TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/28 97/04/0173

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Veröffentlicht am 28.10.1997
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §28 Abs1 Z2;
GewO 1994 §30;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Mag. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 30. Juli 1997, Zl. 319.282/1-III/4/97, betreffend Verweigerung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides verweigerte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten dem Beschwerdeführer mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 30. Juli 1997 die Nachsicht vom Befähigungsnachweis für das Gewerbe der Tischler, eingeschränkt auf Bautischler, gemäß § 28 Abs. 1 und 3 GewO 1994. Nach der Begründung dieses Bescheides sei der Beschwerdeführer handelsrechtlicher Geschäftsführer zweier Gesellschaften m.b.H. und aufgrund einer Nachsicht von der Meisterprüfung im Maler- und Anstreichergewerbe auch gewerberechtlicher Geschäftsführer bei Ausübung des Maler- und Anstreicherhandwerks. Er habe im Verfahren eine Bestätigung des gewerberechtlichen Geschäftsführers für den Bereich der Bautischlerei vorgelegt, wonach er "sämtliche Besichtigungen bzw. Ausführungen der anfallenden Tischlerarbeiten alleine und selbständig" ausführe. Aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit im Baugewerbe habe er sich ein umfangreiches Wissen auf dem Gebiet der Bautischlerei angeeignet. Nach der Stellungnahme der Landesinnung der Tischler für Wien habe anläßlich eines am 8. Oktober 1996 geführten Fachgespräche festgestellt werden müssen, der Beschwerdeführer sei nie in der Tischlerei oder Bautischlerei tätig gewesen, habe nie eine einschlägige Ausbildung im Tischlergewerbe erfahren und verfüge daher über keinerlei entsprechende Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen. In einem Schreiben vom 29. Oktober 1996 habe der Beschwerdeführer vorgebracht, er habe den Lehrberuf Maler und Anstreicher erlernt und sei im Zuge dieser Tätigkeiten "ständig mit Fensterreparaturen in kleinstem Maße konfrontiert". Als Maler und Anstreicher habe er die Pflicht, vor Beginn der Arbeiten zu prüfen, ob es notwendig sei, Fenster und Türen tischlermäßig instandzusetzen bzw. eine Streichluft herzustellen. Weiters habe er vorgebracht, er beschäftige bei allen Tischlerarbeiten stets seinen Tischlergesellen. Mit Schreiben vom 2. April 1997 habe die fachlich zuständige Landesinnung im Zuge des Berufungsverfahrens ausgeführt, der Beschwerdeführer sei zu einer Arbeitsprobe eingeladen worden, doch habe er mitgeteilt, er sei kein Tischlerfachmann und habe noch nie selbst Fenster hergestellt. Der Arbeitsprobe habe er sich nicht gestellt. In seiner abschließenden Stellungnahme an die belangte Behörde habe der Beschwerdeführer mitgeteilt, er selbst führe keine Tischlerarbeiten manuell aus und werde dies auch in Zukunft nicht tun. Dafür beschäftige er Tischlergesellen. Er habe auch nie behauptet, er sei Tischler, sonst bräuchte er wahrscheinlich keine Nachsicht. Nach diesem Ermittlungsergebnis könne nicht davon ausgegangen werden, der Beschwerdeführer verfüge über eine hinreichende tatsächliche Befähigung im gesamten Bereich der "Bautischlerei". Angesichts des Fehlens jeglicher für die Frage der Befähigung relevanter Anhaltspunkt sei es entbehrlich gewesen, zu prüfen, welche Leistungen im Rahmen der Bautischlerei in der Regel zu erbringen seien, sowie welche Tätigkeiten beherrscht werden müßten, um solche Leistungen