TE Lvwg Erkenntnis 2020/9/24 LVwG-2020/25/2032-1

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Veröffentlicht am 24.09.2020
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Entscheidungsdatum

24.09.2020

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §18 Abs1
Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Zugangsvoraussetzungen für das Handwerk der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung Z8

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde von AA, geboren xx.xx.xxxx, wohnhaft Adresse 1, Z vom 26.08.2020 gegen den Bescheid des Bürgermeisters von Z vom 29.07.2020, Zl ***, betreffend Feststellung der individuellen Befähigung,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid dahingehend abgeändert, dass festgestellt wird, dass die individuelle Befähigung für die Ausübung des reglementierten Gewerbes „Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung (Handwerk)“ im Sinne des § 94 Z 13 GewO 1994 durch den Antragsteller AA, geboren xx.xx.xxxx, gemäß § 19 iVm § 18 Abs 1 GewO 1994 iVm der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung-Verordnung BGBl II/39/2003 idF Art 51 BGBl II/399/2008, vorliegt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Im bekämpften Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass die Befähigung für die Ausübung des reglementierten Gewerbes „Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung (Handwerk)“ im Sinne des § 94 Z 13 GewO 1994 durch den Antragsteller Herrn AA, geboren xx.xx.xxxx, gemäß § 19 iVm § 18 Abs 1 GewO 1994 iVm BGBl II Nr 39/2003 idgF nicht vorliegt und wurde ausdrücklich ausgesprochen, dass die individuelle Befähigung nicht gegeben ist.

Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde von AA, in welcher dieser im Wesentlichen ausführt, dass nach Ansicht der belangten Behörde die Voraussetzung der ununterbrochenen, mindestens dreijährigen einschlägigen Tätigkeit als Selbstständiger oder Betriebsleiter nicht erfüllt wäre. Diese Begründung sei seiner Ansicht nach durch das Gesetz beziehungsweise die Verordnung nicht gedeckt und der darauf gegründete Bescheid sohin rechtswidrig. Die belangte Behörde begründe dies damit, dass Zeiten, wo kein gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt war, nicht einzubeziehen wäre, weil er sich in dieser Zeit kein Fachwissen aneignen hätte können. Im eindeutigen Wortlaut der Verordnung sei nur festgelegt, dass der Antragsteller drei Jahre einschlägig als Selbstständiger oder Betriebsleiter tätig gewesen sein muss. Nirgendwo sei die Absicht des Normengebers erkennbar, dass hier nur Zeiten zu berücksichtigen sind, in denen ein gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt ist. Es gehe um die praktische und faktische Tätigkeit in der Branche. Ganz im Gegenteil sei die Bestimmung des § 9 Abs 2 GewO sogar dazu gedacht, den ununterbrochenen Betrieb des Unternehmens aufrecht zu erhalten. Der Gewerbeinhaber soll gerade keine Nachteile dadurch erleiden, dass ihm der gewerberechtliche Geschäftsführer aus welchem Grund auch immer abhandenkommt, solange binnen der gesetzlichen Frist ein neuer Geschäftsführer bestellt wird. Die BB OG sei mit Gesellschaftsvertrag vom 19.06.2017 gegründet und am 13.07.2019 ins Firmenbuch eingetragen worden. Mit 31.07.2017 habe sie die Gewerbeberechtigung der Denkmal-, Fassaden und Gebäudereinigung erlangt. Seitdem seien sie ununterbrochen mit durchschnittlich zwei Vollzeitarbeitskräften und sechs geringfügig Beschäftigten in dieser Branche tätig. Er sei seit Beginn an geschäftsführender Gesellschafter der BB OG und bei jedem Auftrag persönlich tätig. Er leite nicht nur das Unternehmen, sondern arbeite an jedem Objekt von Beginn an bis zum Ende mit und trage als persönlich haftender Gesellschafter auch die Verantwortung für die ordnungsgemäße Leistungserbringung. Seit 31.07.2020 erfülle er beide sich aus der Verordnung ergebenden Voraussetzungen für die Erlangung der Gewerbeberechtigung. Die Vorstellung der belangten Behörde, dass ein gewerberechtlicher Geschäftsführer wie in einem Lehrbetrieb ständig Fachwissen an die Mitarbeiter beziehungsweise Unternehmensführer vermittle, sei realitätsfremd. Vor seiner Zeit als Selbständiger beziehungsweise Betriebsleiter habe er bereits über sieben Jahre in der Branche als Unselbstständiger gearbeitet und zwar den Großteil der Zeit als Objektleiter. Die BB OG sei auch in den Zeiten ohne gewerberechtlichen Geschäftsführer rechtmäßig im Einklang mit der Gewerbeordnung in der Branche tätig gewesen. Er schließe Rechnungen bei, die die Leistungserbringung in den Zeiträumen ohne gewerberechtlichen Geschäftsführer bescheinigen. Es werde deshalb Bescheidaufhebung beziehungsweise Abänderung dahingehend beantragt, dass festgestellt wird, dass die Befähigung zur Ausübung des reglementierten Gewerbes „Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung (Handwerk)“ vorliegt.

