TE Bvwg Beschluss 2020/6/26 W270 2211483-1

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Veröffentlicht am 26.06.2020
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Entscheidungsdatum

26.06.2020

Norm

AVG §13
AVG §14
AVG §52 Abs1
AVG §52 Abs2
AVG §53a Abs1
B-VG Art133 Abs4
BVwGG §14
UVP-G 2000 §3b Abs1
UVP-G 2000 §40
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W270 211483-1/94Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. GRASSL als Vorsitzenden und die Richter Mag. BÜCHELE und Dr. NEUBAUER

als

Beisitzer

über den Antrag des XXXX vom 17.02.2020 (GZ. XXXX ), betreffend Entlohnung für eine Sachverständigentätigkeit, beschlossen:

A)

Der Antrag wird zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Feststellungen:

1. Am 15.03.2013 beantragte die Enzersdorfer Abfallverwertungsgesellschaft mbH – EAVG (in Folge: Projektwerberin“) bei der Niederösterreichischen Landesregierung die Genehmigung der Errichtung und des Betriebs des Vorhabens „Deponie Enzersdorf an der Fischa“ (in Folge: „Vorhaben“) gemäß Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000. In dem über diesem Antrag durchgeführten Verwaltungsverfahren erstattete der für das „Gebietsbauamt Mödling“ des Amts der Niederösterreichischen Landesregierung tätige Sachverständige DI XXXX (in Folge: „Sachverständiger“) u.a. ein „Teilgutachten Nr. 8 - Landwirtschaft und Boden“.

2. Mit Bescheid vom 16.10.2018 genehmigte die Niederösterreichische Landesregierung das Vorhaben. Gegen die Genehmigung wurde eine Reihe von Beschwerden erhoben.

3. Im über die Beschwerden durchgeführten verwaltungsgerichtlichen Verfahren zog das Bundesverwaltungsgericht den Sachverständigen u.a. für die Beantwortung möglicher Fachfragen in der mündlichen Verhandlung in dem von ihm im verwaltungsbehördlichen Verfahren bearbeiteten Fachgebiet bei. Der Sachverständige tätigte solche Aussagen auch.

4. Dem Bundesverwaltungsgericht sind im zuvor genannten Fachgebiet weder Sachverständige beigegeben noch stehen ihm solche zur Verfügung.

5. Mit Anbringen vom 17.02.2020, eingebracht beim Bundesverwaltungsgericht am 17.02.2020, beantragte („Vorschreibung“) das Land Niederösterreich in Form einer „Kostennote Nr. XXXX “, ausgestellt GZ XXXX durch das „Amt der NÖ Landesregierung, Gruppe Baudirektion, Gebietsbauamt Mödling“, die Entlohnung für eine „Sachverständigentätigkeit vom 11. bis 13.02.2020, Dipl.-Ing. XXXX , Zeitaufwand 62/2 Stunden“ und wies dafür einen zu zahlenden Betrag von EUR 4038,06 als Gesamtsumme aus. Ersucht wurde um Überweisung „binnen 14 Tagen“ auf ein angegebenes Konto bei der XXXX . Gezeichnet wurde das Schreiben „im Auftrag der NÖ Landesregierung“.

II. Beweiswürdigung:

Die Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem verwaltungsgerichtlichen Verfahrensakt; insbesondere der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 11. bis 13.02.2020 (OZ 72) sowie dem Schreiben des Landes Niederösterreich vom 17.02.2020 (OZ 69). Die Feststellung, dass dem Bundesverwaltungsgericht keine Sachverständige beigegeben sind noch solche zur Verfügung stehen, ist notorisch.

III. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zurückweisung des Antrags

1. Rechtslage

1.1. Wird die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig, so sind gemäß § 52 Abs. 1 AVG die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständige) beizuziehen.

1.2. Wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten ist, kann die Behörde gemäß § 52 Abs. 2 AVG ausnahmsweise andere geeignete Personen als Sachverständige (nichtamtliche Sachverständige) heranziehen.

