TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/17 96/19/2494

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Veröffentlicht am 17.10.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/05 Reisedokumente Sichtvermerke;

Norm

AufG 1992 §1 Abs1;
AufG 1992 §13 impl;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art18 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;
MRK Art10 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
MRKZP 07te Art1;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Ungarn 1978 Art1 Abs1;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Ungarn 1978 Art1 Abs3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der 1966 geborenen IM in Wien, vertreten durch

Mag. Dr. Otto Ranzenhofer, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Laudongasse 26, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. September 1995, Zl. 115.508/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Ungarns. Sie beantragte am 25. April 1994 die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familienzusammenführung mit ihrem österreichischen Ehegatten, den sie am 14. Oktober 1993 geheiratet hatte. Einer dem Antrag beigelegten Gehaltsbestätigung ist zu entnehmen, daß die Beschwerdeführerin seit 1. April 1994 im Bundesgebiet als Hausbesorgerin beschäftigt ist. Als ihren derzeitigen Wohnsitz gab die Beschwerdeführerin im Antrag eine österreichische Adresse an.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. September 1995 wurde dieser Antrag gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei als ungarische Staatsangehörige berechtigt gewesen, sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet einzureisen und sich dort bis zu 30 Tage lang aufzuhalten. Tatsächlich stehe sie jedoch, wie aus ihren eigenen Angaben hervorgehe, in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis und halte sich unrechtmäßig auf Dauer in Österreich auf. Dieses Verhalten rechtfertige die Annahme, der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführerin aufgrund der zu erteilenden Bewilligung werde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden. Damit sei der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG verwirklicht. Die Erteilung einer Bewilligung sei aus dem Grunde des § 5 Abs. 1 AufG ausgeschlossen. Der durch die Versagung der Bewilligung erfolgte Eingriff in das durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützte Grundrecht sei zulässig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt. Sie macht erkennbar Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 5 Abs. 1 AufG lautet:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 FrG lauten:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;

...

6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;"

Art. 1 Abs. 1 und 3 des Abkommens zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Ungarischen Volksrepublik über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 481/1978, lautet:

"Artikel 1

(1) Die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die Inhaber eines gültigen gewöhnlichen Reisepasses sind, dürfen ohne Sichtvermerk in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates einreisen und sich dort bis zu 30 Tagen aufhalten.

...

(3) Die Berechtigung des Abs. 1 gilt nicht für Staatsbürger, die sich in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates begeben wollen, um dort ein Arbeitsverhältnis einzugehen oder dauernden Aufenthalt zu nehmen."

Art. 8 MRK lautet:

"Artikel 8.

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

Art. 1 des Protokolles Nr. 7 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 628/1988, lautet:

"Artikel 1.

1. Ein Ausländer, der seinen rechtmäßigen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Staates hat, darf aus diesem nur aufgrund einer rechtmäßig ergangenen Entscheidung ausgewiesen werden; ihm muß gestattet werden,

a) Gründe vorzubringen, die gegen seine Ausweisung sprechen,

b)

seinen Fall prüfen zu lassen und

c)

sich zu diesem Zweck vor der zuständigen Behörde oder vor einer und mehreren von dieser Behörde bestimmten Personen vertreten zu lassen.

              2.              Ein Ausländer kann vor Ausübung der im Abs. 1 lit. a, b und c genannten Rechte ausgewiesen werden, wenn die Ausweisung im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich ist oder aus Gründen der nationalen Sicherheit erfolgt."

Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdeführerin schon im Zeitpunkt ihrer Einreise die Absicht hatte, dauernden Aufenthalt in Österreich zu nehmen und ein Arbeitsverhältnis einzugehen, oder nicht.

Im erstgenannten Fall wäre bereits ihre Einreise und der gesamte daran anschließende Aufenthalt im Bundesgebiet unrechtmäßig. Eine unrechtmäßige Einreise und ein daran anschließender unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet rechtfertigen aber die Annahme, ein weiterer Aufenthalt des Fremden gefährde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0259).

Selbst wenn die Beschwerdeführerin aber zunächst zulässigerweise sichtvermerksfrei eingereist wäre, wäre für sie nichts gewonnen. Ein längerdauernder unberechtigter Aufenthalt im Anschluß an den (hier 30-tägigen) rechtmäßigen Aufenthalt nach sichtvermerksfreier Einreise stellt nämlich ebenfalls ein Verhalten dar, welches die Annahme rechtfertigt, ein weiterer Aufenthalt des Fremden aufgrund der zu erteilenden Bewilligung werde die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gefährden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1996, Zl. 95/19/0269).

