TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/23 W136 2230071-1

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Veröffentlicht am 23.06.2020
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Entscheidungsdatum

23.06.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
WG 2001 §24

Spruch

W136 2230071-1/4E

im namen der republik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER über die Beschwerde des XXXX , wh. XXXX , gegen den Einberufungsbefehl des Militärkommandos Tirol, Ergänzungsabteilung, vom 11.02.2020, Zl. T/99/09/03/18, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG in Verbindung mit § 24 WG 2001 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

I.1. Der am XXXX geborene Beschwerdeführer (nachfolgend BF) wurde am 19.09.2017 von der Stellungskommission für tauglich befunden und bis zum 30.06.2020 wegen seines Schulbesuches von der Ableistung des Grundwehrdienstes ausgeschlossen.

I.2. Mit Einberufungsbefehl des Militärkommandos Tirol vom 11.02.2020, zugestellt durch Hinterlegung am 17.02.2020, wurde der BF mit Wirkung vom 06.07.2020 zur Leistung des Grundwehrdienstes in der Dauer von 6 Monaten einrechenbarer Dienstzeit einberufen.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF am 12.03.2020 im Wege seiner Rechtsvertretung Beschwerde und beantragte die Behebung des Bescheides. Begründend wurde ausgeführt, dass die Ausführungen im Einberufungsbefehl, wonach von Amts wegen rechtliche Einberufungshindernisse nicht erkennbar gewesen seien und der BF keine Einberufungshindernisse geltend gemacht hätte, die einer Heranziehung zum Grundwehrdienst entgegenstehen würden, unzutreffend seien. Richtig sei in diesem Zusammenhang, dass der BF ein Angehöriger der Zeugen Jehovas sei und aus diesem Grund am 18.02.2020 eine Zivildiensterklärung abgegeben habe. Dem BF sei die Ableistung des Grundwehrdienstes aus religiösen Gründen nicht erlaubt bzw. würde dieser bei Ableistung des Grundwehrdienstes in eine schwere Gewissensnot geraten.

Mit Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 28.02.2020 sei unrichtigerweise festgestellt worden, dass das Recht zur Abgabe der Zivildiensterklärung am 18.02.2020 infolge Ruhens dieses Rechtes ausgeschlossen gewesen sei und die Zivildiensterklärung des BF die Zivildienstpflicht nicht eintreten habe lassen. Gegen diesen Bescheid habe der BF eine gesonderte Beschwerde erhoben. Er vertrete die Ansicht, dass erst nach Abführen des entsprechenden Verfahrens betreffend den Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 28.02.2020 die Voraussetzung gegeben wäre, um prüfen zu können, ob ein rechtliches Einberufungshindernis vorliege oder nicht. Da jedoch dieses Verfahren noch anhängig sei, könne das Militärkommando Tirol noch nicht abschließend prüfen, ob allenfalls ein rechtliches Einberufungshindernis vorliege oder nicht. Zum derzeitigen Zeitpunkt sei objektiv betrachtet von einem rechtlichen Einberufungshindernis auszugehen, da erst nach Vorliegen des entsprechenden Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes betreffend die Beschwerde gegen den Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 28.02.2020 die Ergebnisse für ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren vorliegen würden. Allein aus diesem Grund sei der Einberufungsbefehl infolge Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens rechtswidrig.

Schließlich beantragte der BF der gegenständlichen Beschwerde bis zum Vorliegen der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes im Beschwerdeverfahren gegen den Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 28.02.2020 aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. In diesem Zusammenhang wurde ausgeführt, dass ein besonderes öffentliches Interesse an einer Versagung der aufschiebenden Wirkung nicht bestehe, während die Ableistung des Grundwehrdienstes den BF aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in eine schwere Gewissensnot bringen würde. Zudem stelle der vorgegebene Termin zur Ableistung des Wehrdienstes angesichts der in der Woche ab dem 06.07.2020 geplanten Maturareise eine soziale Härte für den BF dar.

Der gegenständlichen Beschwerde wurden der Einberufungsbefehl, der Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 28.02.2020, die Beschwerde gegen den letztgenannten Bescheid, eine Schulbesuchsbestätigung des BF, eine Bestätigung der Zeugen Jehovas und eine Sterbeurkunde des Onkels des BF beigelegt.

