TE Lvwg Erkenntnis 2020/4/16 VGW-041/078/6646/2019

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Veröffentlicht am 16.04.2020
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Entscheidungsdatum

16.04.2020

Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ASVG §67a Abs8

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Marcus Osterauer über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 4. April 2019, Zl. …, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG),

zu Recht e r k a n n t:

I. Der Beschwerde wird stattgegeben, das angefochten Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall VStG eingestellt.

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1. Bekämpftes Straferkenntnis:

Das gegen den Beschwerdeführer als Beschuldigten gerichtete Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien (in Folge: belangte Behörde) vom 4. April. 2019, …, enthält folgenden Spruch:

„Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1991 zur Vertretung nach außen Berufener der C. GmbH mit Sitz in Wien, D., zu verantworten, dass

diese Gesellschaft als Auftrag gebendes Unternehmen (Weitergabe der Erbringung von Bauleistungen an die E. GmbH) die Auskunftspflichten nach § 67a Abs. 8 ASVG verletzt hat, als

diese entgegen § 67a Abs. 8 ASVG, wonach ein Auftrag gebendes Unternehmen dem Krankenversicherungsträger längstens binnen 14 Tagen Auskunft über die von Ihnen beauftragten Unternehmen und über die weitergegebenen Bauleistungen zu erteilen hat,

der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (NÖGKK) trotz Aufforderung (Schreiben von 20.09.2018, zugestellt am 04.10.2018 durch Hinterlegung und folgendes Urgenzschreiben vom 25.10.2018 zugestellt am 30.10.2018 durch Hinterlegung)

in der Zeit vom 19.10.2018 bis zumindest 16.11.2018 keine Auskunft darüber erteilt hat, ob die in den beiden og. Schreiben der NÖGKK aufgelisteten Teilrechnungen der E. GmbH in der angeführten Höhe und zu den angeführten Zeitpunkten beglichen worden sind.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 112a in Verbindung mit § 67a Abs. 8 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 in der geltenden Fassung

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von          falls diese uneinbringlich ist, Gemäß

                                    Ersatzfreiheitsstrafe von

€ 1.500,00                   1 Tag 10 Stunden                   § 112a ASVG i.d.g.F.

                                                                                 in Verbindung mit

                                                                                 § 9 Abs. 1 VStG

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG zu zahlen:

€ 150,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, jedoch mindestens 10 Euro für jedes Delikt.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher

€ 1.650,00

Die C. GmbH haftet für die mit diesem Bescheid über den zur Vertretung nach außen Berufenen, Herr A. B. verhängte Geldstrafe von € 1.500,00 und die Verfahrenskosten in der Höhe von € 150,00 sowie für sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand.“

In der Begründung des Straferkenntnisses führte die belangte Behörde Folgendes aus:

„[…]

Die Ihnen zur Last gelegte und im Spruch näher ausgeführte Verwaltungsübertretung gelangte der erkennenden Behörde durch eine Anzeige der NÖGKK zur Kenntnis. Die Anzeige wurde von der NÖGKK gelegt, da das Auskunftsbegehren der NÖGKK unbeantwortet blieb.

Sie sind als handelsrechtlicher Geschäftsführer gemäß § 9 Abs. 1 VStG für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch die im Spruch genannte Gesellschaft verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich.

Da sie einer ordnungsgemäß zugestellten Aufforderung zur Rechtfertigung trotz Androhung der Rechtsfolgen des § 42 Abs. 1 Z.2 VStG ungerechtfertigt keine Folge geleistet haben, war das Strafverfahren ohne Ihre Anhörung durchzuführen, und es ist die Ihnen zur Last gelegte Tat aufgrund der schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen des Anzeigenlegers in objektiver Hinsicht als erwiesen anzusehen.

Bei der vorliegenden Verwaltungsübertretung handelt es sich um ein so genanntes Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG. Gemäß dieser Bestimmung genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter/die Täterin nicht glaubhaft macht, dass ihn/sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Ein derartiges Vorbringen, das geeignet gewesen wäre, Ihr mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen, haben Sie aber nicht erstattet. Demnach sind auch die subjektiven Voraussetzungen für die Strafbarkeit zweifelsfrei erwiesen.

Zur Bemessung der Strafhöhe:

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist die Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfälligen Sorgepflichten des/der Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der objektive Unrechtsgehalt der Tat und das Verschulden sind im vorliegenden Fall durchschnittlich.

