TE OGH 2020/5/27 30R113/20p

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Veröffentlicht am 27.05.2020
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Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden, die Richterin Mag.a Fitz und den Richter Dr. Thunhart in der Firmenbuchsache der C*****, über die Rekurse der Gesellschaft und ihres Geschäftsführers T*****, gegen die Beschlüsse des Handelsgerichts Wien vom 27.2.2020, 75 Fr 1212/20g-6 und 7, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Erstgericht wird aufgetragen, die „Rekurse“ der Gesellschaft und ihres Geschäftsführers als Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist anzusehen und über diese Anträge, allenfalls nach Durchführung eines Verfahrens, zu entscheiden.

Text

Begründung:

Die C***** ist zu FN ***** im Firmenbuch eingetragen. Der Stichtag für den Jahresabschluss ist der 31. Dezember.

Mit Zwangsstrafverfügungen vom 31.1.2020 verhängte das Erstgericht sowohl über die Gesellschaft als auch über ihren Geschäftsführer T***** Zwangsstrafen von je EUR 700,--, weil die Gesellschaft den Jahresabschluss zum 31.12.2018 nicht bis zum 30.9.2019 beim Firmenbuchgericht eingereicht hat.

Am 25.2.2020 langten per Fax für die Gesellschaft und für den Geschäftsführer von der Wirtschaftstreuhänderin Mag. Dr. S***** unterschriebene Einsprüche beim Erstgericht ein.

Mit den angefochtenen Beschlüssen wies das Erstgericht die beiden Einsprüche zurück. Die Zwangsstrafverfügungen seien am 6.2.2020 zugestellt worden. Der Einspruch sei per Fax erst am 25.2.2020 beim Erstgericht eingelangt. Die 14-tägige Einspruchsfrist sei somit nicht eingehalten worden. Außerdem habe eine dafür nicht legitimierte Person die beiden Einsprüche unterschrieben.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese beiden Beschlüsse erhoben binnen 14 Tagen sowohl die Gesellschaft als auch der Geschäftsführer einen Rekurs. Sie brachten darin übereinstimmend vor, dass zum Vorwurf, sie hätten gegen die Verpflichtung verstoßen, den Jahresabschluss der Gesellschaft bis zum 30.9.2019 einzureichen, auf ein beiliegendes Schreiben verwiesen werde (womit die Übermittlung des Jahresabschlusses der Gesellschaft für 2018 schon am 23.9.2019 bewiesen werden sollte). Es sei zwar richtig, dass der Einspruch um 5 Tage zu spät eingereicht worden sei. Dies werde damit begründet, dass der Geschäftsführer der Gesellschaft T***** nach seiner Operation am Ellbogen im Jänner (bis 14.1.2019 stationär) noch zwei Wochen im Krankenstand gewesen sei. In weiterer Folge habe ihn die Problematik mit dem Corona-Virus, die Verschiebung der Bauaufträge und die Weiterführung mit dem Personal beschäftigt, weshalb er und die Gesellschaft die Einspruchsfrist übersehen haben. Er und die Gesellschaft ersuchten diesbezüglich um Nachsicht und darum, das Verfahren gegen sie einzustellen, weil der Jahresabschluss rechtzeitig eingebracht worden sei.

Das Erstgericht legte diese beiden Rekurse dem Rekursgericht vor.

Das Erstgericht hat gemäß § 283 Abs 2 UGB gegen die Gesellschaft und deren Geschäftsführer mit Zwangsstrafverfügung Zwangsstrafen verhängt. Gegen solche Zwangsstrafverfügungen können das jeweilige Organ und die Gesellschaft binnen 14 Tagen Einspruch erheben; andernfalls erwächst die Zwangsstrafverfügung in Rechtskraft (§ 283 Abs 2 und Abs 7 UGB). Gegen die Versäumung der Einspruchsfrist kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werden (§ 283 Abs 2 UGB mit einem Verweis auf § 21 AußStrG).

Das Erstgericht hat die Einsprüche der Gesellschaft und des Geschäftsführers zurückgewiesen, weil die 14-tägige Einspruchsfrist versäumt worden ist. Dagegen haben sowohl die Gesellschaft als auch der Geschäftsführer, wohl gemäß der Rechtsmittelbelehrung zu diesen Beschlüssen des Erstgerichts, Rekurse erhoben.

In einem Rekurs muss aufgezeigt werden, welche Entscheidung der Rekurswerber anficht und welche andere Entscheidung er anstrebt (vgl §§ 45 und 47 AußStrG). Im konkreten Fall müssten die Rekurswerber daher darstellen, warum sie meinen, dass das Erstgericht die Einsprüche zu Unrecht zurückgewiesen hat; sie müssten also versuchen, darzulegen, dass sie die Einspruchsfrist gar nicht versäumt haben (etwa weil die Zwangsstrafverfügungen erst später als vom Erstgericht angenommen zugestellt wurden).

Die Gesellschaft und der Geschäftsführer räumen aber ausdrücklich ein, dass sie die Einsprüche um 5 Tage zu spät eingebracht haben. In weiterer Folge versuchen sie, diese Säumnis zu rechtfertigen und ersuchen um Nachsicht. Inhaltlich sind ihre Schreiben daher gar keine Rekurse, sondern Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der 14-tägigen Frist für den Einspruch gegen die Zwangsstrafverfügung im Sinne des § 21 AußStrG iVm § 146 ZPO. Die Gesellschaft und der Geschäftsführer berufen sich offenbar darauf, dass sie die Einspruchsfrist nur leicht schuldhaft versäumt haben, was einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entgegensteht (§ 146 Abs 1 ZPO).

Die Gesellschaft und der Geschäftsführer haben ihre Schreiben zwar als „Rekurs“ bezeichnet, die unrichtige Benennung eines Rechtsmittels oder eines Rechtsbehelfs hat aber keine nachteiligen Folgen, das Gericht hat in solchen Fällen einfach über den tatsächlich gemeinten Rechtsbehelf in einer dem Gesetz entsprechenden Weise zu entscheiden (RS0036258).

Dem Erstgericht ist daher aufzutragen, die hier in Wahrheit vorliegenden Wiedereinsetzungsanträge als solche zu behandeln und dann über diese zu entscheiden.

Textnummer

EW0001057

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2020:03000R00113.20P.0527.000

Im RIS seit

23.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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