 43 BWG zu ermitteln. Die Bilanzsumme des Jahresabschlusses und die Vermögensausweise gemäß § 74 BWG sind dabei jeweils um folgende Beträge zu vermindern:

         1.       gesicherte Einlagen gemäß § 93 BWG;

2.gezeichnetes Kapital und Rücklagen;

3.Verpflichtungen gegenüber Kreditinstituten, soweit diese

aus der Erfüllung des Liquiditätserfordernisses gemäß § 25 BWG entstanden sind. Eine Verminderung ist nur in jenem Ausmaß zulässig, als Forderungen an das Zentralinstitut oder ein anderes Kreditinstitut im Sinne des § 25 Abs. 13 BWG bestehen, die der Erfüllung der eigenen Liquiditätshaltungspflicht gemäß § 25 BWG dienen und das Zentralinstitut oder das andere Kreditinstitut im Sinne des § 25 Abs. 13 BWG der Stabilitätsabgabe gemäß diesem Bundesgesetz oder einer vergleichbaren Abgabe in einem Mitgliedstaat (§ 2 Z 5 BWG) unterliegt;

         4.       Verbindlichkeiten und andere Passivposten von

Kreditinstituten, die der Europäischen Kommission nach den unionsrechtlichen Vorschriften über staatliche Beihilfen gemäß Art 107 ff AEUV einen Abwicklungs- oder Restrukturierungsplan vorzulegen haben, sofern das Kreditinstitut abgewickelt wird und kein Neugeschäft abgeschlossen werden darf; dies umfasst auch Verbindlichkeiten von Kreditinstituten aus Anleiheemissionen, deren Gegenwert solchen Kreditinstituten zur Verfügung gestellt wurde und diese Transaktion Teil des Restrukturierungsplanes ist;

         5.       Verbindlichkeiten, für die der Bund die Haftung nach dem

Ausfuhrfinanzierungsförderungsgesetz 1981, (AFFG), BGBl. Nr. 216/1981, übernommen hat sowie Verbindlichkeiten aus Guthaben des Bundes auf dem gemäß § 7 Ausfuhrförderungsgesetz, (AusFG), BGBl. Nr. 215/1981, eingerichteten Konto;

         6.       Verbindlichkeiten auf Grund von Treuhandgeschäften, für

die das Kreditinstitut lediglich das Gestionsrisiko trägt, soweit sie in der Bilanzsumme enthalten sind.

(3) Bei ab dem Jahr 2010 neu gegründeten Kreditinstituten, die nicht unter Abs. 5 fallen, ist die durchschnittliche unkonsolidierte Bilanzsumme jenes Geschäftsjahres, das im Jahr vor dem Kalenderjahr endet, für das die Stabilitätsabgabe zu entrichten ist, zugrunde zu legen.

(4) Kommen in einem Kalenderjahr mehrere Bilanzsummen des Jahresabschlusses als Bemessungsgrundlage in Betracht, dann ist jener Jahresabschluss maßgebend, der für das zuletzt im Kalenderjahr endende Geschäftsjahr aufgestellt wird. Endet in einem Kalenderjahr kein Geschäftsjahr, dann ist die Bilanzsumme der Eröffnungsbilanz maßgebend. Bei einem Rumpfgeschäftsjahr ist Abs. 1 letzter Satz entsprechend der Anzahl der vorhandenen Kalendervierteljahre sinngemäß anzuwenden.

(5) Ist im Zeitraum zwischen dem nach Abs. 1 maßgeblichen Bilanzstichtag und dem Jahr, für das die Stabilitätsabgabe zu entrichten ist, Vermögen durch eine Umgründung im Sinne des Umgründungssteuergesetzes (UmgrStG), BGBl. Nr. 699/1991, auf ein Kreditinstitut im Sinne des § 1 übergegangen, erfolgt eine Erfassung dieses Vermögens beim Rechtsnachfolger. Beim Rechtsvorgänger ist dieses Vermögen zum Abzug zu bringen.

(6) Für Kreditinstitute gemäß § 1 mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat (§ 2 Z 5 BWG), die in Österreich im Wege einer Zweigstelle tätig sind, ist eine fiktive Bilanzsumme des dieser Zweigstelle zuzurechnenden Geschäftsvolumens nach den Bestimmungen des Abs. 1 bis 5 zu errechnen und bildet diese die Bemessungsgrundlage."