An diesem Ergebnis vermag auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin nichts zu ändern, sie habe über ihre Anfrage sowohl von ihrem Dienstgeber (Burghauptmannschaft) als auch vom "Arbeitsamt Herbststraße" die Auskunft erhalten, es werde "mit ihrer Beschäftigung und der Aufenthaltsbewilligung keine Probleme geben". Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob für die gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG zu treffende Gefährdungsprognose ein dem Fremden subjektiv vorwerfbares Verhalten erforderlich ist. Der unrechtmäßige Aufenthalt wäre der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall ungeachtet der diesbezüglichen Auskünfte der Burghauptmannschaft und des "Arbeitsamtes Herbststraße" vorwerfbar, weil sie aus der bloßen Erklärung, mit ihrer Aufenthaltsbewilligung werde es keine Probleme geben, nicht ableiten konnte, ihr Aufenthalt sei ohne Ausstellung einer solchen Bewilligung rechtmäßig. Sie wäre vielmehr gehalten gewesen, sich bei den hiefür zuständigen Behörden bzw. nach Abweisung ihres Bewilligungsantrages in erster Instanz durch Auskunft bei dem für sie im Berufungsverfahren einschreitenden Rechtsanwalt über die für die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthaltes maßgebliche Rechtslage zu informieren.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem durch Art. 83 Abs. 2 B-VG gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt. Eine solche Rechtsverletzung liege nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes vor, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nehme oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehne und damit eine Sachentscheidung verweigere.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß vorliegendenfalls in erster Instanz der hiefür gemäß § 6 Abs. 4 AufG nach dem Land des beabsichtigten Aufenthaltes zuständige Landeshauptmann von Wien eine meritorische (abweisende) Entscheidung traf. Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Bundesminister für Inneres als der gemäß Art. 103 Abs. 4 B-VG hiefür zuständigen Berufungsbehörde abgewiesen. Hiedurch wurde ebenfalls eine meritorische Erledigung getroffen. Eine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrem einfachgesetzlichen Recht auf Einhaltung der Zuständigkeitsordnung ist nicht erkennbar.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, die erstinstanzliche Behörde habe es in Verletzung des § 13a AVG unterlassen, sie bei Entgegennahme ihres Antrages darauf aufmerksam zu machen, daß die von ihr ausgeübte Beschäftigung zur Versagung der beantragten Aufenthaltsbewilligung führen könnte. Die Beschwerdeführerin sei nämlich (irrtümlich) von der Rechtmäßigkeit ihrer Beschäftigung ausgegangen.

Dieser Argumentation ist zunächst zu entgegnen, daß die Behörde gemäß § 13a AVG nicht verpflichtet ist, die Verfahrenspartei in materiell-rechtlicher Hinsicht zu beraten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1989, Zl. 89/03/0241).

Wenn die Beschwerdeführerin die Auffassung vertritt, der angefochtene Bescheid verstoße gegen Art. 1 des 7. ZPMRK, so ist ihr zu entgegnen, daß die von ihr zitierte Bestimmung das Verfahren zur Ausweisung rechtmäßig aufhältiger Ausländer zum Gegenstand hat. Die Beschwerdeführerin meint, Art. 1 Abs. 1 des

7. ZPMRK sei auch im Falle eines Verfahrens betreffend die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung anzuwenden. Aus den von ihr in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidungen (Urteil des EGMR vom 21. Juni 1988 im Fall Berrehab gegen die Niederlande, ÖJZ 1989, 220; Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1985, Slg. Nr. 10.736, und vom 29. September 1987, Slg. Nr. 11.455) ist diese Auffassung jedenfalls nicht abzuleiten. Die Frage kann hier jedoch dahingestellt bleiben, weil der Beschwerdeführerin noch keine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden war, ein Verfahren über die Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung daher nicht vorliegt. Auf Basis der Feststellungen im angefochtenen Bescheid hielt sich die Beschwerdeführerin schon im Zeitpunkt ihrer Antragstellung unrechtmäßig im Bundesgebiet auf und strebte erstmals die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung an. In einem solchen Fall ist Art. 1 des

7. ZPMRK jedenfalls nicht anzuwenden. Es ist im übrigen auch nicht erkennbar, inwiefern die Mitwirkungsrechte der Beschwerdeführerin am Verfahren verletzt worden wären.

