TE Bvwg Beschluss 2020/7/24 W272 2190517-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.07.2020
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Entscheidungsdatum

24.07.2020

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W272 2190515-2/4E

W272 2190519-2/4E

W272 2190517-2/4E

W272 2208600-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West, vom 20.07.2020, Zahl XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 in Verbindung mit § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West, vom 20.07.2020, Zahl XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 in Verbindung mit § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West, vom 20.07.2020, Zahl XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 in Verbindung mit § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West, vom 20.07.2020, Zahl XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 in Verbindung mit § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Erstes Verfahren

1.1 Die beschwerdeführenden Parteien sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet und Eltern und gesetzliche Vertreter der im Bundesgebiet geborenen minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin reisten gemeinsam auf dem Luftweg in das Bundesgebiet ein und stellten am 14.08.2016 die Anträge auf internationalen Schutz, zu welchen sie am 15.08.2016 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt wurden.

Der Erstbeschwerdeführer gab an, er bekenne sich zum islamischen Glauben schiitischer Ausrichtung, stamme aus Moskau und habe den Herkunftsstaat Anfang August 2016 auf dem Luftweg legal mit einem durch die dortige österreichische Botschaft ausgestellten Visum Richtung Österreich verlassen. Zum Grund seiner Flucht gab der Erstbeschwerdeführer an, er habe im vergangenen Jahr in Moskau einen Tschetschenen kennengelernt und sich mit diesem angefreundet. Später hätte sich herausgestellt, dass es sich bei diesem Mann um einen Islamisten gehandelt hätte, welcher den Erstbeschwerdeführer für den Dschihad hätte anwerben wollen. Als der Bekannte erfahren hätte, dass der Erstbeschwerdeführer Schiit sei, wäre sein Verhalten ihm gegenüber sehr aggressiv geworden. Er hätte den Erstbeschwerdeführer mit seinen Freunden physisch angegriffen und ihm seine Nase und seine Hand gebrochen. Er habe ihm mit dem Tode gedroht, sodass sich der Erstbeschwerdeführer entschlossen hätte, gemeinsam mit seiner schwangeren Frau aus der Heimat zu flüchten.

Die Zweitbeschwerdeführerin brachte vor, sie bekenne sich zum islamischen Glauben schiitischer Ausrichtung und sei gemeinsam mit ihrem Mann im Besitz eines gültigen Visums per Direktflug von Moskau nach Österreich gereist. Zum Grund ihrer Flucht gab sie an, sie hätte mit ihrem Mann beschlossen, aus der Russischen Föderation zu flüchten, nachdem dieser Probleme mit Islamisten gehabt hätte.

Sichergestellt wurden die russischen Inlandspässe des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin. Deren russische Auslandsreisepässe seien laut ihren Angaben nach Ankunft in Österreich gestohlen worden. Abgleichsberichte aus dem Visa-Informationssystem des Bundesministeriums für Inneres ergaben, dass für die erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien durch die Österreichische Botschaft Moskau am 05.08.2016 Schengen-Visa der Kategorie C mit einer Gültigkeitsdauer von acht Tagen im Zeitraum zwischen 06.08.2016 und 28.08.2016 ausgestellt worden waren.

1.2. Im März 2017 wurde die nunmehrige Drittbeschwerdeführerin als Tochter des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin im Bundesgebiet geboren, für welche durch ihre gesetzliche Vertreterin mit schriftlicher Eingabe vom 30.03.2017 ein Antrag auf internationalen Schutz beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gestellt wurde.

1.3. Am 04.12.2017 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin im zugelassenen Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.

Der Erstbeschwerdeführer gab an, er sei gesund und habe anlässlich seiner Erstbefragung wahrheitsgemäße Angaben erstattet, er sei jedoch angewiesen worden, sich kurz zu fassen. Der Erstbeschwerdeführer sei gemeinsam mit seiner Frau legal mit seinem russischen Auslandsreisepass, welcher ihm nach Ankunft in Österreich in einem Café abhandengekommen wäre, per Direktflug nach Österreich gereist. Bei den Ausreisekontrollen habe er keine Probleme erlebt. Den gegenständlichen Asylantrag habe er rund eine Woche nach seiner Ankunft im Bundesgebiet gestellt, da sie unter Stress gestanden hätten und seine Frau schwanger gewesen sei. Der Erstbeschwerdeführer habe während der letzten acht Jahre in Moskau gelebt, wo er vier Jahre für einen Sicherheitsdienst sowie als Verkaufsmanager gearbeitet hätte. Anfang Juni 2016 habe er seine Frau geheiratet und sei gemeinsam mit dieser in eine Wohnung in Moskau gezogen. In Österreich halte er sich seit dem 04.08.2016 auf. Seine Eltern und seine ältere Schwester hielten sich unverändert im Herkunftsstaat auf.