II.      Sachverhalt:

AA hat sieben Jahre, elf Monate und fünf Tage unselbständige Tätigkeit in Vollzeit als einschlägige Tätigkeit im Gewerbe der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung bescheinigt. Der Beschwerdeführer AA und CC, geboren xx.xx.xxxx, sind Gesellschafter der offenen Gesellschaft BB OG mit dem Sitz in Z, Adresse 2. Seit 13.07.2017 vertreten beide unbeschränkt haftende Gesellschafter die Gesellschaft selbstständig. Seit 31.07.2017 verfügt die BB OG über das reglementierte Gewerbe „Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung (Handwerk)“. Laut Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung vom 28.07.2020 ist AA seit 31.07.2017 als gewerblich selbstständig Erwerbstätiger versichert.

III.     Beweiswürdigung:

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den Akten des Stadtmagistrats Z und des Landesverwaltungsgerichtes Tirol, dabei insbesondere wiederum aus Firmenbuchauszug, GISA-Auszug und Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung.

IV.      Rechtslage:

Im gegenständlichen Fall ist die Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Zugangsvoraussetzungen für das Handwerk der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung (Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung-Verordnung) BGBl II/39/2003 idF BGBl II/399/2008 maßgeblich:

„Durch die im Folgenden angeführten Belege ist die fachliche Qualifikation zum Antritt des Handwerks der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung (§ 94 Z 13 GewO 1994) als erfüllt anzusehen:

1. Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Meisterprüfung oder

2. Zeugnisse über

a) den erfolgreichen Abschluss einer Studienrichtung oder eines Fachhochschul-Studienganges, deren schwerpunktmäßige Ausbildung im Bereich Bauingenieurwesen oder Chemie oder Technische Chemie liegt, und

b) eine mindestens einjährige fachliche Tätigkeit (§ 18 Abs. 3 GewO 1994) oder

3. Zeugnisse über

a) den erfolgreichen Besuch einer berufsbildenden höheren Schule oder deren Sonderformen, deren schwerpunktmäßige Ausbildung im Bereich Bautechnik oder Chemie oder Chemieingenieurwesen mit einem für das Handwerk spezifischen Schwerpunkt liegt, und

b) eine mindestens eineinhalbjährige fachliche Tätigkeit oder

4. Zeugnisse über

a) den erfolgreichen Besuch einer Werkmeisterschule für Berufstätige, deren Ausbildung in einem für das Handwerk spezifischen Schwerpunkt liegt, und

b) die erfolgreich abgelegte Unternehmerprüfung, sofern diese nicht auf Grund einer Verordnung gemäß § 23 Abs. 3 GewO 1994 entfällt, und

c) eine mindestens zweijährige fachliche Tätigkeit oder

5. Zeugnis über eine ununterbrochene, mindestens fünfjährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger oder Betriebsleiter (§ 18 Abs. 3 GewO 1994) oder

6. Zeugnisse über

a) die erfolgreich abgelegte Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger oder den erfolgreichen Besuch einer mindestens dreijährigen berufsbildenden Schule, deren Ausbildung im Bereich Bautechnik oder Chemie oder Chemieingenieurwesen mit einem für das Handwerk spezifischen Schwerpunkt liegt, und

b) eine nachfolgende ununterbrochene, mindestens dreijährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger oder Betriebsleiter

