TE Vwgh Beschluss 2020/9/10 Ra 2018/13/0106

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Veröffentlicht am 10.09.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
32/04 Steuern vom Umsatz

Norm

BAO §167 Abs2
B-VG Art133 Abs4
UStG 1994 Anh Art6 Abs1
UStG 1994 Anh Art7
UStG 1994 Anh Art7 Abs1
UStG 1994 Anh Art7 Abs4
UStG 1994 §12 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der A W in G, vertreten durch die Aigner Rechtsanwalts GmbH in 2700 Wiener Neustadt, Eyerspergring 4/2/5, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 24. Juli 2017, Zl. RV/7103357/2012, betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2006, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Die Revisionswerberin betrieb in den Jahren 2002 bis 2007 einen Handel mit Kraftfahrzeugen. Sie verkaufte im Juli 2006 nach ihren Angaben an ein tschechisches Fitnesscenter (im Folgenden als BFt bezeichnet) sechs hochpreisige Fahrzeuge und behandelte diese Verkäufe als innergemeinschaftliche Lieferungen. Im Jahr 2008 wurde eine Außenprüfung betreffend diese Fahrzeugverkäufe durchgeführt.

2        Eine Spontanauskunft gemäß Art. 19 der VO 1798/2003 EG/Amtshilfe bei der tschechischen Abgabenbehörde hatte ergeben, dass dem Geschäftsführer der BFt die Revisionswerberin gänzlich unbekannt sei und er niemals Lieferungen von dieser an sein Unternehmen erhalten hätte.

3        Die Fahrzeuge wurden nach Angaben der Revisionswerberin von Mitarbeitern des tschechischen Unternehmens entgegengenommen (Abholfälle). Die Abholer hätten eine Vollmacht der BFt vorgelegt, mit der sie ermächtigt wurden, die Autos für die BFt entgegen zu nehmen. Die Unterschrift auf diesen Vollmachten entsprach nach den Feststellungen der Außenprüfung leicht ersichtlich nicht der Unterschrift auf der vorgelegten Reisepasskopie des Geschäftsführers der BFt. Sämtliche Zahlungen seien nach Angaben der Revisionswerberin auf den jeweiligen beim Kunden verbliebenen Originalrechnungen quittiert worden, wobei diese Rechnungen nicht vorgelegt wurden. Auf der bei der Revisionswerberin verbliebenen Kopie befand sich keine Quittierung der Barzahlung. Die Verkäufe seien in bar getätigt und die Barerläge auf dem Bankkonto erst Tage bzw. in manchen Fällen Wochen später gutgeschrieben worden.

4        Die Außenprüfung führte aus, dass es nicht der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns entspreche, Neuwagen um jeweils ca. EUR 60.000 Personen steuerfrei auszuhändigen, die sich mit einer Vollmacht auswiesen, auf der lediglich ein Stempel einer Firma und eine unleserliche Unterschrift aufscheine, ohne diese mit der Unterschrift des firmenbuchmäßigen einzigen Geschäftsführers abzugleichen. Es habe sich bei sämtlichen Geschäften um nicht belegte Bar-Geschäfte mit einer ausländischen Firma gehandelt. Erscheinen die Angaben des Abnehmers dem Lieferer zweifelhaft, insbesondere bei Gegenständen, die keinen Zusammenhang mit der unternehmerischen Tätigkeit erkennen lassen, wie dies im vorliegenden Fall bei einem Fitnesscenter gegeben sei, wäre eine erhöhte Sorgfalt erforderlich gewesen. Die Verkäufe der sechs Fahrzeuge könnten nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen anerkannt werden, der Revisionswerberin sei zudem der Vertrauensschutz gemäß Art. 7 UStG 1994 zu versagen.

5        Das Finanzamt folgte der Außenprüfung, hob gemäß § 299 BAO den Umsatzsteuerbescheid 2006 auf und setzte die Umsatzsteuer für das Jahr 2006 erneut fest.