1.3. Gemäß § 53a Abs. 1 AVG haben nichtamtliche Sachverständige für ihre Tätigkeit im Verfahren Anspruch auf Gebühren, die durch Verordnung der Bundesregierung in Pauschalbeträgen (nach Tarifen) festzusetzen sind. Soweit keine solchen Pauschalbeträge (Tarife) festgesetzt sind, sind auf den Umfang der Gebühr die §§ 24 bis 37, 43 bis 49 und 51 des GebAG sinngemäß anzuwenden. Die Gebühr ist gemäß § 38 GebAG bei der Behörde geltend zu machen, die den Sachverständigen herangezogen hat.

1.4. Soweit das VwGVG 2014 nicht anderes bestimmt, sind gemäß § 17 VwGVG 2014 auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

1.5. Gemäß § 14 BVwGG stehen dem Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Art. 131 Abs. 2 erster Satz und Abs. 4 Z 2 B-VG die im Bereich der Vollziehung des Bundes tätigen Amtssachverständigen zur Verfügung.

1.6. Dem Bundesverwaltungsgericht stehen gemäß § 40 Abs. 6 UVP-G 2000 die im Bereich der Vollziehung des Bundes und jenes Landes, dessen Bescheid überprüft wird, tätigen Amtssachverständigen zur Verfügung.

2. Zur Zulässigkeit des Antrags:

2.1. Für das Bundesverwaltungsgericht ist das vom Gebietsbauamt Mödling verfasste und „im Auftrag“ für die NÖ Landesregierung“ gefertigte Schreiben gemäß § 13 AVG klar als ein auf die Erstattung von Kosten- bzw. Gebühren für Sachverständigenleistungen („Sachverständigentätigkeit“) zu qualifizierenden Antrag des Landes Niederösterreich zu sehen. Beim „Gebietsbauamt Mödling“ handelt um eine Dienststelle des Amts der Niederösterreichischen Landesregierung (konkret der nach der Geschäftseinteilung eingerichteten „Gruppe Baudirektion“, s. http://www.noe.gv.at/noe/Kontakt-Landesverwaltung/Gruppe_Baudirektion.html, abgerufen am 26.06.2020). Gemäß § 34 Abs. 2 NÖ Landesverfassung ist die Landesregierung in Niederösterreich das „Oberste Organ des Landes als Träger von Privatrechten“. Die Vertretung der Gebietskörperschaft nach außen hinsichtlich des angenommenen und als Träger von Privatrechten geltend zu machenden Entlohnungsanspruchs – und um einen solchen handelt es sich bei den Sachverständigenleistungen, mag es auch sein, dass darüber in einem hoheitlichen Verfahren zu befinden ist – erfolgt also durch sein Organ „Niederösterreichische Landesregierung“.

2.2. Sich als erforderlich erweisende Sachverständigenbeweise in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren werden grundsätzlich gemäß § 52 Abs. 1 bis 3 AVG durch die der jeweiligen Behörde „beigegebenen“ oder „zur Verfügung stehenden“ Sachverständigen (als „Amtssachverständige“) erbracht. Bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen wie etwa im Falle des Fehlens von Amtssachverständigen oder bei zu erwartenden wesentlichen Beschleunigungseffekten kann dies auch durch „nichtamtliche“ Sachverständige erfolgen. Letztere haben gemäß § 53a Abs. 1 AVG für ihre Tätigkeit einen Anspruch auf Gebühren, wobei sich diese entweder aus verordneten Pauschalbeträgen oder aus bestimmten Vorschriften des GebAG ergeben. Für Amtssachverständige ist kein Gebühren- oder sonstiger Entlohnungsanspruch vorgesehen. Soweit ein Amtssachverständiger – was den Regelfall darstellt – in einem öffentlichen Dienstverhältnis steht, erhält er vielmehr ein seiner Einstufung in das Gehaltsschema des öffentlichen Dienstes entsprechendes Gehalt (vgl. bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 52 [Stand 01.07.2005], rdb.at, Rz. 50)

