TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/16 L504 2179427-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.06.2020
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Entscheidungsdatum

16.06.2020

Norm

AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch

L504 2179427-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von Ahmed XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.05.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gem. § 68 Abs 1 AVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

Aus dem Verfahrensgang des Bundesamtes ergibt sich Folgendes (Auszug aus dem Bescheid):

"[...]

- - Sie brachten am 13.05.2015 beim Bundesamt einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Diesen begründeten Sie folgendermaßen:

Da meine Mutter früh gestorben ist, war ich mit meinen Geschwistern bei der Stiefmutter. Diese hat mich und meine Schwestern irgendwann aus dem Haus geworfen. Ich musste meine Schwestern unterstützen. Ich habe hart gearbeitet um meine Geschwister zu unterstützen. 2 von Ihnen sind Witwen und eine hat ein behindertes Kind. Anfang 2014 war ich auf dem Weg zur Arbeit, als eine Autobombe explodierte und dabei verletzt wurde. Ich erlitt mehrere Wunden am ganzen Körper und musste zum Teil genäht werden. Ich habe für mich keine Zukunft im Irak gesehen. Ich bin geflüchtet um meine Zukunft hier aufzubauen und möchte auch, dass meine Geschwister nachkommen können. Vor allem, dass auch meine Nichte hier operiert werden kann.

- Am 04.04.2017 wurden Sie in der Regionaldirektion Niederösterreich einvernommen:

[...]

LA: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht und wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

VP: Ich möchte richtigstellen, dass mein Vater 1964 geboren ist und meine Schwester 1992.

LA: Möchten Sie Ihr bisheriges Vorbringen von selbst ergänzen?

VP: Nein.

LA: Welche Dokumente können Sie in Vorlage bringen?

VP: Einen irakischen Personalausweis, Staatsbürgerschaftsnachweis, Wohnkarte im Akt.

Mein Reisepass befindet sich bei einem befreundeten Syrer, zu dem ich aber den Kontakt verloren habe und den ich nicht mehr erreichen kann.

Weiters Empfehlungsschreiben, Lehrstelle, erste Hilfe Grundkursbestätigung.

LA: Haben Sie in Österreich Verwandte?

VP: Keine

LA: Sind Sie soweit gesund?

VP: Ja.

LA: Zu Ihrem Heimatland:

LA: Welchen Namen führen Sie?

VP: XXXX

LA: Wann und wo sind Sie geboren?

VP: XXXX in Bagdad

LA: Welche Staatsangehörigkeit haben Sie?

VP: Die Irakische.

LA: Angehöriger welcher Volksgruppe bzw. Religionsgemeinschaft sind Sie?

VP: Araber, Moslem, Sunnit

LA: Sind Sie verheiratet, haben Sie Kinder?

VP: Weder noch.

LA: Wo haben Sie vor der Ausreise aus Irak gelebt?

VP: Bagdad

LA: Haben Sie noch nähere Verwandte in Ihrem Heimatland, wie leben diese?

VP: Zwei Schwestern leben in Bagdad, meine Mutter hat sich als ich drei Jahre alt war mit Gift umgebracht. Zu meinem Vater habe ich keinen Kontakt mehr, da meine Stiefmutter mich verstoßen hat. Eine dritte Schwester ist verschollen. Sie war 2000 geboren und hieß Dalia. Als sie eines Tages in die Schule ging kehrte sie nie wieder. Wir suchten sie, aber sie blieb verschwunden.

Ich kümmerte mich um meine Geschwister.

LA: Welche Schulausbildung haben Sie absolviert?

VP: 4 Jahre Volksschule

LA: Welchen Beruf haben Sie erlernt bzw. ausgeübt?

VP: Ich war Bäcker. Mit dem Gehalt konnte ich auch meine Schwestern erhalten, nachdem Ihre Männer verstorben sind. Einer der Ehemänner ist 2007 als noch die Amerikaner da waren verschwunden. Der andere wurde 2013 überfallen, man wollte sein Auto rauben, er wehrte sich und wurde erschossen.

LA: Haben Sie irgendwelche Besitztümer in Ihrem Heimatland?

VP: Keine

LA: Wie würden Sie Ihre wirtschaftliche/ finanzielle Situation zuletzt (vor der Flucht) im Heimatland gemessen am landesüblichen Durchschnitt bezeichnen (zB. gut/mittel/schlecht)?

VP: Mittel

LA: Sprechen Sie Deutsch?

VP: Ja, ein wenig.

LA: Besuchen Sie Kurse (z.B. Deutschkurs) oder machen Sie Ausbildungen?

VP: Ja, ich habe einen Deutschkurs besucht, aber wieder abgebrochen um zu arbeiten. Ich beginne demnächst wieder einen.

Integration

LA: Was machen Sie in Ihrer Freizeit? Mit wem haben Sie Kontakt?

VP: Ich lese, lerne Deutsch, surfe im Internet, spiele Fußball und treffe Freunde.

LA: Wann haben Sie somit den Irak endgültig verlassen?

VP: Im August 2014-doch nicht-da ist das Auto explodiert.

Oja, doch im August. AW legt handschriftliche Erzählung der Ereignisse vor.

LA: Haben Sie Ihr Heimatland legal verlassen?

VP: Ja, mit dem Flugzeug.

LA: Aus welchem Grund haben Sie nunmehr Ihren Herkunftsstaat verlassen bzw. einen Asylantrag gestellt?

VP: Im Jahr 2010 ging ich nach Erbil zum Arbeiten, bekam aber dort keinen Aufenthaltstitel. 2013 reiste ich nach Georgien. Dann ging ich 2014 nach Bagdad zurück. Im Juli 2014 wurde ich von zwei Unbekannten auf einem Motorrad verfolgt, konnte jedoch entkommen.

Ich arbeitete in einer Bäckerei in Bagdad. Der Bruder der Männer meiner Schwestern die getötet worden sind, ein Mann namens Mostafa, der gute Kontakte in die örtliche Moschee hatte warnte mich. Er hatte gehört, dass man den Inhaber der Bäckerei wo ich arbeitete "aussieben" wollte, da er Schiit war.

Mitte August 2014 explodierte ein Auto vor der Bäckerei, wodurch alle Mitarbeiter verletzt wurden. Ich erlitt auch Verletzungen. AW zeigt verheilte Narben auf der Stirn und den Unterarmen. Auch am Oberkörper seien Narben verursacht durch Splitter.

Danach beschloss ich in die Türkei zu reisen-legal- und arbeitete dort als Fremdenführer in Istanbul. Ich fuhr 2 Monate durch Istanbul, schaute mir alles genau an, und konnte dann als Fremdenführer arbeiten. Ich verließ dieses schöne Land weil ich keine Aufenthaltsgenehmigung hatte. Ich musste daher auch "schwarz" arbeiten und verließ die Türkei etwa im Jänner 2015.

LA: Haben Sie somit all Ihre Gründe für die Asylantragstellung in Vorlage gebracht?

VP: Ja.

LA: Theoretisch, was würden Sie im Falle einer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat befürchten?

VP: Ich kann nicht zurück, ich habe mich jetzt anderen Ländern angepasst. Wenn ich sterben sollte kann sich keiner mehr um meine Schwestern kümmern. Persönlich habe ich keine Angst zu sterben. Meine Schwestern sind in Bagdad in der Nähe des besagten Mostafa, da er ja der Onkel ihrer Kinder ist.

LA: Möchten Sie Feststellungen zu Irak zur Kenntnis gebracht erhalten?

VP: Nein.

LA: Haben Sie ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen?

VP: Nein.

LA: Haben Sie ein schweres nichtpolitisches Verbrechen außerhalb des Aufnahmelandes begangen?

VP: Nein.

LA: Haben Sie sich Handlungen zu Schulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen?

VP: Nein.

LA: Wie haben sie den Dolmetscher verstanden?

VP: Ja. Gut.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?

VP: Nein, keine Einwendungen.

LA: Wünschen Sie die Ausfolgung einer schriftlichen Ausfertigung?

VP: Ja.

