TE Vfgh Beschluss 2020/9/21 E2303/2020

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Veröffentlicht am 21.09.2020
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Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

ZPO §146, §149 Abs1
VfGG §7 Abs2, §33

Leitsatz

Zurückweisung eines Wiedereinsetzungsantrags mangels Bescheinigung des Beginns der vierzehntätigen Wiedereinsetzungsfrist durch den Beschwerdeführer; Zurückweisung der Beschwerde als verspätet

Spruch

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

II. Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Mit am 7. Juli 2020 im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebrachtem Schriftsatz begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde und erhebt unter einem Beschwerde gegen das oben angeführte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages führt der Antragsteller im Wesentlichen aus, dass er nach Zustellung des oben genannten Erkenntnisses Verfahrenshilfe beantragt habe. Zu diesem Zweck habe er den Verfassungsgerichtshof telefonisch kontaktiert. Dieser habe ihn jedoch an den Verwaltungsgerichtshof verwiesen. Den daraufhin gestellten Verfahrenshilfeantrag habe der Verwaltungsgerichtshof jedoch mit Beschluss vom 3. Juni 2020 abgewiesen. Der Antragsteller habe sich am 17. Juni 2020 erstmals an die nunmehr einschreitenden Rechtsanwälte gewandt und sich am 23. Juni 2020 bei diesen telefonisch über weitere Rechtsmittel erkundigt. Nachdem der Antragsteller die für diese Auskunft notwendigen Unterlagen mit E-Mail vom 24. Juni 2020 (12:56 Uhr) übermittelt habe, hätten ihm seine nunmehr rechtsfreundlichen Vertreter mit E-Mail vom 24. Juni 2020 (16:01 Uhr) mitgeteilt, dass er offenbar nur um Verfahrenshilfe für die außerordentliche Revision angesucht habe, weshalb die Frist für eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bereits abgelaufen sei und nur noch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden könne.

Der Antragsteller habe erst mit diesem Schreiben seiner rechtsfreundlichen Vertreter Kenntnis davon erlangt, dass die Frist für die Einbringung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bereits versäumt sei, weil sein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe an den Verwaltungsgerichtshof nicht auch einen solchen auf Bewilligung der Verfahrenshilfe an den Verfassungsgerichtshof mitumfasse. Es handle sich dabei um ein unvorhergesehenes bzw unabwendbares Ereignis. Vom Antragsteller als rechtsunkundige Person könne nämlich nicht das Wissen erwartet werden, dass für eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ein separater Verfahrenshilfeantrag einzubringen ist. Diese Auskunft sei ihm telefonisch weder vom Verfassungsgerichtshof noch vom Verwaltungsgerichtshof erteilt worden. Es treffe ihn auch kein Verschulden daran, dass er nicht rechtzeitig einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Beschwerdeerhebung an den Verfassungsgerichtshof gestellt habe, da er vom Verfassungsgerichtshof an den Verwaltungsgerichtshof weiterverwiesen worden sei. Ebenso treffe ihn auch kein Verschulden daran, dass er die Frist zur Einbringung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof versäumt habe, da er der Auffassung gewesen sei, ein Verfahrenshilfeantrag würde die Frist sowohl für die Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof als auch für die Erhebung einer außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof hemmen. Der Antrag sei rechtzeitig, da er erst mit dem genannten E-Mail vom 24. Juni 2020 von seinen rechtsfreundlichen Vertretern erfahren habe, dass er die Beschwerdefrist versäumt habe.

2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist ist unzulässig:

2.1. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden.

Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Zugleich mit dem Antrag ist dem §149 Abs1 ZPO zufolge auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen.

Gemäß §149 Abs1 ZPO hat "[d]ie Partei, welche die Wiedereinsetzung beantragt, […] in dem bezüglichen Schriftsatze […] alle den Wiedereinsetzungsantrag begründenden Umstände anzuführen und die Mittel zu ihrer Glaubhaftmachung anzugeben". Dabei hat der Antragsteller auch den Beginn der vierzehntägigen Wiedereinsetzungsfrist zu bescheinigen, sofern dieser nicht aktenkundig ist (OGH 15.4.1993, 10 ObS 64/93; siehe auch Deixler-Hübner, §148 ZPO, in: Fasching/Konecny [Hrsg.], Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen3, rdb.at, Stand 1.10.2015, Rz 14).