6        Dagegen erhob die Revisionswerberin fristgerecht eine nunmehr als Beschwerde zu behandelnde Berufung. In dieser brachte sie vor, sie habe alle erforderlichen Nachweise für die Behandlung der Verkäufe als innergemeinschaftliche Lieferungen vorgelegt; der Buchnachweis sei erbracht worden. Die Revisionswerberin habe eine UID-Abfrage Stufe 2 durchgeführt. Zudem wurden Bestätigungen über die „Ausfuhr“ der sechs Fahrzeuge, die vom jeweiligen Abholenden unterzeichnet worden waren, sowie die jeweiligen Übernahmebestätigungen, in denen die Abholenden die ordnungsgemäße Übernahme der Fahrzeuge und der Fahrzeugpapiere bestätigten, vorgelegt. Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen sei zu Unrecht versagt worden.

7        Mit Vorhalt vom 4. Juli 2012 forderte das Finanzamt die Revisionswerberin auf, zu bestimmten, im Jahr 2006 erfolgten Fahrzeugankäufen Angaben zu machen. Von Jänner bis Juni 2006 seien sechs Fahrzeuge von der PTltd gekauft und jeweils ein Vorsteuerabzug geltend gemacht worden. Bereits in einer Befragung im Jahr 2007, in der der Ehemann und Mitarbeiter der Revisionswerberin, Herr W, als Zeuge befragt worden war, habe dieser angegeben, über eine Internetrecherche Fahrzeuge gefunden zu haben, die von der F GmbH in X angeboten wurden. Bei einem Besichtigungstermin der inserierten Autos habe der Mitarbeiter den Geschäftsführer der F GmbH sowie Herrn S angetroffen, der angab, Geschäftsführer der PTltd zu sein. Da die Fahrzeuge nicht der F GmbH, sondern Herrn S gehört hätten, habe er mit diesem einen Kaufpreis vereinbart und in bar bei Abholung am gleichen Tag übergeben. Die Kfz-Papiere seien ihm ausgehändigt worden. Er habe die Abholung mit seinem Kfz-Anhänger durchgeführt.

8        Bei der PTltd handle es sich allerdings um eine Scheinfirma, die nicht als Verkäuferin auftreten könne. Der wahre wirtschaftlich tätige Unternehmer sei Herr S gewesen. Die unternehmerische Leistung sei nicht von der auf der Rechnung angeführten Scheinfirma erbracht worden. An der im Firmenbuch angeführten Adresse der Scheinfirma in W war die PTltd niemals tätig. Es handle sich dabei lediglich um eine Postadresse. Das Finanzamt beabsichtige, eine Verböserung vorzunehmen und den Vorsteuerabzug nicht anzuerkennen.

9        Die steuerliche Vertretung der Revisionswerberin nahm zunächst dahingehend Stellung, dass sie die „Ausdehnung der Berufung“ auf den neuen Sachverhalt gemäß § 280 BAO (in der 2012 noch maßgeblichen Fassung) beeinspruche, weil dem Finanzamt die entsprechenden Informationen über die PTltd bereits seit längerem bekannt gewesen seien. In der Sache führte sie aus, dass für die Revisionswerberin im Zeitpunkt des Fahrzeugankaufs Malversationen seitens der Verkäuferin nicht erkennbar, geschweige denn bekannt gewesen seien. Aufgrund der von der Revisionswerberin eingeholten Informationen sei die Lieferantin zum damaligen Zeitpunkt als ein normales vertrauenswürdiges Unternehmen erschienen. Die Revisionswerberin habe auch alle vernünftigen Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass die getätigten Umsätze nicht zu einer Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führten. Es sei für die Revisionswerberin im Zeitpunkt der Fahrzeugkäufe nicht erkennbar gewesen, dass es sich bei der PTltd um eine Scheinfirma gehandelt habe.

