TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/31 95/19/1053

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Veröffentlicht am 31.10.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
19/05 Menschenrechte;
22/02 Zivilprozessordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AVG §68 Abs1;
MRK Art8 Abs1;
VwRallg;
ZPO §233;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der J S in Wien, geboren 1967, vertreten durch Dr. Richard Soyer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. September 1994, Zl. 102.089/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte am 8. Juli 1993 persönlich beim Magistrat der Stadt Wien einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. In ihrem Antragsformular war der Antrag als "Erstantrag" bezeichnet.

Mit Bescheid vom 19. Februar 1994 wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag gemäß § 13 Abs.1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab, weil der letzte Sichtvermerk der Antragstellerin bereits am 30. November 1992 abgelaufen sei und sie sich seither nicht mehr rechtmäßig in Österreich befinde. Zur Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG komme daher nur mehr eine Erstantragstellung vor der Einreise vom Ausland aus in Betracht.

In der dagegen erhobenen Berufung bestritt die Beschwerdeführerin nicht, ihren Antrag vom Inland gestellt zu haben, brachte aber vor, sie habe sich nach Ablauf der ültigkeit ihres Sichtvermerkes am 30. November 1992 wiederholt an das Bezirkspolizeikommissariat Wien Alsergrund gewendet, um die Verlängerung des Sichtvermerkes zu beantragen. Dieser Antrag sei jedoch von den diensthabenden Beamten nicht entgegengenommen worden, weil die erforderlichen Unterlagen nicht vollständig vorgelegt worden seien. Die Behörde sei verpflichtet gewesen, den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Sichtvermerkes anzunehmen und ihr aufzutragen, fehlende Unterlagen nachzureichen. Die Behörde sei ihrer Pflicht, die Partei über die mit ihren Handlungen oder Unterlassungen verbundenen Rechtsfolgen zu belehren, nicht nachgekommen. Die verspätete Antragstellung sei somit unmittelbare Folge eines rechtswidrigen Verhaltens einer Behörde und könne der Berufungswerberin nicht zugerechnet werden. Aus diesem Grund sei der gestellte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sehr wohl als rechtzeitig anzusehen und § 6 Abs. 2 AufG nicht anzuwenden.

Die Berufung wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 13. September 1994, zugestellt am 22. September 1994, gemäß § 13 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, es stehe fest, daß der letzte Sichtvermerk der Beschwerdeführerin bereits am 30. November 1992 abgelaufen sei und sie sich seither nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Die Antragstellung für einen Verlängerungsantrag habe spätestens am 30. November 1992 erfolgen müssen. Diese Frist habe die Beschwerdeführerin jedoch versäumt. Es sei daher kein Verlängerungsantrag zu stellen gewesen, sondern ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Ein solcher sei gemäß § 6 Abs. 2 AufG vor der Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus zu stellen. Zwar bestünden durch die berufliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet private Interessen, aufgrund der Unzulässigkeit der Antragstellung aber "wider des § 6 Abs. 2" sei jedoch eine weitere Auseinandersetzung mit den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin unzulässig.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 28. Juni 1995, B 2251/94-7, abgelehnt und diese antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde sie von der Beschwerdeführerin ergänzt. Die Beschwerdeführerin bekämpft den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und erachtet sich in dem durch § 5 Abs. 1 AufG gewährleisteten Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das Aufenthaltsgesetz in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.

§ 6 Abs. 2 und § 13 Abs. 1 AufG in der Fassung vor dieser Novelle lauteten:

"§ 6.

...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung kann auch vom Inland aus gestellt werden.

...

§ 13. (1) Die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen.

..."

Die Beschwerdeführerin bringt vor, bereits in ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid darauf hingewiesen zu haben, daß sie nach Ablauf ihres zuletzt gültigen Sichtvermerkes mehrmals versucht habe, diesen Sichtvermerk zu verlängern. Die Annahme dieser Anträge sei jedoch aus nicht nachvollziehbaren Gründen von der zuständigen Behörde verweigert worden. Wäre die belangte Behörde den Beweisanträgen der Beschwerdeführerin nachgekommen, so hätte sie festgestellt, daß die Beschwerdeführerin rechtzeitig versucht habe, ihren Sichtvermerk zu verlängern, und daß tatsächlich ein Antrag bereits vor dem 8. Juli 1993 eingebracht worden sei.

