TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/22 97/12/0236

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Veröffentlicht am 22.10.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des F in G, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 23. Mai 1997, Zl. 13-06.00-35/2-1997, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird infolge Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1951 geborene Beschwerdeführer steht als Hauptschuloberlehrer, seit 1. Dezember 1996 in Ruhestand, in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark; seine letzte Dienststelle war die Hauptschule II Gleisdorf.

Mit Schreiben vom 25. November 1996 ersuchte der Beschwerdeführer um Anrechnung fehlender "Dienstjahre" nach § 9 PG, da er aufgrund seines Gesundheitszustandes zu keinem anderen Erwerb fähig sei und die Sorgepflicht für zwei Kinder (13 und 16 Jahre), die sich in schulischer Ausbildung befänden, habe.

Diesem Antrag wurde mit Bescheid der Behörde erster Instanz vom 18. März 1997 keine Folge gegeben.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer wie folgt Berufung:

"Betr.: Zurechnung von Jahren anläßlich der Versetzung in den Ruhestand

Fristgerecht berufe ich gegen den Bescheid über die Ablehnung meines Antrages vom 25.11.1996 um Hinzurechnung von Jahren gem. § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340 und anerkenne ihn nicht.

                                          Hochachtungsvoll

                                     eigenhändige Unterschrift

                                           mit Amtstitel

Beilage: Ärztliche Bestätigung"

Diesem Schreiben war eine fachärztliche Bestätigung vom 5. Februar 1997 angeschlossen, nach der der Beschwerdeführer unter einer "Major Depression" leide, aufgrund der Schwere der Erkrankung weiterhin eine "engmaschige medikamentöse Therapie" mit fachärztlicher Kontrolle erforderlich sei und eine Arbeitsbelastung unvertretbar wäre.

Die belangte Behörde entschied mit dem angefochtenen Bescheid wie folgt:

"Ihrer Berufung vom 27. März 1997 gegen den Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom 18. März 1997, GZ.: VII La 290/83-1997, wird

keine Folge

gegeben.

Die Berufung wird gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes - AVG 1991, BGBl. Nr. 51, in der Fassung BGBl. Nr. 471/1995, in Verbindung mit § 63 Abs. 3 leg. cit. mangels eines begründeten Berufungsantrages als unzulässig zurückgewiesen."

Zur Begründung wird nach Wiedergabe des Verfahrensablaufes und der Rechtslage, nämlich des § 9 Abs. 1 PG und des § 63 Abs. 3 AVG, lediglich weiter ausgeführt, sowohl der Verfassungsgerichtshof als auch der Verwaltungsgerichtshof vertrete in seiner Rechtsprechung die Ansicht, daß bei Auslegung des Begriffes "begründeter Berufungsantrag" kein strenger Maßstab anzulegen sei, aber die Berufung wenigstens erkennen lassen müsse, was die Partei anstrebe und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaube. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Äußerung, daß er den Bescheid nicht anerkenne, lasse zwar erkennen, was er mit seiner Berufung anstrebe, aber dem Erfordernis "womit Sie Ihren Standpunkt vertreten zu können glauben", d.h. einer entsprechenden Begründung, sei damit nicht entsprochen. Nach Auffassung der belangten Behörde entspreche die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Berufung nicht einmal der minimalen Forderung eines begründeten Berufungsantrages im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG. Unter Berücksichtigung dieser Rechtslage sei daher die Berufung des Beschwerdeführers - wie im Spruch ersichtlich - "abzulehnen" gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf (positive) Entscheidung über eine von ihm in einer Dienstrechtssache erhobene Berufung - nämlich gegen einen erstinstanzlichen Bescheid, durch den ihm eine Zurechnung von Jahren nach § 9 Abs. 1 PG versagt wurde - durch unrichtige Anwendung der §§ 63 ff AVG iVm § 1 DVG sowie durch die unrichtige Anwendung der Verfahrensvorschriften über die Bescheidbegründung verletzt.

Gemäß § 63 Abs. 3 des gemäß § 1 Abs. 1 DVG im Beschwerdefall anwendbaren AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.

Der offensichtliche Sinn des § 63 Abs. 3 AVG ist der, daß einerseits das Berufungsbegehren, andererseits die Begründungen hiefür ersichtlich sein müssen; keinesfalls sollte aber damit ein dem Geist des AVG fremder, übertriebener Formalismus in das Verwaltungsverfahren eingeführt werden (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Mai 1992, Zl. 88/05/0191 u. v.a.).

Auch der Verfassungsgerichtshof ist der Ansicht, daß bei der Auslegung des Merkmales eines "begründeten" Berufungsantrages kein strenger Maßstab angelegt werden soll, weil es sich um eine Vorschrift handelt, die sich an rechtsunkundige Parteien richtet (so der Verwaltungsgerichtshof beispielsweise in seinem Erkenntnis vom 9. Juli 1985, Zl. 85/07/0080, unter Hinweis auf VfSlg. 4253 und VfSlg. 9205).

Die Berufung muß wenigstens erkennen lassen, was die Partei anstrebt und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Februar 1978, Slg. 10.343/A oder vom 4. Juli 1985, Zl. 85/08/0006).

Der Spruch des angefochtenen Bescheides ist trotz seiner unklaren Formulierung in Verbindung mit der Begründung ausschließlich als Zurückweisung gemäß § 63 Abs. 3 AVG zu werten.

Der belangten Behörde ist einzuräumen, daß dem Text des Berufungsschreibens des Beschwerdeführers selbst nicht zu entnehmen ist, womit er seinen Standpunkt zu vertreten zu können glaubt. Da der Beschwerdeführer aber in seiner Berufung auch ausdrücklich angegeben hat "Beilage: Ärztliche Bestätigung" und diese ärztliche Bestätigung unter einem vorgelegt hat, ist daraus für die belangte Behörde - entgegen ihrer Auffassung - nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes sehr wohl erkennbar gewesen, womit der Beschwerdeführer glaubte, seinen Standpunkt vertreten zu können.

Da im Sinne der angegebenen Rechtsprechung dem Geiste des AVG ein übertriebener Formalismus fremd ist und an das Merkmal des begründeten Berufungsantrages kein strenger Maßstab angelegt werden soll, teilt der Verwaltungsgerichtshof die primär geäußerte Auffassung des Beschwerdeführers, daß aufgrund seines Vorbringens (Berufung mit ausdrücklichem Hinweis auf die beiliegende ärztliche Bestätigung) noch hinreichend erkennbar war, womit er glaubte, seinen Standpunkt vertreten zu können.

Der angefochtene Bescheid ist daher inhaltlich rechtswidrig; er war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Für das fortgesetzte Verfahren wird bemerkt, daß bei Prüfung der Einsatzfähigkeit des Beschwerdeführers für bestimmte Tätigkeiten auch zu berücksichtigen ist, ob diese im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse der Arbeitswelt (z.B. Einhaltung der Arbeitszeit oder Fähigkeit zur Selbstorganisation) gegeben ist (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Jänner 1995, Zl. 94/12/0142).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997120236.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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