Zum Grund seiner Flucht führte der Erstbeschwerdeführer aus, er hätte drei Monate vor seiner Heirat einen Tschetschenen namens NN1 kennengelernt und auf dessen Wunsch hin gemeinsam mit diesem drei Monate lang einen religiösen Unterricht besucht. Anfang Juni 2016 habe er seine nunmehrige Frau in Aserbaidschan geheiratet, welche bis dahin in diesem Land gelebt hätte, und sei im Anschluss gemeinsam mit dieser nach Moskau zurückgekehrt. Einige Zeit später habe er gemeinsam mit dem zuvor erwähnten Tschetschenen bei einer Predigt eines Scheichs aus Ägypten in einem muslimischen Café einen weiteren Mann namens NN2 kennengelernt, welcher ihn am folgenden Tag telefonisch darüber informiert hätte, dass an diesem Tag abermals eine Predigt jenes Scheichs stattfinden werde. Der Erstbeschwerdeführer sei gemeinsam mit dem Bekannten zu der Predigt in einem Café gefahren, wo er versucht hätte, unauffällig nach schiitischem Usus zu beten. Der Scheich hätte die Anwesenden dann dazu aufgerufen, nach Syrien zu fahren und den Kampf gegen die Ungläubigen zu unterstützen. Der Erstbeschwerdeführer sei aufgestanden und hätte dem Scheich widersprochen. Nachdem er sich wieder gesetzt hätte, sei ihm von seinem Bekannten NN2 plötzlich mit dem Ellenbogen ins Gesicht geschlagen worden. Im Anschluss sei er von Leibwächtern des Scheichs in ein Fahrzeug verbracht worden und er sei mit verbundenen Augen an einen ihm unbekannten Ort gefahren worden. Zwei der Männer hätten eine für FSB-Mitarbeiter typische Bewaffnung getragen, zudem hätte das Fahrzeug ein typisches Behördenkennzeichen aufgewiesen. Der Erstbeschwerdeführer sei in einem Waldstück zusammengeschlagen worden. Als sie mit ihm fertig gewesen wären und seinen Puls ertastet hätten, habe der Erstbeschwerdeführer den Atem angehalten. Einer der Männer hätte erklärt, dass der Erstbeschwerdeführer kaum noch am Leben sei; sie hätten ihn umbringen wollen. Als er wieder zu sich gekommen wäre, habe der Erstbeschwerdeführer bemerkt, dass sein Arm gebrochen gewesen wäre und er habe sich mit letzter Kraft zu einer Straße geschleppt, wo er schließlich von einem Autofahrer mitgenommen worden wäre. An das genaue Datum jenes Vorfalls könne er sich nicht erinnern, doch sei es etwa eine oder zwei Wochen nach seiner Rückkehr nach Moskau gewesen. Er sei an jenem Tag gegen 23 Uhr zurück in seiner Wohnung gewesen, wo seine Frau anwesend gewesen wäre. Der Erstbeschwerdeführer hätte Angst gehabt, dass die Personen wissen würden, wo er wohne. Er habe ein schwarzes Auto mit dem für Behörden typischen Kennzeichen gesehen und befürchtet, dass es sich um FSB-Leute handle. Um unbemerkt aus dem Haus zu kommen, habe er die Feuerwehr alarmiert, welche ihr Gebäude in der Folge evakuiert hätte. Er sei dann mit den restlichen Bewohnern außer Hauses gegangen. Als er den Falschalarm bei der Feuerwehr ausgelöst hätte, habe er beschlossen, seine Heimat zu verlassen. Beweise für die von ihm und seiner Frau wahrgenommene Beschattung habe er keine. Er habe sich nicht an die Polizei gewandt, da er selbst Jurist sei und wisse, dass die Polizei in Russland korrupt wäre. Außerdem hätten sie das Ganze gegen ihn auslegen können, zumal er selbst bei den Terroristen gewesen wäre. Auf entsprechende Nachfrage erklärte der Erstbeschwerdeführer, er wolle nicht behaupten, dass der gesamte FSB mit den Terroristen zusammenarbeite, auf die drei Männer, welche ihn entführt hätten, träfe dies jedoch zu. Er besitze keine Beweismittel für sein Fluchtvorbringen und hab keine weiteren Fluchtgründe vorzubringen. Auf entsprechende Nachfrage antwortete er, er habe aufgrund seiner Religion insofern Probleme im Herkunftsstaat gehabt, als es in der Moschee zu Streit zwischen Schiiten und radikalen Islamisten sowie zu Schlägereien zwischen diesen Gruppen gekommen wäre, an denen der Erstbeschwerdeführer teilgenommen hätte. Er habe keine gröberen Probleme aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit gehabt, habe sich nie politisch betätigt, sei nie in Haft gewesen und habe keine Probleme mit den Behörden seines Herkunftsstaates gehabt. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, zuerst gefoltert und dann getötet zu werden.

Die Zweitbeschwerdeführerin brachte zusammengefasst vor, sie sei gesund und derzeit schwanger. Anlässlich der polizeilichen Erstbefragung sei sie nicht befragt, sondern lediglich hereingerufen und gefragt worden, ob die Informationen, welche ihr Mann angegeben hätte, zutreffen würden. Die Zweitbeschwerdeführerin sei gelernte Friseurin, stamme ursprünglich aus Sibirien und habe zuletzt mit ihrem Mann eine Zweizimmerwohnung in Moskau bewohnt. In der Russischen Föderation hielten sich noch ihr Vater und ihre beiden Geschwister auf, ihre Mutter lebe in Aserbaidschan.

Zu den Gründen ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, etwa ein oder zwei Wochen, nachdem sie nach Moskau gezogen wäre, sei ihr Mann blutüberströmt nach Hause gekommen; zuerst habe dieser ihr nicht erzählen wollen, was passiert sei. Er habe nur gesagt, dass er überfallen und ausgeraubt worden wäre, was ihm die Zweitbeschwerdeführerin nicht geglaubt hätte. Schließlich habe ihr Mann ihr doch erzählt, was vorgefallen wäre. Dieser sei in die Gesellschaft von aggressiven Moslems geraten und sei in ein Waldstück verbracht und dort zusammengeschlagen worden. Ihr Mann habe dann aus dem Fenster gesehen und ein verdächtiges Auto beobachtet, bei welchem es sich vermutlich um das gleiche gehandelt hätte, mit dem er in das Waldstück gebracht worden wäre. Ihnen sei dann klar geworden, dass sie beschattet werden und sie hätten sich Gedanken gemacht, wie sie aus der Wohnung verschwinden könnten. Ihr Mann habe dann den Einfall gehabt, einen Fehlalarm bei der Feuerwehr auszulösen und das Gebäude gemeinsam mit der Menschenmenge zu verlassen. Dies habe funktioniert und sie seien dann in die Wohnung eines Freundes ihres Mannes gegangen. Fast wöchentlich hätten sie die Wohnung gewechselt. Ihr Mann habe festgestellt, dass sie beschattet werden, woraufhin sie beschlossen hätten, das Land zu verlassen. Sie könne keines der erwähnten Ereignisse einem genauen Datum zuordnen. Sie hätten weder ein Krankenhaus, noch die Polizei aufgesucht, da der FSB involviert gewesen wäre und sie Angst gehabt hätten, auf diesem Weg gefunden zu werden. Weitere Fluchtgründe habe sie nicht. Ihr Kind habe keine individuellen Fluchtgründe. Im Herkunftsstaat habe sie wegen ihrer Religion insofern Probleme erlebt, als sie ein paar Mal aufgrund ihrer Kopfbedeckung „blöd angesprochen“ worden wäre. Ihre Volksgruppenzugehörigkeit habe ihr immer Probleme bereitet, die russische Gesellschaft wolle sie nicht aufnehmen. Die Zweitbeschwerdeführerin sei nie politisch aktiv gewesen und habe keine Probleme mit den Behörden ihres Herkunftsstaates erfahren. Da sie beschattet worden wären, wüssten „sie“ auch von der Zweitbeschwerdeführerin, welche um ihr Leben fürchten müsse.

