TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/23 W138 2199891-2

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Veröffentlicht am 23.06.2020
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Entscheidungsdatum

23.06.2020

Norm

ABGB §833
ABGB §834
ABGB §835
ABGB §836
ABGB §837
ABGB §838
ABGB §838a
AVG §59
AVG §6
AVG §9
B-VG Art133 Abs4
VermG §25 Abs2
VermG §25 Abs5
VermG §3 Abs4
VermG §34
VwGVG §14 Abs1
VwGVG §15 Abs1
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W138 2199671-2/2E

W138 2199891-2/2E

Im namen der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag Klaus HOCHSTEINER als Einzelrichter über die Beschwerden des 1. Leopold B XXXX (=BF1) und 2. der Ulrike B XXXX (=BF2) beide je anwaltlich vertreten durch RA XXXX , gegen die beiden gleichlautenden Bescheide des Vermessungsamts Sankt Pölten beide vom 16.12.2019, GFN 2953/2019/19, in der Fassung der beiden Beschwerdevorentscheidungen vom 20.02.2020, GFN 2953/2019/19 nach Vorlageantrag vom 26.02.2020 zu Recht:

A)

Die beiden gleichlautenden, einerseits an Leopold B XXXX und andererseits an Ulrike B XXXX jeweils gesondert erlassenen und an den gemeinsamen Rechtsvertreter adressierten Beschwerdevorentscheidungen, beide vom 20.02.2020, jeweils mit der identen GFN 2953/2019/19, werden behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Aufgrund des Antrages des Reinhold T XXXX vom 11.09.2017 wurde am 24.10.2019 beim Grundstück 995/3 der XXXX eine Grenzverhandlung gemäß § 18a Abs. 2 VermG abgehalten. Bezüglich der Grenze des Grundstücks 995/2, der XXXX der beiden Beschwerdeführer zu dem Grundstücken 995/3 der XXXX , des Reinhold T XXXX wurde keine Einigung erreicht.

2. Mangels Einigung über den Grenzverlauf erließ die belangte Behörde zwei gleichlautende, einen an den B1 und einen an die BF2, gerichtete Bescheide, beide vom 16.12.2019 jeweils mit derselben GFN 2953/2019/19. Mit den beiden Bescheiden wurde sowohl der BF1 als auch die BF2 jeweils für sich aufgefordert als Eigentümer des Grundstückes 995/2, binnen sechs Wochen ab Zustellung des jeweiligen Bescheides ein für die Bereinigung des Grenzstreites bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen.

3. Gegen die Bescheide der belangten Behörde vom 16.12.2019, GFN 2953/2019/19 erhoben die beiden Beschwerdeführer durch einen gemeinsamen anwaltlichen Rechtsvertreter in einem verbundenen Schriftsatz vom 13.01.2019 Beschwerde.

4. Die belangte Behörde erließ aufgrund der Beschwerde zwei Beschwerdevorentscheidungen vom 20.02.2020, beide mit der GFN 2953/2019/19, wobei eine an den BF1 und eine an die BF2 gerichtet war. Mit den beiden Beschwerdevorentscheidungen wurde jeder der beiden Beschwerdeführer für sich aufgefordert, gemeinsam mit seiner/m MiteigentümerIn binnen sechs Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides ein für die Bereinigung des Grenzstreites bestimmtes gerichtliches Verfahren bezüglich des Grenzverlaufs zu Grundstück 995/3 zwischen den Punkten 6516 – 2341 – 2342, anhängig zu machen.

5. Die beiden Beschwerdeführer stellten durch ihren gemeinsamen anwaltlichen Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 26.02.2020, den Antrag die gegenständliche Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die obige Verfahrensgangschilderung wird als spruchrelevanter Sachverhalt festgestellt.

Über den vorstehenden Verfahrensgang hinaus ist festzustellen, dass der BF1 und die BF2 zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung und auch aktuell je zur Hälfte schlichte und damit ideelle Miteigentümer des Grundstücks 995/2, der Katastralgemeinde XXXX waren bzw sind.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung:

§ 25 Abs. 2 VermG, BGBl. Nr. 306/1968 lautet:

"(2) Einigen sich die Eigentümer nicht über den Grenzverlauf und ist noch kein gerichtliches Verfahren anhängig, so ist der Eigentümer, der behauptet, daß die Grenze nicht mit dem sich auf Grund der Behelfe ergebenden Grenzverlauf übereinstimmt, aufzufordern, binnen sechs Wochen ein für die Bereinigung des Grenzstreites bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen. Läßt sich auf diese Weise der zur Einleitung des gerichtlichen Verfahrens aufzufordernde Eigentümer nicht ermitteln, so ist derjenige Eigentümer aufzufordern, dessen Behauptung den sonstigen in der Grenzverhandlung hervorgekommenen Umständen nach den geringeren Grad der Wahrscheinlichkeit besitzt."

Sowohl der BF1 als auch die BF2 wurden mit den gegenständlichen Beschwerdevorentscheidungen jeweils für sich getrennt aufgefordert, gemeinsam mit ihrer/m MiteigentümerIn binnen sechs Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides ein für die Bereinigung des Grenzstreites bestimmtes gerichtliches Verfahren bezüglich des Grenzverlaufs zu Grundstück 995/3 zwischen den Punkten 6516 – 2341 – 2342, anhängig zu machen.

Wenn, wie gegenständlich, einmal der BF 1 und ein andermal die BF 2 je für sich getrennt aufgefordert wurden, binnen sechs Wochen ein bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen, wird nachstehend unter Zitierung der entsprechenden Teile des § 25 Vermessungsgesetz nachzuweisen sein, dass damit in Wahrheit zwei normative Aussprüche, einmal zu Lasten des BF 1 und einmal zu Lasten der BF 2, vorgenommen wurden.

§ 25 Vermessungsgesetz, der gegenständlich tragend für die Bescheide des gegenständlichen Verwaltungsakts war, regelte zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung und regelt auch aktuell den sogenannten Gerichtsverweis. Dieser erfolgt in Bescheidform, siehe dazu zB Twaroch, Kataster- und Vermessungsrecht3, § 25 VermG Anm 25 mit Verweis auf VwGH Zl 2007/06/0258.

Anhand des Gesetzestexts des § 25 VermG ist ersichtlich, dass ein auf § 25 Abs. 2 VermG gestützter Gerichtsverweisungsbescheid dazu dient, einen im Grenzstreit streitverfangenen Nachbarn, der kurz gesprochen aus Behördensicht die schlechteren Urkunden (Behelfe) bzw subsidiär den schlechteren sonstigen Standpunkt jeweils zum strittigen Grenzverlauf für sich hat, zu verpflichten, binnen sechs Wochen ein zivilgerichtliches Verfahren (streitig oder außerstreitig) zur Bereinigung des Grenzstreits gegen den angrenzenden Grundnachbarn einzuleiten, weil sonst gemäß § 25 Abs. 5 VermG die Grenzbehauptung des angrenzenden Grundnachbarn gelten soll [und letztlich der Umwandlung in den Grenzkataster zu Grunde zu legen ist - siehe dazu zB insb § 28 Abs. 1 Z 1 VermG].

Ein Bescheid im Sinne des AVG ist ein individuell konkreter normativer Verwaltungsakt, bei dem grundsätzlich nur der Spruch rechtskräftig den normativ – verbindlichen Ausspruch enthält (siehe dazu zB Thienel/Schulev-Steindl, aaO,233).

Nach der Rsp des VwGH liegt ein anfechtbarer Bescheid dabei nur dann vor, wenn aus dem Bescheid oder zumindest aus dessen Zustellverfügung ersichtlich ist, wer der Normadressat dieses individuell - konketen normativen Verwaktungsakts ist.

Der VwGH hat insoweit zB zu 97/06/0217 ausgeführt:

Es bedeutet zwar noch keinen Verstoß gegen die Vorschrift des § 59 AVG, wenn die Behörde im Spruch die Verpflichteten zunächst abstrakt bezeichnet (hier: Miteigentümer der Liegenschaft), dann aber in der Zustellverfügung diejenigen physischen oder juristischen Personen benennt, auf welche sich der Spruch bezieht. Unterbleibt auch dies, mangelt es der Erledigung an der Bescheideigenschaft (Hinweis B 19.5.1994, 92/07/0040, E 10.3.1992, 92/07/0047). Der Umstand, daß die Erledigung "zu Handen" eines Verwalters erging, vermag daran nichts zu ändern, weil auch bei einer Zustellung an einen Vertreter der Adressat aus dem Bescheid zu entnehmen sein mu[ss].

Gegenständlich ist eine gesonderte Zustellverfügung bezüglich der beiden Bescheide und der beiden Beschwerdevorentscheidungen dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.

Die Behörde hat bei Erlassung der Beschwerdevorentscheidungen des (vorgelegten) Verwaltungsakts keine gesonderten, außerhalb der Bescheidausfertigungen dokumentierten Zustellverfügungen verfasst, sondern wurden die beiden getrennten Bescheide jeweils an die BF 2 und an den BF 1, vertreten durch XXXX adressiert.

Die belangte Behörde erließ somit zwei normative Aussprüche, einmal zu Lasten des BF1 und einmal zu Lasten der BF2 und damit zwei verschiedene, jeweils durch Rechtsmittel bekämpfbare Bescheide bzw. Beschwerdevorentscheidungen.

Wenn in dem Vorlageantrag am Deckblatt jeweils der BF 1 und die BF aufscheinen, interpretiert das BVwG die vorgetragenen Rechtsmittelbegehren so, dass der jeweils den BF 1 und die BF 2 betreffende Bescheid abzuändern bzw aufzuheben ist, nachdem die beiden BF objektiv eindeutig das Rechtsschutzziel verfolgen, dass nicht sie beide auf den Rechtsweg (bei sonstiger Rechtsfolge des § 25 Abs 5 VermG) verwiesen werden; siehe zu dieser Begehrensinterpretation nochmals zB VwGH Zlen 2011/12/0005 und 2009/08/0058.

Die Vertretungsbefugnis der Miteigentümergemeinschaft in Bezug auf die den Miteigentümern nach ideellen Miteigentumsanteilen gemeinsame Sache und deren Verwaltung richtet sich danach, ob in einer Sache der ordentlichen Verwaltung oder iZm wichtigen Veränderungen zu vertreten ist.

3.3.1. Die hier interessierenden Bestimmungen des ABGB lauten wie folgt:

Rechte der Theilhaber in der gemeinschaftlichen Sache:

a) In Rücksicht des Hauptstammes;

§ 833. Der Besitz und die Verwaltung der gemeinschaftlichen Sache kommt allen Theilhabern insgesammt zu. In Angelegenheiten, welche nur die ordentliche Verwaltung und Benützung des Hauptstammes betreffen, entscheidet die Mehrheit der Stimmen, welche nicht nach den Personen, sondern nach Verhältniß der Antheile der Theilnehmer gezählet werden.

§ 834. Bey wichtigen Veränderungen aber, welche zur Erhaltung oder bessern Benützung des Hauptstammes vorgeschlagen werden, können die Ueberstimmten Sicherstellung für künftigen Schaden; oder, wenn diese verweigert wird, den Austritt aus der Gemeinschaft verlangen.

§ 835. Wollen sie nicht austreten; oder geschähe der Austritt zur Unzeit; so soll das Los, ein Schiedsmann, oder, wofern sie sich darüber nicht einhellig vereinigen, der Richter entscheiden, ob die Veränderung unbedingt oder gegen Sicherstellung Statt finden soll oder nicht. Diese Arten der Entscheidung treten auch bey gleichen Stimmen der Mitglieder ein.

§ 836. Ist ein Verwalter der gemeinschaftlichen Sachen zu bestellen; so entscheidet über dessen Auswahl die Mehrheit der Stimmen, und in deren Abgang der Richter.

§ 837. Der Verwalter des gemeinschaftlichen Gutes [...].

§ 838. Wird die Verwaltung Mehrern [...]

§ 838a. Streitigkeiten zwischen den Teilhabern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten sind im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden.

Ein Miteigentümer, der nur einen ideellen Miteigentumsanteil an einem im Miteigentum stehenden Grundstück hat, ist jedoch kein hinsichtlich der fraglichen Grundstückgrenze einzelvertretungsbefugter (Gesamt- bzw Allein-) Eigentümer und ist daher im Rahmen der außerordentlichen Verwaltung nur gemeinsam mit seinen Miteigentümer vertretungs- und entscheidungsbefugt.

Da die Grundgrenzen bei einem Grundstück denkmöglich lagemäßig immer nur für alle ideellen Miteigentümer die gleichen sein können, stellt die mangels zivilgerichtlicher Schritte iSd § 25 Abs 2 VermG im Raum stehende Rechtsfolge gemäß § 25 Abs 5 VermG, dass die Grenzlinie entsprechend den Behauptungen des im Grenzstreit streitverfangenen Grundnachbarn gelten soll, eine Angelegenheit dar, die eine Willensbildung und allenfalls Vertretungsmaßnahmen der Miteigentümergemeinschaft iZm einer wichtigen Veränderung erforderlich macht.

Unter ordentlicher Verwaltung sind nämlich nur jene Maßnahmen zu verstehen, die zur Erhaltung und zum Betrieb notwendig und zweckmäßig sind, den Interessen aller Miteigentümer dienen und (kumulativ) keine besonderen Kosten hervorrufen, siehe dazu Welser/Kletec?ka, Bürgerliches Recht I15 Rz 925.