2.3. Die §§ 52 und 53a AVG sind auch verwaltungsgerichtliche Verfahren bei Beschwerden gegen Entscheidungen gemäß dem UVP-G 2000 anzuwenden (und sichern dem Verwaltungsgericht den notwendigen Zugang zu Sachverständigen, vgl. VwGH 22.06.2016, Ra 2016/03/0027, Rz. 26)., wobei die §§ 3b und 40 UVP-G 2000 davon abweichende Vorschriften enthalten.

2.4. § 14 BVwGG ordnet an, dass dem Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Art. 131 Abs. 2 erster Satz und Abs. 4 Z 2 B-VG die im Bereich der Vollziehung des Bundes tätigen Amtssachverständigen „zur Verfügung“ stehen (vgl. in diesem Zusammenhang auch VwGH 18.12.2018, Ra 2018/16/0167, Rz. 10). Unter Inanspruchnahme der Ermächtigung von Art. 131 Abs. 4 Z 2 B-VG hat der Bundesgesetzgeber gemäß § 40 UVP-G eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden in Angelegenheiten nach dem UVP-G 2000 vorgesehen. Ausgenommen davon sind nur Beschwerden gegen Entscheidungen in Verwaltungsstrafsachen. Unstreitig handelt es sich bei dem Sachverständigen um keinen im Bereich der Bundesvollziehung tätigen Amtssachverständigen.

2.5. Gemäß § 40 Abs. 6 UVP-G stehen jedoch dem Bundesverwaltungsgericht die im Bereich der Vollziehung des Bundes und jenes Landes, dessen Bescheid überprüft wird, im Verfahren über Entscheidungen gemäß dem UVP-G 2000 tätigen Amtssachverständigen „zur Verfügung“. Nach den Gesetzesmaterialien soll mit dieser Vorschrift „über § 14 BVwGG hinaus“ bestimmt werden, dass Amtssachverständige des Bundes und jenes Landes, dessen Bescheid vom Bundesverwaltungsgericht überprüft wird, diesem zur Verfügung stehen. Eine derartige Regelung sei unbedingt erforderlich, um im konzentrierten Genehmigungsverfahren die Einhaltung der Verfahrensdauer nach § 34 Abs. 1 VwGVG „bei überschaubaren Kosten“ sicherzustellen (vgl. ErläutRV 2252 BlgNR 24. GP, S. 6). Dem Gesetzgeber ging es also erkennbar darum, den Anfall von Kosten, wie er bei nichtamtlichen Sachverständigen (gewöhnlicherweise) zu erwarten ist, zu vermeiden. Nicht zu unterstellen ist ihm dabei, dass es ihm darauf ankam, ob die Kosten auf eine Verfahrenspartei überwälzt werden könnten. Vielmehr soll auf jene Personen als Sachverständige zurückgegriffen werden, die ohnedies – als Dienstnehmer des jeweiligen Landes – auch die für den den Vollzug des UVP-G 2000 zuständigen Verwaltungsbehörden zur Verfügung stehen.

2.6. Dies bedeutet, dass jede im Vollzugsbereich des Landes Niederösterreich tätige Person, welche die Voraussetzungen eines Amtssachverständigen i.S.d. § 52 Abs. 1 AVG erfüllt, vom Bundesverwaltungsgericht in einem Verfahren über eine Beschwerde gegen einen Bescheid einer Niederösterreichischen Behörde in einer Angelegenheit nach dem UVP-G 2000 wie ein dem Gericht selbst zur Verfügung stehender oder beigegebener Sachverständiger beigezogen werden kann (vgl. dazu Rz. 11 des erwähnten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs vom 18.12.2018). Die Frage, ob die allgemeinen Voraussetzungen für die Beiziehung vorlagen, ist nach dem festgestellten Sachverhalts zu bejahen.