1.4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nahm sodann Einsicht in die bei der Konsularabteilung der Österreichischen Botschaft Moskau aufliegenden und dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übermittelten Visa-Akte der beschwerdeführenden Parteien. Den seitens der Österreichischen Botschaft übermittelten Unterlagen lässt sich insbesondere entnehmen, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin ihre Visa- Anträge in Schreiben jeweils vom 04.08.2016 im Wesentlichen damit begründeten, Österreich aufgrund der touristischen Sehenswürdigkeiten und der rezenten Terroranschläge im ursprünglich als Reiseziel ins Auge gefassten Frankreich als Ziel ihrer Hochzeitsreise gewählt zu haben.

1.5. Am 13.12.2017 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine schriftliche Stellungnahme des Erstbeschwerdeführers ein, in welcher er im Wesentlichen ausführte, in Russland würden Muslime diskriminiert und von Bevölkerung und Behörden schikaniert werden, insbesondere, wenn man ihnen die kaukasische Herkunft ansehe. Der Erstbeschwerdeführer persönlich sei mehrmals im Gefängnis gewesen (von drei Stunden bis zu fünfzehn Tagen), da er seine Meinung geäußert hätte. Er sei im Gefängnis geschlagen worden und habe nicht nur geprellte Rippen, sondern schwerwiegendere gesundheitliche Schäden davongetragen. Als er nach der Misshandlung durch die Polizei ins Krankenhaus gegangen wäre, sei er nur deshalb erneut verhaftet worden. Er habe eine gebrochene Nase und gebrochene Handgelenke (viermal das rechte und dreimal das linke) gehabt. Obwohl man für eine Krankenversicherung zahle, gebe es ausreichende medizinische Versorgung nur gegen Geld. Im Falle einer Rückkehr würde er keinen Pass mehr bekommen.

1.6. Mit den Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.02.2018 wurden die Anträge der erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien auf internationalen Schutz gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkte I.) und gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation (Spruchpunkte II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkte III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkte IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkte V.). Gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für deren freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkte VI.).

Die Behörde stellte die Staatsangehörigkeit, Religion und Volksgruppenzugehörigkeit, die familiären Verhältnisse sowie die Identität der erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien fest. Nicht festgestellt werden habe können, dass diese im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation einer konkreten asylrelevanten Verfolgung maßgeblicher Intensität ausgesetzt sein würden. Ebensowenig habe festgestellt werden können, dass diese nach einer Rückkehr aus sonstigen Gründen in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wären.

Im Rahmen der Beweiswürdigung zeigte die Behörde anhand einer Gegenüberstellung der im Zuge der Beantragung der Schengen-Visa bei der Österreichischen Botschaft Moskau, der Erstbefragungen am 15.08.2018, der Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 04.12.2017 sowie der Stellungnahme vom 11.12.2017 erstatteten Vorbringen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin gravierende Widersprüche und eine unglaubwürdige Steigerung innerhalb der dargelegten Fluchtgründe auf. Der Erstbeschwerdeführer habe bereits zur Frage, von wessen Seite die Verfolgung ausgegangen wäre, eklatant widersprüchliche Aussagen erstattet. Ebenso seien bezüglich des Orts der erlittenen Misshandlungen sowie der Frage, ob sich der Erstbeschwerdeführer jemals in Haft befunden hätte, gravierende Widersprüche zu Tage getreten. Auch bezüglich des Grundes und der Häufigkeit der erlebten Verfolgungshandlungen habe der Erstbeschwerdeführer auffallend voneinander abweichende Aussagen getroffen. Zudem widerspreche die Behauptung des Erstbeschwerdeführers, der russische Gehheimdienst FSB stünde im Dienste eines radikal-islamischen Scheichs aus Ägypten, allgemeinen Erfahrungswerten, zumal laut Länderberichten oberste Priorität des russischen Geheimdienstes gerade die Bekämpfung von Terrorismus darstelle. Weiters sei es nicht als realitätsnah zu werten, dass ein von radikal-islamischen Muslimen schwer verletzter Mensch sich nicht an die Polizei wenden und keine Anzeige erstatten, sondern stattdessen seine Hochzeitsreise nach Europa organisieren und hierfür umfangreiche Anstrengungen unternehmen würde. Weiters widerspreche es jeder Erfahrung, dass ein Mensch mit den laut Erstbeschwerdeführer erlebten Verfolgungshandlungen nach seiner Ankunft im Zielland zunächst seine elf Tage nach der Hochzeit gebuchte Hochzeitsreise genießen und sich erst im Anschluss an die hiesige Polizei wenden und um internationalen Schutz ersuchen würde. Der Erstbeschwerdeführer habe zudem keinerlei medizinische Befunde zum Beleg der im Zuge der behaupteten Misshandlungen angeblich erlittenen zahlreichen Verletzungen in Vorlage gebracht. Angesichts der Tatsache, dass die erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien ihr Vorbringen viermal gesteigert hätten, sodass aus dem anfänglichen Verlassen ihres Herkunftsstaates aufgrund ihrer Hochzeitsreise eine Verfolgung durch die russische Polizei aus religiösen Motiven geworden wäre, deren Angaben sich auch darüber hinaus als gravierend widersprüchlich erwiesen hätten und mit allgemeinen Erfahrungen nicht in Einklang stehen würden, sei festzustellen gewesen, dass die von den beschwerdeführenden Parteien behauptete Furcht vor Verfolgung nicht habe glaubhaft gemacht werden können. Die Zweitbeschwerdeführerin habe in Bezug auf ihre eigene Person sowie im Hinblick auf die von ihr gesetzlich vertretene Drittbeschwerdeführerin keine darüberhinausgehenden individuellen Rückkehrbefürchtungen ins Treffen geführt.

Es habe nicht festgestellt werden können, dass die beschwerdeführenden Parteien, welche an keinen schwerwiegenden Erkrankungen leiden würden, im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin seien zu einer Teilnahme am Erwerbsleben fähig und würden jeweils über eine abgeschlossene Ausbildung und Berufserfahrung verfügen. Zudem wäre es den beschwerdeführenden Parteien möglich, auf Unterstützung ihrer Angehörigen sowie auf Leistungen des russischen Sozialhilfesystems zurückzugreifen.