- Per Bescheid des Bundesamtes vom 15.11.2017, Zl.: XXXX , wurde Ihr Antrag abgewiesen, der Status des Asylberechtigten und der Status des Subsidiär Schutzberechtigten wurden nicht zuerkannt. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, gegen Sie wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und Ihre Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Irak für zulässig erklärt.

- Gegen diesen Bescheid brachten Sie fristgerecht Beschwerde ein.

- Per Erkenntnis vom 18.02.2019 wies das BVwG Ihre Beschwerde als unbegründet ab.

Ihr Erstverfahren wurde am 26.02.2019 rechtskräftig abgeschlossen.

- Sie haben am 30.10.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, wobei Sie angaben, den Namen XXXX zu führen, Staatsangehöriger von Irak und am XXXX geboren zu sein.

- Anlässlich des gegenständlichen Asylverfahrens haben Sie bei der niederschriftlichen Befragung am 30.10.2019 bei beim Landespolizeikommando Wien, Abteilung für Fremdenpolizeiliche Maßnahmen und Anhaltevollzug, 1080 Wien, im Wesentlichen Folgendes angegeben:

Ich kann nicht nach Irak zurückkehren. Mein Leben ist dort bedroht.

Ich halte sämtliche Gründe, welche ich in meinem 1. Asylantrag angab, aufrecht.

Ich habe auf Facebook Postings gemacht, welche die jetzige Regierung im Irak kritisieren. Das betrifft vor allem das Vorgehen der irakischen Sicherheitskräfte gegenüber friedlichen Demonstranten. Aufgrund dessen wurde meine Schwester, welche im Irak lebt, von schiitischen Milizen in ihrer Wohnung überfallen und bedroht. Ich erfuhr dies direkt durch meine Schwester. Ebenfalls wurde ich über meine Schwester durch die Milizen bedroht.

- Aufgrund des bisherigen Ermittlungsergebnisses wurde Ihnen am 06.11.2019 eine schriftliche Mitteilung gemäß §29 Abs 3 Zi 4 und 6 AsylG 2005 ausgefolgt, mit welcher Ihnen die Absicht des Bundesamtes zur Kenntnis gebracht wurde, Ihren Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

- Am 12.12.2019 wurden Sie beim Bundesamt, Erstaufnahmestelle XXXX , einvernommen. Die wesentlichen Passagen dieser Einvernahme gestalten sich dabei wie folgt:

F: Wie ist die Verständigung mit dem Dolmetscher?

A: Gut.

F: Haben Sie gegen eine der anwesenden Personen wegen einer möglichen Befangenheit oder aus anderen Gründen Einwände?

A: Nein.

F: Ihnen wird eine Darstellung des bisherigen Ablaufs des Verfahrens gegeben und das bis-herige Beweisergebnis vorgehalten und Grund und Ablauf der nunmehrigen Einvernahme mitgeteilt. Ihnen werden die anwesenden Personen vorgestellt und deren Funktion erklärt.

A: Ich habe verstanden.

Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

Wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

A: Ja.

F: Sind Sie mit dem Rechtsberater, der Ihnen Für diese Einvernahme zur Seite gestellt wird, einverstanden?

A: Ja.

F: Haben Sie sich einer Rechtsberatung unterzogen?

A: Ja.

F: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die Befragung zu absolvieren?

A: Ja. Ich habe eine leichte Depression.

F: Befinden Sie sich zurzeit in ärztlicher Behandlung?

A: Nein.

F: Nehmen sie regelmäßig Medikamente ein?

A: Nein.

F: Haben Sie einen Vertreter beziehungsweise einen Zustellbevollmächtigten in Ihrem Asyl-verfahren?

A: Nein.

F: Haben Sie Beweismittel oder Identitätsbezeugende Dokumente, die Sie vorlegen können und welche Sie bisher noch nicht vorgelegt haben?

A: 2 Seiten einer WhatsApp Konversation. (Bw1 und Bw1)

Ein AMS Bescheid vom 29.08.2018 (2 Seiten)

Eine Betreuungsvereinbarung (4 Seiten)

Eine Mitteilung des AMS (1 Seite)

Ein Bescheid des AMS vom 19.10.2018 (1 Seite)

Ein Ausbildungsvertrag der WKNÖ vom 09.03.2018

Ein Lehrvertrag zum XXXX vom 12.09.2017

Auszüge des Sozialversicherungsträgers (4 Seiten)

Ein Arbeitsvertrag der Fa. Hotel zum schwarzen XXXX

Ein Arbeitsvertrag des XXXX vom 19.10.2018 (4 Seite)

Ein Arbeitsvertrag der Martin XXXX e.U. (2 Seiten)

Eine Bestätigung über Remmunerantentätigkeit für die Stadtgemeinde XXXX

Ein Strafregisterauszug vom 06.07.2018

Ein Zeugnis über einen Erste Hilfe Kurs des Roten Kreuzes

Ein Abschlusszeugnis der WKO über den Abschluss einer Lehre zum XXXX

Ein Unterstützungsschreiben

F: Haben Sie im Bereich der EU, in Norwegen oder in Island Verwandte, zu denen ein finan-zielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

A: Nein

F: Haben Sie in Österreich aufhältige Eltern oder Kinder (Blutverwandtschaft oder durch Adoption begründet).

A: Nein.

F: Besteht ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis zu sonstigen Personen?

A: Nein.

F: Ihr letztes Verfahren wurde am 18.02.2019 zweitinstanzlich negativ abgeschlossen. Was hat sich seitdem geändert?

A: Ende September ist ein Auto mit 4 Männern spät in der Nacht zu meiner Schwester ge-kommen. Meine Schwester wohnt mit Ihren beiden Töchtern alleine. Der Mann meiner Schwester ist schon 2007 verschwunden. Die Männer gehörten zur Asa'ib Ahl al-Haq. Mit diesen Männern hatte ich bereits damals im Irak Probleme. Sie haben über mein Facebook Posting gesprochen. Ich kann nicht angeben wann ich das Posting gemacht habe, weil ich das Posting gleich wieder gelöscht habe. (Dolmetscherin weist AW auf das Activitylog der Facebook-App hin). Ich habe das Posting am 29.10.2019 geposted und gelöscht (rekonstruiert durch einen Screenshot welchen der AW von dem Posting angefertigt hat.

F: Wenn Sie dieses Posting am 29.10.2019 abgesetzt haben sind diese Männer also wann zu Ihrer Schwester gekommen?

A: Laut WhatsApp Protokoll am 22.10.2019

F: Ihre Schwester gab an, dass die Männer die zu Ihr kamen, von einem Bild, welches Sie auf Facebook gestellt haben sprachen. Wovon genau sprachen diese Männer also?

A: Es waren Mitglieder einer Miliz. Die brauchen keinen Grund. Die kennen mich. Die haben etwas von mir auf Facebook gesehen.

F: Diese Männer sprachen laut dem Chatverlauf mit Ihrer Schwester von etwas, was Sie auf Facebook gepostet haben.

A: Ich habe mehrere Postings gemacht und immer wieder gelöscht. Ich bin auch hier zu einer Demonstration von Irakern gegen die irakische Regierung gegangen und habe auch davon Fotos auf Facebook gepostet.

F: Sie gaben an, dass die Männer der Asa'ib Ahl al-Haq angehören. Woher nehmen Sie dieses Wissen?

A: Meine Schwester hat mir die Männer beschrieben und ich habe zwei Männer erkannt. Daher weiß ich das. Ich habe mit meiner Schwester telefoniert, da hat sie mir die Männer beschrieben.

F: Wann fand dieser Anruf statt?

A: Laut WhatsApp Protokoll am 28.10.2019 um 18:27.

F: Woher kennen Sie diese Männer?

A: Ich war Bäcker in Bagdad. Diese Leute waren unter den Kunden. Ich kannte sie vom Sehen.

F: Woher wussten Sie das diese Männer dieser Asa'ib Ahl al-Haq angehören, wenn Sie sie nur vom Sehen kannten.