Da die Beschreitung des Zivilrechtswegs gemäß § 25 Abs. 2 VermG (mitunter zuvor im außerstreitgen Verfahren bzw sofort oder danach im streitigen Zivilverfahren, evtl bis zum OGH) notorisch jedenfalls einmal mit besonderen und dabei nicht unerheblichen Aufwendungen verbunden sein wird, ist die Entscheidung hälftiger ideeller Miteigentümer, nach einem rechtmäßigen Gerichtsverweis an sie, gemäß § 25 Abs 2 VermG zur Vermeidung der Rechtsfolgen des § 25 Abs 5 VermG den Zivilrechtsweg zu beschreiten, jedenfalls als eine Entscheidung iZm einer wichtigen Veränderung gemäß §§ 834f ABGB zu qualifizieren.

Vertretungsbefugt sind insoweit - mangels hier nicht behaupteter und auch sonst nicht hervorgekommener Verwalterbestellung - nur der BF 1 und die BF 2 gemeinsam, sofern nicht bei Uneinhelligkeit der Miteigentümer samt Stimmengleichheit der Außerstreitrichter gemäß §§ 835 insb letzter Satz und 838a ABGB über die idZ gebotene Verwaltungs- und Vertretungsmaßnahme zu entscheiden hat, siehe dazu nochmals Welser/Kletec?ka, aaO Rz 932.

Wenn nunmehr bei der Grenzvermessung zwecks Umwandlung gemäß § 34 VermG wie vorliegend in der Grenzverhandlung keine Einigung über den Grenzverlauf zwischen den Grundstücksnachbarn zu erzielen war, und daher der Gerichtsverweis gemäß § 25 Abs. 2 VermG auszusprechen war, und zudem dieser Gerichtsverweis in Bescheidform zu ergehen hat (-te), wären nach hier vertretener Auffassung bereits im insoweit allein verbindlichen Spruch eines einzigen Bescheids alle Miteigentümer, hier also die BF 2 und der BF1, gemeinsam aufzufordern gewesen, den entsprechenden Zivilrechtsweg zu beschreiten, um durch diese zivilgerichtlichen Schritte (letztlich) die Rechtsfolgen des § 25 Abs 5 VermG zu vermeiden, nachdem in dieser Sache eben nur die Miteigentümer BF 1 und BF 2 miteigentumsrechtlich gemeinsam darüber entscheiden durften und dürfen, ob man die Rechtsfolgen des § 25 Abs. 5 VermG für das eigene Grundstück iZm dessen Grenzverlauf akzeptiert oder aber den regelmäßig mit entsprechendem Aufwand verbundenen Zivilrechtsweg beschreitet.

Teleologisch und sachgerecht iSd Art 2 StGG sind bei einer Miteigentumsgemeinschaft nur alle Miteigentümer gemeinsam der insoweit iSd § 25 Abs. 2 VermG auf den Zivilrechtsweg zu verweisende "Eigentümer". Ein Miteigentümer, der nur einen ideellen Miteigentumsanteil an einem im Miteigentum stehenden Grundstück hat, ist eben kein hinsichtlich der fraglichen Grundstückgrenze einzelvertretungsbefugter (Gesamt- bzw Allein-) Eigentümer.

Wenn man unter verfahrensrechtlicher Zuständigkeit iSd § 6 AVG oder aber des § 27 VwGVG gemeinsam mit zB Thienel/Schulev-Steindl, aaO, 77, die abstrakte Befugnis einer Behörde zu verstehen hat, einen bestimmten Hoheitsakt und insb Bescheid zu erlassen, führt dies unter Berücksichtigung der weiteren vorstehenden Ausführungen dazu, dass der § 25 Abs. 2 VermG iZm zu Gericht zu verweisenden Miteigentümern der Behörde nur die Zuständigkeit einräumt, alle Miteigentümer in einem einzigen Bescheid gemeinsam zu Gericht zu verweisen.

Durch den getrennten normativen Ausspruch an die jeweiligen Miteigentümer und die separate Erlassung der Beschwerdevorentscheidungen hat die Behörde jedoch sowohl dem BF1 als auch der BF2 die Möglichkeit eröffnet die jeweilige Beschwerdevorentscheidung einzeln vor dem BVwG zu bekämpfen. Dies ist jedoch rechtlich unzulässig, da ideelle Miteigentümer im Rahmen der außerordentlichen Verwaltung nur gemeinsam vertretungs- und entscheidungsbefugt und somit beschwerdelegitimiert sind. Bei einer getrennten Anfechtbarkeit, könnte es auch zu dem Ergebnis führen, dass eine Beschwerdevorentscheidung unangefochten bleibt und damit rechtskräftig, die andere Beschwerdevorentscheidung hingegen erfolgreich bekämpft wird. Dies hätte zur Folge, dass sich zwei entgegengesetzte rechtskräftige normative Aussprüche gegenüberstehen würden. Diese Rechtunsicherheit soll vermieden werden, weshalb Gerichtsverweise nur von allen Miteigentümern gemeinsam angefochten werden können und alle Miteigentümer nur mit einem einheitlichen Bescheid gemeinsam und namentlich genannt auf den Gerichtsweg zu verweisen sind.