2.2. Diesen Anforderungen wird der vorliegende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gerecht:

2.2.1. Der Antragsteller übermittelte am 7. Juli 2020 im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist. Als Wegfall des Hindernisses wird der 24. Juni 2020 angegeben, da sich an diesem Datum um 16:01 Uhr durch das E-Mail seiner rechtsfreundlichen Vertreter der Irrtum des Antragstellers bezüglich der Versäumung der Frist für eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof aufgeklärt habe. Dem Antrag wurde ein E-Mail vom 24. Juni 2020 (13:47 Uhr) beigelegt, aus dem hervorgeht, dass die rechtsfreundlichen Vertreter dem Antragsteller "die Rechnung für eine Beschwerde an den VfGH" übermitteln.

Weil im vorliegenden Fall der Beginn der vierzehntägigen Wiedereinsetzungsfrist nicht aktenkundig ist, ist dieser vom Antragsteller zu bescheinigen. Das dem Antrag beigelegte E-Mail stimmt jedoch weder vom Inhalt – es findet sich im vorgelegten E-Mail kein Hinweis darauf, dass der Antragsteller darin aufgeklärt worden ist, dass die Beschwerdefrist bereits abgelaufen ist, sondern wird vielmehr nur "die Rechnung für eine Beschwerde an den VfGH" übermittelt – noch von der Uhrzeit – das vorgelegte E-Mail weist den Absendezeitpunkt 13:47 Uhr auf und nicht wie im Antrag angegeben 16:01 Uhr – mit dem im Antrag bezeichneten E-Mail überein. Der Antragsteller konnte daher bereits den Beginn und damit die Einhaltung der vierzehntägigen Wiedereinsetzungsfrist nicht glaubhaft machen.

2.2.2. Soweit der Antragsteller anführt, dass er einem Rechtsirrtum unterlegen sei, worin das unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu erblicken sei, ist ihm Folgendes entgegenzuhalten:

Mit dem vorliegenden Antrag wird kein in §146 ZPO vorausgesetztes unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis behauptet (dazu, dass ein Rechtsirrtum kein Ereignis darstellt, das eine Wiedereinsetzung zu rechtfertigen vermag, siehe VfSlg 15.077/1998 mwN). Selbst wenn man in dem vorgebrachten, behauptetermaßen durch einen telefonischen Kontakt mit dem Verfassungsgerichtshof ausgelösten Irrtum ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis iSd §146 Abs1 ZPO erblicken wollte (zu den Voraussetzungen, dass eine unrichtige Rechtsauskunft einen Grund für eine Wiedereinsetzung darstellt, vgl VfSlg 16.276/2001 mwN), legt der Antragsteller nicht hinreichend konkret dar, worin es bestanden haben sollte (es wurden insbesondere keine näheren Angaben zu der angeblichen telefonischen Auskunft vorgebracht, wie etwa Zeitpunkt des Telefonates oder die konkrete Person, mit der das Telefonat stattgefunden haben soll). Zudem werden keinerlei diesbezügliche Beweismittel vorgelegt (vgl VfSlg 18.566/2008, 19.397/2011; siehe auch VfGH 12.6.2019, E1742/2019).

2.3. In sinngemäßer Anwendung des §15 Abs2 VfGG sind diese Mängel einer Behebung nicht zugänglich (VfSlg 18.566/2008, 19.397/2011). Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher schon aus diesen Gründen zurückzuweisen.

3. Die Beschwerde wurde erst nach Ablauf der sechswöchigen Frist (§82 Abs1 VfGG) eingebracht und ist somit als verspätet zurückzuweisen.

4. Diese Beschlüsse konnten gemäß §149 Abs2 ZPO iVm §35 VfGG und §19 Abs3 Z2 litb VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / Fristen, email

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E2303.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.10.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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