Da keinem der Familienmitglieder der Status eines Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden wäre, sei die Ableitung eines entsprechenden Status im Wege des Familienverfahrens nicht in Betracht gekommen. Ebensowenig seien Gründe für die amtswegige Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG 2005 zu Tage getreten. -

Die erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien würden außerhalb ihrer Kernfamilie über keine verwandtschaftlichen Bindungen im Bundesgebiet verfügen, sie seien lediglich vorübergehend im Rahmen des Asylverfahrens zum Aufenthalt berechtigt gewesen, hätten ihren Lebensunterhalt ausschließlich durch den Bezug öffentlicher Leistungen bestritten und hätten keine nennenswerte Integrationsverfestigung im Bundesgebiet erlangt. Die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung würden daher gegenüber den privaten Interessen der beschwerdeführenden Parteien an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weshalb sich der Ausspruch einer Rückkehrentscheidung als verhältnismäßig erweise.

1.7. Gegen diese, den erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien am 27.02.2018 zugestellten, Bescheide brachte der bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation mit Schriftsatz vom 23.03.2018 fristgerecht eine Beschwerde wegen Feststellungsmängeln und unrichtiger rechtlicher Beurteilung ein. Begründend wurde auf das bisherige Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien verwiesen. Da die Behörde das Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien nicht durch eine Vertrauensperson im Herkunftsstaat habe überprüfen lassen, sei das Verfahren mit Mangelhaftigkeit belastet worden. Auch sei den Angaben der beschwerdeführenden Parteien in Bezug auf im Herkunftsstaat erlebte Probleme wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit nicht näher nachgegangen worden, obwohl die Länderberichte die Angaben der beschwerdeführenden Parteien bestätigen würden.

1.8. Im Juli 2018 wurde die nunmehrige Viertbeschwerdeführerin als Tochter des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin im Bundesgebiet geboren. Mit schriftlicher Eingabe vom 24.07.2018 stellte deren gesetzliche Vertreterin beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Antrag auf internationalen Schutz für die Viertbeschwerdeführerin und erklärte, dass ihre Tochter keine individuellen Antragsgründe aufweise.

1.9. Am 17.09.2018 wurde die Zweitbeschwerdeführerin im Verfahren der von ihr gesetzlich vertretenen minderjährigen Viertbeschwerdeführerin niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen einvernommen und gab zusammengefasst an, sie sei, ebenso wie ihre minderjährige Tochter, gesund. Ihre Tochter weise keine individuellen Rückkehrbefürchtungen auf und es hätten sich – mit Ausnahme der Geburt der Viertbeschwerdeführerin – seit der letzten Einvernahme keine Änderung betreffend ihren Fluchtgrund oder ihre private und familiäre Situation ergeben.

1.10. Mit dem angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.10.2018 wurde der Antrag der minderjährigen Viertbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt, gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen diese eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für deren freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkte IV.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die gesetzliche Vertreterin der Viertbeschwerdeführerin keine eigenen Fluchtgründe für diese vorgebracht hätte und sich aus ihrer individuellen Lage sowie der allgemeinen Lage in der Russischen Föderation nicht ableiten ließe, dass diese im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat einer relevanten Gefährdungslage ausgesetzt sein würde. Da sich sämtliche Familienmitglieder im gleichen Verfahrensstatus befänden, stünden einer Rückkehr in den Herkunftsstaat keine Hindernisse im Lichte von Art. 3 und 8 EMRK entgegen.

1.11. Gegen diesen, der gesetzlichen Vertreterin der minderjährigen Viertbeschwerdeführerin am 09.10.2018 zugestellten, Bescheid wurde durch die bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation mit Eingabe vom 19.10.2018 fristgerecht Beschwerde erhoben, zu deren Begründung auf das Verfahren der Mutter der minderjährigen Viertbeschwerdeführerin verwiesen wurde.

Mit Eingaben vom 06.02.2019 sowie vom 15.05.2019 wurde die Vollmacht einer Rechtsanwaltskanzlei bekanntgegeben und ein Konvolut an Unterlagen zum Beleg der Integrationsbestrebungen des Erstbeschwerdeführers in Vorlage gebracht.

1.12. Mit Erkenntnis des BVwG vom 03.10.2019 wurden die Beschwerden gem. §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z. 3, 57 AsylG 2005 i. d. g. F., § 9 BFA-VG i. d. g. F. und §§ 52, 55 FPG i. d. g. F. als unbegründet abgewiesen.

Das Gericht stellte fest, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin den Herkunftsstaat verlassen haben, um in Österreich besserer Lebensbedingungen vorzufinden. Nicht festgestellt werden konnte, dass der Erstbeschwerdeführer in der Russischen Föderation Verfolgung durch radikale Islamisten bzw. mit diesem kooperierende Mitglieder des russischen Geheimdienstes zu befürchten hätte. Ebensowenig kann festgestellt werden, dass dieser aufgrund seiner Glaubensüberzeugung wiederholten Festnahmen und Misshandlungen durch die Polizei seines Herkunftsstaates ausgesetzt gewesen ist. Die BF werden im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter nicht bedroht. Die Zweitbeschwerdeführerin hat in Bezug auf ihrer eigenen Person sowie in Hinblick auf die minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen keine individuellen Rückkehrbefürchtungen geäußert. Den Beschwerdeführern, welche im Herkunftsstaat ein familiäres und soziales Netzt haben, steht keine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit entgegen.

Begründet wurde ausgeführt, dass die BF immer wieder Widersprüche bei den Vorbringen ihrer Fluchtgeschichte machten und eine Steigerung im Rahmen des Verfahrens erfolgte. So sei der BF zunächst von Privatpersonen verfolgt worden und erst bei der Einvernahme vor dem BFA gab er an, von dem russischen Geheimdienst verfolgt worden zu sein. Auch sei es nicht nachvollziehbar, dass der russische Geheimdienst radikal-islamische ägyptische Prediger, als Leibwächter unterstütze, wenngleich sie diese bekämpfen. Auch wäre bei einer Verfolgung durch den russischen Geheimdienst eine legale Ausreise auf dem Luftwege unter Mitführung der Auslandsreisepässe und der Erhalt des Schengenvisums für die Beschwerdeführer 1 und 2 nicht komplikationslos möglich gewesen. Auch war der BF widersprüchlich, so gab er an im Krankenhaus aufgrund von Misshandlungen versorgt worden zu sein und einige Tage später gab er an kein Krankenhaus aufgesucht zu haben. So sei insgesamt sein Vorbringen nicht glaubwürdig gewesen. Der BF brachte auch verschiedene Videos vor.

