TE Vfgh Beschluss 2020/9/21 E1291/2020

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Veröffentlicht am 21.09.2020
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Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Zurückweisung einer Beschwerde eines Stadtrates gegen ein Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts betreffend die Vorschreibung der jährlich zu entrichtenden Kanalbenützungsgebühr mangels Legitimation; keine Verletzung eines subjektiven Rechts

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Mit seiner auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wendet sich der Stadtrat der Stadtgemeinde Purkersdorf gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 16. März 2020, mit dem der Beschwerde des Beschwerdeführers vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich stattgegeben wurde und die Vorschreibung der jährlich zu entrichtenden Kanalbenützungsgebühr verringert wurde.

2. Der beschwerdeführende Gemeinderat behauptet, durch das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums sowie durch Anwendung rechtswidriger genereller Normen verletzt zu sein. Beantragt werden die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses und für den Fall der Ablehnung oder Abweisung der Beschwerde die Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof.

3. Die Beschwerde ist unzulässig.

3.1. Zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 BGBl I 51/2012 hat der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt eingenommen, dass die Beschwerdelegitimation nach Art144 Abs1 B-VG nur dann gegeben ist, wenn durch den bekämpften Bescheid irgendein subjektives Recht der beschwerdeführenden Partei verletzt worden sein kann, dh, wenn die bescheidmäßigen Anordnungen oder Feststellungen die subjektive Rechtssphäre des Beschwerdeführers berühren, der Bescheid demgemäß subjektive Rechte begründet (verändert) oder feststellt (vgl VfSlg 11.764/1988, 15.398/1999, 15.733/2000, 17.840/2006, 17.920/2006, 18.442/2008, 19.151/2010, 19.289/2011). Wie der Verfassungsgerichtshof ebenfalls schon ausgesprochen hat (VfSlg 5358/1966, 8746/1980, 14.575/1996, 15.733/2000; VfGH 12.6.2015, E385/2015; 10.6.2016, E427/2016 ua), hat die Existenz subjektiv-öffentlicher Rechte zwingend die Parteistellung im Verwaltungsverfahren zur Folge, oder – anders ausgedrückt – es kann die für die Beschwerdeberechtigung maßgebende Möglichkeit, durch den Bescheid in der Rechtssphäre verletzt zu werden, nur bei Personen vorliegen, denen in der im konkreten Verwaltungsverfahren behandelten Sache die Stellung einer Partei zugekommen ist. Für die Beschwerdelegitimation gemäß Art144 Abs1 B-VG in der mit 1. Jänner 2014 in Kraft getretenen Fassung gelten sinngemäß dieselben Voraussetzungen (vgl VfGH 20.2.2014, B182/2014; 12.6.2015, E385/2015; 10.6.2016, E427/2016 ua; 12.6.2015, E402/2015; 24.2.2017, E65/2017).

3.2. Ein solcher Eingriff in die Rechtssphäre des Beschwerdeführers als Voraussetzung seiner Berechtigung zur Beschwerdeführung gemäß Art144 B-VG wurde vom Verfassungsgerichtshof für (insbesondere staatliche) Organe eines Rechtsträgers grundsätzlich verneint (vgl VfSlg 13.429/1993, 13.722/1994, 15.079/1998, 17.220/2004, 17.838/2006, 18.761/2009, 18.914/2009, 19.092/2010; VfGH 11.6.2012, B264/12; 12.6.2015, E402/2015; 27.6.2017, E1823/2017). Für ein Organ eines Rechtsträgers kann die Legitimation zur Beschwerdeführung vor dem Verfassungsgerichtshof gegen eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes mangels Möglichkeit der Verletzung eines subjektiven Rechtes nämlich nicht aus Art144 B-VG hergeleitet werden (vgl etwa VfSlg 18.914/2009; VfGH 11.6.2012, B264/12).

3.3. Es besteht aber auch keine sonstige verfassungsgesetzliche Bestimmung, die dem Organ eines Rechtsträgers unmittelbar die Legitimation zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof einräumt oder dem einfachen (Materien-)Gesetzgeber hiezu die Ermächtigung erteilt. Folglich ist auch die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht zur Erhebung einer auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht legitimiert (vgl zB VfSlg 18.914/2009; VfGH 11.6.2012, B264/12). Eine zu Art133 Abs6 Z2 B-VG vergleichbare Bestimmung, die der belangten Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht eine Legitimation zur Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof einräumt, besteht für das verfassungsgerichtliche Verfahren nicht.

4. Die Beschwerde ist daher mangels Legitimation zurückzuweisen.

5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Rechte subjektive öffentliche, Organ Organwalter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E1291.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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