TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/27 95/10/0198

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Veröffentlicht am 27.10.1997
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Index

L40015 Anstandsverletzung Ehrenkränkung Lärmerregung
Polizeistrafen Salzburg;
L40055 Prostitution Sittlichkeitspolizei Salzburg;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art18 Abs1;
PolStG Slbg 1975 §3 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde der G in Salzburg, vertreten durch Dr. Peter Hrubesch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hubert Sattlergasse 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 21. Juli 1995, Zl. UVS-5/284/11-1995, betreffend Übertretung des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe am 5. Jänner 1994 von 01.40 Uhr bis 01.50 Uhr in S., Kreuzung M-Bundesstraße, B-Straße und Autobahnzubringer, durch Einsteigen in einen PKW und die Preisabsprache für einen Geschlechtsverkehr sich an einem öffentlichen Ort in einer Weise verhalten, die auf die Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der Prostitution abgezielt habe. Sie habe hiedurch die Verwaltungsübertretung nach § 3 Abs. 1 des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes (PolStG) begangen. Es wurde eine Geldstrafe von S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 30 Tage) verhängt. Begründend wurde dargelegt, die Beschwerdeführerin - eine amtsbekannte Geheimprostituierte - sei am 5. Jänner 1994 um 01.40 Uhr an der im Spruch bezeichneten Kreuzung gestanden. Mit einem Freier (dem Zeugen H.) habe sie dort die Durchführung eines Geschlechtsverkehrs gegen ein Entgelt von S 500,-- vereinbart. Anschließend habe sie mit dem Freier in dessen PKW geschlechtlich verkehrt. Zum Tatzeitpunkt habe die Beschwerdeführerin sechs nicht getilgte einschlägige Vorstrafen aufgewiesen; einmal sei bereits eine Geldstrafe von S 15.000,-- verhängt worden. Dieser Sachverhalt stehe auf Grund der widerspruchsfreien und schlüssigen Aussagen des anzeigenden Polizeibeamten und des (im Rechtshilfeweg in der Bundesrepublik Deutschland vernommenen) Zeugen H. fest. Die Beschwerdeführerin, die in ihrer Berufung lediglich erklärt habe, sie verlange "eine Gegenüberstellung mit jener Person, die mir vorgeworfen wird in dieser Nacht etwas gemacht" zu haben, sei trotz ordnungsgemäß ausgewiesener Ladungen nicht zu den Verhandlungen erschienen. Nach Hinweisen auf die Rechtslage und die Rechtsprechung vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die Vereinbarung eines Entgeltes für einen Geschlechtsverkehr stelle ein "Anbahnen" im Sinne des § 3 Abs. 1 PolStG dar; die Öffentlichkeit des Tatortes sei gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 3 Abs. 1 PolStG, LGBl. 1975/58, begeht eine Verwaltungsübertretung, wer sich an öffentlichen Orten in einer Weise verhält, die auf die Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der Prostitution abzielt.

Die Beschwerde regt an, der Verwaltungsgerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der soeben zitierten Vorschrift stellen. Diese verstoße gegen den Gleichheitssatz, weil sich das Verbot ausschließlich gegen die Prostituierten - meist weibliche Personen - richte. Die Norm stelle auf ein "Verhalten in einer Weise, das auf die Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der Prostitution abzielt", ab; dies widerspreche dem Bestimmtheitsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG. Das Verbot der Straßenprostitution beschränke das Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung, ohne daß die Beschränkung durch öffentliches Interesse geboten, zur Zielerreichung adäquat und auch sonst sachlich gerechtfertigt wäre.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich mit Vorschriften, die die Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der Prostitution verbieten, schon wiederholt beschäftigt. Dabei hat er weder unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes (vgl. VfSlg. 7965/1976) noch unter jenem der Freiheit der Erwerbsausübung (VfSlg. 10187/1984) vorgetragene Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der betreffenden Regelungen als stichhältig angesehen. Der Inhalt der in § 3 Abs. 1 erster Satz PolStG verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe ist durch Auslegung feststellbar (vgl. insbesondere zum Begriff des "auf die Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der Prostitution abzielenden Verhaltens" z.B. die Erkenntnisse vom 8. September 1981, Zl. 81/11/0007, vom 22. Dezember 1982, Zl. 82/11/0187, vom 12. März 1984, Zl. 83/10/0293, vom 27. November 1989, Zl. 89/10/0124, und vom 27. Jänner 1997, Zl. 96/10/0207); es besteht somit auch kein Anlaß zu Bedenken gegen diese Vorschrift unter dem Gesichtspunkt des Art. 18 Abs. 1 B-VG. Der Verwaltungsgerichtshof sieht somit keinen Anlaß, beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung der Vorschrift zu beantragen.