10       Mit Beschwerdevorentscheidung vom 15. Oktober 2012 versagte das Finanzamt die Steuerfreiheit der sechs innergemeinschaftlichen PKW-Lieferungen an die BFt und erkannte den Vorsteuerabzug aus den sechs Fahrzeugkäufen von der PTltd nicht an. Daraufhin stellte die Revisionswerberin einen Vorlageantrag, in dem sie im Wesentlichen das bisher geltend gemachte Vorbringen aufrecht hielt. Das Bundesfinanzgericht führte eine mündliche Senatsverhandlung durch, änderte mit dem angefochtenen Erkenntnis den Bescheid im Sinne der Beschwerdevorentscheidung ab und wies im Übrigen die Beschwerde als unbegründet ab.

11       Zur Begründung führte das Bundesfinanzgericht aus, ein Unternehmer habe die Voraussetzungen des Art. 7 UStG 1994 beleg- und buchmäßig nachzuweisen, um eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung durchführen zu können. Die geforderten Nachweise seien dabei nicht nur formell zu erbringen, sondern müssten den Tatsachen entsprechen. Bestünden ernsthafte Gründe zur Annahme, dass der mit der fraglichen Lieferung zusammenhängende innergemeinschaftliche Erwerb im Bestimmungsland der Zahlung der Mehrwertsteuer entgehen könne, müsse der Ausgangsmitgliedstaat grundsätzlich dem Lieferer die Befreiung verweigern und ihn verpflichten, die Steuer nachzuentrichten, um zu vermeiden, dass der fragliche Umsatz jeglicher Besteuerung entgehe. Entscheidend sei, ob dem liefernden Unternehmer der Nachweis gelinge, dass die materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit zweifelsfrei vorliegen. Als materiell-rechtliche Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach Art. 7 UStG 1994 müssten folgende Bedingungen erfüllt sein:

Erstens müsse der Liefergegenstand in einen anderen Mitgliedstaat der Union verbracht werden und zweitens der erwerbende Steuerpflichtige als solcher handeln, also im Bestimmungsland der Erwerbsbesteuerung unterliegen. Weiters habe der Unternehmer die Voraussetzungen der steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung detailliert nachzuweisen (Buch- und Beförderungsnachweis). Die Abholer hätten zwar Vollmachten vorgelegt, allerdings seien diese Vollmachten nicht vom Geschäftsführer der BFt gefertigt worden. Die Unterschriften stimmten nicht mit jener auf der Passkopie des Geschäftsführers überein. Die Verbringungserklärungen enthielten dieselbe zweifelhafte Unterschrift. Sonstige Aufzeichnungen hinsichtlich der Beförderung ins übrige Unionsgebiet seien nicht vorgelegt worden. Es sei zwar den Abgabenbehörden nicht gestattet, Nachweise zu verlangen, die über die im Gesetz und der Verordnung 401/1996 angeführten Unterlagen hinausgingen, wie beispielsweise Vollmachten, allerdings würden vorgelegte Dokumente der vollinhaltlichen Überprüfung und Beweiswürdigung unterliegen. Für das Bundesfinanzgericht korrespondiere die im Rahmen der Spontanauskunft von dem Geschäftsführer der BFt getätigte Aussage, die gegenständlichen Kraftfahrzeuge von der Revisionswerberin nicht erworben und keine Geldbeträge dafür aufgewendet zu haben, mit der „falschen“ Unterschrift auf den vorliegenden Vollmachten der Abholer. Es sei für das Bundesfinanzgericht ungeklärt, wohin die gegenständlichen Fahrzeuge tatsächlich gelangt seien. Das Vorliegen von Scheinlieferungen liege nahe. Das Bundesfinanzgericht gehe in freier Beweiswürdigung davon aus, dass der zweifelsfreie Nachweis der Beförderung oder Versendung der Fahrzeuge im Auftrag der BFt in einen anderen Mitgliedstaat als nicht erbracht zu beurteilen sei. Im Revisionsfall sei zweifelhaft, wer der Erwerber der PKW gewesen sei. Eine Erwerbsbesteuerung in Tschechien sei tatsächlich nicht erfolgt. Daher sei trotz aufrechter UID-Nummer und des damit verbundenen Nachweises des Erwerbssteuerbarkeit die Voraussetzung für die steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nicht gegeben.