Mit diesem Vorbringen übersieht die Beschwerdeführerin, daß der Landeshauptmann von Wien als Behörde erster Instanz mit dem Bescheid vom 19. Februar 1994 offenkundig nur über den einzigen von der Beschwerdeführerin bei der Behörde erster Instanz gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, nämlich den Antrag vom 8. Juli 1993, abgesprochen hat. Nur die Entscheidung über diesen Antrag bildete demnach die "Sache" des Berufungsverfahrens. Soweit die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen zum Ausdruck zu bringen versucht, eine Entscheidung über ihren Antrag vom 8. Juli 1993 sei unzulässig gewesen, weil über einen bereits früher von ihr gestellten Antrag (bei einer anderen Behörde) hätte abgesprochen werden müssen, so ist ihr zu entgegnen, daß dem AVG das Rechtsinstitut der Streitanhängigkeit fremd ist (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 99, wiedergegebene Judikatur). Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides hängt demnach nicht davon ab, ob über einen allenfalls früher eingebrachten Antrag (auf Verlängerung eines Sichtvermerkes) bereits entschieden worden ist.

Unbestritten ist im vorliegenden Verfahren, daß der letztgültige Sichtvermerk der Beschwerdeführerin am 30. November 1992 abgelaufen ist. Die Beschwerdeführerin tritt auch der Bescheidfeststellung nicht entgegen, sich seit dem Ablauf dieses Sichtvermerkes im Bundesgebiet aufgehalten zu haben. Auf der Grundlage dieser unbestrittenen Bescheidfeststellungen erweist sich jedoch die Heranziehung von § 6 Abs. 2 erster Satz aF AufG durch die belangte Behörde nicht als rechtswidrig. Infolge des an den Ablauf des Sichtvermerkes anschließenden unrechtmäßigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin wertete die belangte Behörde den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu Recht nicht als Antrag auf Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften im Sinne des § 13 Abs. 1 zweiter Satz AufG. Ein solcher Antrag hätte vorausgesetzt, daß sich die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hätte. Zwar hat der Verfassungsgerichtshof (vgl. das Erkenntnis vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148, und in der Folge z.B. das Erkenntnis vom 11. Oktober 1995, Slg. Nr. 14.306) ausgesprochen, daß aus dem Grund des Art. 8 Abs. 1 MRK Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung von Fremden, die sich seit vielen Jahren bzw. sogar seit der Geburt rechtmäßig in Österreich aufgehalten haben und die aus welchen Gründen immer über keine Aufenthaltsbewilligung (mehr) verfügen, im Falle relativ geringfügiger Versäumung der Frist zur Antragstellung im Sinne des § 13 Abs. 1 AufG im Hinblick auf das Gebot verfassungskonformer Auslegung des durch § 6 Abs. 2 AufG geschaffenen Regelungssystems dem zweiten Satz der zuletzt genannten Vorschrift zu unterstellen seien. Dieser Rechtsauffassung hat sich der Verwaltungsgerichtshof angeschlossen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 1996, Zl. 95/18/0759). Diese Rechtsprechung ist allerdings auf den Fall der Beschwerdeführerin nicht anwendbar, und zwar schon deshalb nicht, weil sie sich nach den Beschwerdeausführungen zwar seit dem 1. Jänner 1991 in Österreich aufgehalten hat, Wiedereinreise-Sichtvermerke aber (nach Ausweis der Verwaltungsakten) nur für die Zeit vom 8. Oktober 1991 bis zum 30. März 1992 sowie vom 22. Mai 1992 bis zum 30. November 1992 erteilt waren. Die belangte Behörde hatte den Antrag der Beschwerdeführerin daher an § 6 Abs. 2 erster Satz AufG zu messen.

Da das in § 6 Abs. 2 erster Satz AufG normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen, nicht als bloße Formvorschrift, sondern als Erfolgsvoraussetzung zu werten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010), erfolgte die Abweisung des unter Mißachtung dieser Bestimmung gestellten Antrages zu Recht.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm Art. I der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995191053.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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