TE Vwgh Erkenntnis 2020/10/2 Ra 2020/02/0173

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.10.2020
beobachten
merken

Index

L70309 Buchmacher Totalisateur Wetten Wien
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §44a Z1
VStG §9 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z1
WettenG Wr 2016 §19 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des Magistrates der Stadt Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 14. Mai 2020, 1. VGW-002/011/15246/2019-12 und 2. VGW-002/V/011/15247/2019, betreffend Übertretung des Wiener Wettengesetzes (mitbeteiligte Parteien: 1. Ing. TB in S und 2. C GmbH in G, beide vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 46/6), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis des revisionswerbenden Magistrates der Stadt Wien vom 17. Oktober 2019 wurde der Erstmitbeteiligte als gemäß § 9 Abs. 2 VStG verantwortlicher Beauftragter der Zweitmitbeteiligten folgender Übertretung des Wiener Wettengesetzes schuldig erkannt:

„1. Sie (Erstmitbeteiligter) haben als verantwortlicher Beauftragter der (Zweitmitbeteiligten) gemäß § 9 Abs. 2 VStG 1991 zu verantworten, dass diese am 29.08.2018, um 17:41 Uhr, in der Betriebsstätte in W, H Straße 1, Wettlokal mit der äußeren Bezeichnung ‚C Sportwetten - Self Service‘, die Tätigkeit als Wettunternehmerin in der Art der gewerbsmäßigen Vermittlung von Wetten sowie Wettkundinnen und Wettkunden aus Anlass sportlicher Veranstaltungen, wie z.B. Fußballspiele (Probewette [...]) an eine Buchmacherin, nämlich die C M, fortgesetzt ausgeübt hat, und dabei entgegen § 19 Abs. 2 Wiener Wettengesetz, LGBl. Nr. 26/2016, idgF, wonach die Wettunternehmerin oder der Wettunternehmer einer Betriebsstätte mit Wettterminals jedenfalls in geeigneter Weise dafür sorgen muss, dass der Zutritt zu Räumen mit einem Wettterminal und die Teilnahme an einer Wette nur volljährigen Personen ermöglicht wird, die ihre Identität durch Vorlage eines gültigen amtlichen Lichtbildausweises gemäß Abs. 1 nachgewiesen haben und nicht gesperrt sind und die Wettunternehmerin oder der Wettunternehmer oder die verantwortliche Person die Identität (Name und Geburtsdatum) der Wettkundin oder des Wettkunden und die Daten des amtlichen Lichtbildausweises, mit dem die Identität nachgewiesen wurde, festzuhalten hat und diese Informationen sieben Jahre lang aufbewahrt werden müssen, insofern verstoßen hat, als im Zuge der Amtshandlung ein Wettkunde, Herr G, einem Mitglied der Amtsabordnung die Türe öffnete, der Zutritt somit ohne Kontrolle ermöglicht wurde, Herr G im Besitz einer Membercard war, die jedoch nicht auf seinen Namen, sondern auf Herrn L ausgestellt war, und die (Zweitmitbeteiligte) somit ermöglicht hat, dass Personen ohne Alterskontrolle zur Wettkundenvermittlung zugelassen werden“.

2        Der Erstmitbeteiligte habe dadurch § 19 Abs. 2 1. Satz Wiener Wettengesetz verletzt, weshalb über ihn gemäß § 24 Abs. 1 Z 12 Wiener Wettengesetz eine Geldstrafe von € 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage und 20 Stunden) verhängt wurde. Die Zweitmitbeteiligte wurde zur Haftung für die Geldstrafe und die Verfahrenskosten gemäß § 9 Abs. 7 VStG herangezogen.

3        Der gegen dieses Straferkenntnis von den Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde gab das Verwaltungsgericht Wien mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung Folge, hob das Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG „wegen Verstoßes gegen § 44a Z 1 VStG“ ein. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass kein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten sei. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig.

