TE Lvwg Beschluss 2020/9/23 LVwG-VG-9/002-2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.09.2020
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Entscheidungsdatum

23.09.2020

Norm

B-VG Art9 Abs1
B-VG Art14b
B-VG Art49
LVergabenachprüfungsG NÖ 2003 §1 Abs1
LVergabenachprüfungsG NÖ 2003 §4 Abs2
LVergabenachprüfungsG NÖ 2003 §4 Abs15
AVG 1991 §6

Text

Die A, ***, ***, Bulgarien, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, hat betreffend das Vergabeverfahren „Rahmenvereinbarung über die Durchführung von Elektroinstallationsarbeiten sowie der damit verbundenen Bau- und Demontagearbeiten im Versorgungsgebiet der C, ***“ mit einem am 7.8.2020 beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eingelangten Schriftsatz u.a. den Antrag (Antragsgegnerin: D GmbH, ***, ***, vertreten durch E Rechtsanwälte GmbH, ***, ***) gestellt, das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich möge die Zuschlagsentscheidung vom 28.7.2020 (betreffend die Lose 3, 4, 5, 7, 8, 10, 12, 13, 14, 19, 20 und 26) für nichtig erklären.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Vergabesenat 1) hat durch den Vorsitzenden Hofrat Mag. Dr. Becksteiner, Hofrat Mag. Dr. Schwarzmann als Berichterstatter, Hofrat Mag. Dr. Wessely, LL.M. als weiteren Berufsrichter sowie Univ. Prof. DI Peter Bauer und DI Josef Bichler als fachkundige Laienrichter über diesen Antrag folgenden

B E S C H L U S S

gefasst:

1.   Der Antrag der A auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 28.7.2020 wird wegen Unzuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich zurückgewiesen.

2.   Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 28, § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG

§ 1 Abs. 1, § 4 Abs. 2 und 15, § 13 Abs. 1 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz

Art. 9 Abs. 1, Art. 14b, Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG

§ 6 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG

§ 2 Z. 5, § 180 Abs. 2 Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018

§ 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

B e g r ü n d u n g :