1.13. Mit Beschluss E 3932/2019-5 vom 11.12.2019 wurde die Behandlung der Beschwerde gegen das Erkenntnis des BVwG abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

2. Gegenständliches Verfahren:

2.1. Am 25.06.2018 stellte der Beschwerdeführer 1 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Er brachte nunmehr vor, dass er am Vortag zwei Videos und eine Sprachnachricht von seiner Mutter auf sein Handy erhalten habe. Diese Videos stammen von der russischen Polizei. Auf diesem Video sei zu sehen, dass nach ihm gefragt werde und gesucht werde. Gesucht werde er wegen den gleichen Problemen wie schon 2016. Die Beschwerdeführerin 2 – 4 beziehen sich auf die Verfolgung des Mannes durch die FSB (Sicherheitsbehörde in Russland). Sonstige Vorbringen wurden nicht erstattet.

2.2. Am 01.07.2020 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme vor dem BFA. Der BF brachte vor, dass er nunmehr neue weitere Beweismittel seiner Verfolgung durch die russische Polizei habe. Seine Mutter verkaufe Obst, Gemüse und Blumen am Straßenrand und sei von zwei Polizisten nach ihm befragt worden. Auch ihre Nachbarin, ebenfalls eine Verkäuferin habe eine versteckte Aufnahme gemacht. Er sei daher nach Erhalt zur Polizei gegangen und habe einen Folgeantrag gestellt. Das Video wurden im Rahmen der Einvernahme gezeigt und besprochen. Durch die Dolmetscherin wird übersetzt, dass die zwei uniformierten Beamten nach dem BF fragen. Sie sagen ihr, dass wenn sie nicht sagt wo er sei, werde sie und der BF eingesperrt. Auf dem zweiten Video erkennt man ebenfalls zwei Männer mit Uniform, welche ein Gespräch bei einem Stand führen. Eine Sprachnachricht von der Mutter, sagt aus, dass der BF zu Hause gesucht werde und er nicht zurückkehren solle. Die Beschwerdeführer beziehen sich weiterhin auf die Bedrohung durch die russische Polizei und versuchen durch diese beiden Videos und der Sprachnachricht den Sachverhalt zu beweisen.

2.3. Am 17.07.2020 erfolgt eine weitere Ermittlungsmaßnahme durch das BFA. Hier wird ein weiteres Video besprochen/übersetzt und gesichtet.

2.4. Am 20.07.2020 erfolgte eine weitere niederschriftliche Einvernahme durch das BFA. Der BF zeigt zwei weiteres Videos. Es soll ein Treffen von verschiedenen religiösen Gruppierung sein mit welchem bezweckt wurde die radikalen Richtungen aufzudecken, damit diese strafrechtlich verfolgt werden. In dem zweiten Video soll eine Videobotschaft an Personen gerichtet werden, die in Russland auf der Fahndungsliste stehen. Die beiden Videos wurden vor ca. 2 Jahren aufgenommen. Auch weitere Videos wurden vorgelegt, welche in Youtube zu finden sind und bereits vor Ende des ersten Verfahrens bekannt waren. Der BF bringt nochmals vor, dass er in Russland am Flughafen verhaftet werde und dann eine Gefängnisstrafe bekomme.

2.5. Mit mündlich verkündeten Bescheiden vom 20.07.2020 wurde den Beschwerdeführern der nach § 12 AsylG 2005 zukommende faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben. Es erfolgte eine Beurkundung gem. § 62 Abs. 2 AVG.

Nach Wiedergabe des Verfahrensganges führte die belangte Behörde zum Vorbringen der Beschwerdeführer aus, dass sich der maßgebliche Sachverhalt seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert habe. Die Beschwerdeführer halte ihre Angaben seit ihrem Erstantrag aufrecht und haben im gegenständlichen Verfahren keine neuen glaubhaften und entscheidungsrelevanten Fluchtgründe vorgebracht, die nicht von der bestehenden Rechtskraft der Vorverfahren schon umfasst wären. Die vom Beschwerdeführer 1 vorgebrachten Beweismittel konnten keine Bedrohungs- oder Verfolgungssituation darlegen. Die beiden unbewaffneten Polizisten, wobei es sich sogar um Offiziere handelt, stehen vor dem Stand und stellen Fragen, so als ob sich diese gegenüber einem Vorgesetzten zum Rapport in Habt-Acht-Stellung rechtfertigen müssen. Eine Bedrohungssituation auf dem Video sei nicht zu erkennen. Es sei anzuführen, dass der BF gelernt habe Filme zu drehen und ein Leichtes für ihn wäre diese Filme selbst zu drehen. Auffallend sei auch, dass die Mutter die beiden Polizisten bereits filmte, bevor diese zum Verkaufsstand gekommen seien. Es sei nicht erklärbar, woher die Mutter des BF 1 zuvor gewusst habe, dass diese beiden Polzisten zu ihr kommen würden. Es sei für die FSB auch leicht feststellbar, dass Sie in Österreich sind, da die BF mit Visum ausgereist seien und der BF an zwei Wettkämpfen in Österreich teilgenommen habe. Der BF 1 sei im Internet mit Abbildung eines Fotos und Namen groß veröffentlicht. Somit hätte man mit der Eingabe des Namens sofort seinen Aufenthalt. Auch der Wettkampfaufenthalt in der Ukraine würde es den Verfolger ermöglichen seinen Aufenthaltsort herauszufinden. Es sei insgesamt nicht nachvollziehbar, warum unbewaffnete Polizeioffiziere bei der Mutter über seinen Aufenthaltsort nachfragen. Die Begründung des neuerlichen Asylantrages sei nicht hinreichend einen neuen, gegenüber dem früheren Asylantrag, wesentlich geänderten entscheidungsrelevanten Sachverhalt entstehen zu lassen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in ihr Herkunftsland eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für die Beschwerdeführer als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung ihres Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Im Übrigen habe kein unverhältnismäßiger Eingriff in Art. 3 und Art. 8 (EMRK) erkannt werden können. Aufgrund der Feststellung zur Lage in ihrem Herkunftsland in Verbindung mit ihrem Vorbringen könne somit davon ausgegangen werden, dass den Beschwerdeführern keine, wie in § 12a Abs. 2 Z 3 beschriebene Verletzung, drohe.

Die Verwaltungsakte langten am 22.07.2020 bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichts ein.