A: Sie präsentieren sich so. Sie sagen das. Sie sagen das öffentlich. Diese Asa'ib Ahl al-Haq will auch, dass ich mit Ihnen kämpfe, aber das will ich nicht. Ich will keine Menschen verletzen.

F: Handelt es sich bei Asa'ib Ahl al-Haq um eine shiitische oder sunnitische Miliz?

A: Eine shiitische.

F: Hatten Sie jemals Probleme mit dieser Miliz?

A: Nein.

F: Warum konkret sollen diese Personen Sie nun mit dem Umbringen bedrohen?

A: Wegen meinen Facebook Postings. Es gibt Leute die zu meinen Postings geschrieben haben, dass ich diese bitte löschen soll.

F: Warum konkret sollen diese Personen Sie nun mit dem Umbringen bedrohen?

A: Ich habe die Asa'ib Ahl al-Haq dazugeschrieben.

F: Wozu geschrieben? Was genau haben Sie gepostet?

A: (Profilname: XXXX ) (Zeigt Screenshot eines Facebookpostings vor) Ich schrieb, dass die irakische Regierung von der iranischen Regierung gesteuert wird, keine Angst vor Gott hat. Ich habe die Asa'ib Ahl al-Haq, die Regierung und die irakische Polizei beschimpft. Ich schrieb, dass diese drei Gruppen die demonstrierenden vernichten, weil diese für Ihre Rechte demonstrierten.

F: Wieso posten Sie solche Dinge öffentlich einsehbar zu einem Zeitpunkt, an welchem Sie eigentlich davon ausgehen mussten in den Irak abgeschoben zu werden?

A: Ich habe eigentlich nie richtig realisiert, dass ich in den Irak zurück muss. Ich will nicht in den Irak zurück. Wenn ich jetzt auch einen negativen Bescheid erhalte, weiß ich nicht was ich dann tun soll.

F: Warum posten Sie eigentlich auf Facebook nur um diese Postings wieder zu löschen.

A: Es haben Leute kommentiert und gesagt, dass ich das wieder löschen soll. Andere haben mich auch beschimpft. Deshalb habe ich auch wieder gelöscht.

F: Wann begannen Sie solche explizit politischen Postings auf Facebook zu posten?

A: Ich nahm im August und im Oktober jeweils an einer Demonstration gegen die irakische Regierung teil.

F: Wie viele expilizit politische Postings haben Sie letztlich erstellt?

A: Ich habe ein Posting zu den Demonstrationen im Irak am 28.10.2019 abgesetzt.

F: Haben Sie davor schon ein politisches Posting abgesetzt?

A: Ich habe davor schon eines zirka am 25.10.2019 erstellt. (Meint das Posting, in welcher er Asa'ib Ahl al-Haq kritisiert).

F: Sind das definitiv alle politischen Postings, welche Sie erstellt haben?

A: Ja.

F: Aus welchen Grund haben diese Asa'ib Ahl al-Haq Mitglieder dann am 22.10.2019 oder früher Ihre Schwester aufgesucht und Sie bedroht?

A: Es kann auch sein, dass ich diese Postings auch früher abgesetzt habe.

F: Wie erklären Sie sich, dass Mitglieder der Asa'ib Ahl al-Haq Ihr Facebookprofil beobachten, wo Sie sich doch schon seit 2015 nicht mehr im Irak befinden?

A: Seit 2015 bin ich nicht in den Irak zurückgefahren, aber als sie diese Postings sahen, haben sie sich an mich erinnert. (wirkt nervös).

F: Wie sahen diese Personen, was Sie auf Facebook posteten?

A: Es gibt einen Typ unter meiner Freundesliste, der Mitlgied der Asa'ib Ahl al-Haq ist.

F: Warum haben Sie zumindest ein Mitglied der Asa'ib Ahl al-Haq unter Ihrer Freundesliste?

A: Er schickte mir einen Freundschaftsantrag. Ich kannte Ihn von früher, deshalb nahm ich an. (Zeigt dessen Facebookprofil vor: XXXX ).

F: Seit wann sind Sie mit dieser Person auf Facebook befreundet?

A: Seit 2015.

F: Seit wann ist Ihnen bekannt, dass diese Person zu Asa'ib Ahl al-Haq gehört?

A: Von Anfang an.

F: Wie heißt Ihre Schwester?

A: XXXX .

F: Wo lebt Ihre Schwester?

A: In Dora/Bagdad. Sie hat zwei Töchter.

F: Weiß die Asa'ib Ahl al-Haq wo Sie sich derzeit aufhalten?

A: Sie wissen, dass ich außerhalb des Iraks bin, aber Sie wissen nicht wo. Diese Miliz gibt es auch in Wien.

F: Woher wissen Sie, dass es Mitglieder der Asa'ib Ahl al-Haq auch in Wien gibt?

A: Die Leute sprechen darüber. Man weiß es. Niemand will aber mit der Polizei darüber sprechen, da keiner Probleme bekommen möchte.

F: Wissen diese Leute, dass Sie im Ausland einen Asylantrag gestellt haben?

A: Nein.

F: Wollen sie im Anschluss an diese Einvernahme aktuell Länderfeststellungen zum Irak erhalten?

A: Nein, brauch ich nicht.

F: Haben Sie den Dolmetscher verstanden, konnten Sie der Einvernahme folgen und sich konzentrieren?

A: Ja.

F: Konnten Sie meinen Fragen folgen?

A: Ja.

F: Wollen Sie noch etwas vorbringen oder ergänzen oder fragen?

A: Ich will nur, dass dieses Verfahren so schnell wie möglich erledigt ist. Ich fühle mich stark unter Druck. Ich habe dreieinhalb Jahre hart gearbeitet und war tüchtig. Ich hoffe hier blei-ben und arbeiten zu können. Ich habe bis jetzt die Wahrheit angegeben.

Dem RB wird die Möglichkeit gegeben, Fragen an den einvernehmenden Referenten zu stellen oder Anträge zu stellen.

Keine Fragen, keine Anträge.

- - Mit Verfahrensanordnung vom heutigen Tag wurde Ihnen ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

B) Beweismittel

Die Behörde zog die folgenden Beweismittel heran:

Von Ihnen vorgelegte Beweismittel:

Eine Teilnahmebestätigung für einen Erste-Hilfe-Grundkurs vom 26.03.2016

Eine Bestätigung über Remunerantentätigkeit für die Stadtgemeinde XXXX vom 27.04.2017

Ein Lehrvertrag vom 12.09.2017

Eine Dienstverhältnisbestätigung vom 23.11.2017

Ein Bescheid des AMS vom 05.09.2018

Ein Arbeitsvertrag mit der Firma XXXX

Eine Betreuungsvereinbarung des AMS vom 13.09.2018

Eine Mitteilung des AMS vom 05.09.2018

Eine Vorstellung gegen eine Wohnsitzauflage vom 14.10.2019

Ein Abschlusszeugnis zu Ihrer Kochlehre vom 28.02.2019

Anschreiben der Firma Martin XXXX e.U. an das AMS vom 10.10.2019

Ein Arbeitsvertrag für die Firma Martin XXXX e.U. vom 22.08.2019

Ein Bescheid des AMS vom 21.02.2020

Screenshots einer WhatsApp Konversation mit dem Kontakt "Meine Schwester".

Weitere von der Behörde herangezogene Beweismittel:

- Protokolle Ihrer Befragung und Einvernahme im Verfahren

- Die Asylakte zu AZ.: XXXX und XXXX .

- Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA zu Ihrem Herkunftsstaat.

[...]"

Das Bundesamt hat folglich entschieden:

"I. Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 30.10.2019 wird hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

II. Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 30.10.2019 wird hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

III. Gemäß § 15b Absatz 1 Asylgesetz 2005 wurde Ihnen aufgetragen von 30.10.2019 bis 18.12.2019 im folgenden Quartier Unterkunft zu nehmen:

BS Ost XXXX ."