Mit Schriftsatz vom 7.8.2020 hat die A (im Folgenden: „Antragstellerin“) unter anderem die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 28.7.2020 betreffend die Lose 3, 4, 5, 7, 8, 10, 12, 13, 14, 19, 20 und 26 im Vergabeverfahren „Rahmenvereinbarung über die Durchführung von Elektroinstallationsarbeiten sowie der damit verbundenen Bau- und Demontagearbeiten im Versorgungsgebiet der C“ beantragt und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Antragstellerin habe Angebote für die genannten 12 Lose gelegt, aber gemäß der am 28.07.2020 zugestellten Zuschlagsentscheidung für keines den Zuschlag erhalten. Das Interesse der Antragstellerin am Vertragsabschluss zeige sich durch die Beteiligung an der gegenständlichen Ausschreibung, durch Abgabe eines Angebotes und durch die Stellung des gegenständlichen Nachprüfungsantrages. Ihr drohe durch die rechtswidrige Zuschlagsentscheidung ein entgangener Gewinn in Höhe von 20% des Nettoauftragswerts, welcher mit EUR ***. beziffert werde. Zudem habe sie einen erheblichen Aufwand bei der Verfahrensbeteiligung gehabt und drohe der Verlust eines wichtigen Referenzprojektes. - Sie erachte sich durch die Zuschlagsentscheidung generell im Recht auf Durchführung eines vergaberechtskonformen Vergabeverfahrens sowie insbesondere aufgrund einer mangelhaften Preisprüfung und vertieften Angebotsprüfung und aufgrund des Vorliegens eines Ausscheidenstatbestands bezüglich eines in Aussicht genommenen Bestbieters (Verbot der Weitergabe des gesamten Auftrags) verletzt. - Auftraggeberin sei die C, ***, ***, Bulgarien. Diese sei eine (mittelbare) 100%ige Tochtergesellschaft der F AG. Als mehrheitlich im Eigentum des Landes Niederösterreich stehendes Unternehmen seien die F AG und ihre Tochtergesellschaften in der Beschaffung dem NÖ Vergabenachprüfungsgesetz unterworfen. Dementsprechend sei in der Ausschreibungsunterlage auch ausdrücklich auf die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich verwiesen worden. - Die Auftraggeberin habe gegen ihre Pflicht verstoßen, die Aufträge für die gegenständlichen Lose zu angemessenen Preisen zu vergeben und (vorgelagert) die Angemessenheit der Preise der Bestbieter in Bezug auf die ausgeschriebene Leistung zu prüfen. Jene Angebote, die den Zuschlag für die gegenständlichen Lose erhalten sollten, könnten nicht als adäquat zur der Ausschreibung zugrundeliegenden Leistung angesehen werden. Unter Berücksichtigung von vergleichbaren Erfahrungswerten, von sonst vorliegenden Unterlagen und von den relevanten Marktverhältnissen hätte die Auftraggeberin erkennen müssen, dass es sich um Unterpreise handle, weil nicht kostendeckend kalkuliert worden sei. Darüber hinaus hätten sich sämtliche der in Aussicht genommenen Bestbieter der gegenständlichen Lose untereinander hinsichtlich der angebotenen Gesamtsummen abgestimmt. Anders sei es nicht zu erklären, dass (bis auf 2 Lose) die Angebotssummen sämtlicher Lose (völlig losgelöst von deren Größe und willkürlich) zwischen EUR ***. und EUR ***. lägen. Dies hätte dem Auftraggeber auffallen müssen und wäre die Kalkulationsstruktur zu hinterfragen gewesen. Die in Aussicht genommenen Bestbieter der gegenständlichen Lose hätten in den letzten Jahren bereits mehrfach aufgrund einer Übermittlung von Unterpreisen den Zuschlag erhalten, jedoch in weiterer Folge nachträglich aufgrund angeblicher besonderer Umstände Nachforderungen gestellt. Es sei evident, dass diese auch im vorliegenden Fall gezielt zu Unterpreisen angeboten hätten. - Der angebliche Bestbieter für das Los 13 habe nachweislich unmittelbar nach der Zuschlagserteilung mehrere Subunternehmer kontaktiert, um den gesamten Auftrag an diese weiterzugeben, weil er nicht die Kapazitäten habe, um den Auftrag tatsächlich auszuführen. Die Weitergabe des gesamten Auftrags an einen oder mehrere Subunternehmer sei aber unzulässig, und eine entgegen diesem Verbot beabsichtigte Weitergabe begründe einen Ausscheidenstatbestand.

Die D GmbH, die sich in ihren Eingaben selbst als „Antragsgegnerin“ bezeichnet, hat den Vergabeakt vorgelegt und mit Schriftsatz vom 21.8.2020 u.a. Folgendes vorgebracht: Es handle sich um ein offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Sektoren-Oberschwellenbereich. Zur Ausschreibung gelangten 36 Rahmenvereinbarungen über die Durchführung von Elektroinstallationsarbeiten sowie der damit verbundenen Bau- und Demontagearbeiten in regional abgegrenzten ländlichen als auch städtisch strukturierten Gebieten. Die Vergabe der Leistungen erfolge gebietsweise in 36 Losen. Alle Lose beträfen Leistungen, die im Versorgungsgebiet der C in Bulgarien zu erbringen seien. Je Los solle mit einem Unternehmer eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden. Jeder Bieter habe maximal für zwölf Lose ein Angebot legen dürfen. Die Frist für die Abgabe der Angebote habe am 29.06.2020 um 12.00 Uhr geendet, danach habe die Angebotsöffnung stattgefunden. Die Angebotsprüfung habe am 6.7.2020 begonnen. Eine vertiefte Preisprüfung sei lediglich in den Losen 4 und 20 erforderlich gewesen, weil beim Angebotspreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin eine Differenz von mehr als 20% zum zweitgünstigsten Angebotspreis festgestellt worden sei. Die Bewertung der Angebote sei nach dem Bestbieterprinzip erfolgt. Nach dem Ergebnis der Bestbieterermittlung sei die Antragstellerin nur in zwei Losen (Los 3 und Los 4) auf dem zweiten Platz zu reihen gewesen, in allen übrigen – weit abgeschlagen – auf den letzten Plätzen. Mit Schreiben vom 28.07.2020 sei der Antragstellerin die Mitteilung, mit wem die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden solle, für die Lose 3, 4, 5, 7, 8, 10, 12, 13, 14, 19, 20 und 26 bekanntgegeben worden. Weil es der Antragstellerin in den Losen 5, 7, 8, 10, 12, 13, 14, 19, 20 und 26 an der Legitimation zur Erhebung eines Nachprüfungsantrages mangle, sei dieser zurückzuweisen; ihr könne in keinem Fall ein Schaden drohen, da sie in diesen Losen keine echte Chance auf den Abschluss einer Rahmenvereinbarung gehabt hätte. Das Antragsvorbringen zu den angeblichen Rechtswidrigkeiten sei unsubstantiiert und unrichtig. Die Kalkulationen der präsumtiven Bestbieter zu Los 4 und Los 20 hätten sich im Rahmen der vertieften Preisprüfung als plausibel und nachvollziehbar herausgestellt. Dass sich die Gesamtpreise der Angebote der präsumtiven Zuschlagsempfänger ähnlich seien, sei aufgrund der annähernd gleichverteilten Investitionsplanung leicht erklärbar und kein Indiz für eine wettbewerbswidrige Absprache. Die technische Leistungsfähigkeit der präsumtiven Zuschlagsempfängerin in Los 13 sei vollumfänglich geprüft worden, und sie besitze demnach die erforderliche Eignung. Daraus sei zu schließen, dass sie über die erforderlichen Ressourcen verfüge, um die Leistungen ohne Hinzuziehen eines Subunternehmers erbringen zu können. Von angeblichen Kontaktaufnahmen zu Subunternehmen sei nichts bekannt.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat mit Schreiben vom 1.9.2020 den Parteien die Absicht mitgeteilt, den Nachprüfungsantrag wegen Unzuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich zurückzuweisen, da die Angelegenheit nicht in den Vollziehungsbereich (Art. 14b Abs. 2 Z. 2 B-VG) des Landes Niederösterreich falle. Von der gleichzeitig eingeräumten Möglichkeit, sich dazu zu äußern, haben beide Gebrauch gemacht.