Im Übrigen wird das bereits im Verfahrensgang Ausgeführte der Entscheidung zugrunde gelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehöriger der Russischen Föderation und führen die im Spruch angegebenen Daten. Die Identität steht fest. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführer sind verheiratet und Eltern der im Bundesgebiet geborenen minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen. Im Vorfeld der Ausreise lebten der BF 1 und die BF 2 in Moskau.

Die BF haben keine weiteren engen Verwandten oder Familienangehörige in Österreich.

Die Beschwerdeführer verfügen über Familienangehörige in der Russischen Föderation. Die BF 2 hat einen Bruder und zwei Schwestern in Aserbaidschan.

Der BF 1 betreibt Sport, ist Mitglied bei der Feuerwehr und spricht Deutsch und Russisch. Der BF 1 stellt selber Filme her. Die BF 2 spricht Deutsch und Russisch. Die BF 3 ist bei ihrer Mutter und soll ab September in den Kindergarten gehen. Die BF 4 ist bei der Mutter zu Hause.

Die Beschwerdeführer leidet an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen, bezüglich derer es keine Behandlungsmöglichkeiten in der Russischen Föderation gibt. Hinweise auf entscheidungsrelevante gesundheitliche Probleme des Beschwerdeführers liegen nicht vor.

Die Beschwerdeführer stellten im Vorverfahren einen Antrag auf internationalen Schutz und zwar am 14.08.2016 (BF 1 und BF 2), am 30.03.2017 (BF 3) und am 24.07.2018.

Der erste Asylantrag wurde als unbegründet abgewiesen und ist in Rechtskraft erwachsen.

Die Beschwerdeführer haben das Bundesgebiet trotz aufrechter und rechtskräftiger Rückkehrentscheidung nicht verlassen.

Die dem gegenständlichen Verfahren zugrundeliegenden Anträge brachten die Beschwerdeführer am 25.06.2020 ein. Die BF 2 – 4 beziehen sich auf den Fluchtgrund des BF 1.

Mit mündlich verkündetem Bescheid des BFA vom 20.07.2020 wurde der faktische Abschiebeschutz der Beschwerdeführer gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 aufgehoben.

Es kann nicht festgestellt werden, dass sich eine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes seit rechtskräftiger Erledigung des vorhergehenden Antrages ergeben hätte, insbesondere auch nicht im Hinblick auf die Lage im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände. Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag missbräuchlich stellten. Der Folgeantrag wird wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

Es kann nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern bei einer Rückkehr in die Russische Föderation eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohen würde oder für ihnen als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestünde. Auch kann keine Verletzung des Rechtes auf Privat- oder Familienleben durch eine Abschiebung festgestellt werden. Darüber hinaus verbrachten der BF 1 und 2 ihr Leben davor in der Russischen Föderation und haben sich dort kulturelle und sozial integriert.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer, ihrer Identität, ihrer Staats- und Volksgruppenzugehörigkeit, ihrer Herkunft, den Aufenthaltsort ihrer Angehörigen beruhen auf Ihren plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des bereits abgeschlossenen Asylverfahrens. Auch im gegenständlichen Verfahren wurden diese Angaben bestätigt bzw. keine gegenteiligen Aussagen getroffen.

Die vom BF vorgebrachten neuen Beweismitteln wurden durch das BFA im Rahmen von zwei niederschriftlichen Einvernahmen und einer internen Ermittlungs- und Übersetzungstätigkeit am 20.07.2020 behandelt.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich aus einer Zusammenschau der Angaben der Beschwerdeführer. Unterlagen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung wurden nicht vorgelegt.

Die Situation im Herkunftsstaat hat sich im Wesentlichen nicht verändert und wurden den BF auch zur Kenntnis gebracht. Die Corona-Pandemie herrscht grundsätzlich weltweit. Die BF sind keiner Risikogruppe zugehörig, da sie keine der folgenden medizinischen Hauptindikationen aufweisen: fortgeschrittene chronische Lungenkrankheiten, welche eine dauerhafte, tägliche, duale Medikation benötigen, chronische Herzerkrankungen mit Endorganschaden, die dauerhaft therapiebedürftig sind, wie ischämische Herzerkrankungen sowie Herzinsuffizienzen, aktive Krebserkrankungen mit einer jeweils innerhalb der letzten sechs Monate erfolgten onkologischen Pharmakotherapie (Chemotherapie, Biologika) und/oder einer erfolgten Strahlentherapie sowie metastasierende Krebserkrankungen auch ohne laufende Therapie, Erkrankungen, die mit einer Immunsuppression behandelt werden müssen, fortgeschrittene chronische Nierenerkrankungen, chronische Lebererkrankungen mit Organumbau und dekompensierter Leberzirrhose ab Childs-Stadium B, ausgeprägte Adipositas ab dem Adipositas Grad III mit einem BMI >= 40, Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie mit bestehenden Endorganschäden, insbesondere chronische Herz- oder Niereninsuffizienz, oder nicht kontrollierbarer Blutdruckeinstellung. Daher ist selbst bei einer Erkrankung an COVID-19 nicht von einer schweren Erkrankung auszugehen oder den Tod zu erleiden. Das Gesundheitssystem in der Russischen Föderation ist aktiv und eine Behandlung kann erfolgen.

Hinsichtlich der Feststellung zur Missbräuchlichkeit der neuerlichen Antragstellung wird neben der rechtlichen Beurteilung, darauf hingewiesen, dass der BF 1 keinen neuen glaubhaften Sachverhalt bzw. glaubhaften neue Beweismitteln vorlegen konnte. Die BF konnte nicht glaubhaft darlegen, dass sie in der Russischen Föderation verfolgt werden.

Ihre Fluchtvorbringen hinsichtlich einer Verfolgung in der Russischen Föderation sowie die Lage im Herkunftsstaat wurde eingehend im mit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.10.2019 rechtskräftig entschiedenen Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz erörtert und abgewogen und konnte die Beschwerdeführer keinen glaubhaften Sachverhalt darlegen, der zur Gewährung des internationalen Schutzes führen würde. Auch die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof wurde nicht behandelt.

Eine für den Beschwerdeführer relevante Änderung an der Situation in seinem Herkunftsstaat kann anhand der Feststellungen im mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.02.2020, denen der Beschwerdeführer im Verfahren nicht entgegengetreten ist, nicht erkannt werden. Umstände, die in der Person des Beschwerdeführers liegen, insbesondere sein Gesundheitszustand und die privaten und familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers in Österreich, sind seit der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.10.2019, im Wesentlichen unverändert.