12       Die Vertrauensschutzregelung gemäß Art. 7 Abs. 4 UStG 1994 sei auf den Revisionsfall nicht anwendbar. Das Vorgehen der Revisionswerberin entspreche nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts nicht den üblichen Gepflogenheiten im Geschäftsleben. Die strittigen Lieferungen beträfen sechs hochpreisige Fahrzeuge, die an einen tschechischen Neukunden in einem Zeitraum von einem Monat geliefert werden sollten. Obwohl die Revisionswerberin erstmalig mit der BFt in Geschäftsbeziehungen getreten sei, sei weder versucht worden, persönlichen Kontakt mit dem neuen Geschäftspartner herzustellen, noch habe man verifiziert, ob dieser überhaupt berechtigt gewesen sei, die betreffenden Geschäfte abzuschließen. Dieses Vorgehen entspreche nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts nicht den üblichen Gepflogenheiten im Geschäftsleben. Für die Inanspruchnahme des Vertrauensschutzes müsse der Lieferant im guten Glauben handeln und alle Maßnahmen ergreifen, die vernünftigerweise verlangt werden könnten. An die Nachweispflichten seien besonders hohe Anforderungen zu stellen, wenn der (angeblichen) innergemeinschaftlichen Lieferung eines hochwertigen Kraftfahrzeuges ein Barverkauf zugrunde liege, denn die Kfz-Branche berge umsatzsteuerlich eine besondere Missbrauchsgefahr. Der Revisionswerberin hätten bei Beachtung der Sorgfaltsregeln eines ordentlichen Kaufmanns die unterschiedlichen Unterschriften auffallen müssen. Durch die sorglose Vorgehensweise der Revisionswerberin könne sie sich nicht auf die Vertrauensschutzregelung berufen.

13       Hinsichtlich des Vorsteuerabzuges führte das Bundesfinanzgericht aus, dass dieser selbst bei Vorliegen aller objektiven Voraussetzungen zu versagen sei, wenn der Abnehmer der Leistung von einem Steuerbetrug wusste oder wissen hätte müssen. Er müsse alle Maßnahmen ergriffen haben, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden könnten, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen Mehrwertsteuerbetrug eingebunden werden. Nach den in freier Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen des Bundesfinanzgerichts sei klar, dass die in den strittigen Rechnungen der PTltd beschriebenen Kfz-Lieferungen nicht von dieser Gesellschaft, sondern von Herrn S ausgeführt wurden. Die materiellen und formellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug seien daher nicht erfüllt. Die Revisionswerberin habe die Leistung von Gegenständen, die sie für ihre wirtschaftliche Tätigkeit verwendete, von einem anderen Steuerpflichtigen - und zwar nicht von dem auf der Rechnung angeführten - der ebenfalls unternehmerisch tätig sei, erhalten. Es seien von der Revisionswerberin keine Erkundigungen über die PTltd, wie zum Beispiel ein Handelsregisterauszug, eingeholt worden. Es könne nicht von der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns ausgegangen werden, wenn ein Mitarbeiter der Revisionswerberin, dessen Verhalten ihr zurechenbar sei, sich ausschließlich auf Aussagen einer Person verlasse, die vorgebe, für eine Firma in W tätig zu sein, wenn es am Ort der Verkaufsverhandlungen Hinweise zu einer völlig anderen Firma (nämlich F GmbH) gebe. Zudem sei von der Finanzverwaltung konkret in zwei Fällen nachgewiesen worden, dass das Recht auf Vorsteuerabzug in betrügerischer Weise geltend gemacht wurde. Dass die Umsätze in einen Umsatzsteuerbetrug einbezogen wurden und die Revisionswerberin von diesem Betrug wusste oder wissen hätte müssen, sei im Zusammenhang mit den innergemeinschaftlichen Lieferungen hervorgekommen. Der Vorsteuerabzug sei daher zu versagen gewesen.