13 § 2 StabAbgG in der für das Jahr 2014 ebenfalls maßgeblichen Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 184/2013 unterscheidet sich davon durch folgende mit diesem Gesetz vorgenommene Änderungen:

1. § 2 Abs. 2 erster Satz lautet:

"Die durchschnittliche unkonsolidierte Bilanzsumme errechnet sich aus dem arithmetischen Mittel der für die ersten drei Kalendervierteljahre des Geschäftsjahres übermittelten Aufstellung über die Kapital- und Gruppensolvenz, die im Rahmen des Meldewesens (§ 74 BWG) ermittelt wird, und der Bilanzsumme des Jahresabschlusses des Geschäftsjahres."

         2.       § 2 Abs. 2 Z 3 lautet:

         "3.      Verpflichtungen gegenüber Kreditinstituten, soweit

diese aus der Erfüllung des Liquiditätserfordernisses gemäß § 25 BWG entstanden sind. Eine Verminderung ist nur in jenem Ausmaß zulässig, als Forderungen an das Zentralinstitut oder ein anderes Kreditinstitut gemäß § 27a BWG bestehen, die der Erfüllung der eigenen Liquiditätshaltungspflicht gemäß § 25 BWG dienen und das Zentralinstitut oder das andere Kreditinstitut gemäß § 27a BWG der Stabilitätsabgabe gemäß diesem Bundesgesetz oder einer vergleichbaren Abgabe in einem Mitgliedstaat (§ 2 Z 5 BWG) unterliegt;"

         3.       Nach § 2 Abs. 2 Z 3 wird folgende Z 3a eingefügt:

         "3a.    Verpflichtungen gegenüber Kreditinstituten, soweit

diese aus der Erfüllung des Liquiditätserfordernisses gemäß Teil 6 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 entstanden sind. Eine Verminderung ist nur in jenem Ausmaß zulässig, als Forderungen an das Zentralinstitut oder ein anderes Kreditinstitut gemäß § 27a BWG bestehen, die der Erfüllung der eigenen Liquiditätshaltungspflicht gemäß Teil 6 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 dienen und das Zentralinstitut oder das andere Kreditinstitut gemäß § 27a BWG der Stabilitätsabgabe gemäß diesem Bundesgesetz oder einer vergleichbaren Abgabe in einem Mitgliedstaat (§ 2 Z 5 BWG) unterliegt;"

14 § 3 StabAbgG lautet in der für das Jahr 2014 zum Teil (siehe § 7b Abs. 2 StabAbgG) noch maßgeblichen Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 13/2014:

"Höhe der Stabilitätsabgabe

§ 3. Die Stabilitätsabgabe beträgt für jene Teile der Bemessungsgrundlage gemäß § 2,

1.die einen Betrag von einer Milliarde Euro überschreiten

und 20 Milliarden Euro nicht überschreiten, 0,055%,

2.die einen Betrag von 20 Milliarden Euro überschreiten, 0,085%."

15 In der für das Jahr 2014 ebenfalls maßgeblichen Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 13/2014 lautet § 3 StabAbgG:

"Höhe der Stabilitätsabgabe

§ 3. Die Stabilitätsabgabe beträgt für jene Teile der Bemessungsgrundlage gemäß § 2,

1.die einen Betrag von einer Milliarde Euro überschreiten und 20 Milliarden Euro nicht überschreiten, 0,09%,

2.die einen Betrag von 20 Milliarden Euro überschreiten, 0,11%."

16 Die Berechnung der Stabilitätsabgabe für das Streitjahr 2014 regelt § 7b Abs. 2 StabAbgG in der - hier in ihren für die Vorlagefrage nicht wesentlichen Details nicht dargestellten - Form einer kombinierten Anwendung der zitierten Vorschriften vor und nach den Änderungen durch die Bundesgesetze BGBl. I Nr. 184/2013 und Nr. 13/2014.

17 Der Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe ist in Prozentsätzen der als Stabilitätsabgabe zu entrichtenden Beträge zu berechnen (§ 7a Abs. 1 StabAbgG).