Die neuen Beweismittel, zwei Videos und eine Sprachnachricht wurden eingehend vom BFA erörtert und in der weiteren Folge als nicht glaubhaft beurteilt.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführer keinen neuen Sachverhalt, der einen glaubhaften Kern aufweist, dargetan hat, ergibt sich bei einem Abgleich ihrer in den Vorverfahren getätigten Angaben zu ihren Fluchtgründen und jenen zum gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, weshalb der gegenständliche Folgeantrag auch zurückzuweisen sein wird. Die BF brachte wiederum in Kern vor – abweichend zur Erstbefragung-, dass sie in der Russischen Föderation von dem russischen Geheimdienst verfolgt werden. Nunmehr versuchten sie mit den Videos darzulegen, dass die Polizei bzw. der russische Geheimdienst nach ihnen bei der Mutter des BF 1 nachfragen und mit der Verhaftung drohen. Sie fragten die Mutter, wo sich der BF 1 befinde und drohten auch ihr mit der Verhaftung, falls sie keine Auskunft gebe.

Wie von der Behörde gewürdigt, erscheint es unglaubwürdig und weisen diese beiden Videos keinen glaubhaften Kern aus, dass der russische Geheimdienst nach dem BF 1 frage. Die BF 1 und 2 sind, wie auch schon im Vorverfahren festgestellt, mit einem Visum in Österreich eingereist, es erscheint unglaubwürdig, dass der russische Geheimdienst nicht wisse, wo sich die BF aufhalten und daher die Mutter in der Öffentlichkeit befragt werde. Auch ist der Behörde beizupflichten, dass es für einen Geheimdienst kein Problem darstelle eine Person zu finden, welche auch im Internet jederzeit auffindbar ist. Bei Eingabe des Namens erkennt man sofort, dass sich der BF in Österreich aufhält und welche Tätigkeiten er vollbringt. Während der Zeit der Corona-Pandemie wird auch jeder Flug in die Russische Föderation, wenn er stattfindet genauestens überwacht, sodass auch hier der Geheimdienst keine Informationen bedarf. Auch zum Video oder der Audiodatei konnte der BF keine näheren Angaben machen und verwies des Öfteren darauf, dass er selbst nicht anwesend war (AS65, 67). Auch konnte der BF nicht genau angeben, wie das Video entstanden ist, zumal es offensichtlich für die Beamten gewesen sein muss, dass sie gefilmt werden. Es ist auch unglaubwürdig, dass der BF nun angibt, dass seine Mutter nun 10-15-mal befragt wurde und bisher der BF keine entsprechenden Angaben machte bzw. Beweismittel vorlegte. Wenn wie der BF behauptet der russische Geheimdienst nach ihm suche und auch seine Mutter mit der Verhaftung bedrohe, ist es lebensfremd, dass der Geheimdienst seine Drohungen nicht wahrgemacht hat und die Mutter tatsächlich in Gewahrsam genommen hatte, sei es auch nur für ein paar Stunden. Der BF 1 ist sehr versiert bei der Herstellung von Filmen und könnte auch hier eine Anleitung gegeben haben. Da die Behörde die Ermittlungstätigkeit abgeschlossen hat und der BF keine weitere Stellungnahme oder Zeugen bzw. Beweismittel genannt hat, sind auch keine weiteren oder näheren Ermittlungen durch das Gericht notwendig. Das Gericht hat das Video selbst gesichtet und spricht dem Vorbringen die Glaubwürdigkeit ab. Eine weitere Befragung durch den BF ist auch deshalb nicht notwendig, da er keine näheren Aussagen machen kann und nur das Video und die Audiodatei zeigen kann. Das Gericht geht daher davon aus und ist es ausgeschlossen, dass selbst bei persönlicher Befassung des Videos in Anwesenheit des BF, es zu einem anderen Ergebnis, als jenem der Behörde, kommen kann.

Weitere Videos, welche der BF 1 bereits im Erstverfahren eingebracht hat bzw. nunmehr nochmals vorlegt oder neu vorlegt, sind nicht zu berücksichtigen, da der BF die Möglichkeit hatte diese bereits einzubringen bzw. diese bereits im Erstverfahren berücksichtigt wurden. Auch bringen diese Videos keine neuen Beweismittel oder Tatsachen ein und sind nicht konkret für das Verfahren des BF relevant. Der BF1 gab auch selbst an, dass er hier, wo er selbst zu sehen ist ein übliches Gespräch führt, wie er hier so lebe (AS 147).

Das Gericht ist davon überzeugt, dass der BF 1 mit den Videos versucht, seine Abschiebung oder Rückkehr zu verzögern und damit missbräuchlich einen zweiten Asylantrag stellte, zumal auf der Mehrzahl der Videos allgemeine russische Themen dargestellt werden, welche in Youtube aufzufinden sind und von ihm auch im Erstverfahren vorzulegen waren bzw. wurden. Z.B. zum dritten und vierten Video gibt er bekannt, dass hier Menschen zu sehen sind, wie er, die in das Ausland fliehen und dort Asyl bekommen und auch deren Anwälte erzählen, wie sie vom FSB verfolgt werden. Die Videos konnten, wie die Behörde auch feststellte, nicht davon überzeugen, dass nunmehr neue Beweismittel vorliegen. Der BF brachte hier allgemeine Verfolgung durch die FSB vor. Weiteres hat er diese Videos auch nicht bei der Erstbefragung und Antragsstellung vorzeigt, sodass das Gericht wiederum davon ausgeht, dass der BF durch Suche im Internet und Herunterladen von Videos zum Thema der Verfolgung durch FSB und zum Thema über radikale religiöse Gruppierungen, immer wieder das Verfahren zu verzögern sucht.