zufriedenstellend zu verrichen. An diesem Ergebnis vermöge der Hinweis des Beschwerdeführers, die Haupttätigkeit bestehe in der Reparatur von Fenstern und Türen sowie dem Herstellen einer "Farbluft" und dem Anschlagen von neuen fertigen Türblättern, nichts zu ändern, zumal er selbst vorgebracht habe, daß er diese Arbeiten nicht selbst ausführe und das Ansuchen, wie ausdrücklich klargestellt worden sei; auf den gesamten Bereich der Bautischlerei gerichtet gewesen sei. Für eine vom Beschwerdeführer beantragte Auflage, "unbedingt einen Tischlergesellen zu beschäftigen", fehle die Rechtsgrundlage. Im übrigen würde selbst eine solche Einschränkung das Erfordernis einer hinreichenden Befähigung des Beschwerdeführers in Ansehung des Wortlautes der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen nicht ausschließen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer im Recht verletzt, Nachsicht vom Befähigungsnachweis für das Gewerbe der Tischler, eingeschränkt auf Bautischler, gemäß § 28 GewO 1994 gewährt zu erhalten. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes bringt er vor, es seien im Verfahren nur die Voraussetzungen für das Vorliegen einer vollen Befähigung geprüft worden. Offenbar rechtsirrtümlich sei nicht auf das Alter, den Gesundheitszustand oder auch sonstige in der Person des Beschwerdeführers gelegene wichtige Gründe gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. a GewO 1994 Bedacht genommen worden. In der Praxis werde das Alter, das gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. a leg. cit. eine Nachsicht rechtfertigen könne, bei 45 Jahren anzusetzen sein. Dieses Alter habe der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Antragstellung bereits erreicht bzw. überschritten gehabt. Es seien daher die Voraussetzungen, die an die Fähigkeiten eines Antragstellers gestellt würden, im Vergleich zum Maßstab einer "vollen Befähigung" wesentlich geringer. Die von der Behörde festgestellte hinreichende tatsächliche Befähigung des Beschwerdeführers hätte deshalb bei richtiger rechtlicher Beurteilung zu Erteilung einer Nachsicht vom Befähigungsnachweis von dem beantragten Handwerksgewerbe führen müssen. Die belangte Behörde habe es weiters unterlassen, den Antrag des Beschwerdeführers im Lichte des § 30 GewO 1994 idF der Gewerberechtsnovelle 1967 ("fachübergreifende Leistungen") zu prüfen. Bekanntlich räume diese Bestimmung Gewerbetreibenden, die Tätigkeiten eines Handwerks oder eines gebundenen Gewerbes ausübten, die Berechtigung ein, in geringem Umfang Leistungen anderer Gewerbe zu erbringen, die eigene Leistung wirtschaftlich sinnvoll ergänzten. Bei der Ausübung dieser Rechte hätten sich die Gewerbetreibenden, soweit dies aus Gründen der Sicherheit notwendig sei, entsprechend ausgebildeter und erfahrener Fachkräfte zu bedienen. Dem Beschwerdeführer sei es nur darum gegangen, die im Zuge des Anstreichens von Türen und Fenstern notwendigen begleitenden Tischlereiarbeiten unter Hinzuziehung eines Tischlereigesellen durchzuführen. Offenkundig könnten damit nur fachübergreifende Leistungen im Sinne des § 30 GewO 1994 gemeint sein. Namentlich habe er Reparatur von Fenstern und Türen sowie Herstellen einer "Farbluft" und Anschlagen von neuen fertigen Türblättern genannt. Offensichtlich seien diese "Annextätigkeiten" von der dem Beschwerdeführer zustehenden Gewerbeberechtigung für das Maler- und Anstreichergewerbe mitumfaßt und es wäre daher hinsichtlich dieser Tätigkeiten eine Nachsicht zu gewähren gewesen.