Gegen Spruchpunkt I. und II. hat die bP durch ihre gewillkürte Vertretung innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Darin wird

* im Wesentlichen bisheriges Vorbringen wiederholt und als den Tatsachen entsprechend dargelegt;

* der maßgebliche Sachverhalt habe sich seit Rechtskraft des ersten Asylverfahrens maßgeblich geändert

* bei vollständiger Durchsicht der Whats App Konversation hätte das BFA schnell und ohne großen Aufwand feststellen können, dass es sich tatsächlich um die Schwester der bP handelt

* die zeitliche Diskrepanz zwischen Hochladen des Postings betreffend der Regierung und der Miliz Asa¿ib Ahl al-Haqq und der Mitteilung der Schwester betreffend des Besuchs der Miliz und der dabei ausgestoßenen Drohung sei dem Umstand geschuldet, dass die Schwester den bP schützen wollte

* es sei allgemein bekannt, dass es durch Facebook ein leichtes sei, Systemkritiker zu finden und zu bedrohen. Durch den politischen Aktivismus sei die bP einer Verfolgung durch die Regierung und der Miliz ausgesetzt

* eine Rückkehrentscheidung sowie der Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak fehle ebenso wie das in der rechtlichen Beurteilung angeführte Einreiseverbot

* Ausführungen, inwiefern sich die Lage im Herkunftsstaat seit der letzten Entscheidung nicht geändert hat, fehlen

* unter Zitierung von Erkenntnissen des VfGH vom 26.02.2019 und 24.09.2019 wird auf die reale Gefahr einer Verletzung des Art 3 EMRK für Angehörige des sunnitischen Islam hingewiesen

* die Behörde hätte sich zumindest im Ansatz mit der Covid 19 Situation im Irak auseinandersetzen müssen, da diese den Irak besonders schwer getroffen habe

Das BVwG möge eine mündliche Verhandlung durchführen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.1. Identität und Herkunftsstaat

Name und Geburtsdatum stehen lt. Bundesamt nicht fest.

Die bP bezeichnet sich der Volksgruppe der Araber und dem sunnitischen Glauben zugehörig.

Ihre Staatsangehörigkeit und der hier der Prüfung zugrundeliegende Herkunftsstaat ist der Irak.

1.2. Regionale Herkunft und persönliche Lebensverhältnisse vor der Ausreise

Die bP ist in Bagdad geboren und absolvierte dort ihre Schulbildung.

Sie wohnte vor ihrer Ausreise in Bagdad.

Ihren Lebensunterhalt bestritt sie im Irak zuletzt als Bäcker

1.3. Familiäres/verwandtschaftliches bzw. soziales Netzwerk im Herkunftsstaat

Im Herkunftsstaat leben 2 Schwestern der bP, zu welchen sie auch Kontakt pflegt. Darüber hinaus lebt dort noch der Vater, zu dem die bP keinen Kontakt hat.

Die bP hat weder beim Bundesamt noch in der Beschwerde angegeben, dass bei der Rückkehr in den Herkunftsstaat kein für sie zugängliches soziales Netzwerk mehr bestünde.

1.4. Ausreisemodalitäten

Die bP reiste legal mit dem Flugzeug in die Türkei aus. In der Türkei arbeitete sie zwei Monate als Fremdenführer.

Zum Verbleib des heimatsstaatlichen Reisepasses gab sie an, diesen einem befreundeten syrischen Staatsangehörigen gegeben zu haben, zu diesem aber den Kontakt verloren zu haben.

1.5. Gesundheitszustand

Die bP hat im Verfahren keine aktuell behandlungsbedürftige Erkrankung dargelegt. Die bP gehört im Hinblick auf die Corona-19 Pandemie nach wie vor keiner Risikogruppe an.

1.6. Zum Vorverfahren:

Das erste Asylverfahren unter der Zahl XXXX wurde durch die Entscheidung des BVwG am 26.02.2019 rechtskräftig abgeschlossen. In diesem Verfahren wurden alle bis zur Entscheidung dieses Asylverfahrens entstandenen Sachverhalte berücksichtigt.

Gründe für die Zuerkennung von internationalem Schutz wurden dabei nicht glaubhaft gemacht. Ein Rückkehrhindernis wurde nicht festgestellt.

Zu den Gründen für den neuen Antrag auf internationalen Schutz:

Das gegenständliche neue Vorbringen enthält hinsichtlich der Begründung für die Zuerkennung von internationalem Schutz keinen glaubhaften Kern.

Eine konkrete, gegen die bP gerichtete aktuelle Verfolgungsgefahr durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure hat die bP nicht glaubhaft gemacht.

Die bP verfügt in ihrem Heimatland über familiäre Anknüpfungspunkte.

Sie ist arbeitsfähig und ist die elementare Grundversorgung in ihrem Herkunftsland gewährleistet. Es wurde auch in der Beschwerde nicht konkret dargelegt, dass die reale Gefahr bestünde, dass sie im Falle der Rückkehr hinsichtlich Lebensmittel und Unterkunft das zum Leben Notwendige nicht erlangen könnte.

1.7. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat

Die Behörde stellte im angefochtenen Bescheid das zu Gehör gebrachte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Irak vom 20.11.2018 mit letzter Kurzinformation vom 30.10.2019 in vollem Umfang dar und argumentierte, dass sich die Lage im Irak seit Erlassung des maßgeblichen Vergleichsbescheides nicht nachteilig verändert hat.

Auszugsweise Wiedergabe der vom BFA verwendeten Länderfeststellungen:

0. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 30.10.2019, Sicherheitsupdate 3. Quartal 2019 und jüngste Ereignisse (relevant für Abschnitt 3. Sicherheitslage)

Seit der Verkündigung des territorialen Sieges des Irak über den Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (Reuters 9.12.2017) hat sich der IS in eine Aufstandsbewegung gewandelt (Military Times 7.7.2019). Zahlreiche Berichte erwähnen Umstrukturierungsbestrebungen des IS sowie eine Mobilisierung von Schläferzellen (The Portal 9.10.2019).

Im Jahr 2019 war der IS insbesondere in abgelegenem, schwer zugänglichem Gelände aktiv, hauptsächlich in den Wüsten der Gouvernements Anbar und Ninewa sowie in den Hamrin-Bergen, die sich über die Gouvernements Kirkuk, Salah ad-Din und Diyala erstrecken (ACLED 7.8.2019). Er ist nach wie vor dabei sich zu reorganisieren und versucht seine Kader und Führung zu erhalten (Joel Wing 16.10.2019). Der IS setzt nach wie vor auf Gewaltakte gegen Stammesführer, Politiker, Dorfvorsteher und Regierungsmitarbeiter sowie beispielsweise auf Brandstiftung, um Spannungen zwischen arabischen und kurdischen Gemeinschaften zu entfachen, die Wiederaufbaubemühungen der Regierung zu untergraben und soziale Spannungen zu verschärfen (ACLED 7.8.2019).

Insbesondere in den beiden Gouvernements Diyala und Kirkuk scheint der IS im Vergleich zum Rest des Landes mit relativ hohem Tempo sein Fundament wieder aufzubauen, wobei er die lokale Verwaltung und die Sicherheitskräfte durch eine hohe Abfolge von Angriffen herausfordert (Joel Wing 16.10.2019).

Die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) stellen einen zusätzlichen, die innere Stabilität des Irak gefährdenden Einfluss dar (ACLED 7.8.2019). Nach einem Angriff auf eine Basis der Volksmobilisierungseinheiten (PMF/PMU/Hashd al Shabi) in Anbar, am 25. August (Al Jazeera 25.8.2019), erhob der irakische Premierminister Mahdi Ende September erstmals offiziell Anschuldigungen gegen Israel, für eine Reihe von Angriffen auf PMF-Basen seit Juli 2019 verantwortlich zu sein (ACLED 2.10.2019; vgl. Reuters 30.9.2019). Raketeneinschläge in der Grünen Zone in Bagdad, nahe der US-amerikanischen Botschaft am 23. September 2019, werden andererseits pro-iranischen Milizen zugeschrieben, und im Zusammenhang mit den Spannungen zwischen den USA und dem Iran gesehen (ACLED 2.10.2019; vgl. Al Jazeera 24.9.2019; Joel Wing 16.10.2019).