Erschwerungs- und Milderungsgründe sind nicht hervorgekommen.

Ihre Vermögens- und Einkommensverhältnisse und allfälligen Sorgepflichten haben Sie der Behörde nicht bekannt gegeben. Es wurden mangels Angaben durchschnittliche Werte angenommen, da sich keine Anhaltspunkte für eine schlechte wirtschaftliche Lage ergaben.

Unter Berücksichtigung aller Strafzumessungsgründe ist die verhängte Strafe nicht zu hoch bemessen.

Der Kostenausspruch und der Ausspruch über die Haftung stützen sich auf die im Spruch angeführten zwingenden Bestimmungen des Gesetzes.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

2. Beschwerde und Beschwerdeverfahren:

2.1. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in der er (auf das Wesentlichste zusammengefasst) ausführte, dass ihm die beiden Aufforderungsschreiben nicht zugegangen seien. Er sei im Oktober und November 2018 nicht in Wien aufhältig gewesen. Er habe die Auskunft daher gar nicht erteilen können und habe keine Kenntnis von den Aufforderungsschreiben gehabt. Hätte „die Behörde“ ihr Auskunftsbegehren telefonisch oder via E-Mail oder mit nicht eingeschrieben versendetem Brief gestellt, hätte er dieses jedenfalls unverzüglich beantwortet. Mittlerweile habe er auch die von der NÖGKK begehrte Auskunft erteilt. Sollte „die erkennende Behörde“ zur Erkenntnis gelangen, dass eine Bestrafung geboten sei, verweise er darauf, dass das Verschulden äußerst geringfügig und die Tat keine Folgen gehabt habe, sodass in Anwendung des § 20 VStG eine außerordentliche Strafmilderung geboten erscheine und er ersuche, es bei einer Abmahnung bewenden zu lassen bzw. die verhängte Geldstrafe angemessen herabzusetzen. Weiters verfüge er nur über ein monatliches Einkommen von durchschnittlich 1.200,00 Euro und sei für zwei minderjährige Kinder sowie eine einkommenslose Ehefrau sorgepflichtig, sodass eine Milderung der verhängten Strafe jedenfalls geboten sei.

2.2. Die belangte Behörde nahm von einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und legte die Beschwerde unter Anschluss des Verwaltungsaktes dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vor.

2.3. Die NÖGKK erstatte am 12. Juni 2019 eine Stellungnahme, in der sie (auf das Wesentlichste zusammengefasst) ausführte, dass das Schreiben vom 20. September 2018 am 4. Oktober 2018 und das Urgenzschreiben vom 25. Oktober 2018 am 30. Oktober 2018 jeweils durch Hinterlegung an die C. GmbH zugestellt worden seien. Da beide Schreiben nicht mit dem Vermerk „nicht behoben“ an die NÖGKK retourniert worden seien, sei auch davon auszugehen, dass die Schriftstücke abgeholt worden seien. Eine Auskunftserteilung sei bis dato nicht erfolgt.

2.4. Am 28. Jänner 2020 fand vor dem Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der trotz ordnungsgemäßer Ladung weder der Beschwerdeführer noch die C. GmbH noch die ÖGK (als Rechtsnachfolgerin der NÖGKK) teilnahmen.

3. Festgestellter Sachverhalt und Beweiswürdigung:

3.1. Folgender Sachverhalt wird festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der zu FN … des Firmenbuches beim Handelsgericht Wien protokollierten C. GmbH mit Sitz in Wien, D. (unstrittig; Firmenbuchauszug). Die C. GmbH gab als Auftraggeberin Bauleistungen im Sinne des § 19 Abs. 1a UStG an die E. GmbH, F., G.-weg, weiter (unstrittig).

Mit Schreiben vom 20. September 2018 ersuchte die NÖGKK die C. GmbH unter Hinweis auf die in § 67a Abs. 8 ASVG normierte Pflicht der Auftrag gebenden Unternehmen den Krankenversicherungsträgern wahrheitsgemäß längstens binnen 14 Tagen Auskunft über die von ihnen beauftragten Unternehmen und über die weitergegeben Bauleistungen zu erteilen, „um Bestätigung bzw. Klarstellung bzw um Bekanntgabe“, ob und wann und in welchem Ausmaß fünf von der E. GmbH an die C. GmbH gelegte und jeweils mit Rechnungsnummer, Rechnungsdatum und Rechnungsbetrag bezeichnete Teilrechnungen bezahlt wurden. Dieses Schreiben wurde der C. GmbH am 4. Oktober 2018 durch Hinterlegung zugestellt (Schreiben vom 20. September 2018; Zustellnachweis; unstrittig).