18 C) Erläuterung des Vorlagebeschlusses:

19 Die Revisionswerberin beantragt auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof die Festsetzung der Abgaben mit EUR 0,00 und vertritt dazu die Ansicht, es sei "vollkommen klar", dass die §§ 2 und 3 StabAbgG infolge des Anwendungsvorranges des Unionsrechts nicht angewendet werden dürften (Punkt IV.A.1 der Revision).

20 Begründet wird dies in Bezug auf die behauptete Diskriminierung der Revisionswerberin in ihrer Dienstleistungsfreiheit (Punkt IV.A.2 der Revision) und auf das behauptete Vorliegen einer verbotenen staatlichen Beihilfe (Punkt IV.A.3 der Revision) im Wesentlichen wie im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht, wobei auf dessen Gegenargumente eingegangen und nun auch ausdrücklich vorgebracht wird, das Abstellen auf die unkonsolidierte Bilanzsumme könne österreichische Unternehmen wie die Revisionswerberin von Geschäften mit Kunden in anderen Mitgliedstaaten abhalten.

21 Darüber hinaus wird geltend gemacht (Punkt IV.A.4 der Revision), die diskriminierende Heranziehung der unkonsolidierten Bilanzsumme als Bemessungsgrundlage bedeute mit Rücksicht auf die Natur des Geschäfts der Revisionswerberin auch eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit. In diesem Zusammenhang wird auf die Urteile vom 2. Juni 2005, Kommission/Italien, C-174/04, vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in the FII Group Litigation, C- 446/04, und vom 24. Mai 2007, Holböck, C-157/05, Bezug genommen.

22 Die aus § 2 StabAbgG resultierende Einbeziehung des Auslandsgeschäfts der Revisionswerberin in die Bemessungsgrundlage der Abgaben bei gleichzeitiger Freistellung des Auslandsgeschäfts von Mitbewerbern, die sich dafür im Rahmen einer Unternehmensgruppe selbständiger Gesellschaften bedienen, scheint im Sinne des Vorbringens der Revisionswerberin unter dem Gesichtspunkt einer versteckten Diskriminierung die Frage der Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit der Dienstleistungsfreiheit und auch mit der Kapitalverkehrsfreiheit aufzuwerfen. Dem Verwaltungsgerichtshof ist nicht "vollkommen klar", dass sich aus dem zur Niederlassungsfreiheit ergangenen Urteil Hervis Sport- es Divatkereskedelmi und aus der in der Revision auch zitierten Judikatur zur Kapitalverkehrsfreiheit die Unionsrechtswidrigkeit der der Abgabenbemessung im vorliegenden Fall zugrunde gelegten Vorschriften ergibt. Judikatur, nach der das Gegenteil schon offenkundig wäre, scheint bislang jedoch nicht vorzuliegen. Träfe die Ansicht der Revisionswerberin zu, so könnte ihre Revision nicht abgewiesen werden. Im Sinne des von ihr - für den Fall der Verneinung der Offenkundigkeit der behaupteten Unionsrechtswidrigkeit - gestellten Antrages wird daher die eingangs formulierte Frage mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV vorgelegt.

23 Der Schuldner einer Abgabe kann sich aber nicht darauf berufen, dass die Befreiung anderer Unternehmen eine staatliche Beihilfe darstelle, um sich selbst so der Zahlung dieser Abgabe zu entziehen (vgl. nur beispielsweise das Urteil vom 15. Juni 2006, Air Liquide Industries Belgium, C-393/04 und C-41/05, Rn. 43, mit Hinweis auf das Urteil vom 20. September 2001, Banks, C-390/98, Rn. 80, sowie das Urteil vom 6. Oktober 2015, Finanzamt Linz, C- 66/14, Rn. 21). Für die Begünstigung anderer Unternehmen bei der Bemessung einer Abgabe kann nichts anderes gelten. Die von der Revisionswerberin auch beantragte Vorlage von Fragen zum Beihilfencharakter der Regelung ist daher nicht Teil dieses Ersuchens.

Gerichtsentscheidung

EuGH 62004CJ0174 Kommission / Italien
EuGH 62004CJ0393 Air Liquide Industries Belgium VORAB
EuGH 62004CJ0446 Test Claimants in the FII Group Litigation VORAB
EuGH 62005CJ0157 Holböck VORAB
EuGH 62012CJ0385 Hervis Sport VORAB
EuGH 62014CJ0066 Finanzamt Linz VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RO2016130012.J00

Im RIS seit

05.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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