14       Die Revisionswerberin erhob zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 24. September 2018, E 3040/2017-10, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

15       Die vorliegende außerordentliche Revision wendet sich sowohl gegen die Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferungen als auch gegen die Versagung des Vorsteuerabzuges.

16       Das Finanzamt hat nach Einleitung des Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt wurde.

17       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

18       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Gemäß § 34 Abs. 3 ist ein solcher Beschluss in jeder Lage des Verfahrens zu treffen.

19       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

Zu den innergemeinschaftlichen Lieferungen:

20       Gemäß Art. 6 Abs. 1 UStG 1994 sind die innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7) steuerfrei.

21       Art. 7 Abs. 1 UStG 1994 lautet auszugsweise:

„(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (Art. 6 Abs. 1) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen vorliegen:

1.   Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet (...);

2.   der Abnehmer ist

a)   ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b)   eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c)   bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber und

3.   der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung ist beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar.

(...)“

22       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Nachweis der materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach Art. 7 UStG 1994 vom inländischen Lieferer zu erbringen (vgl. VwGH 20.12.2012, 2009/15/0146, VwSlg. 8776/F, mit Verweis auf die Judikatur des EuGH). Dabei ist nicht nur auf bloß formelle Belange abzustellen, entscheidend ist vielmehr, dass dem liefernden Unternehmer der Nachweis gelingt, dass die materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit zweifelsfrei vorliegen.

23       Ob der Nachweis der Beförderung erbracht ist, ist eine Frage der - vom Verwaltungsgerichtshof nur auf ihre Schlüssigkeit zu prüfenden - Beweiswürdigung (VwGH 26.11.2015, Ra 2015/15/0012, mwN). Die Revision zeigt mit ihrem Vorbringen, das sich nicht gegen die Beweiswürdigung wendet, keine Unschlüssigkeit derselben auf.

24       Soweit die Revision vorbringt, das Bundesfinanzgericht gehe von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach bei Bekanntgabe der UID-Nummer eines Abnehmers aus einem anderen EU-Mitgliedstaat davon ausgegangen werden dürfe, dass dieser der Erwerbsbesteuerung unterliege, übersieht sie, dass das Bundesfinanzgericht nicht in Frage stellt, dass die BFt der Erwerbsteuer unterliegt, sondern es nicht als erwiesen ansah, dass die BFt die Abnehmerin der Fahrzeuge gewesen ist.

25       Hinsichtlich der vom Bundesfinanzgericht nicht festgestellten Warenbewegung bringt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung vor, die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liege darin, ob ein Unternehmer verpflichtet sei, einen Nachweis dafür zu bringen, dass die Vollmacht des Abholenden tatsächlich vom Abnehmer bzw. dessen Geschäftsführer ausgestellt wurde. Dabei übersieht sie, dass das Bundesfinanzgericht nicht von einem generellen Erfordernis des Nachweises, dass Vollmachten des Abholenden tatsächlich vom Abnehmer ausgestellt wurden, ausgegangen ist. Das Gericht hat die Warenbewegung deshalb als nicht erwiesen angesehen, weil einerseits der Geschäftsführer der BFt angegeben hat, die Fahrzeuge niemals erhalten zu haben, und andererseits die Unterschriften auf den Vollmachten nicht mit den Unterschriften auf der Reisepasskopie übereingestimmt haben.