Mit einem weiteren Schreiben vom 25. Oktober 2018 forderte die NÖGKK die C. GmbH unter Hinweis darauf, dass sie bis dato auf ihr Schreiben vom 20. September 2018 keine Antwort erhalten habe, und unter neuerlichen Hinweis auf die Auskunftsverpflichtung gemäß § 67a Abs. 8 ASVG dazu auf, binnen einer Woche ab Zustellung eine Stellungnahme abzugeben bzw. mit der NÖGKK Kontakt aufzunehmen, andernfalls Strafanzeige erstattet werden Dieses Schreiben wurde der C. GmbH am 30. Oktober 2018 durch Hinterlegung zugestellt (Schreiben vom 25. Oktober 2018; Zustellnachweis; unstrittig).

Sowohl das Schreiben vom 20. September 2018 als auch das Schreiben vom 25. Oktober 2018 wurden nicht an die NÖGKK retourniert (unstrittig).

Die C. GmbH gab bis zumindest 16. November 2018 nicht bekannt, ob, wann und in welchen Ausmaß die in den Schreiben vom 20. September 2018 und vom 25. Oktober 2018 angeführten Teilrechnungen bezahlt wurden (unstrittig).

Der Beschwerdeführer erzielt ein Einkommen von 1.200,00 Euro netto monatlich, verfügt über kein Vermögen und ist für zwei minderjährige Kinder und eine einkommenslose Ehegattin unterhaltspflichtig (Angaben des Beschwerdeführers). Der Beschwerdeführer weist zwei nicht einschlägige verwaltungsstrafrechtliche Vorstrafen auf (Datenbankauszug AS 4)

3.2. Zur Beweiswürdigung:

Die Feststellungen stützen sich auf die jeweils in Klammer angegebenen Beweismittel und sind unstrittig. Insbesondere hat der Beschwerdeführer weder bestritten, dass die C. GmbH als Auftrag gebendes Unternehmen Bauleistungen im Sinne des § 19a Abs. 1 UStG an die E. GmbH als beauftragtes Unternehmen ganz oder teilweise weitergegeben hat noch, dass die C. GmbH die von der NÖGKK begehrten Auskünfte nicht bis 16. November 2018 erteilt hat. Dass die Voraussetzungen für einen Haftungsentfall gemäß § 67a Abs. 3 ASVG vorliegen, hat der Beschwerdeführer ebenfalls nicht vorgebracht.

4. Rechtslage:

4.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des § 67a des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955 ASVG lauteten in der im maßgeblichen Zeitraum 19. Oktober 2018 bis 16. November 2018 in Geltung gestandenen Fassung BGBl. I Nr. 113/2015 wie folgt:

„Haftung bei Beauftragung zur Erbringung von Bauleistungen
§ 67a.

(1) Wird die Erbringung von Bauleistungen nach § 19 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes 1994 von einem Unternehmen (Auftrag gebendes Unternehmen) an ein anderes Unternehmen (beauftragtes Unternehmen) ganz oder teilweise weitergegeben, so haftet das Auftrag gebende Unternehmen für alle Beiträge und Umlagen (§ 58 Abs. 6), die das beauftragte Unternehmen an österreichische Krankenversicherungsträger abzuführen hat oder für die es nach dieser Bestimmung haftet, bis zum Höchstausmaß von 20 % des geleisteten Werklohnes, wenn kein Befreiungsgrund nach Abs. 3 vorliegt.

(8) Die Auftrag gebenden Unternehmen haben den Krankenversicherungsträgern wahrheitsgemäß längstens binnen 14 Tagen Auskunft über die von ihnen beauftragten Unternehmen und über die weitergegebenen Bauleistungen zu erteilen. Erteilt ein auskunftspflichtiges Unternehmen keine Auskunft, so gilt es, so lange die erforderliche Auskunft nicht erteilt wird, bezüglich der weitergegebenen Bauleistungen jedenfalls als Auftrag gebendes Unternehmen aller nachfolgend beauftragten Unternehmen, wenn gegen diese Unternehmen zur Hereinbringung von Beiträgen und Umlagen erfolglos Exekution geführt wurde oder bezüglich dieser Unternehmen ein Insolvenztatbestand nach § 1 IESG vorliegt, es sei denn, dass ein Haftungsbefreiungsgrund nach Abs. 3 nachgewiesen werden kann.