4        Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, es sei festzustellen, dass der vorliegende Tatvorwurf den „aus dem Konkretisierungsgebot erfließenden Spezifizierungsgeboten nicht“ entspreche. Der Tatvorwurf erschöpfe sich in einer 19-zeiligen Wiedergabe des Gesetzestextes unter Benennung möglicher Wetten, verliere sich aber bei der vom Verwaltungsgerichtshof geforderten Konkretisierung der näheren Tatumstände in der Einbeziehung eines dem Unternehmen nicht zugehörigen Zeugen F, der in unzulässiger Weise der von der Polizei begleiteten Amtsabordnung die Tür geöffnet und eine Membercard fremden Namens bei sich getragen habe. Das Tragen einer fremden Membercard oder das Öffnen der Tür stelle keinen Straftatbestand dar. Die Tatumschreibung genüge insofern nicht, als Zweifel am deliktischen Handeln in Bezug auf die zweifellos unklare Umschreibung der vermeintlichen Tatausführungshandlungen nicht auszuräumen gewesen seien. Der Zeuge sei den Mitbeteiligten nicht zuzurechnen.

5        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision.

6        Die mitbeteiligten Parteien erstatteten eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragten.

7        Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8        Die vorliegende Revision erweist sich bereits hinsichtlich der konkret vorgebrachten Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Erfordernissen einer Tatanlastung als zulässig und berechtigt.

9        Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Das erfordert in aller Regel die Angabe von Tatort, Tatzeit sowie des wesentlichen Inhaltes des Tatgeschehens. Die Umschreibung der Tat hat so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist; sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist. Ungenauigkeiten bei der Konkretisierung der Tat haben nur dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt werden. Die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat hat sich am jeweils in Betracht kommenden Tatbild zu orientieren (vgl. VwGH 29.3.2019, Ra 2019/02/0013; VwGH 19.11.2018, Ra 2017/02/0248, mwN).

10       Gemäß § 19 Abs. 2 Wiener Wettengesetz idF LGBl. Nr. 26/2016 muss der Wettunternehmer einer Betriebsstätte mit Wettterminals jedenfalls in geeigneter Weise dafür sorgen, dass der Zutritt zu Räumen mit einem Wettterminal und die Teilnahme an einer Wette nur volljährigen Personen ermöglicht wird, die ihre Identität durch Vorlage eines gültigen amtlichen Lichtbildausweises gemäß Abs. 1 leg. cit. nachgewiesen haben und nicht gesperrt sind. Der Wettunternehmer oder die verantwortliche Person hat die Identität (Name und Geburtsdatum) des Wettkunden und die Daten des amtlichen Lichtbildausweises, mit dem die Identität nachgewiesen wurde, festzuhalten. Diese Informationen müssen sieben Jahre lang aufbewahrt werden.

11       Anders als das Verwaltungsgericht annimmt, entspricht der Spruch des Straferkenntnisses vom 17. Oktober 2019, das dem Erstmitbeteiligten eine Übertretung des § 19 Abs. 2 Wiener Wettengesetz idF LGBl. Nr. 26/2016 angelastet hat, den Anforderungen des § 44a Z 1 VStG:

12       Dem Erstmitbeteiligten wurde nicht angelastet, der Zeuge G habe eine fremde Membercard mitgeführt oder die Tür geöffnet. Vielmehr wurde unter Anführung von Tatzeit, Tatort und Ausführungen, aus denen sich ergibt, dass eine wettunternehmerische Tätigkeit ausgeübt wurde, angelastet, dass der Zutritt zum Tatort ohne entsprechende Zutrittskontrolle möglich gewesen sei, was sich dadurch manifestiert habe, dass eine bestimmte Person die Tür geöffnet habe und dass diese Person eine fremde Membercard mitgeführt habe, weshalb Personen ohne Alterskontrolle zur Wettkundenvermittlung zugelassen worden seien.

13       Angesichts dieser klaren Tatanlastung ist auch nicht erkennbar, dass die Gefahr einer Doppelbestrafung bestünde. Dass diese Art des Tatvorwurfs die verfolgte Person in die Lage versetzt, sich entsprechend zu verteidigen, zeigt die Rechtfertigung der mitbeteiligten Parteien nach Aufforderung zur Rechtfertigung durch die revisionswerbende Partei.

14       Indem das Verwaltungsgericht daher insoweit die Rechtslage verkannte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb das Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

15       Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 2. Oktober 2020

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020020173.L00

Im RIS seit

09.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten