TE Bvwg Beschluss 2020/6/24 W120 2232000-1

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Veröffentlicht am 24.06.2020
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Entscheidungsdatum

24.06.2020

Norm

BVergG 2018 §12 Abs1 Z4
BVergG 2018 §141 Abs1
BVergG 2018 §2 Z5
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §333
BVergG 2018 §334
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §344 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs2
BVergG 2018 §351 Abs1
BVergG 2018 §351 Abs3
BVergG 2018 §351 Abs4
BVergG 2018 §4 Abs1 Z2
BVergG 2018 §5
BVergG 2018 §78 Abs1 Z9
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W120 2232000-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Dr. Christian Eisner über die Anträge vom 16.06.2020 der Bietergemeinschaft bestehend aus der XXXX und der XXXX , vertreten durch Harrer Schneider Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren „Bodenmarkierungen ab 2020, österreichweit – in 9 Losen“ zu den Losen 4 und 8 der Auftraggeberin XXXX Wien den Beschluss:

A)

Den Anträgen, der Auftraggeberin „für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung des BVwG [zu] untersag[en], im Vergabeverfahren ‚Bodenmarkierungen ab 2020 österreichweit – in 9 Losen‘ in den Losen 4 und 8 die Rahmenvereinbarung abzuschließen“, wird Folge gegeben.

Der Auftraggeberin wird für die Dauer des gegenständlichen Nachprüfungsverfahrens untersagt, im vorliegenden Vergabeverfahren die Rahmenvereinbarungen abzuschließen.

B)

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1.       Mit Schriftsatz vom 16.06.2020 beantragte die Antragstellerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung dahingehend, dass der Auftraggeberin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens der Abschluss der Rahmenvereinbarungen untersagt werde. Zudem stellte die Antragstellerin Anträge auf Nichtigerklärung der Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll („Zuschlagsentscheidung“) jeweils betreffend Los 4 und Los 8 vom 08.06.2020, auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren.

Zur Begründung der Rechtswidrigkeit der „Zuschlagsentscheidung“ brachte die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass 1. die Auftraggeberin aufgrund der auffällig niedrigen Angebotspreise der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sowohl bezüglich Los 4 als auch bezüglich Los 8 zwingend eine vertiefte Angebotsprüfung im Sinne des § 137 BVergG 2018 vornehmen hätte müssen bzw. in eventu diese nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei, 2. das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin aufgrund nicht plausibler Zusammensetzung des Gesamtpreises gemäß § 141 Abs 1 Z 3 BVergG 2018 ausgeschieden hätte werden müssen, 3. das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wegen eines Widerspruchs zur Ausschreibung (Nichteinhaltung der kollektivvertraglichen Mindestlöhne sowie der Kalkulationsvorschriften gemäß ÖNORM B 2061) ausgeschieden hätte werden müssen und 4. die präsumtive Zuschlagsempfängerin frühere Aufträge von öffentlichen Auftraggebern nicht bzw. nicht ordnungsgemäß erfüllt habe, weshalb diese gemäß § 78 Abs 1 Z 9 BVergG 2018 vom Vergabeverfahren auszuschließen gewesen wäre.

2.       Am 18.06.2020 erteilte die Auftraggeberin zunächst allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren. Zu den Anträgen auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurde kein Vorbringen erstattet.

3.       In der hg. am 19.06.2020 eingelangten Stellungnahme führte die präsumtive Zuschlagsempfängerin in Bezug auf die Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Wesentlichen aus, dass die Antragstellerin „lediglich formelhaft“ ausführe. Ordnungsgemäße Straßenmarkierungen seien für die Verkehrssicherheit erheblich. Die Erlassung der einstweiligen Verfügung würde zu einer Verzögerung des Abschlusses der Rahmenvereinbarungen, der Auftragsausführung, der Einnahmen von Deckungsbeiträgen und der Erzielung des unternehmerischen Gewinns führen. Dadurch würden der präsumtiven Zuschlagsempfängerin Vorhaltekosten entstehen, die sie nicht ersetzt bekommen würde. Ferner könne es zur „sicherheitsrelevanten Nichtausführungen“ kommen. Im Übrigen fehle der Antragstellerin vor dem Hintergrund des Verstoßes gegen Kartellrecht die Antragslegitimation im vorliegenden Verfahren.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Auftraggeberin schrieb unter der Bezeichnung „Bodenmarkierung ab 2020, österreichweit – in 9 Losen“ einen Bauauftrag nach dem Bestbieterprinzip im Oberschwellenbereich aus. Es erfolgte eine Unterteilung in neun Lose; verfahrensgegenständlich sind die Lose 4 und 8.

Der geschätzte Auftragswert exklusive Umsatzsteuer für die gesamten Lose 1 bis 9 beträgt EUR XXXX .

Das Los 4 betrifft die Region Ost B mit einem geschätzten Auftragswert von EUR XXXX -- und das Los 8 umfasst die Region West B mit einem geschätzten Auftragswert von EUR XXXX ,--.

Die Laufzeit der Rahmenvereinbarungen soll jeweils XXXX Monate betragen. Die Auftraggeberin veröffentlichte die Ausschreibung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 08.07.2019 zur Ausschreibungsnummer 2019/S 129-315359 und im Amtlichen Lieferanzeiger zur Ausschreibungsnummer L-683458-974 am 08.07.2019.

Die Auftraggeberin führt dieses Verfahren als offenes Verfahren durch.

Am 08.06.2020 übermittelte die Auftraggeberin an die Antragstellerin betreffend die Lose 4 und 8 die hier gegenständlichen Entscheidungen, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll.

Die Auftraggeberin hat das Vergabeverfahren weder widerrufen noch den Zuschlag erteilt.

Die Antragstellerin bezahlte die entsprechenden Pauschalgebühren.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem Verfahrensakt bzw. den Stellungnahmen der Parteien. Bei der Beweiswürdigung haben sich gegen die Echtheit und Richtigkeit der Vergabeunterlagen der Auftraggeberin keine Bedenken ergeben.


3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Anzuwendendes Recht:

3.1.1.  § 28 Abs 1 VwGVG („Erkenntnisse“), BGBl I Nr 33/2013, lautet wie folgt:

„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

[…]“

§ 31 Abs 1 VwGVG („Beschlüsse“) ordnet Folgendes an:

„§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

[…]“

3.1.2.  Der 4. Teil des BVergG 2018, der die Bestimmungen über den Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht enthält, geht als lex specialis den Bestimmungen des VwGVG vor. Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz2018 – BVergG 2018), BGBl I 2018/65, lauten:

„4. Teil

Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht

1. Hauptstück

Zuständigkeit, fachkundige Laienrichter, Ausschluss und Ablehnung

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes

§ 327. Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig zur Entscheidung über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen.

Senatszuständigkeit und -zusammensetzung

§ 328. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten.

[…]

2. Hauptstück

Besondere Bestimmungen über das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichtes

1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

Anzuwendendes Verfahrensrecht

§ 333. Soweit in diesem Bundesgesetz und im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach diesem Bundesgesetz sinngemäß anzuwenden.

Zuständigkeit

§ 334. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.

(2) Bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig

1.        zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie

2. zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.

[…]

2. Abschnitt

Nachprüfungsverfahren

Einleitung des Verfahrens

§ 342. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern

1. er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und

2.        ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

[…]

Inhalt und Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages

§ 344. (1) Ein Antrag gemäß § 342 Abs. 1 hat jedenfalls zu enthalten:

1. die Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens sowie der angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidung,

2. die Bezeichnung des Auftraggebers, des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,

3. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes einschließlich des Interesses am Vertragsabschluss, insbesondere bei Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung die Bezeichnung des für den Zuschlag in Aussicht genommenen Bieters,

4. Angaben über den behaupteten drohenden oder bereits eingetretenen Schaden für den Antragsteller,

5. die Bezeichnung der Rechte, in denen der Antragsteller verletzt zu sein behauptet (Beschwerdepunkte) sowie die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

6. einen Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidung, und

7. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.

(2) Der Antrag ist jedenfalls unzulässig, wenn

1. er sich nicht gegen eine gesondert anfechtbare Entscheidung richtet, oder

2. er nicht innerhalb der in § 343 genannten Fristen gestellt wird, oder

3. er trotz Aufforderung zur Verbesserung nicht ordnungsgemäß vergebührt wurde.

[…]

3. Abschnitt

Einstweilige Verfügungen

Antragstellung

§ 350. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

(2) Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat zu enthalten:

1. die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, der gesondert anfechtbaren Entscheidung sowie des Auftraggebers, des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,

2. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie des Vorliegens der in § 342 Abs. 1 genannten Voraussetzungen,

3. die genaue Bezeichnung der behaupteten Rechtswidrigkeit,

4. die genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung der Interessen des Antragstellers und eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen,

5. die genaue Bezeichnung der begehrten vorläufigen Maßnahme und

6. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.

[…]

Erlassung der einstweiligen Verfügung

§ 351. (1) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bundesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

(2) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.

(3) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

(4) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.

(5) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar.

[…]“

3.2.    Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 328 Abs 1 BVergG 2018 ist im Anwendungsbereich des BVergG 2018 grundsätzlich die Entscheidung durch Senate vorgesehen. Insbesondere sind einstweilige Verfügungen davon ausgenommen. Die Entscheidung ist daher durch einen Einzelrichter zu treffen.

Auftraggeber iSd § 2 Z 5 BVergG 2018 ist die XXXX . Diese ist öffentliche Auftraggeberin gemäß § 4 Abs 1 Z 2 BVergG 2018. Beim gegenständlichen Auftrag handelt es sich um einen Bauauftrag gemäß § 5 Z 1 iVm § 153 BVergG 2018. Nach den Angaben der Auftraggeberin beträgt der geschätzte Auftragswert exklusive Umsatzsteuer für die gesamten Lose 1 bis 9 EUR XXXX , sodass es sich gemäß § 12 Abs 1 Z 4 BVergG 2018 um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt.

Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG 2018. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 342 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 lit c B-VG ist sohin gegeben.

3.3.    Zum Vorbringen der Parteien:

3.3.1.  Die Antragstellerin stellte in Bezug auf die Erlassung der einstweiligen Verfügung folgende Anträge:

„Der Auftraggeberin wird

1. für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung des BVwG untersagt, im Vergabeverfahren ‚Bodenmarkierungen ab 2020 österreichweit – in 9 Losen‘ in den Losen 4 und 8 die Rahmenvereinbarung abzuschließen sowie

2. der Ersatz der von der Antragstellerin für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung entrichteten Pauschalgebühr binnen 14 Tagen zu Handen ihres Rechtsvertreters bei sonstiger Exekution auferlegt.“

Die Antragstellerin begründete ihre Anträge im Wesentlichen damit, dass die Erlassung einer einstweiligen Verfügung schon deshalb zwingend erforderlich sei, da die Auftraggeberin ansonsten durch den rechtswidrigen Abschluss der Rahmenvereinbarungen unumkehrbare Tatsachen schaffen könne. Bei Nicht-Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohe der Antragstellerin insbesondere ein Schaden aus entgangenem Gewinn. Einer Untersagung des Abschlusses der Rahmenvereinbarungen stünden keine vergleichbaren Interessen der Auftraggeberin und etwaiger sonstiger Mitbewerber bzw. der präsumtiven Zuschlagsempfängerin entgegen.

Die Auftraggeberin habe vor dem Hintergrund der überlangen Dauer der Angebotsprüfung (die Angebotsöffnung sei bereits am 28.08.2019 erfolgt) und der rechtswidrigen Entscheidung, mit welchem Unternehmer eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, erhebliche Verzögerungen bei der Vergabe verursacht. Aufgrund der Dauer der Angebotsprüfung von mehr als vier Monaten seit der Nichterklärung der vorhergehenden rechtswidrigen Entscheidung, mit welchem Unternehmer eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, durch das Bundesverwaltungsgericht, sei auch kein Interesse der Auftraggeberin oder eine Dringlichkeit zu erkennen, diese Leistungen rasch zu vergeben.

Darüber hinaus sei ein der Auftraggeberin allfällig entstehender Schaden schon deshalb weniger stark zu gewichten, weil diese durch die rechtswidrige Entscheidung die Stellung dieser Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung erst erforderlich gemacht habe.

Eine erlassene einstweilige Verfügung stelle daher weder für die Auftraggeberin noch für die Mitbieter eine unverhältnismäßige Belastung dar.

Eine Gefährdung von Leib und Leben sei durch einen für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens verzögerten Abschluss der Rahmenvereinbarungen nicht gegeben.

Die begehrte einstweilige Verfügung stelle zudem die gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme dar.

3.3.2.  Die Auftraggeberin sprach sich nicht gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus und benannte keine gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen.

3.3.3.  Die präsumtive Zuschlagsempfängerin sprach sich gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus. Begründend führte diese zusammengefasst aus, dass es durch die Erlassung der einstweiligen Verfügung zu einer Verzögerung der Auftragsausführung kommen würde, wodurch sich die Einnahmen von Deckungsbeiträgen oder der unternehmerische Gewinn verzögern würden. Zudem würden der präsumtiven Zuschlagsempfängerin Vorhaltekosten entstehen. Ferner seien ordnungsgemäße Straßenmarkierungen für die Verkehrssicherheit erheblich.

3.4.    Zum Vorliegen der Voraussetzungen zur Erlassung der einstweiligen Verfügung:

3.4.1.  Zulässigkeit gemäß § 350 BVergG 2018

Da laut Stellungnahme der Auftraggeberin das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 342 Abs 1 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen der Auftraggeberin zuständig.

Ein Unternehmer muss den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung stellen. Ihm dürfen die Voraussetzungen gemäß § 342 Abs 1 BVergG 2018 für einen Nachprüfungsantrag nicht offensichtlich fehlen, dh er muss ein Interesse am Vertragsabschluss haben und ihm muss aus der behaupteten Rechtswidrigkeit ein Schaden drohen oder bereits entstanden sein. Das Bundesverwaltungsgericht muss, wie sich aus der Formulierung „nicht offensichtlich fehlen“ ergibt, nur eine Grobprüfung vornehmen. Die abschließende Prüfung ist Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens, weshalb das Bundesverwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit immer wieder von vorläufigen Annahmen ausgeht (vgl. Reisner, in Heid/Reisner/Deutschmann/Hofbauer, Bundesvergabegesetz: BVergG 2018 [2019] § 350 Rz 5).

Auch bei einer Bietergemeinschaft bewegt sich diese Prüfung bei Vorliegen der Antragslegitimation im Rahmen der von § 342 Abs 1 BVergG 2018 genannten „Offenkundigkeit“ (vgl. BVA 16.01.2007, N/0001-BVA/10/2007-EV018).

Da die Prüfung, ob die Antragstellerin tatsächlich „gegen Kartellrecht verstößt“ nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes nicht Teil der im Provisorialverfahren zu erfolgenden Grobprüfung ist, kann dem Einwand der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, der Antragstellerin fehle aufgrund des Vorliegens eines Verstoßes gegen Kartellrecht die Antragslegitimation, im Provisorialverfahren bereits deshalb kein Erfolg beschieden sein.

Vor dem Hintergrund der zu erfolgenden Grobprüfung im Provisorialverfahren durch das Bundesverwaltungsgericht geht dieses folglich vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Die Nachprüfungsanträge wurden rechtzeitig eingebracht. Diese enthalten alle in § 344 Abs 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte.

Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass die Anträge auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 zulässig sind, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen. Die Pauschalgebühren wurden bezahlt.

3.4.2.  Inhaltliche Begründetheit gemäß § 351 BVergG 2018

3.4.2.1. Bei der Interessenabwägung ist auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens einzuberechnen hat (siehe zB BVwG 11.07.2017, W187 2163208-1/3E; 30.05.2014, W139 2008219-1/10E), das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu beachten ist (vgl. grundlegend VfGH 01.08.2002, B 1194/02) und von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVwG 19.01.2017, W187 2144680-1/2E). Es besteht ein Primat des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes (vgl. EuGH 09.04.2003, C-424/01, CS Austria, Slg 2003, I-3249, Rn 30).

Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es, die der Antragstellerin bei Zutreffen ihres Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Zuschlagserteilung dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren ermöglicht. Dabei ist gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen.

Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015] § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. § 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit und legt keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, und zwar der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist.

3.4.2.2. Im vorliegenden Verfahren behauptet die Antragstellerin die Rechtswidrigkeit der ihr am 08.06.2020 übermittelten Entscheidungen, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll. Diese Behauptung erscheint in Hinblick auf das soeben wiedergegebene Vorbringen der Antragstellerin zumindest nicht denkunmöglich. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Rechtswidrigkeiten zumindest teilweise zutreffen. Über die inhaltliche Begründetheit ist im Provisorialverfahren nicht abzusprechen. Dies wird im Hauptverfahren durch den zuständigen Senat zu beurteilen sein.

Öffentliche Interessen, die eine sofortige Erklärung des Widerrufs und die Neuausschreibung des Auftrags erforderlich machen würden, sind nicht ersichtlich. Wenn die präsumtive Zuschlagsempfängerin anführt, ordnungsgemäße Straßenmarkierungen seien für die Verkehrssicherheit erheblich, ist dieser entgegenzuhalten, dass diese damit keine besonderen öffentlichen Interessen geltend macht, die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechen. Dass Leib und Leben gefährdet wäre, ist vom Bundesverwaltungsgericht nicht erkennbar und wurde auch von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin und/oder Auftraggeberin nicht vorgebracht. Der ins Treffen geführte Umstand der Erheblichkeit der Verkehrssicherheit vermag daher die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nicht hintanzuhalten.

Die Auftraggeberin sprach sich nicht gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus und benannte keine gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen.

Die präsumtive Zuschlagsempfängerin sprach sich zwar gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus und führte die aus ihrer Sicht gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen an (= Verzögerung der Einnahme von Deckungsbeiträgen und unternehmerischem Gewinn sowie das Entstehen von Vorhaltekosten), jedoch können die subjektiven Interessen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin einen vergabespezifischen Rechtsschutz nicht verhindern, da im gegebenen Umfeld jeder Bieter gewisse Vorhaltekosten trägt und sich diese von der Art mit jenen der Antragstellerin decken werden (vgl. BVwG 07.11.2014, W187 2013567-1), zumal auch festzuhalten ist, dass eine nähere Determination der möglicherweise geschädigten Interessen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin unterblieb und es nur zu temporären Auswirkungen kommen würde.

Zudem ist festzuhalten, dass eine mit der Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens verbundene Verzögerung von maximal sechs Wochen nicht ins Gewicht fällt und zudem gemäß der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch die Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter im öffentlichen Interesse gelegen ist (vgl. VfGH 25.10.2002, B 1369/01).

Stellt man daher im vorliegenden Fall die Interessen der Antragstellerin den öffentlichen Interessen sowie den Interessen der Auftraggeberin bzw. der nicht näher determinierten monetären Interessen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin gegenüber, ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall vom grundsätzlichen Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen ist. Dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, nämlich der Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren und einer Auftragserteilung an die allenfalls obsiegende Antragstellerin, ist durch eine entsprechende Maßnahme Genüge zu leisten. Ungeachtet eines gesetzlichen Auftrags wäre die Auftraggeberin bzw. die präsumtive Zuschlagsempfängerin verpflichtet gewesen, die Dauer eines Nachprüfungsverfahrens bei ihrer Zeitplanung zu berücksichtigen.

Die Auftraggeberin und die präsumtive Zuschlagsempfängerin sind durch eine derartige Bestimmung der Dauer nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichtes davon nicht verlängert wird, bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung jederzeit deren Aufhebung beantragt werden kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über die Nachprüfungsanträge außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum festgesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (zB BVwG 04.05.2015, W187 2106525-1/2E; siehe auch VwGH 10.12.2007, AW 2007/04/0054).

Den Anträgen der Antragstellerin war daher dahingehend stattzugeben, dass der Auftraggeberin für die Dauer des gegenständlichen Nachprüfungsverfahrens untersagt wird, im vorliegenden Vergabeverfahren die Rahmenvereinbarungen abzuschließen.

3.5.    Über den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühren wird gesondert entschieden werden.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art 133 Abs 9 iVm Abs 4 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn dieser von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Ist die Rechtslage eindeutig, liegt keine die Zulässigkeit einer Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. VwGH 28.02.2018, Ro 2017/04/0120).

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 9 iVm Abs 4 B-VG nicht zulässig, da keiner der vorgenannten Fälle vorliegt. Auch ist die Rechtslage eindeutig und es sind keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage ersichtlich.

Schlagworte

Abschlussverbot Bauauftrag Bietergemeinschaft Dauer der Maßnahme einstweilige Verfügung Entscheidungsfrist Interessenabwägung Kalkulation Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren öffentliche Interessen öffentlicher Auftraggeber Plausibilität Preisvergleich Provisorialverfahren Rahmenvereinbarung Schaden Untersagung Vergabeverfahren vertiefte Angebotsprüfung (vertiefte) Preisprüfung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W120.2232000.1.00

Im RIS seit

20.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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