(§ 18 Abs. 3 GewO 1994) oder

7. Zeugnisse über

a) den erfolgreichen Abschluss einer mindestens zweijährigen staatlich oder von einer zuständigen Berufs- oder Handelsinstitution als vollwertig anerkannten Ausbildung, durch die schwerpunktmäßig die für das Handwerk spezifischen Qualifikationen vermittelt werden, und

b) eine nachfolgende ununterbrochene, mindestens vierjährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger oder Betriebsleiter (§ 18 Abs. 3 GewO 1994) oder
8. Zeugnisse über

a) eine ununterbrochene, mindestens dreijährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger oder Betriebsleiter und

b) eine mindestens fünfjährige einschlägige Tätigkeit als Unselbständiger oder

9. Zeugnisse über

a) die erfolgreich abgelegte Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger oder den erfolgreichen Besuch einer mindestens dreijährigen berufsbildenden Schule, deren Ausbildung im Bereich Bautechnik oder Chemie oder Chemieingenieurwesen mit einem für das Handwerk spezifischen Schwerpunkt liegt, und

b) eine nachfolgende ununterbrochene, mindestens fünfjährige einschlägige Tätigkeit als Unselbständiger oder

10. Zeugnisse über

a) den erfolgreichen Abschluss einer mindestens zweijährigen staatlich oder von einer zuständigen Berufs- oder Handelsinstitution als vollwertig anerkannten Ausbildung, durch die schwerpunktmäßig die für das Handwerk spezifischen Qualifikationen vermittelt werden, und

b) eine nachfolgende ununterbrochene, mindestens sechsjährige einschlägige Tätigkeit als Unselbständiger.“

V.       Erwägungen:

Nachdem der Antragsteller keine Ausbildungszeugnisse nachgewiesen hat, ist Z 8 der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung-Verordnung anzuwenden, wonach die Qualifikation zum Antritt des Handwerks der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung (§ 94 Z 13 GewO 1994) als erfüllt anzusehen ist durch Zeugnisse über eine ununterbrochene, mindestens dreijährige einschlägige Tätigkeit als Selbstständiger oder Betriebsleiter und eine mindestens fünfjährige einschlägige Tätigkeit als Unselbständiger. Bezüglich der einschlägigen Tätigkeit als Unselbständiger hat die belangte Behörde bereits den Nachweis von sieben Jahren, elf Monaten und fünf Tagen in Vollzeit festgestellt. Diese Voraussetzung ist somit unstrittig als gegeben anzusehen.

Hinsichtlich der weiteren Voraussetzung der ununterbrochenen, mindestens dreijährigen einschlägigen Tätigkeit als Selbständiger oder Betriebsleiter erkannte die belangte Behörde eine einschlägige Tätigkeit nur von einem Jahr, drei Monaten und 21 Tagen an und argumentierte dies damit, dass nur während dieser Zeit die BB OG einen gewerberechtlichen Geschäftsführer namhaft gemacht hatte. Sei ein solcher im Betrieb nicht vorhanden, könne kein entsprechendes Fachwissen angeeignet werden. Die Bestimmung des § 9 Abs 2 GewO, dass das Gewerbe auch ohne gewerberechtlichen Geschäftsführer weiterhin für eine gewisse Zeit ausgeübt werden kann, könne für den Erwerb der Befähigung nicht missbraucht werde.

Dieser Argumentation tritt der Beschwerdeführer mit dem Argument entgegen, dass es dafür keine rechtliche Grundlage gebe. Es gehe um die praktische und faktische Tätigkeit in der Branche.

Der Argumentation des Beschwerdeführers ist beizupflichten, dass es keine Rechtsgrundlage dafür gibt, dass von der einschlägigen Tätigkeit als Selbstständiger oder Betriebsleiter die Zeiten in Abzug zu bringen wären, in denen das Gewerbe nach § 9 Abs 2 GewO ohne gewerberechtlichen Geschäftsführer ausgeübt wurde.

Aus dem Firmenbuchauszug ergibt sich, dass AA als unbeschränkt haftender Gesellschafter die Gesellschaft seit 13.07.2017 selbstständig vertritt und aus den Versicherungsdatenauszug, dass er seit der Erlangung der Gewerbeberechtigung durch die BB OG am 31.07.2017 als gewerblich selbständig Erwerbstätiger sozialversichert ist. Damit ergibt sich der Nachweis der mindestens dreijährigen einschlägigen Tätigkeit als Selbstständiger, womit beide Voraussetzungen der Z 8 der Verordnung BGBl II/39/2003 erfüllt sind und deshalb die Feststellung zu treffen ist, dass AA die fachliche Qualifikation für das Handwerk der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung nach § 94 Z 13 GewO 1994 erfüllt. Es war deshalb seiner Beschwerde Folge zu geben und der Spruch des bekämpften Bescheides dementsprechend abzuändern.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hohenhorst

(Richter)

Schlagworte

Fachliche Qualifikation für Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.25.2032.1

Zuletzt aktualisiert am

29.10.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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