Aufgrund der gegenständlich identen Geschäftsfallnummern und der unterschiedlichen Adressaten der beiden Bescheide bzw. Beschwerdevorentscheidungen, kann nicht objektiv nachvollzogen werden, ob sich die Beschwerdeführer nur gegen einen, beide oder gegen welchen der beiden Beschwerdevorentscheidungen bzw. Bescheide die Beschwerdeführer Beschwerde erhoben bzw. einen Vorlagenantrag gestellt haben.

Von der belangten Behörde wäre daher eine einzige, an beide Beschwerdeführer adressierte und zuzustellende Beschwerdevorentscheidung bzw. ein einziger Bescheid gemäß § 25 Abs. 2 VermG zu erlassen gewesen, mit welcher/em der BF1 und die BF2 unter namentlicher Nennung aufzufordern gewesen wären, gemeinsam als Miteigentümer des Grundstücks 995/2, XXXX binnen sechs Wochen ein für die Bereinigung des Grenzstreits bestimmtes gerichtliches Verfahren bezüglich […] anhängig zu machen. Dieser Umstand wäre auch in der Zustellverfügung zu berücksichtigen gewesen. (vgl. BVwG vom 23.04.2020, W131 2162151-1/26E und W131 2162979-1/26E)

Nur mit dem Verweis aller Miteigentümer gemeinsam im Bescheidspruch eines Bescheides wird zudem der Anschein für den Bürger vermieden, der beim Verweis einzelner Miteigentümer in getrennten Bescheiden entstehen könnte, wie auch zum Beispiel, dass der einzelne Miteigentümer getrennt Beschwerde bzw. einen Vorlageantrag stellen könnten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Entfall der mündlichen Verhandlung:

Nach § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Wurde kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße - und zu begründende - Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG Hengstschläger/Leeb, AVG, § 67d Rz 17 und 29, mwH).

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Da der entscheidungsrelevante Sachverhalt unstrittig war und anhand des Akteninhalts festgestellt werden konnte, geht das Bundesverwaltungsgericht weiters davon aus, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

Von einer mündlichen Verhandlung konnte daher in Anwendung von § 24 Abs. 1 und 4 VwGVG abgesehen werden.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung von Rechtsfrage abhängt, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Es liegt nämlich jedenfalls keine gefestigte Rsp des VwGH zu der Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, inwieweit bei Miteigentümern und einem verwaltungsbehördlichen Gerichtsverweisungsausspruch gemäß § 25 Abs 2 VermG alle Miteigentümer in einem Spruch und somit einer Entscheidung gemeinsam oder gegenteilig jeder einzelne Miteigentümer im Bescheidspruch allein aufzufordern sind, den Zivilrechtsweg zur Vermeidung der Rechtsfolgen des § 25 Abs 5 VermG zu bestreiten.

Insoweit erscheint damit auch unklar, ob der VwGH den vorliegenden miteigentumsspezifischen Fall auch so sehen wird wie hier das BVwG, nachdem der VwGH zB zur Zl 2004/04/0134 vor BGBl I 2014/83 nach hier vertretener Auffassung wertungsgleich zur vorliegenden Entscheidung ausgesprochen hat, dass bei einer als GesbR zu bewertenden Bietergemeinschaft im Vergaberecht nach damaliger Rechtslage die Einbringung eines Nachprüfungsantrags zur Wahrung der Vertragschancen für das gemeinsame Angebot als Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung zu sehen war; und daher gerade nicht jeder einzelne Gesellschafter der Bietergemeinschaft allein Nachprüfungsanträge zur Verteidigung des Angebots der Bietergemeinschaft im Vergabewettbewerb an die Rechtsschutzbehörde stellen durfte.

Schlagworte

Anhängigkeit Behebung der Entscheidung Bescheidspruch Bescheidwirkung Beschwerdevorentscheidung ersatzlose Behebung Gerichtsverfahren Grenzverhandlung Grenzverlauf Grenzvermessung Kassation Miteigentumsanteile Revision zulässig Vermessung Verweis Vorlageantrag Wahrscheinlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W138.2199891.2.00

Im RIS seit

20.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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