(9) Die Auftrag gebenden Unternehmen haben den gehörig ausgewiesenen Bediensteten der Krankenversicherungsträger während der Betriebszeit Einsicht in alle Geschäftsbücher und Belege sowie sonstige Aufzeichnungen zu gewähren, die für die Haftung nach Abs. 1 von Bedeutung sind.

…“

4.2. § 112a des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955 ASVG lautete in der im maßgeblichen Zeitraum 19. Oktober 2018 bis 16. November 2018 in Geltung gestandenen Fassung BGBl. I Nr. 139/2013 wie folgt:

„Verstöße gegen besondere Auskunfts- und Einsichtsgewährungspflichten
§ 112a.

Wer die Auskunfts- oder Einsichtsgewährungspflichten nach § 67a Abs. 8, 8a oder 9 verletzt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von 1 000 bis 10 000 €, im Wiederholungsfall von 2 000 € bis 20 000 €, zu bestrafen, sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist.“

5. Rechtliche Beurteilung:

5.1. Im angefochtenen Straferkenntnis wird dem Beschwerdeführer als handelsrechtlichem Geschäftsführer der C. GmbH zur Last gelegt, dass die C. GmbH als Auftrag gebendes Unternehmen entgegen ihrer Verpflichtung gemäß § 67a Abs. 8 ASVG der NÖGKK keine Auskunft darüber erteilt habe, ob, in welcher Höhe und wann Teilrechnungen der beauftragten E. GmbH über weitergegeben Bauleistungen beglichen worden seien. Gemäß § 67a Abs. 8 ASVG haben die Auftrag gebenden Unternehmen den Krankenversicherungsträgern wahrheitsgemäß längstens binnen 14 Tagen „Auskunft über die von ihnen beauftragten Unternehmen und über die weitergegebenen Bauleistungen zu erteilen“. Zu prüfen ist daher zunächst, ob es sich bei der von der NÖGKK begehrten Auskunft über die Bezahlung der vom beauftragten Unternehmen über die weitergegebene Bauleistungen gelegten Rechnungen um eine Auskunft über das von der C. GmbH beauftragte Unternehmen und/oder über die weitergegeben Bauleistungen im Sinne des § 67a Abs. 8 ASVG handelt.

5.2. Höchstgerichtliche Judikatur zur Frage, ob die Auskunftspflicht gemäß § 67a Abs. 8 ASVG auch die Pflicht zur Erteilung von Auskünften über die Bezahlung der vom beauftragten Unternehmen über die weitergegebenen Bauleistungen gelegten Rechnungen umfasst, liegt - soweit ersichtlich - nicht vor.

5.3. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist auch im öffentlichen Recht bei der Auslegung von Rechtsnormen nach jenen grundlegenden Regeln des Rechtsverständnisses vorzugehen, die im ABGB für den Bereich der Privatrechtsordnung normiert sind. § 6 ABGB verweist zunächst auf die Bedeutung des Wortlauts in seinem Zusammenhang. Daher ist grundsätzlich zu fragen, welche Bedeutung einem Ausdruck nach dem allgemeinen Sprachgebrauch oder nach dem Sprachgebrauch des Gesetzgebers zukommt. Dafür müssen die objektiven, jedermann zugänglichen Kriterien des Verständnisses statt des subjektiven Verständnishorizonts der einzelnen Beteiligten im Vordergrund stehen. Die Bindung der Verwaltung an das Gesetz nach Art. 18 B-VG bewirkt einen Vorrang des Gesetzeswortlautes aus den Gründen der Rechtsstaatlichkeit und der demokratischen Legitimation der Norm (VwGH 30. September 2019, Ra 2019/01/0312).

5.4.1. Die Bedeutung der Wortfolgen „Auskunft über die von ihnen beauftragten Unternehmen“ und „Auskunft […] über die weitergegeben Bauleistungen“ im Sinne des § 67a Abs. 8 erster Satz ASVG muss daher nach dem allgemeinen Sprachgebrauch oder nach dem Sprachgebrauch des Gesetzgebers des ASVG ermittelt werden.

