TE Vwgh Beschluss 2020/10/13 Ra 2019/16/0105

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Veröffentlicht am 13.10.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
34 Monopole

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z1
B-VG Art130 Abs1 Z2
B-VG Art130 Abs2
B-VG Art132 Abs1 Z1
B-VG Art132 Abs2
GSpG 1989 §56a
GSpG 1989 §56a Abs1
GSpG 1989 §56a Abs3
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und den Hofrat Dr. Mairinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der I KG in I, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 8. März 2019, LVwG-2018/12/0783-8, betreffend Maßnahmenbeschwerde in einer Angelegenheit nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Tirol), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Während einer Kontrolle am 25. Februar 2018 verfügte ein Kontrollorgan der belangten Behörde im Lokal der revisionswerbenden Partei die teilweise Betriebsschließung gemäß § 56a Abs. 1 Glücksspielgesetz (GSpG).

2        Mit Schriftsatz vom 9. April 2018 erhob die revisionswerbende Partei eine Maßnahmenbeschwerde wegen der teilweisen Betriebsschließung.

3        Mit Bescheid vom 18. April 2018 ordnete die Landespolizeidirektion Tirol nachträglich die teilweise Betriebsschließung des Lokals gemäß § 56a Abs. 1 iVm Abs. 3 GSpG ab 25. Februar 2018 an (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig erklärte sie die teilweise Betriebsschließung nach Ablauf eines Monats am 25. März 2018 für aufgehoben (Spruchpunkt II.).

4        Die von der revisionswerbenden Partei gegen den Bescheid vom 18. April 2018 erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Tirol mit Beschluss vom 6. Dezember 2018, LVwG-2018/42/1207-1, als unzulässig zurück.

5        Mit dem angefochtenen Beschluss vom 8. März 2019, LVwG-2018/12/0783-8, stellte das Landesverwaltungsgericht Tirol das Maßnahmenbeschwerdeverfahren ein und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

6        Begründend führte das Landesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, durch den (rechtskräftigen) Bescheid vom 18. April 2018 sei die teilweise Betriebsschließung für den genannten Zeitraum bestätigt worden. Die Rechtmäßigkeit dieses Titelbescheids sei im Maßnahmenbeschwerdeverfahren nicht mehr zu prüfen. Eine Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt verliere, wenn sie durch Bescheid bestätigt werde, ihre Eigenschaft als eigenständig bekämpfbarer Verwaltungsakt. Das Maßnahmenbeschwerdeverfahren sei daher einzustellen.

7        Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

9        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision (gesondert) vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11       Die revisionswerbende Partei trägt zur Zulässigkeit ihrer Revision vor, der angefochtene Beschluss stehe im Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Subsidiarität des Maßnahmenbeschwerdeverfahrens zum Bescheidbeschwerdeverfahren. Die revisionswerbende Partei habe ein Rechtsschutzbedürfnis an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Betriebsschließung. Im Bescheidbeschwerdeverfahren sei über die in Beschwerde gezogene Rechtswidrigkeit der Betriebsschließung nicht inhaltlich befunden worden. Das Maßnahmenbeschwerdeverfahren sei daher dafür das einzige Mittel.

12       § 56a Abs. 1 und Abs. 3 GSpG lauten (samt Überschrift):

„Betriebsschließung

§ 56a. (1) Besteht der begründete Verdacht, daß im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit Glücksspiele entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes veranstaltet oder durchgeführt werden, und ist mit Grund anzunehmen, daß eine Gefahr der Fortsetzung besteht, so kann die Behörde ohne vorausgegangenes Verfahren, aber nicht ohne vorher zur Einstellung der entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes veranstalteten oder durchgeführten Glücksspiele aufgefordert zu haben, an Ort und Stelle die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes verfügen. [...]

(3) Über eine Verfügung nach Abs. 1 ist binnen eines Monats ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die Verfügung als aufgehoben gilt. [...]“

13       Die faktische Betriebsschließung ist ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, der einer Maßnahmenbeschwerde zugänglich ist, solange darüber kein schriftlicher Bescheid vorliegt. Wird ein Bescheid über die faktische Amtshandlung erlassen, dann wird die in der faktischen Amtshandlung liegende individuelle Norm Bestandteil des Bescheids (vgl. VwGH 21.11.2018, Ra 2017/17/0840, mwN).

14       Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass der Rechtsbehelf der Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dem Zweck dient, eine Lücke im Rechtsschutzsystem zu schließen. Mit dieser Beschwerde sollten aber nicht Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein und desselben Rechts geschaffen werden. Was in einem Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, kann daher nicht Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde sein (vgl. VwGH 20.3.2019, Ra 2018/09/0090, mwN).

15       Wurde ein Betriebsschließungsbescheid erlassen, können die - bereits vorgenommenen - mit der Betriebsschließung zusammenhängenden faktischen Verfügungen nicht mehr mit Maßnahmenbeschwerde bekämpft werden. Ein bereits anhängiges Verfahren über eine Maßnahmenbeschwerde ist in diesem Fall einzustellen (vgl. VwGH 24.10.2019, Ra 2019/15/0075).

16       Auch dann, wenn ein Betriebsschließungsbescheid nach Ablauf der Monatsfrist des § 56a Abs. 3 GSpG erlassen wird, wird die faktische Amtshandlung vom Spruch dieses Bescheids erfasst. Auch ein solcher Betriebsschließungsbescheid, mag er auch rechtswidrig sein, wird rechtlich existent. Die Rechtswidrigkeit des Bescheids kann im Wege der Bescheidbeschwerde geltend gemacht werden (vgl. nochmals VwGH 24.10.2019, Ra 2019/15/0075, mwN).

17       Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung gelingt es der Revision in der Zulässigkeitsbegründung somit nicht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuwerfen.

18       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückgewiesen.

Wien, am 13. Oktober 2020

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019160105.L00

Im RIS seit

21.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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