Am 7.7.2019 begann die "Operation Will of Victory", an der irakische Streitkräfte (ISF), Popular Mobilization Forces (PMF), Tribal Mobilization Forces (TMF) und Kampfflugzeuge der US-geführten Koalition teilnahmen (ACLED 7.8.2019; vgl. Military Times 7.7.2019). Die mehrphasige Operation hat die Beseitigung von IS-Zellen zum Ziel (Diyaruna 7.10.2019; vgl. The Portal 9.10.2019). Die am 7. Juli begonnene erste Phase umfasste Anbar, Salah ad-Din und Ninewa (Military Times 7.7.2019). Phase zwei begann am 20. Juli und betraf die nördlichen Gebiete von Bagdad sowie die benachbarten Gebiete der Gouvernements Diyala, Salah ad-Din und Anbar (Rudaw 20.7.2019). Phase drei begann am 5. August und konzentrierte sich auf Gebiete in Diyala und Ninewa (Rudaw 11.8.2019). Phase vier begann am 24. August und betraf die Wüstenregionen von Anbar (Rudaw 24.8.2019). Phase fünf begann am 21.9.2019 und konzentrierte sich auf abgelegene Wüstenregionen zwischen den Gouvernements Kerbala, Najaf und Anbar, bis hin zur Grenze zu Saudi-Arabien (PressTV 21.9.2019). Eine sechste Phase wurde am 6. Oktober ausgerufen und umfasste Gebiete zwischen dem südwestlichen Salah ad-Din bis zum nördlichen Anbar und Ninewa (Diyaruna 7.10.2019).

Die folgende Grafik von Iraq Body Count (IBC) stellt die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar (IBC 9.2019).

Quelle:

[....]

Für Juli 2019 sind 145 zivile Todesopfer im Irak ausgewiesen. Im August 2019 wurden von IBC 93 getötete Zivilisten im Irak dokumentiert und für September 151 (IBC 9.2019).

Quelle:

[...]

Vom Irak-Experten Joel Wing wurden für den Gesamtirak im Lauf des Monats Juli 2019 82 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 83 Tote und 119 Verletzten verzeichnet. 18 Tote gingen auf Leichenfunde von Opfern des IS im Distrikt Sinjar im Gouvernement Ninewa zurück, wodurch die Zahl der tatsächlichen gewaltsamen Todesfälle im Juli auf 65 reduziert werden kann. Es war der zweite Monat in Folge, in dem die Vorfallzahlen wieder zurückgingen. Dieser Rückgang wird einerseits auf eine großangelegte Militäraktion der Regierung in vier Gouvernements zurückgeführt [Anm.: "Operation Will of Victory"; Anbar, Salah ad Din, Ninewa und Diyala, siehe oben], wobei die Vorfallzahlen auch in Gouvernements zurückgingen, die nicht von der Offensive betroffen waren. Der Rückgang an sicherheitsrelevanten Vorfällen wird auch mit einem neuerlichen verstärkten Fokus des IS auf Syrien erklärt (Joel Wing 5.8.2019).

Im August 2019 verzeichnete Joel Wing 104 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 103 Toten und 141 Verletzten. Zehn Tote gingen auf Leichenfunde von Jesiden im Distrikt Sinjar im Gouvernement Ninewa zurück, wodurch die Zahl der Todesfälle im August auf 93 angepasst werden kann. Bei einem der Vorfälle handelte es sich um einen Angriff einer pro-iranischen PMF auf eine Sicherheitseinheit von British Petroleum (BP) im Rumaila Ölfeld bei Basra (Joel Wing 9.9.2019).

Im September 2019 wurden von Joel Wing für den Gesamtirak 123 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 122 Toten und 131 Verletzten registriert (Joel Wing 16.10.2019).

Seit 1. Oktober kam es in mehreren Gouvernements (Bagdad, Basra, Maysan, Qadisiya, Dhi Qar, Wasit, Muthanna, Babil, Kerbala, Najaf, Diyala, Kirkuk und Salah ad-Din) zu teils gewalttätigen Demonstrationen (ISW 22.10.2019, vgl. Joel Wing 3.10.2019). Die Proteste richten sich gegen Korruption, die hohe Arbeitslosigkeit und die schlechte Strom- und Wasserversorgung (Al Mada 2.10.2019; vgl. BBC 4.10.2019; Standard 4.10.2019), aber auch gegen den iranischen Einfluss auf den Irak (ISW 22.10.2019). Im Zuge dieser Demonstrationen wurden mehrere Regierungsgebäude sowie Sitze von Milizen und Parteien in Brand gesetzt (Al Mada 2.10.2019). Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) gingen unter anderem mit scharfer Munition gegen Demonstranten vor. Außerdem gibt es Berichte über nicht identifizierte Scharfschützen, die sowohl Demonstranten als auch Sicherheitskräfte ins Visier genommen haben sollen (ISW 22.10.2019). Premierminister Mahdi kündigte eine Aufklärung der gezielten Tötungen an (Rudaw 13.10.2019). Zeitweilig, vom 2. bis zum 5. Oktober, wurde eine Ausgangssperre ausgerufen (Al Jazeera 5.10.2019; vgl. ISW 22.10.2019; Rudaw 13.10.2019) und eine Internetblockade vom 4. bis 7. Oktober implementiert (Net Blocks 3.10.2019; FAZ 3.10.2019; vgl. Rudaw 13.10.2019).

Nach einer kurzen Ruhephase gingen die gewaltsamen Proteste am 25. Oktober weiter und forderten bis zum 30. Oktober weitere 74 Menschenleben und 3.500 Verletzte (BBC News 30.10.2019). Insbesondere betroffen waren bzw. sind die Städte Bagdad, Nasiriyah, Hillah, Basra und Kerbala (BBC News 30.10.2019; vgl. Guardian 27.10.2019; Guardian 29.10.2019). Am 28. Oktober wurde eine neue Ausgangssperre über Bagdad verhängt, der sich jedoch tausende Demonstranten widersetzen (BBC 30.10.2019; vgl. Guardian 29.10.2019). Über 250 Personen wurden seit Ausbruch der Proteste am 1. Oktober bis zum 29. Oktober getötet (Guardian 29.10.2019) und mehr als 8.000 Personen verletzt (France24 28.10.2019).

BAGDAD

Der IS versucht weiterhin seine Aktivitäten in Bagdad zu erhöhen (Joel Wing 5.8.2019). Fast alle Aktivitäten des IS im Gouvernement Bagdad betreffen die Peripherie der Hauptstadt, den äußeren Norden, Süden und Westen (Joel Wing 5.8.2019; vgl. Joel Wing 16.10.2019). Im Juli gelang es dem IS zwei Selbstmordattentate im Gouvernement auszuführen, weswegen Bagdad die Opferstatistik des Irak in diesem Monat anführte (Joel Wing 5.8.2019). Sowohl am 7. als auch am 16. September wurden jeweils fünf Vorfälle mit "Unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen" (IEDs) in der Stadt Bagdad selbst verzeichnet (Joel Wing 16.10.2019). Während der Proteste im Südirak im Oktober 2019 , von denen auch Bagdad betroffen war, stoppte der IS seine Angriffe im Gouvernement (Joel Wing 16.10.2019).

Im Juli 2019 wurden vom Irak-Experten Joel Wing im Gouvernement Bagdad 15 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 15 Toten und 27 Verletzten verzeichnet (Joel Wing 5.8.2019). Im August 2019 wurden 14 Vorfälle erfasst, mit neun Toten und elf Verwundeten (Joel Wing 9.9.2019) und im September waren es 25 Vorfälle mit zehn Toten und 35 Verwundeten (Joel Wing 16.10.2019).

AUTONOME REGION KURDISTAN / KURDISCHE REGION IM IRAK

Im Juli 2019 führte der IS seine seit langem erste Attacke auf kurdischem Boden durch. Im Gouvernement Sulaimaniya attackierte er einen Checkpoint an der Grenze zu Diyala, der von Asayish [Anm.: Inlandsgeheimdienst der Autonomen Region Kurdistan] bemannt war. Der Angriff erfolgte in drei Phasen: Auf einen Schussangriff folgte ein IED-Angriff gegen eintreffende Verstärkung, gefolgt von Mörserbeschuss. Bei diesem Angriff wurden fünf Tote und elf Verletzte registriert (Joel Wing 5.8.2019). Im August wurde in Sulaimaniya ein Vorfall mit einer IED verzeichnet, wobei es keine Opfer gab (Joel Wing 9.9.2019).