5.4.2. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch umfasst eine Auskunft über ein „beauftragtes Unternehmen“ Auskünfte über die Firma, den Sitz, die Rechtsform, die Anschrift, den Unternehmensgegenstand, den Umsatz des Unternehmens und dergleichen, nicht jedoch Auskünfte darüber, ob, wann und mit welchem Betrag eine bestimmte von diesem Unternehmen ausgestellte Rechnung bezahlt wurde. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch umfasst eine Auskunft über „weitergegebene Bauleistungen“ lediglich die Art und die Menge bzw. das Ausmaß der weitergegebenen Bauleistungen sowie den Ort, an dem die weitergegebenen Bauleistungen zu erbringen sind, nicht jedoch eine Auskunft darüber, ob und wann und mit welchen Betrag die vom beauftragten Unternehmen für die weitergegebenen Bauleistungen gestellten Rechnungen bezahlt wurden.

5.4.3.1. Dafür, dass der Gesetzgeber des ASVG unter Auskünften über das beauftragte Unternehmen und/oder die weitergegebenen Bauleistungen auch Auskünfte über die Bezahlung der vom beauftragten Unternehmen über die weitergegebenen Bauleistungen gelegten Rechnungen verstanden hat, gibt es keinen Hinweis. Wenn der Gesetzgeber in § 67a Abs. 8 ASVG dem Auftrag gebenden Unternehmen eine Auskunftspflicht auch über die Bezahlung der vom beauftragten Unternehmen über die weitergegebenen Bauleistungen gelegten Rechnungen auferlegen hätte wollen, wäre zu erwarten gewesen, dass der Gesetzgeber – etwa anknüpfend an die verba legalia des § 67a Abs. 1 ASVG - ausdrücklich eine Auskunftspflicht des Auftrag gebenden Unternehmens über Höhe und Zahlungszeitpunkt des an das beauftragte Unternehmen für die weitergegebenen Bauleistungen geleisteten Werklohns statuiert hätte.

5.4.3.2. Dagegen, dass die Auskunftspflicht gemäß § 67a Abs. 8 ASVG nach dem Sprachgebrauch des Gesetzgebers des ASVG auch Auskünfte über die Bezahlung der vom beauftragten Unternehmen über die weitergegebenen Bauleistungen gelegten Rechnungen umfasst, spricht auch, dass der Gesetzgeber in § 67a Abs. 9 ASVG das Auftrag gebende Unternehmen dazu verpflichtet hat, den gehörig ausgewiesenen Beauftragten der Krankenversicherungsträger Einsicht in alle Geschäftsbücher und Belege sowie sonstige Aufzeichnungen zu gewähren, „die für die Haftung nach Abs. 1 von Bedeutung sind.“ Die Verpflichtung zur Einsichtsgewährung nach § 67a Abs. 9 ASVG ist daher hinsichtlich ihres Gegenstandes ihrem Wortlaut nach umfassender als die Verpflichtung zur Auskunftserteilung nach § 67a Abs. 8 ASVG und umfasst jedenfalls auch das Recht auf Einsichtnahme in Belege und Aufzeichnungen über Werklohnzahlungen. Auch die in § 42 Abs. 1 Z 1 ASVG normierte Verpflichtung der Dienstgeber zur Auskunftserteilung an die Versicherungsträger umfasst „alle für das Versicherungsverhältnis maßgebenden Umstände“. Hätte der Gesetzgeber des ASVG daher in § 67a Abs. 8 ASVG den Auftrag gebenden Unternehmen eine auch Auskünfte über die Bezahlung der vom beauftragten Unternehmen über die weitergegebenen Bauleistungen gelegten Rechnungen umfassende Auskunftspflicht auferlegen wollen, wäre nach dem Sprachgebrauch des Gesetzgebers des ASVG eine an § 67a Abs. 9 ASVG und § 42 Abs. 1 ASVG angelehnte Formulierung zu erwarten gewesen.