Gemäß § 28 Abs. 1 GewO 1994 ist, sofern dieses Bundesgesetz oder eine Verordnung gemäß § 20 Abs. 4 oder § 22 Abs. 4 nichts gegenteiliges bestimmt, die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zu erteilen, wenn

1. nach dem Bildungsgang und er bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen (volle Befähigung) besitzt und keine Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen oder

2. eine hinreichende tatsächliche Befähigung des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, keine Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen und

a) dem Nachsichtswerber die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises wegen seines Alters, seiner mangelnden Gesundheit oder aus sonstigen in seiner Person gelegenen wichtigen Gründen nicht zuzumuten ist

oder

b) wenn besondere örtliche Verhältnisse für die Erteilung der Nachsicht sprechen.

Nach dem Abs. 3 dieser Gesetzesstelle kann die Nachsicht gemäß Abs. 1 auch mit der Beschränkung auf eine Teiltätigkeit des Gewerbes erteilt werden, wenn die Befähigung lediglich in diesem Umfang gegeben ist.

§ 30 GewO 1994 idF der Gewerberechtsnovelle 1967, BGBl. Nr. 63 hat folgendes Wortlaut:

"(1) Wurde der Befähigungsnachweis für ein Gewerbe, das zu einem verbundenen Gewerbe gehört, im vollen Umfang erbracht, so sind die Gewerbetreibenden, die zur Ausübung des betreffenden Gewerbes berechtigt sind, auch berechtigt, die Leistungen der anderen Gewerbe zu erbringen, aus denen sich das verbundene Gewerbe zusammensetzt.

(2) Wurde der Befähigungsnachweis im vollen Umfang für ein Handwerk oder ein gebundenes Gewerbe erbracht, dürfen Gewerbetreibende, die ein solches Gewerbe ausüben, auch Leistungen verwandter Gewerbe erbringen, sofern der sich aus der Gewerbeberechtigung ergebende Charakter des Gesamtbetriebes gewahrt bleibt."

(3) Gewerbetreibende, die Tätigkeiten eines Handwerks oder gebundenen Gewerbes ausüben, sind berechtigt, in geringem Umfang Leistungen anderer Gewerbe zu erbringen, die die eigene Leistungen wirtschaftlich sinnvoll ergänzen. Bei der Ausübung dieser Rechte haben sich die Gewerbetreibenden, soweit dies aus Gründen der Sicherheit notwendig ist, entsprechend ausgebildeter und erfahrener Fachkräfte zu bedienen.

(4) Die Berechtigung zu fachübergreifenden Leistungen gemäß Abs. 1 und 2 steht dem Gewerbetreibenden auch dann zu, wenn der vorgeschriebene Befähigungsnachweis nicht erbracht wurde, sondern jeweils im vollen Umfang eine Nachsicht vom Befähigungsnachweis gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 oder eine Anerkennung gemäß § 373c erteilt wurde oder eine Gleichhaltung gemäß § 373d vorliegt."

Wie sich aus § 28 Abs. 1 GewO 1994 unzweifelhaft ergibt, ist Voraussetzung für die Erteilung der Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis jedenfalls, also auch nach § 28 Abs. 1 Z. 2 ein gewisses Mindestmaß an Kenntnissen auf dem Gebiete des betreffenden Gewerbes. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, da die belangte Behörde - vom Beschwerdeführer unbestritten - in sachverhaltsmäßiger Hinsicht zum Ergebnis gelangte, daß der Beschwerdeführer niemals als Tischler gearbeitet habe, kein Tischlerfachmann sei und noch nie selbst Fenster hergestellt habe. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher in der Rechtsansicht der belangten Behörde, es seien im vorliegenden Fall weder die Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs. 1 Z. 1 noch jene des § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 für die Erteilung der Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis gegeben, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken.

Der Beschwerdeführer verkennt den normativen Gehalt der Bestimmung des § 28 Abs. 1 Z. 2 leg. cit., wenn er offenbar meint, es genüge nach dieser Gesetzesstelle zur Erteilung der Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis, wenn einer der Ausnahmegründe des § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. a oder b gegeben sei. Er übersieht dabei, daß diese Ausnahmsgründe zusätzliche Tatbestandselemente sind, die kumulativ neben der hinreichenden tatsächlichen Befähigung gegeben sein müssen.

Der Beschwerdeführer verkennt aber auch die rechtliche Bedeutung der Bestimmung des § 30 GewO 1994. Sind nämlich die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Gesetzesstelle erfüllt, so ist der Gewerbetreibende berechtigt, in dem in dieser Gesetzesstelle genannten Umfang Tätigkeiten, die in den Bereich anderer Gewerbe fallen, zu verrichten, ohne über eine entsprechende Gewerbeberechtigung zu verfügen.

Bei diesem Verfahrensergebnis vermag der Beschwerdeführer schließlich mit der behaupteten Verletzung der der belangten Behörde obliegenden Manuduktionspflicht nach § 13a AVG schon deshalb eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun, weil im Hinblick auf die mangelnden Kenntnisse des Beschwerdeführers auf dem Gebiet des in Rede stehenden Gewerbes auch eine andere Fassung seines Antrages nicht zu dem gewünschten Ergebnis hätte führen können.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997040173.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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