Die am 27. Mai initiierte türkische "Operation Claw" gegen Stellungen der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) im Nordirak hält an. Die erste Phase richtete sich gegen Stellungen in der Hakurk/Khakurk-Region im Gouvernement Erbil (Anadolu Agency 13.7.2019; vgl. Rudaw 13.7.2019). Die zweite Phase begann am 12. Juli und zielt auf die Zerstörung von Höhlen und Zufluchtsorten der PKK (Anadolu Agency 13.7.2019). Die türkischen Luftangriffe konzentrierten sich auf die Region Amadiya im Gouvernement Dohuk, von wo aus die PKK häufig operiert (ACLED 17.7.2019). Aktuell befindet sich die Operation in der dritten Phase (ACLED 4.9.2019)

Im Kreuzfeuer wurden in den vergangenen Wochen mehrere kurdische Dörfer evakuiert, da manchmal auch Zivilisten und deren Eigentum bei türkischen Luftangriffen getroffen wurden (ACLED 4.9.2019; vgl. ACLED 7.8.2019).

Am 10. und 11. Juli bombardierte iranische Artillerie mutmaßliche PKK-Ziele im Subdistrikt Sidakan/Bradost im Gouvernement Sulaimaniya, wobei ein Kind getötet wurde (Al Monitor 12.7.2019). In dem Gebiet gibt es häufige Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und iranisch-kurdischen Aufständischen, die ihren Sitz im Irak haben, wie die "Partei für ein Freies Leben in Kurdistan'' (PJAK), die von Teheran beschuldigt wird, mit der PKK in Verbindungen zu stehen (Reuters 12.7.2019).

NORD- UND ZENTRALIRAK

In den sogenannten "umstrittenen Gebieten", die sowohl von Bagdad als auch von der kurdischen Autonomieregion beansprucht werden, und wo es zu erhebliche Sicherheitslücken zwischen den zentralstaatlichen und kurdischen Einheiten kommt, verfügt der IS nach wie vor über operative Kapazitäten, um Angriffe, Bombenanschläge, Morde und Entführungen, durchzuführen (Kurdistan24 7.8.2019). Trotz der Zunahme der Sicherheitsvorfälle im gesamten Irak waren die Zahlen im Laufe des Monats August 2019 für den Zentral-Irak jedoch rückläufig (Joel Wing 9.9.2019).

Im Gouvernement Ninewa wurden im Juli 2019 sechs Vorfälle mit 24 Toten verzeichnet, wobei hier der Fund von 18 Leichen älteren Datums eingerechnet ist (Joel Wing 5.8.2019). Im August 2019 wurden neun Vorfälle mit 24 Toten und drei Verwundeten registriert (Joel Wing 9.9.2019). Im September wurden 22 Vorfälle mit 35 Toten und 27 Verletzten registriert, wobei bei fast allen diesen Vorfällen IEDs involviert waren. Außerdem wurde ein Mukhtar ermordet und Mossul mit Mörsergranaten beschossen (Joel Wing 16.10.2019).

Das Gouvernement Diyala zählt regelmäßig zu den Regionen mit den meisten sicherheitsrelevanten Vorfällen und als die gewalttätigste Region des Irak (Joel Wing 5.8.2019; vgl. Joel Wing 9.9.2019). Der IS ist stark in der Region vertreten und konnte seine operativen Fähigkeiten erhalten (Joel Wing 5.8.2019). Trotz wiederholter Militäroperationen in Diyala kann sich der IS noch immer in den ausgedehnten Gebieten, die sich vom westlichen Teil Diyalas bis zu den Hamreen Bergen im Norden des Gouvernements erstrecken, sowie in den rauen Gebieten nahe der Grenze zum Iran halten (Xinhua 22.8.2019). Es kommt in Diyala regelmäßig zu Konfrontationen des IS mit Sicherheitskräften und zu Übergriffen auf Städte (Joel Wing 5.8.2019). Einerseits vertreibt der IS Zivilisten aus ländlichen Gebieten, um dort Basen zu errichten, anderseits greift er wiederholt die lokale Verwaltung und Sicherheitskräfte an (Joel Wing 9.9.2019). Ein Hauptproblem Diyalas ist die mangelhafte Kommunikation zwischen den vielen unterschiedlichen Sicherheitsakteuren in der Region (Joel Wing 9.9.2019), andererseits gibt es generell zu wenige Sicherheitskräfte in Diyala, was der IS auszunutzen versteht (Joel Wing 5.8.2019). Der IS hat Zugang zu allen ländlichen Gebieten in Diyala, konzentriert sich aber besonders auf die Bezirke Khanaqin und Jalawla im Nordosten, welche die Zentralregierung nach dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum von 2017 übernommen hat (Joel Wing 5.8.2019). Die übrigen Vorfälle betreffen hauptsächlich den Norden und das Zentrum von Diyala. Im Süden und Westen gibt es hingegen kaum sicherheitsrelevante Vorfälle (Joel Wing 9.9.2019).

Für Juli 2019 verzeichnete Joel Wing im Gouvernement Diyala 28 sicherheitsrelevante Vorfälle mit elf Toten und 30 Verletzten (Joel Wing 5.8.2019). Im August 2019 wurden 41 Vorfälle - die höchste Anzahl seit August 2018, mit 21 Toten und 46 Verwundeten registriert (Joel Wing 9.9.2019) und im September 37 Vorfälle mit 21 Toten und 30 Verletzten (Joel Wing 16.10.2019). Im September schlug der IS in fast allen Distrikten des Gouvernements zu (Joel Wing 16.10.2019).

Im Gouvernement Kirkuk gehen die Zahlen der sicherheitsrelevanten Vorfälle, bis auf wenige Spitzen, kontinuierlich zurück. Im Juli gab es eine Reihe von Raketen- und Mörserangriffen auf Städte und Sicherheitskräfte, ansonsten handelte es ich bei den Vorfällen meist um Schießereien und den Einsatz von IEDs (Joel Wing 5.8.2019). Wie im benachbarten Diyala handelte es sich bei Vorfällen in Kirkuk meist um Schießereien, Angriffe auf Kontrollpunkte, Überfälle auf Städte und Vertreibungen aus ländlichen Gebieten, wobei sich der IS auf den Süden des Gouvernements konzentrierte. Unter anderem wurden eine Polizeistation und ein Armeestützpunkt angegriffen, sowie ein Polizeihauptquartier mit Mörsern beschossen (Joel Wing 16.10.2019).

Im Gouvernement Kirkuk wurden im Juli 2019 15 sicherheitsrelevante Vorfälle mit sechs Toten und 13 Verletzten verzeichnet (Joel Wing 5.8.2019), im August 2019 19 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 34 Toten und 19 Verwundeten (Joel Wing 9.9.2019) und im September 22 Vorfälle mit elf Toten und 19 Verletzten (Joel Wing 16.10.2019).

Im Gouvernement Salah ad-Din wurden im Juli 2019 acht Vorfälle mit zehn Toten und acht Verletzten registriert. Zu den Vorfällen zählten zwei Feuergefechte und ein Angriff auf einen Checkpoint (Joel Wing 5.8.2019). Im August 2019 wurden sieben Vorfälle mit vier Toten und fünf Verwundeten verzeichnet (Joel Wing 9.9.2019) und im September zehn Vorfälle mit 13 Toten und zehn Verletzten (Joel Wing 16.10.2019).

Das Gouvernement Anbar, früher ein IS-Zentrum, wird nun hauptsächlich für den Transit von IS-Kämpfern zwischen dem Irak und Syrien genutzt (Joel Wing 16.10.2019). Die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle in Anbar hat in den vergangenen Monaten stark fluktuiert (Joel Wing 5.8.2019).