I.3. Der gegenständliche Verfahrensakt wurde mit Note vom 31.03.2020 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Für das Bundesverwaltungsgericht steht oben dargelegter Sachverhalt, insbesondere was die Zeitpunkte der Zustellung des Einberufungsbefehls an den BF und die Einbringung seiner Zivildiensterklärung betrifft, unstrittig fest. Er konnte aufgrund der Aktenlage und des Beschwerdevorbringens festgestellt werden. Die Beschwerde wurde rechtzeitig erhoben und ist daher zulässig.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegen.

2. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt mangels materienspezifischer Sonderregelung in den anzuwendenden Gesetzen eine Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu A)

Das Wehrgesetz 2001 (WG 2001) idF der Novelle BGBl. I Nr. 102/2019 lautet (auszugsweise):

"Einberufung zum Präsenzdienst

§ 24. (1) Wehrpflichtige sind zum Präsenzdienst nach den jeweiligen militärischen Interessen mit Einberufungsbefehl einzuberufen. Der Einberufungsbefehl ist zu erlassen

1. spätestens vier Wochen vor dem Einberufungstermin zum Grundwehrdienst und

...

Der Einberufungsbefehl zum Grundwehrdienst darf nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach erstmaliger Feststellung der Tauglichkeit des Wehrpflichtigen zum Wehrdienst erlassen werden. Die Fristen nach Z 1 und 2 dürfen nach Maßgabe militärischer Erfordernisse, im Falle der Z 2 insbesondere zum Üben der Herstellung der Einsatzbereitschaft von Verbänden im Wege von Waffenübungen, verkürzt werden. Sämtliche Fristen dürfen auch mit schriftlicher Zustimmung des Wehrpflichtigen verkürzt werden.

…“

Gemäß § 1 Abs. 2 erster Satz ZDG ist die Ausübung des Rechts zur Abgabe einer Zivildiensterklärung dem Wehrpflichtigen mindestens sechs Monate nach Abschluss jenes Stellungsverfahrens, bei dem er erstmals für den Wehrdienst tauglich befunden wurde, gewährleistet, es sei denn, der Wehrpflichtige hätte darauf ausdrücklich und schriftlich verzichtet. Gemäß dem zweiten Satz dieser Bestimmung ruht das Recht vom zweiten Tag vor einer Einberufung zum Präsenzdienst bis zur Entlassung aus diesem oder bis zur Behebung des Einberufungsbefehls.

Der BF hatte seit der Feststellung seiner Tauglichkeit am 19.09.2017 bis zur Erlassung des Einberufungsbefehls vom 11.02.2020 mehr als zwei Jahre Überlegungszeit zur Abgabe einer Zivildiensterklärung. Mit dem Zuwarten bis zur Erlassung dieses Einberufungsbefehls wurde die in § 24 Abs. 1 dritter Satz WG 2001 vorgesehene Wartefrist jedenfalls eingehalten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Rechtmäßigkeit des Einberufungsbefehles nach § 24 Abs. 1 des WG 2001 nur das Vorliegen eines aufrechten Tauglichkeitsbeschlusses maßgebend (vgl. VwGH 22.03.2002, 2002/11/0049; 22. 04.2008, 2008/11/0052; 16.10.2012, 2011/11/0080).

Der Spruch eines Bescheides hat sich auf den Sachverhalt zu beziehen, der im Zeitpunkt der Erlassung bestand und hat weiters der im Zeitpunkt der Erlassung herrschenden Rechtslage zu entsprechen. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Einberufungsbefehls gilt nichts Anderes. Entscheidend ist daher, ob der BF im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (im Beschwerdefall also der Zustellung) wehrpflichtig war, oder - wegen einer rechtzeitig, also außerhalb der Sperrfrist des § 1 Abs. 2 ZDG abgegebenen mängelfreien Zivildiensterklärung - bereits zivildienstpflichtig (vgl. VwGH 21.09.2010, 2010/11/0042). Aus den Erläuternden Bemerkungen (RV 458, AB 544, XX. GP) zu dieser mit BGBl. Nr. 788/1996 getroffenen Bestimmung ergibt sich unzweifelhaft, dass in § 1 Abs. 2 ZDG unter „Einberufung“ die Zustellung des Einberufungsbefehls und nicht etwa der Einberufungstermin zu verstehen ist (vgl. VwGH 23.05.2013, 2013/11/0099). Vor diesem Hintergrund ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides der Zeitpunkt seiner Zustellung entscheidend.

Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass die Tauglichkeit des BF wirksam festgestellt wurde. Weiters ist unbestritten, dass dem BF der Einberufungsbefehl am 17.02.2020 zugestellt wurde und dieser erst am 18.02.2020 erstmals eine Zivildiensterklärung einbrachte. Zudem liegen keine Anhaltpunkte vor, dass der BF ab dem festgestellten Einrückungstermin von der Ableistung des Wehrdienstes rechtskräftig befreit wäre oder er über einen aufrechten Aufschiebungsbescheid verfügte.

Angesichts der oben dargelegten Rechtslage ist der Ansicht des BF, dass der Einberufungsbefehl infolge Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens rechtswidrig sei, da erst nach Abführen des entsprechenden Verfahrens betreffend den Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 28.02.2020 die Voraussetzung gegeben wäre, um prüfen zu können, ob bezüglich des BF ein rechtliches Einberufungshindernis vorliege, nicht zu folgen. Der belangten Behörde kann nicht vorgeworfen werden, dass sie eine zum Zeitpunkt der Erlassung des Einberufungsbefehles nicht vorliegende Zivildiensterklärung unberücksichtigt ließ.

Aus dem Beschwerdevorbringen, wonach dem BF als Angehöriger der Zeugen Jehovas die Ableistung des Grundwehrdienstes aus religiösen Gründen nicht erlaubt sei bzw. er bei Ableistung des Grundwehrdienstes in eine schwere Gewissensnot geraten würde, ist daher für ihn nunmehr nichts zu gewinnen, zumal ihm die Möglichkeit einer rechtzeitigen Zivildiensterklärung offen gestanden wäre. Eine solche brachte er allerdings nicht rechtzeitig ein. Da sein Recht auf Abgabe einer Zivildiensterklärung infolge Ruhens dieses Rechtes ausgeschlossen war, stellte die Zivildienstserviceagentur mit Bescheid vom 28.02.2020 fest, dass die Zivildienstpflicht nicht eingetreten sei.

Hinsichtlich der Beschwerde gegen den letztgenannten Bescheid der Zivildienstserviceagentur und des darin gestellten Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung einer Zivildiensterklärung ist festzuhalten, dass diese nicht Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens sind.

Vor diesem Hintergrund erweist sich der angefochtene Bescheid (Einberufungsbefehl) nicht als rechtswidrig und war daher die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Im Hinblick auf die Tatsache, dass mit der vorliegenden Entscheidung die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wird und der BF somit der Einberufung zur Leistung des Grundwehrdienstes mit Wirkung vom 06.07.2020 Folge leisten muss, erübrigt sich eine gesonderte Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Überdies ist in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, dass die geplante Maturareise ab dem 06.07.2020 und eine damit einhergehende soziale Härte keine Einberufungshindernisse darstellen und der BF keinen entsprechenden Antrag auf befristete Befreiung eingebracht hat. Im Übrigen stellt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erst ein rechtskräftiger Ausspruch betreffend die Befreiung von der Präsenzdienstpflicht ein rechtliches Hindernis für die Erlassung eines Einberufungsbefehles dar. Die Stellung eines Antrages auf Befreiung würde demnach ebenso wenig die Einberufung zum Grundwehrdienst wie die Erhebung einer Beschwerde gegen den einen Befreiungsantrag abweisenden Bescheid hindern (vgl. VwGH 23.05.2013, 2013/11/0102 mwN).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die unter A) zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes wird verwiesen.

Schlagworte

Ausschlusstatbestände Einberufungsbefehl mangelhaftes Ermittlungsverfahren religiöse Gründe Ruhen des Anspruchs Wehrdienst Wehrpflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W136.2230071.1.00

Im RIS seit

28.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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