2.7. Dabei ist es gegenständlich auch nicht weiter von Bedeutung, dass der Sachverständige einen ihm zustehenden Gebührenanspruch gar nicht selbst geltend gemacht hat, sondern dies durch diejenige Gebietskörperschaft, für die bzw. eine von dieser eingerichteten Behörde oder Dienststelle (hier: ein „Gebietsbauamt“ als organisatorische Untergliederung des Amts einer Landesregierung) er tätig ist, erfolgte (es ist ohnedies nicht ansatzweise erkennbar, dass die antragstellende Gebietskörperschaft dies bloß in Vertretung vornahm). Denn auch wenn man die antragsgegenständliche Leistung durch den Sachverständigen als vom Land Niederösterreich selbst erbracht ansehen würde (sie also diesem zuzurechnen hätte) – das UVP-G 2000 lässt gemäß seinem § 3b Abs. 1 zweiter Satz ausnahmsweise die Bestellung fachlich einschlägiger Anstalten, Institute oder Unternehmen als nichtamtliche Sachverständige in Abweichung der allgemeinen Regel nach § 52 AVG zu (vgl. dazu etwa VwGH 20.11.2009, 2008/12/0226) – würde das angsichts der oben dargestellten Rechtslage nichts ändern, zumal auch kein Bestellungsakt für das Land Niederösterreich durch das Bundesverwaltungsgericht vorliegt. Es bleibt sohin dabei, dass die Sachverständigenleistungen in Form der Tätigkeit eines im verwaltungsgerichtlichen Verfahren i.S.d. § 52 Abs. 1 AVG durch das Bundesverwaltungsgericht – als ihm „zur Verfügung stehend“ – beigezogenen, und im Vollzugsbereich des Landes Niederösterreich tätigen, Amtssachverständigen erfolgte.

2.8. Daraus folgt, dass die antragstellende Gebietskörperschaft gemäß § 17 VwGVG i.V.m § 53a AVG sowie den in letzterer Vorschrift genannten Bestimmungen des GebAG grundsätzlich keinen Anspruch auf Entlohnung für die Leistungen des Sachverständigen hat.

2.9. Auch mangelt es an einer sonstigen gesetzlichen Grundlage für eine – gesonderte – Entlohnung für die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erbrachten Tätigkeiten des Sachverständigen.

2.10. Aus all diesen Gründen war der Antrag des Landes Niederösterreich auf Entlohnung für die Tätigkeit des Sachverständigen zurückzuweisen.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil bei der Entscheidungsfindung die Rechtsfrage, ob bei einer Beiziehung eines im Vollzugsbereich des Landes, dessen Entscheidung zur Überprüfung ansteht tätigen Amtssachverständigen gemäß § 40 Abs. 6 UVP-G 2000 für diese Gebietskörperschaft dennoch ein Entlohnungsanspruch besteht, zu lösen war. Konkrete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu dieser Frage ist nicht ersichtlich. Auch ist die Vorschrift (sowie die in Zusammenhang mit ihr zu lesenden Vorschriften) in ihrem Wortlaut nicht für sich selbst bereits ausreichend klar und eindeutig. Die Entscheidung Ra 2018/16/0167 lässt sich auf die gegenständlich zu treffende Entscheidung nicht sinngemäß übertragen.

Von der Lösung der Rechtsfrage hängt jedoch auch die Entscheidung über die Revision ab: Besteht doch grundsätzlich ein Anspruch auf Entlohnung für die Tätigkeit des beigezogenen Sachverständigen, so hätte das Bundesverwaltungsgericht zu Unrecht seine Zuständigkeit zur inhaltlichen Behandlung des Antrags verweigert.

Schlagworte

Gebührenanspruch - Geltendmachung Gutachten Revision zulässig Sachverständigengutachten Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W270.2211483.1.00

Im RIS seit

13.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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