Im Gouvernement Anbar wurden im Juli 2019 fünf sicherheitsrelevante Vorfälle mit neun Toten und 14 Verletzten registriert (Joel Wing 5.8.2019), im August 2019 waren es vier Vorfälle mit sechs Toten und neun Verwundeten (Joel Wing 9.9.2019) und im September vier Vorfälle mit 19 Toten (Joel Wing 16.10.2019).

SÜDIRAK

Das Gouvernement Babil ist ein einfaches Ziel für die Aufständischen des IS, in das sie von Anbar aus leichten Zugang haben. Insbesondere der Distrikt Jurf al-Sakhr, in dem es keine Zivilisten gibt und der als PMF-Basis dient, ist ein beliebtes Ziel des IS (Joel Wing 9.9.2019).

Im Gouvernement Babil wurden im Juli 2019 drei sicherheitsrelevante Vorfälle mit einem Toten und fünf Verletzten verzeichnet (Joel Wing 5.8.2019). Im August waren es acht Vorfälle mit fünf Toten und 48 Verletzten. Es handelt sich dabei um die höchste Zahl an Vorfällen seit Juni 2018. Darunter befand sich ein schwerer Angriff mit einer Motorradbombe (VBIED) auf einen Markt im Norden des Gouvernements (Joel Wing 9.9.2019). Im September waren es wieder drei Vorfälle mit einem Toten und fünf Verletzten (Joel Wing 16.10.2019).

Im Gouvernement Kerbala wurde im Juli ein Vorfall mit einem Toten und drei Verletzten verzeichnet. Es handelte sich dabei um den Einsatz einer Haftbombe an einem Auto (Joel Wing 5.8.2019). Im September wurde ein sicherheitsrelevanter Vorfall mit zwölf Toten und fünf Verletzten registriert (Joel Wing 16.10.2019). Hierbei wurde an einem Checkpoint im Norden von Kerbala Stadt eine Autobombe gezündet (Joel Wing 16.10.2019; vgl. VOA 21.9.2019). Von Sicherheitskräften entdeckte Waffenlager des IS weisen darauf hin, dass dieser über eine große Menge an Sprengmitteln verfügt (Joel Wing 16.10.2019).

In Basra wurde im August ein Vorfall ohne Opfer registriert. Es handelte sich dabei um eine gegen British Petroleum (BP) im Rumaila Ölfeld gerichtete IED (Joel Wing 9.9.2019). Demonstrationen gegen Korruption, Arbeitslosigkeit und mangelnde Grundversorgung halten an, wobei iranisch unterstützte PMFs beschuldigt werden, sich an der Unterdrückung der Proteste zu beteiligen und Demonstranten und Menschenrechtsaktivisten anzugreifen (Diyaruna 7.8.2019; vgl. Al Jazeera 25.10.2019).

Quellen:

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KI vom 27.7.2019, Sicherheitsupdate 2. Quartal 2019 (relevant für Abschnitt 3. Sicherheitslage)

Obwohl die terroristischen Aktivitäten im Irak deutlich zurückgegangen sind, stellt der Islamische Staat (IS) nach wie vor eine Bedrohung dar (SCR 30.4.2019). Nachdem der IS am 23.3.2019 in Syrien das letzte von ihm kontrollierte Territorium verloren hatte (ISW 19.4.2019), kündigte er Anfang April einen neuen Feldzug an, um den Gebietsverlust in Syrien zu rächen (Joel Wing 3.5.2019). Der IS vergrößerte so seine "Unterstützungszonen" [Anm. eine Kategorie des ISW für Gebiete, in denen der IS aktive und passive Unterstützung durch die lokale Bevölkerung lukrieren kann] im Irak und weitete seine Angriffe in bedeutenden Städten, wie Mossul und Fallujah, sowie im irakischen Kurdistan aus (ISW 19.4.2019). Neu wiederorganisierte IS-Zellen verstärkten ihre Operationen und Angriffe in den Gouvernements Anbar, Babil, Bagdad, Diyala, Kirkuk, Ninawa und Salahaddin (UNSC 2.5.2019). Das führte zu einem starken Anstieg der Angriffe in der zweiten Woche des Monats April. So erfolgten alleine in der zweiten Aprilwoche 41 der im gesamten Monat verzeichneten 97 sicherheitsrelevanten Vorfälle. Danach gingen die Vorfälle jedoch wieder auf das niedrige Niveau der Vormonate zurück (Joel Wing 3.5.2019). Für Mai 2019 wurden im Zuge der Frühjahrsoffensive des IS wieder die höchsten monatlichen Angriffszahlen seit Oktober 2018 verzeichnet (Joel Wing 5.6.2019). Es gab tägliche Berichte über IS-Kämpfer, die Hit-and-Run-Angriffe auf Sicherheitspersonal und Infrastruktur sowie Entführungen und Tötungen von lokalen Beamten und Zivilisten in Gebieten mit massiven Sicherheitslücken durchführten - vor allem in den Wüstenregionen Anbars, nahe der Grenze zu Syrien, als auch in den umstrittenen Gebieten, in denen es "Lücken" zwischen den irakischen und kurdischen Truppen gibt (Rudaw 9.5.2019).

Irakische Einheiten führten wiederholt Operationen in Rückzugsgebieten des IS durch (Rudaw 9.5.2019). Beispielsweise am 11.4.2019 in den Hamrin Bergen (ISW 19.4.2019; vgl. Kurdistan 24 11.4.2019) und am 5.5.2019 in den Gouvernements Anbar, Salahaddin und Ninewa (Xinhua 6.5.2019). Solche Operationen hatten jedoch nur begrenzten Erfolg, da sie die Operationsmöglichkeiten des IS nur geringfügig einschränkten. Eine große Herausforderung für die irakischen Streitkräfte besteht in Versäumnissen ihrer Geheimdienste. Unzureichende Ausbildung, Finanzierung, schlechte Kommunikation zwischen den Behörden des Sicherheitsapparats und damit einhergehend die mangelnde Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten und zu nutzen, behindern die Aufklärungsarbeit (Rudaw 9.5.2019).

Einem Bericht des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom Februar 2019 zufolge kontrolliert der IS immer noch zwischen 14.000 und 18.000 Kämpfer im Irak und in Syrien (UNSC 1.2.2019). Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums, unter Berufung auf Geheimdienstquellen, verfügt der IS noch über 20.000 bis 30.000 Angehörige - Kämpfer, Anhänger und Unterstützer - im Irak und in Syrien (USDOD 7.5.2019).

Der IS hat seine Präsenz in den Gouvernements Ninewa und Anbar durch Kämpfer aus dem benachbarten Syrien erhöht. Auch das Gouvernement Diyala bleibt weiterhin ein Kerngebiet des IS, der sich auf Gebiete im Norden und Osten des Irak fokussiert. Vorfälle in Bagdad und im Süden bleiben sporadisch (Joel Wing 3.5.2019).

Für April 2019 sind 140 zivile Todesopfer im Irak ausgewiesen. Im Mai 2019 wurden von IBC 166 getötete Zivilisten im Irak dokumentiert (IBC 6.2019).

Quelle: [....]

Vom Irak-Experten Joel Wing wurden für den Gesamtirak im Lauf des Monats April 2019 99 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 105 Toten und 100 Verletzten verzeichnet. 36 Tote gingen auf Funde älterer Massengräber im Gouvernement Ninewa zurück, wodurch die Zahl der tatsächlichen gewaltsamen Todesfälle im April auf 69 reduziert werden kann. Die meisten Opfer gab es in den Gouvernements Diyala und Ninewa (Joel Wing 3.5.2019).

Im Mai 2019 verzeichnet Joel Wing 137 sicherheitsrelevante Vorfälle, von denen 136 auf den Islamischen Staat (IS) zurückgehen (Joel Wing 5.6.2019). Bei einem dieser Vorfälle handelte es sich um einen Raketenbeschuss der "Green Zone" in Bagdad durch eine mutmaßlich pro-iranische Gruppe (Joel Wing 5.6.2019; vgl. DS 19.5.2019). Insgesamt wurden im Mai 163 Todesfälle und 200 Verwundete registriert, wobei 35 Tote auf einen Massengräberfund im Bezirk Sinjar in Ninewa zurückgehen (Joel Wing 5.6.2019).