26       Hat ein Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 UStG 1994 nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß Art. 7 Abs. 4 UStG 1994 dennoch steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit der Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nicht erkennen konnte (Vertrauensschutzregelung). Die Erklärungen des Abnehmers hat der Unternehmer mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu prüfen. Maßgebend sind nicht die persönlichen Fähigkeiten, Gewohnheiten und Kenntnisse des Unternehmers, sondern ein objektiver Maßstab, das Verhalten eines ordentlichen, gewissenhaften Kaufmannes, wobei der Sorgfaltsmaßstab nach Geschäftszweigen differieren kann (vgl. VwGH 18.12.2006, 2006/16/0070, VwSlg. 8187/F).

27       Die Revision bringt zur Nichtanwendung der Vertrauensschutzregelung vor, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung sei darin gelegen, ob es die Sorgfalt eines ordentlichen Unternehmers erfordere, dass der Unternehmer die vollständige Vollmachtskette von der Geschäftsführung über womöglich eine Vielzahl von Abteilungsleitern bis hin zum entgegennehmenden Mitarbeiter nachzuweisen habe. Das Bundesfinanzgericht hat eine solche Nachweispflicht aber nicht angenommen. Es hat lediglich den Standpunkt vertreten, dass es nichtder Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes entspreche, wenn bei leicht ersichtlichen Unterschieden in den Unterschriften zwischen Vollmacht und Reisepasskopie keine weiteren Überprüfungen stattfinden. Das Bundesfinanzgericht ist ferner davon ausgegangen, dass in der missbrauchsanfälligen Kfz-Branche an die Nachweispflichten (gemeint hier: Sorgfaltspflichten) bei der angeblichen innergemeinschaftlichen Lieferung hochwertiger Fahrzeuge im Rahmen eines Barverkaufs höhere Anforderungen zu stellen seien. Weiters hat es ausgeführt, dass die Revisionswerberin, obwohl sie erstmalig mit der BFt in Geschäftsbeziehungen getreten ist, weder versucht habe, persönlichen Kontakt zum neuen Geschäftspartner aufzunehmen, noch verifiziert habe, ob dieser berechtigt gewesen sei, die betreffenden Geschäfte abzuschließen.

28       Die Frage, ob die erforderliche Sorgfalt eingehalten wurde, ist eine Einzelfallbeurteilung, die aufgrund der Umstände des konkreten Sachverhalts zu treffen ist. Die Revision vermag mangels eines konkreten Vorbringens zu den Erwägungen des Bundesfinanzgerichts nicht darzulegen, dass die Beurteilung des Bundesfinanzgerichts, in einer Gesamtbetrachtung sei fallbezogen die Sorgfalt eines ordentlichen Unternehmers nicht erfüllt worden, unvertretbar gewesen wäre.

Zur Versagung des Vorsteuerabzuges:

29       Die Revision bringt diesbezüglich in der Zulässigkeitsbegründung vor, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liege darin, ob eine Vorsteueraberkennung allein damit zu rechtfertigen sei, dass ein Umsatzsteuerbetrüger nicht als Einzelunternehmer aufgetreten sei, sondern mit einer zum Schein gegründeten juristischen Person. Sie führt weiters aus, dass die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes von derRechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union abweiche, wonach einem Unternehmer das Recht auf Vorsteuerabzug nicht mit der Begründung versagt werden dürfe, dass die Rechnung von einem nicht existenten Wirtschaftsteilnehmer ausgestellt wurde. Zudem habe das Bundesfinanzgericht keine Feststellungen dazu getroffen, dass die Revisionswerberin von einem Steuerbetrug wusste oder hätte wissen müssen.

30       Im Gegensatz zum Vorbringen in der Revision hat sich das Bundesfinanzgericht bei der Versagung des Vorsteuerabzuges nicht allein darauf gestützt, dass die Rechnung nicht vom tatsächlichen Leistungserbringer ausgestellt wurde, sondern mit Verweis auf die in der Revision zitierte EuGH-Rechtsprechung näher ausgeführt, dass die Revisionswerberin hätte wissen müssen, dass der Umsatz in einen Mehrwertsteuerbetrug einbezogen worden war.

