TE Lvwg Erkenntnis 2020/3/26 405-4/3226/1/2-2020

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Veröffentlicht am 26.03.2020
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Entscheidungsdatum

26.03.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

VStG §49
StVO §52 lita Z11a
ZustG §6

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg erkennt durch den Richter Dr. Martin Warter über die Beschwerde der AB AA, geboren ZZZ, AF-Straße, AE, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. AG CC, AH-Straße, AE, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Salzburg vom 4.2.2020, Zahl XXX/2019,

z u R e c h t:

I.   Der Beschwerde wird mit der Maßgabe Folge gegeben, dass das angefochtene Straferkenntnis als mit der Rechtskraft der Strafverfügung vom 8.7.2019 nicht vereinbar aufgehoben wird.

II.  Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Das Verwaltungsgericht nimmt den nachstehenden Sachverhalt als erwiesen an:

Mit Strafverfügung vom 8.7.2019 hat die Landespolizeidirektion Salzburg (belangte Behörde) über die Beschwerdeführerin wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 Geldstrafen (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. In der Rechtsmittelbelehrung der Strafverfügung ist angeführt, dass das Recht bestehe, gegen die Strafverfügung Einspruch zu erheben und der Einspruch innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Strafverfügung schriftlich oder mündlich bei der belangten Behörde einzubringen sei.

Die Strafverfügung vom 8.7.2019 wurde an die Beschwerdeführerin in der Folge zugestellt, und zwar jedenfalls vor dem 18.7.2019.

Mit Eingabe vom 18.7.2019 hat die Vertreterin der Beschwerdeführerin einerseits ihr Vertretungsverhältnis bekanntgegeben und andererseits die Übermittlung einer Aktenabschrift beantragt.

In ihrer Eingabe (mit der Angabe am Rubrum des Schriftsatzes „wegen: Strafverfügung“) führt die Vertreterin der Beschwerdeführerin aus wie folgt:

„I.

In umseits bezeichneter Verwaltungsstrafsache gibt die Einschreiterin bekannt, dass sie mit ihrer rechtsfreundlichen Vertretung Mag. AG CC, Rechtsanwältin in AE, AH-Straße betraut hat und wird um Kenntnisnahme ersucht.

II.

Es wird hiermit gestellt der

ANTRAG

eine komplette Aktenabschrift zu erstellen und diese innerhalb der offenen Einspruchsfrist an die rechtsfreundliche Vertretung per Email an AJ zu übermitteln.“

Am 3.10.2019 wurde die Strafverfügung vom 8.7.2019 an die Vertreterin der Beschwerdeführerin (erneut) zugestellt; mit Eingabe vom 17.10.2019 hat die Beschwerdeführervertreterin Einspruch gegen die Strafverfügung vom 8.7.2019 erhoben.

In der Folge hat die belangte Behörde das Straferkenntnis vom 4.2.2020 erlassen, wogegen die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 5.3.2020 Beschwerde erhoben hat.

Beweiswürdigend ist zu den Sachverhaltsfeststellungen auszuführen, dass sich diese auf den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsstrafakt gründen. Darin sind die entsprechenden Erledigungen der belangten Behörde und die Eingaben der Beschwerdeführerin bzw ihrer Vertreterin enthalten. Dass die Strafverfügung vom 8.7.2019 noch vor dem 18.7.2019 an die Beschwerdeführerin zugestellt worden ist, ergibt sich aus der Eingabe der Beschwerdeführerin bzw ihrer Vertreterin vom 18.7.2019. Darin ist am Rubrum des Schriftsatzes bei „wegen“ ausdrücklich „Strafverfügung“ angeführt, außerdem wird im Antrag auf Übermittlung einer Aktenabschrift ausdrücklich ausgeführt, dass die Aktenabschrift „innerhalb der offenen Einspruchsfrist“ übermittelt werden möge. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Strafverfügung vom 8.7.2019 jedenfalls vor der Eingabe vom 18.7.2019 an die Beschwerdeführerin zugestellt worden ist. Dass in der Folge die Strafverfügung an die Vertreterin der Beschwerdeführerin am 3.10.2019 erneut zugestellt worden ist, ergibt sich aus dem im Verwaltungsstrafakt befindlichen Rückschein. Ebenso ist der Umstand, dass die Beschwerdeführerin bzw ihre Vertreterin am 17.10.2019 Einspruch erhoben hat, dem Verwaltungsstrafakt zu entnehmen.

Rechtlich ist hiezu auszuführen wie folgt:

Gemäß § 49 Abs 1 erster Satz Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen.