Die Beschwerde macht geltend, die belangte Behörde habe das festgestellte Verhalten - die Vereinbarung, gegen ein Entgelt von S 500,-- mit dem Freier geschlechtlich zu verkehren - zu Unrecht dem Verbotstatbestand subsumiert. Sie habe keine Feststellungen darüber getroffen, wie dieses Gespräch einem etwaigen Beobachter, der dessen Inhalt nicht hätte hören können, als auf die Anbahnung der Prostitution abzielendes Verhalten hätte erkennbar sein sollen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur zitierten Vorschrift ist unter "Anbahnung" von Beziehungen zur Ausübung der Prostitution jedes erkennbare Sichanbieten zur Ausführung eines entgeltlichen Geschlechtsverkehrs in der Absicht zu verstehen, sich hiedurch eine Einnahmequelle zu verschaffen. Sie umfaßt etwa das Herumstehen in der erkennbaren Absicht, "Kunden" anzulocken, die Kontaktaufnahme oder das Treffen von Preisabsprachen für den Vollzug eines Geschlechtsverkehrs. Die Subsumtion eines konkreten Verhaltens unter den Begriff der "Anbahnung" setzt voraus, daß das jeweilige Verhalten die Absicht, sich gegen Entgelt fremden Personen hinzugeben, allgemein erkennbar zum Ausdruck bringt; es muß allgemein und nicht nur von einem eingeweihten Personenkreis als Anbieten zum entgeltlichen Geschlechtsverkehr verstanden werden. Allerdings bedeutet diese allgemeine Erkennbarkeit nicht, daß dieses Verhalten auch im konkreten Fall von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden konnte. Vielmehr kommt es darauf an, ob ein bestimmtes Verhalten, wäre es wahrgenommen worden, nicht nur von einem eingeweihten Personenkreis der gewerbsmäßigen Unzucht zugeordnet worden wäre (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 27. Jänner 1997, Zl. 96/10/0207 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Davon ausgehend hat der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach die Auffassung vertreten, daß ein mündliches - allgemein (nach dem Inhalt) verständliches - Anbot zur Ausübung eines entgeltlichen Geschlechtsverkehrs, auch wenn es unter vier Augen erfolgte, unter den Begriff der "Anbahnung" fällt (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 19. Juli 1984, Zlen. 84/10/0147, 0148, vom 26. April 1993, Zl. 92/10/0029, und vom 30. Mai 1994, Zl. 94/10/0059).

Verfehlt ist auch die Auffassung der Beschwerde, die belangte Behörde hätte feststellen müssen, von wem die Initiative zu dem Anbahnungsgespräch ausgegangen sei. Der Begriff der "Anbahnung", soweit diese durch ein Anbot zum entgeltlichen Geschlechtsverkehr verwirklicht wurde, setzt nicht voraus, daß die erste Gesprächsinitiative von der Prostituierten ausgehe.

Auch der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Die Beschwerde rügt das Unterbleiben einer "Gegenüberstellung" der Beschwerdeführerin mit dem Zeugen. Durch eine solche Gegenüberstellung wäre bewiesen worden, daß nicht die Beschwerdeführerin, sondern offenbar eine andere Person mit dem Zeugen H. verkehrt habe. Die Beschwerdeführerin kenne keinen Herrn H.

Die Beschwerde übergeht, daß die Beschwerdeführerin zu den mündlichen Verhandlungen vor der belangten Behörde trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne Entschuldigung nicht erschienen ist und die belangte Behörde somit die von der Beschwerde vermißte Gegenüberstellung selbst im Fall des Erscheinens des Zeugen H. vor der belangten Behörde nicht hätte durchführen können. Im übrigen verstößt die Verwertung der Zeugenaussage des im Ausland wohnhaften H., der im Rechtshilfeweg vernommen wurde, im Hinblick auf § 51g Abs. 3 Z. 1 VStG nicht gegen das Gesetz.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995100198.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

15.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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