Insoweit sich die Beschwerdeführerin auf die durch die Anwesenheit ihres österreichischen Ehegatten im Bundesgebiet begründeten familiären Interessen beruft, ist ihr folgendes zu entgegnen:

Die in Art. 1 Abs. 1 des Abkommens zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Ungarischen Volksrepublik über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 481/1978, vorgesehene sichtvermerksfreie Einreise dient - wie auch aus Art. 1 Abs. 3 dieses Abkommens erhellt - nicht zu Einwanderungszwecken. Ein Eingriff in ein der Beschwerdeführerin aus Art. 8 Abs. 1 MRK allenfalls zustehendes Recht auf Familiennachzug zu ihrem österreichischen Ehegatten durch die auf § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gestützte Abweisung ihres Bewilligungsantrages wäre jedoch gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK im vorliegenden Fall gerechtfertigt. Ein solcher Eingriff ist dann statthaft, wenn er "gesetzlich vorgesehen" ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft unter anderem im Interesse der öffentlichen Ordnung notwendig ist.

Die Beschwerdeführerin behauptet zunächst, ein solcher Eingriff sei gesetzlich nicht vorgesehen, weil § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG nicht ausreichend determiniert sei. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat sich im Sunday Times-Fall (Urteil des EGMR vom 26. April 1979 in Sachen

Times Newspaper Ltd. und andere gegen Vereinigtes Königreich, EuGRZ 1979, 386 ff) eingehend mit dieser Voraussetzung an Hand des Gesetzesvorbehaltes betreffend Beschränkungen der Meinungsäußerungsfreiheit - Art. 10 Abs. 2 MRK sieht vor, daß die Ausübung dieser Freiheit bestimmten, "vom Gesetz vorgesehenen" Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden kann - beschäftigt. Das Gesetz, welches den Eingriff vorsehe, müsse demnach zunächst für den Bürger ausreichend zugänglich sein. Dieser müsse in der Lage sein festzustellen, welches die Rechtsnormen seien, die in einem bestimmten Fall anwendbar seien. Eine Rechtsnorm könne dann nicht in diesem Sinn als Gesetz angesehen werden, wenn sie nicht mit ausreichender Bestimmtheit formuliert sei, um dem Bürger die Möglichkeit zu geben, sein Verhalten danach einzurichten. Er müsse, gegebenenfalls nach entsprechender Beratung, in der Lage sein, in einem Maße, das unter den gegebenen Umständen als angemessen angesehen werden könne, die möglichen Folgen einer Handlung vorauszusehen. Absolute Gewißheit sei hier freilich nicht erreichbar. Außerdem müsse beachtet werden, daß zwar Rechtssicherheit unbedingt wünschenswert sei, andererseits könne sie auch eine zu große Rigidität erzeugen, da das Recht allgemein mit wechselnden Umständen Schritt halten müsse. Aus diesem Grund seien Gesetze zum Teil unvermeidlich in vage Begriffe gefaßt, deren Auslegung und Anwendung von der Praxis abhingen.

Nach dem Vorgesagten steht die Interpretationsbedürftigkeit des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG seiner Tauglichkeit als gesetzliche Grundlage für einen Eingriff in das durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützte Recht auf Privat- und Familienleben nicht entgegen. Jedenfalls im Systemzusammenhang der Bestimmungen des § 5 Abs. 1 AufG und des § 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 FrG erscheint die gesetzliche Grundlage für diesen Eingriff auch ausreichend determiniert. Wenn § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG bereits anordnet, daß im Anschluß an eine sichtvermerksfreie Einreise (und dem folgenden noch rechtmäßigen Aufenthalt) ein Sichtvermerk und damit aus dem Grunde des § 5 Abs. 1 AufG auch eine Aufenthaltsbewilligung nicht erteilt werden darf, so liegt das Interpretationsergebnis nahe (und ist daher voraussehbar), daß eine unrechtmäßige Fortsetzung des Aufenthaltes des Fremden über die zulässige Dauer des sichtvermerksfreien Aufenthaltes hinaus eine so gravierende Störung der öffentlichen Ordnung darstellt, daß hiedurch (auch) der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG verwirklicht wird.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Gesetzesbestimmung dahingehend, daß sie mangels hinreichender Bestimmtheit gegen Art. 8 Abs. 2 MRK und Art. 18 Abs. 1 B-VG verstieße, sind daher aus Anlaß dieses Beschwerdefalles beim Verwaltungsgerichtshof nicht entstanden.

Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin ist die hier erfolgte Versagung der Bewilligung im Interesse der öffentlichen Ordnung und des damit verbundenen Rechtes des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung im Interesse der öffentlichen Ordnung und der Vermeidung von Beispielswirkungen auf andere Aufenthaltswerber im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt. Die Versagung der Aufenthaltsbewilligung aus den von der belangten Behörde gebrauchten Gründen erscheint jedenfalls so lange nicht unverhältnismäßig, als der Fremde - wie hier die Beschwerdeführerin - den unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet aufrecht erhält.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Auslegung Diverses VwRallg3/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996192494.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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