Gemäß § 49 Abs 2 erster Satz VStG ist das ordentliche Verfahren einzuleiten, wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht wird.

Nach § 49 Abs 3 VStG ist, wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben wird, die Strafverfügung zu vollstrecken.

Vorliegend hat die Beschwerdeführerin in Reaktion auf die ihr zugestellte Strafverfügung vom 8.7.2019 mit Eingabe vom 18.7.2019 einerseits die rechtsfreundliche Vertretung bekanntgegeben und andererseits die Erstellung einer Aktenabschrift und Übermittlung derselben „innerhalb der offenen Einspruchsfrist“ beantragt. Mit der Eingabe vom 18.7.2019 führt die Beschwerdeführerin aber nicht aus, dass sie Einspruch gegen die Strafverfügung vom 8.7.2019 erheben würde. Weder nach dem Wortlaut noch in sinngemäßer Betrachtung der inhaltlichen Ausführungen ist bei objektiver Betrachtungsweise aus der Eingabe vom 18.7.2019 abzuleiten, dass damit ein Einspruch gegen die Strafverfügung vom 8.7.2019 erhoben werden soll.

Da die Strafverfügung vom 8.7.2019 an die Beschwerdeführerin jedenfalls spätestens am 18.7.2019 zugestellt worden ist, hat die Einspruchsfrist spätestens am 1.8.2019 geendet. Der nach den Feststellungen erst mit Eingabe vom 17.10.2019 erhobene Einspruch ist damit als verspätet eingebracht anzusehen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht für den Fall, dass eine Strafverfügung infolge Versäumung der Einspruchsfrist in Rechtskraft erwachsen ist, der Durchführung eines Ermittlungsverfahrens in derselben Verwaltungsstrafsache und der Erlassung eines Straferkenntnisses in dieser als Folge der Rechtskraft das Wiederholungsverbot entgegen, welches bis zur Rechtskraft des Straferkenntnisses in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen ist (vgl VwGH 91/19/0322). Erlässt die Behörde dessen ungeachtet in derselben Verwaltungsstrafsache erneut einen Bescheid, so ist dieser mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet (vgl VwGH 89/08/0200).

Da die Eingabe vom 18.7.2019 keinen Einspruch darstellt und der Einspruch vom 17.10.2019 infolge Ablauf der Einspruchsfrist spätestens am 1.8.2019 als verspätet zu betrachten ist, hätte die belangte Behörde das angefochtene Straferkenntnis nicht erlassen dürfen.

Zur weiteren Zustellung der Strafverfügung an die Vertreterin der Beschwerdeführerin am 3.10.2019 ist zu bemerken, dass gemäß § 6 Zustellgesetz nur die erste Zustellung maßgebend ist; einer neuerlichen Zustellung kommt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine rechtliche Bedeutung mehr zu (vgl etwa VwGH 2010/13/0118). Die neuerliche Zustellung der Strafverfügung am 3.10.2019 ändert somit nichts daran, dass die Strafverfügung bereits mit der ersten Zustellung als erlassen gilt und die Einspruchsfrist auslöst.

Da zusammengefasst die belangte Behörde mangels (rechtzeitigen) Einspruchs infolge Rechtskraft der Strafverfügung vom 8.7.2019 kein Ermittlungsverfahren durchführen und kein Straferkenntnis erlassen hätte dürfen, war das angefochtene Straferkenntnis zu beheben.

Mangels rechtzeitigen Einspruchs ist die Strafverfügung vom 8.7.2019 rechtskräftig und gemäß § 49 Abs 3 VStG zu vollstrecken.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs 2 VwGVG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass das mit Beschwerde angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist.

Zur Unzulässigkeit der Revision (§ 25a Abs 1 VwGG; Spruchpunkt II.):

Die (ordentliche) Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der im Erkenntnis zitierten und nicht als uneinheitlich zu betrachtenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtswirkung eines nicht rechtzeitig erhobenen Einspruches gegen eine Strafverfügung ab noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung.

Schlagworte

Verwaltungsstrafgesetz, Straßenverkehrsordnung, Zustellgesetz, Strafverfügung, Einspruchsfrist, weitere Zustellung, Rechtswirkungen, Rechtskraft,

Anmerkung

ao Rev erhoben 12.06.2020, VwGH vom 21.07.2020, Ra 2020/02/0131-4, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGSA:2020:405.4.3226.1.2.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Salzburg LVwg Salzburg, https://www.salzburg.gv.at/lvwg
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