5.5. Im Übrigen zeigt auch eine systematische Betrachtung, dass die Auskunftspflicht gemäß § 67a Abs. 8 ASVG nicht auch Auskünfte über die Bezahlung der vom beauftragten Unternehmen über die weitergegebenen Bauleistungen gelegten Rechnungen umfasst. Die in § 67a Abs. 8 erster Satz ASVG statuierte und auf das beauftragte Unternehmen und die weitergegebenen Bauleistungen beschränkte Auskunftspflicht dient nämlich offensichtlich nur zur Feststellung der Auftragsverhältnisse im Falle einer „Auftraggeberkette“. Gemäß § 67a Abs. 1 ASVG haftet das Auftrag gebende Unternehmen nämlich nur für die Beiträge und Umlagen, die das beauftragte Unternehmen an österreichische Krankenversicherungsträger abzuführen hat oder für die es nach dieser Bestimmung haftet. Mit anderen Worten trifft die Haftung nach § 67a Abs. 1 ASVG grundsätzlich immer nur den unmittelbar übergeordneten Auftraggeber des Beitragsschuldners bzw. des für die Beitragsschulden haftenden Subauftraggebers. Das Auftrag gebende Unternehmen haftet für Beitragsschulden des von seinem Subauftragnehmer beauftragten Sub(sub)auftragnehmers daher nur bis zur Höhe von 20% des vom Subauftragnehmer an den Sub(sub)auftragnehmer bezahlten Werklohns, falls gegen seinen unmittelbar untergeordneten Subauftragnehmer wegen dessen Haftung für die Beitragsschulden des Sub(sub)auftragnehmers erfolglos Exekution geführt wurde oder bezüglich des Subauftragnehmers ein Insolvenztatbestand nach § 1 IESG vorliegt und zwar (nur) bis zur Höhe von 20% des wiederum vom Auftrag gebenden Unternehmen an den Subauftragnehmer bezahlten Werklohns. Die Auskunftspflicht nach § 67a Abs. 8 ASVG dient daher nur dazu, hinsichtlich der weitergegeben Bauleistungen die Auftragsverhältnisse der (Sub)Auftraggeber und der (Sub)Auftragnehmer untereinander zum Zweck der Geltendmachung der Haftung nach § 67a Abs. 1 und Abs. 2 festzustellen. Dies ergibt sich auch aus § 67a Abs. 8 zweiter Satz ASVG, nach dem ein auskunftspflichtiges Unternehmen, das keine Auskunft erteilt, so lange die erforderliche Auskunft nicht erteilt wird, bezüglich der weitergegebenen Bauleistungen jedenfalls als Auftrag gebendes Unternehmen aller nachfolgend beauftragten Unternehmen gilt, wenn gegen diese Unternehmen zur Hereinbringung von Beiträgen und Umlagen erfolglos Exekution geführt wurde oder bezüglich dieser Unternehmen ein Insolvenztatbestand nach § 1 IESG vorliegt, es sei denn, dass ein Haftungsbefreiungsgrund nach Abs. 3 nachgewiesen werden kann.

5.6. Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung nach § 67a Abs. 8 ASVG umfasst daher nicht die Verpflichtung zur Erteilung von Auskünften darüber, ob, wann und mit welchem Betrag die vom beauftragten Unternehmen über die weitergegebenen Bauleistungen gelegten Rechnungen bezahlt wurden. Die Nichterteilung der von der NÖGKK begehrten Auskunft über die Bezahlung der von der E. GmbH gelegten Rechnungen durch die C. GmbH stellt daher keine Verwaltungsübertretung dar.

5.7. Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben, das bekämpfte Straferkenntnis zu beheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall VStG einzustellen.

5.8. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG war dem Beschwerdeführer kein Beitrag zu den Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufzuerlegen.

Zum Ausspruch über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall war auszusprechen, dass die ordentliche Revision zulässig ist, da eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Im gegenständlichen Fall war die Frage zu klären, ob die Auskunftspflicht gemäß § 67a Abs. 8 ASVG auch die Verpflichtung des Auftrag gebenden Unternehmens zur Auskunft darüber umfasst, ob und in welchem Umfang Rechnungen des Auftrag nehmenden Unternehmens über die weitergegebenen Bauleistungen bezahlt wurden. Soweit ersichtlich fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Frage. Der zu lösenden Rechtsfrage kommt daher grundsätzliche Bedeutung zu.

Schlagworte

Auskunftspflicht; beauftragte Unternehmen; weitergegebene Bauleistungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.041.078.6646.2019

Zuletzt aktualisiert am

29.10.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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