Im Mai 2019 hat der Islamische Staat (IS) im gesamten Mittelirak landwirtschaftliche Anbauflächen in Brand gesetzt, mit dem Zweck die Bauernschaft einzuschüchtern und Steuern zu erheben, bzw. um die Bauern zu vertreiben und ihre Dörfer als Stützpunkte nutzen zu können. Das geschah bei insgesamt 33 Bauernhöfen - einer in Bagdad, neun in Diyala, 13 in Kirkuk und je fünf in Ninewa und Salahaddin - wobei es gleichzeitig auch Brände wegen der heißen Jahreszeit und wegen lokalen Streitigkeiten gab (Joel Wing 5.6.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Am 23.5.2019 bekannte sich der Islamische Staat (IS) in seiner Zeitung Al-Nabla zu den Brandstiftungen. Kurdische Medien berichteten zudem von Brandstiftung in Daquq, Khanaqin und Makhmour (BAMF 27.5.2019; vgl. ACLED 18.6.2019).

Im Juni 2019 wurden von Joel Wing 99 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet. Da jedoch zwei Hauptquellen zur Sicherheitslage im Irak den gesamten Monat Juni über offline waren, kann es sein, dass es tatsächlich mehr Angriffe gab, als registriert wurden. Sechs Vorfälle werden pro-iranischen Gruppen zugeschrieben, die mutmaßlich wegen der Spannungen zwischen den USA und dem Iran ausgeführt wurden (Joel Wing 1.7.2019).

Das irakische Militär und die Koalitionstruppen [Anm. die Truppen der von den USA geführten Koalition westlicher Staaten im Irak] führten eine Reihe von Angriffen gegen den IS durch, insbesondere im Gouvernement Anbar (ACLED 11.6.2019) und in den Hamrin Bergen (ISW 19.4.2019; vgl. Kurdistan 24 11.4.2019; Jane's 1.5.2019).

BAGDAD

Laut Joel Wing ist Bagdad ist eine weitgehend vergessene Front des Islamischen Staates (IS). Seit Anfang des Jahres 2019 wurden dort wochenweise überhaupt keine terroristischen Aktivitäten verzeichnet (Joel Wing 3.5.2019). Der IS versucht jedoch wieder in Bagdad Fuß zu fassen (Joel Wing 3.5.2019) und baut seine "Unterstützungszone" im südwestlichen Quadranten der "Bagdad-Belts" wieder auf, um seine Aktivitäten im Gouvernement Anbar mit denen in Bagdad und dem Südirak zu verbinden (ISW 19.4.2019). Alle im Gouvernement Bagdad verzeichneten Angriffe betrafen nur die Vorstädte und Dörfer im Norden, Süden und Westen (Joel Wing 3.5.2019; vgl. Joel Wing 1.7.2019). Während es sich dabei üblicherweise nur um kleinere Schießereien und Schussattentate handelte, wurden im Juni, bei einem kombinierten Einsatz eines improvisierten Sprengsatzes mit einem Hinterhalt für die den Vorfall untersuchenden, herankommenden irakischen Sicherheitskräfte, sechs Soldaten getötet und 15 weitere verwundet (Joel Wing 1.7.2019).

Im April 2019 wurden zehn sicherheitsrelevante Vorfälle im Gouvernement Bagdad verzeichnet (Joel Wing 3.5.2019). Diese führten zu sieben Toten und einer verwundeten Person (Joel Wing 1.5.2019). Auch im Mai 2019 wurden zehn Vorfälle erfasst, mit 16 Toten und 14 Verwundeten. Ein weiterer mutmaßlicher Vorfall, eine Autobombe in Sadr City betreffend, ist umstritten (Joel Wing 5.6.2019). Im Juni gab es 13 Vorfälle mit 15 Toten und 19 Verwundeten (Joel Wing 1.7.2019).

Am 19.5.2019 ist eine Rakete des Typs Katjuscha in der hoch gesicherten Grünen Zone in der irakischen Hauptstadt Bagdad, Standort der US-Botschaft, sowie einiger Ministerien und des Parlaments, eingeschlagen und explodiert. Verletzte oder Schäden habe es laut dem irakischen Militär nicht gegeben (DS 19.5.2019).

AUTONOME REGION KURDISTAN / KURDISCHE REGION IM IRAK

Der Islamische Staat (IS) erweitert seine Netzwerke im irakischen Kurdistan. Es wird vermutet, dass er versucht diese mit seinen wieder auflebenden Unterstützungszonen in den Gouvernements Kirkuk und Diyala zu verbinden. Einheiten der Asayish [Anm.: Inlandsgeheimdienst der Autonomen Region Kurdistan] konnten laut eigenen Angaben seit Jänner 2019 unter anderem drei arabische IS-Zellen sprengen - in Sulaymaniyah City, in Chamchamal, zwischen Sulaymaniyah und der Stadt Kirkuk, sowie in Kalar, im Nordosten des Diyala Flußtales. Am 11. April verhafteten die Asayish einen IS-Kämpfer, der für das Schleusen von Kämpfern zwischen Kirkuk Stadt, Hawija und Dibis im Gouvernement Kirkuk verantwortlich war (ISW 19.4.2019).

Die türkische Luftwaffe führte in den Gouvernements Dohuk, Erbil und Sulaymaniya Luftangriffe durch und verursachte materielle Schäden, ohne dass jedoch Verluste an Menschenleben gemeldet wurden. Zwischen 14. Februar und 9. April meldeten die türkischen Streitkräfte mindestens zwölf Einsätze sowie zwei Zusammenstöße mit Einheiten der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) (UNSC 2.5.2019). Am 27.5.2019 startete das türkische Militär die "Operation Klaue" mit dem Ziel PKK-Hochburgen im Nordirak, in der Region Qandil zu beseitigen (ACLED 2.7.2019; vgl. Al Jazeera 28.5.2019). Nach einer anfänglich defensiven Haltung der PKK kam es zu einer Zunahme der Angriffe auf die türkischen Streitkräfte, insbesondere im Südosten der Türkei, wie den Bezirk Cukurca in der Provinz Hakkari. Kurdische Einheiten zogen sich dabei grenzüberschreitend auch in den Iran zurück (ACLED 2.7.2019). Über 60 PKK-Kämpfer wurden seit Beginn der "Operation Klaue" als "neutralisiert" (d.h. getötet, gefangen genommen oder verletzt) gemeldet (ACLED 11.6.2019; vgl. ACLED 2.7.2019). Ebenso wurde die Zerstörung von Sprengmittel (Landminen, IEDs) und Verstecken der PKK gemeldet (ACLED 11.6.2019; vgl. Reuters 8.6.2019).

Türkisches Bombardement, das die Ortsränder dreier Dörfer im Bezirk Amadiya im Gouvernement Dohuk traf, zwang deren Einwohner zur Flucht (Kurdistan 24 9.4.2019).

NORD- UND ZENTRALIRAK

In den 2017 von der Zentralregierung übernommenen, umstrittenen Gebieten nutzt der Islamische Staat (IS) die geringe Zahl an Sicherheitskräften und deren Konkurrenzverhältnis zueinander aus, woraus sich die hohe Zahl an Übergriffen ableiten lässt (Joel Wing 1.7.2019). Kleinere Gruppen von IS-Kämpfern infiltrieren von Syrien kommend immer wieder die zerklüfteten Gebiete und Wüstenlandschaft im Westirak (Xinhua 6.5.2019).

Das irakische Militär und die von den USA geführte internationale Koalition führten eine Reihe von Angriffen gegen den IS durch, insbesondere im Gouvernement Anbar (ACLED 11.6.2019). Am 5.5.2019 startete ein gemischter Verband der irakischen Armee und paramilitärischen Stammeseinheiten, mit Luftunterstützung der Koalition, und in Abstimmung zwischen den Militärkommandos der Gouvernements Anbar, Salahaddin und Nine

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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