Was das Privat- und Familienleben der BF betrifft, so hat sich seitdem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.10.2019 keine wesentliche Änderung ergeben. Die Feststellungen zum Leben der Beschwerdeführer in Österreich (Aufenthaltsdauer, ihren familiären Anknüpfungspunkt), ergibt aus ihren eigenen Angaben und aus den bereits vom Bundesamt durchgeführten Ermittlungen. Die Feststellungen zu der aktuellen privaten und familiären Situation der Beschwerdeführer in Österreich gründen auf dessen Vorbringen in dem vorhergehenden Asylverfahren und der Einvernahme vor dem BFA im gegenständlichen Verfahren. Zudem stützen sich die Feststellungen zu ihren sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und ihrer Integration in Österreich auf die Aktenlage. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verneinte daher zu Recht das Bestehen eines Familienlebens mit anderen engen Verwandten in Österreich und das Vorliegen berücksichtigungswürdiger Integration (Privatleben- interesse) in Österreich. Da auch sonst keine wesentlichen neu hinzugetretenen Umstände vorgebracht wurde, mit Ausnahme eines Empfehlungsscheibens, kann auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK keine Situationsänderung seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung erkannt werden.

Aus den im angefochtenen Bescheid enthaltenen Länderberichten ergibt sich, dass auch im Hinblick auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat keine maßgebliche Änderung der Lage im Vergleich zum Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.10.2019 eingetreten ist.

Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation eine reale Gefahr einer Verletzung der Art. 2, 3 oder 8 MRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Da sich der Beschwerdeführer erst seit Jänner 2016 im Bundesgebiet aufhält, nie über ein Aufenthaltsrecht in Österreich verfügte, in Österreich über keine Familienangehörigen und Verwandten verfügt, nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation ist und auch nicht Deutsch spricht, kann auch keine Verletzung seines Rechts auf Privat- oder Familienleben durch eine Abschiebung festgestellt werden. Darüber hinaus verbrachte der grundsätzlich gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer sein gesamtes Leben vor der Ausreise in der Russischen Föderation, wo er einer Arbeit nachging und wo er nach wie vor über anhaltende soziale Bindungen verfügt.

Auch unter Berücksichtigung des Kindeswohles in Hinblick auf subsidiären Schutz und der Rechte gem. Art. 8 EMRK ist darauf zu verweisen, dass dieses bereits im Erstverfahren berücksichtigt wurde und in nunmehrigen Antrag kein neues Vorbringen erstattet wurde. Aber es hat sich die Situation für Kinder in der Russischen Föderation seit der rechtskräftigen Entscheidung des BVwG auch nicht geändert. Sodass die Kinder keiner kinderspezifischen Gefahr aufgrund der Sicherheitslage ausgesetzt sind. In Moskau herrscht kein Krieg und auch die Gefahr von Blindgängern, Bomben oder Sprengfallen ist nicht gegeben. Sie können eine Schul- und Berufsausbildung absolvieren und es besteht keine Diskriminierung von Frauen, sodass auch die BF 4 einen Beruf ausüben wird können. Die Eltern können für die Kinder sorgen und erhalten bei Bedarf auch soziale Unterstützung.

Sohin konnte aber in einer Prognoseentscheidung nur von einer voraussichtlichen Antragszurückweisung ausgegangen werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit und Verfahren:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu Spruchteil A):

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen (in der Sache) lauten:

§ 12 a Abs. 2 AsylG normiert, dass wenn ein Fremder einen Folgeantrag stellt und kein Fall des Absatz 1 vorliegt, das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben kann, wenn

1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung oder Ausweisung besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

§ 22 (10) AsylG 2005 idgF:

Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

§ 22 BFA-VG:

(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.12.2017, Ra 2017/18/0451 ausgeführt hat, genießt ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, gemäß § 12 AsylG 2005 grundsätzlich bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 nicht mehr zulässig ist, faktischen Abschiebeschutz; das bedeutet, dass er weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden darf. Durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009, BGBl. I Nr. 122/2009, wurden für Folgeanträge auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 Sonderregelungen geschaffen, die in bestimmten Fällen Ausnahmen vom faktischen Abschiebeschutz vorsehen. Sie haben - nach den Gesetzesmaterialien (RV 330 BlgNR 24. GP 11) -"unter Wahrung der notwendigen rechtsstaatlichen Garantien ... das Ziel, jene Fälle, in denen ein berechtigtes Interesse an einem neuerlichen Asylverfahren besteht, möglichst früh von klar missbräuchlichen Antragstellungen zu unterscheiden und diese in weiterer Folge als Mittel zur Hintanhaltung fremdenpolizeilicher Maßnahmen unbrauchbar zu machen." Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 ("wenn der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist") führen die Gesetzesmaterialien (RV 220 BlgNR 24. GP 13) aus, dass "eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags" zu treffen ist. Zieht man das vom Gesetz angestrebte Ziel in Betracht, den faktischen Abschiebeschutz nur für "klar missbräuchliche Anträge" beseitigen zu wollen, kann damit nur gemeint sein, dass schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern.

Zu prüfen ist sohin, ob die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 im gegenständlichen Fall vorliegen, zumal auch kein Fall des § 12 a Abs. 1 AsylG vorliegt, bzw. vorgebracht wurde.

Bei dem neuerlichen Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz vom 25.06.2020 handelt es sich um einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005.

§12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 verlangt eine Prognoseentscheidung über eine voraussichtliche Antragszurückweisung (vgl Muzak, Die Einschränkungen des faktischen Abschiebeschutzes im Asylverfahren, migralex 2010, 2 [4]); die Sachentscheidung über den Folgeantrag selbst ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens (vgl RV 330 BlgNR 24. GP). Darüber hinaus sieht §12a Abs. 2 Z 3 leg.cit. vor, dass vor Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes und damit vor der möglichen Effektuierung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme erneut eine Refoulement-Prüfung nach Art2 und 3 EMRK sowie eine Interessenabwägung iSv Art8 EMRK vorzunehmen sind (vgl. VfGH 10.10.2018, Zl. G186/2018 ua).

Im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Hierbei ist auch die rechtskräftige Gewährung von subsidiärem Schutz und damit die Bejahung der Voraussetzungen zur Zuerkennung dieses Schutzstatus im Verfahren betreffend den Status eines Asylberechtigten zu beachten (vgl. VwGH 28.02.2017, Zl. Ra 2016/01/0206, Rz 13). Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen (vgl. VwGH 28.04.2017, Zl. Ra 2017/03/0027, Rz 11). Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen (vgl. VwGH; 28.02.2017, Zl. Ra 2016/01/0206, Rz 14; VwGH 08.09.2015, Zl. Ra 2017/03/0027). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. VwGH 25.04.2017, Zl. Ra 2016/01/0307, Rz 22). Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrags auf Grund geänderten Sachverhalts hat - von allgemein bekannten Tatsachen abgesehen - im Beschwerdeverfahren nur anhand der Gründe, die

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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