31       Nach der Rechtsprechung des EuGHist eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht erlaubt. Daher haben die nationalen Behörden und Gerichte den Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird. Dies ist nicht nur der Fall, wenn der Steuerpflichtige selbst eine Steuerhinterziehung begeht, sondern auch, wenn ein Steuerpflichtiger wusste oder hätte wissen müssen, dass er mit seinem Erwerb an einem Umsatz teilnahm, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war. Er ist dann als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen, und zwar unabhängig davon, ob er im Rahmen seiner besteuerten Ausgangsumsätze aus dem Weiterverkauf der Gegenstände oder der Verwendung der Dienstleistungen einen Gewinn erzielt. Der Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug kann dem Steuerpflichtigen allerdings nur unter der Voraussetzung versagt werden, dass aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass dieser Steuerpflichtige, dem die Gegenstände geliefert oder die Dienstleistungen erbracht wurden, die als Grundlage für die Begründung des Rechts auf Vorsteuerabzug dienen, wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit dem Erwerb dieser Gegenstände oder der Inanspruchnahme dieser Dienstleistungen an einem Umsatz beteiligte, der in eine vom Lieferer bzw. vom Leistenden oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Liefer- oder Leistungskette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war (vgl. dazu EuGH 13.2.2014, C-18/13, MaksPen, Rn 26 ff).

32       Nach der Rechtsprechung des EuGH müssen zudem Wirtschaftsteilnehmer, die alle Maßnahmen treffen, die vernünftigerweise von ihnen verlangt werden können, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug - sei es eine Mehrwertsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug - einbezogen sind, auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen können, ohne Gefahr zu laufen, ihr Recht auf Vorsteuerabzug zu verlieren. Hingegen verstößt es nicht gegen das Unionsrecht, wenn von einem Wirtschaftsteilnehmer gefordert wird, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (vgl. EuGH 21.6.2012, C-80/11 und C-142/11, Mahagében und Dávid, Rn 53f).

33       Ob der Steuerpflichtige vom Mehrwertsteuerbetrug wusste oder zumindest hätte wissen müssen, hängt von Tatfragen ab, die die Abgabenbehörde in freier Beweiswürdigung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen hat (vgl. z.B. VwGH 26.3.2014, 2009/13/0172, VwSlg. 8902/F; 19.12.2018, Ra 2017/15/0012, jeweils mwN).

34       Das diesbezügliche Zulässigkeitsvorbringen in der Revision erschöpft sich in der bloßen Behauptung, das Bundesfinanzgericht hätte keine Feststellungen dazu getroffen, dass die Revisionswerberin von einem Steuerbetrug wusste oder hätte wissen müssen. Das ist nicht zutreffend. Das Bundesfinanzgericht hat Feststellungen getroffen und sich - mit Verweis auf die im angefochtenen Erkenntnis in den Feststellungen auszugsweise wiedergegebene Einvernahme von Herrn W - insbesondere darauf gestützt, dass dieser Mitarbeiter, dessen Verhalten der Revisionswerberin zuzurechnen sei, die erforderliche Sorgfalt vermissen ließ, weil er sich ausschließlich auf die Aussagen einer ihm unbekannten Person verlassen habe, „Chef“ einer näher genannten Firma in W zu sein. Die Verkaufsverhandlungen und die Fahrzeugübergaben hätten immer in X bei einer anderen Firma stattgefunden und es seien keine Erkundigungen zur PTltd, wie ein Handelsregisterauszug, eingeholt worden.

35       Das Zulässigkeitsvorbringen unterlässt gänzlich eine Auseinandersetzung mit diesen Erwägungen des Bundesfinanzgerichts. Es bekämpft weder die Feststellungen des Bundesfinanzgerichts, noch wendet es sich gegen die Beweiswürdigung. Es enthält auch kein Vorbringen, wieso fallbezogen die Beurteilung des Bundesfinanzgerichts fehlerhaft gewesen sei.

36       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

37       Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

38       Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 10. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018130106.L00

Im RIS seit

10.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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