Die D GmbH hat im Wesentlichen Folgendes vorgebracht: Sowohl öffentliche Auftraggeber als auch Sektorenauftraggeber könnten als zentrale Beschaffungsstelle im Sinne des § 2 Z. 47 BVergG 2018 fungieren. Zentrale Beschaffungstätigkeiten könnten in zweifacher Weise entfaltet werden: einerseits die Beschaffung von bestimmten Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung mit dem Ziel des anschließenden Weiterverkaufs an andere Auftraggeber (Großhändlermodell) und andererseits die Vergabe von Aufträgen in fremdem Namen und auf fremde Rechnung bzw. den Abschluss von Rahmenvereinbarungen im Namen anderer Auftraggeber (Vollmachts- oder Vermittlermodell). Die D sei eine zur FN *** ins Firmenbuch des Landesgerichts *** eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung und stehe zu 100 % im Eigentum der G-Gesellschaft mbH (einer zur FN *** ins Firmenbuch des Landesgerichts *** eingetragenen Gesellschaft mit beschränkter Haftung), die wiederum zu 100 % im Eigentum der F AG stehe. Die F AG sei eine zur FN *** ins Firmenbuch des Landesgerichts *** eingetragene Aktiengesellschaft. 51 % des Kapitals der F AG würden mittelbar vom Land Niederösterreich gehalten. Das Land Niederösterreich halte nämlich 100 % an der H GmbH, die wiederum 100 % an der I GmbH halte. Die I GmbH halte die vorerwähnten 51 % an der F AG. 28,4 % des Kapitals würden von der J GmbH gehalten, die übrigen Anteile befinden sich im Streubesitz. - Unternehmensgegenstand der D GmbH sei das Erbringen von Dienstleistungen für den Konzern, darüber hinaus sei diese aber auch eine zentrale Beschaffungsstelle im Sinne des § 2 Z. 47 BVergG 2018. Sie beschaffe für die gesellschaftsrechtlichen Tochtergesellschaften der F AG sowohl im Großhändler- als auch im Vollmachtsmodell die von diesen Auftraggebern benötigten Leistungen. Die D GmbH sei mithin Sektorenauftraggeber. Bei der D GmbH handle es sich um ein öffentliches Unternehmen, das zentrale Beschaffungstätigkeiten für andere Sektorenauftraggeber zum Zwecke der Ausübung ihrer Sektorentätigkeit vornehme. Die Ausübung einer zentralen Beschaffungstätigkeit für Sektorenauftraggeber sei als Sektorentätigkeit zu qualifizieren. lm gegenständlichen Vergabeverfahren sei die D GmbH für die ***-Tochtergesellschaft C als zentrale Beschaffungsstelle aufgetreten. Im Vollmachtsmodell sollten Bauleistungen beschafft werden. Fungiere ein Sektorenauftraggeber als zentrale Beschaffungsstelle für andere Sektorenauftraggeber, so habe dieser bei der Ausübung der zentralen Beschaffungstätigkeit zwingend die Bestimmungen des BVergG 2018 anzuwenden, obwohl „Einkaufstätigkeiten“ an sich keine Sektorentätigkeiten seien. Sowohl dem Unionsrechtsgesetzgeber als auch dem nationalen Gesetzgeber sei das kollisionsrechtliche Problem von grenzüberschreitenden Auftragsvergaben bewusst gewesen, wie sich aus den Erläuternden Bemerkungen zum BVergG 2018 ergebe. Im Erwägungsgrund 82 zur Sektoren-RL 2014/25/EU heiße es außerdem, dass die Bedingungen für die grenzüberschreitende Nutzung zentraler Beschaffungsstellen festgelegt und das in grenzüberschreitenden gemeinsamen Beschaffungsverfahren anwendbare Recht für die öffentliche Auftragsvergabe einschließlich der anwendbaren Rechtsvorschriften für Rechtsmittel bestimmt werden sollten, ergänzend zu den Kollisionsnormen der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates. Ziel des Gesetzgebers sei es also gewesen, für grenzüberschreitende Beschaffungen ein einheitliches Regelungsregime vorzusehen, das sowohl das Vergabeverfahren als auch das Rechtsschutzverfahren umfasse. Es sei offensichtlich, dass der Unionsrechtsgesetzgeber das materielle (nationale) Vergaberecht als Anknüpfungspunkt für die Anwendung des Verfahrensrechts verstanden habe wissen wollen; es entspreche dem Willen des Unionsrechtsgesetzgebers, dass das formelle Recht dem materiellen Recht folge. Sei also von einer zentralen Beschaffungsstelle materiell österreichisches Vergaberecht anzuwenden, so sei das Rechtsschutzverfahren vor den österreichischen Vergabekontrollbehörden nach österreichischem „Prozessrecht“ zu führen. Diese Rechtsansicht entspreche auch der Kompetenzverteilung des Art. 14b Abs. 2 Z. 2 B-VG und dem persönlichen Geltungsbereich des NÖ VNG. Die D GmbH mit Sitz in Niederösterreich sei - als zentrale Beschaffungsstelle - ein Auftraggeber im Sinne des Art. 14b Abs. 2 Z. 2 B-VG, der zumindest mittelbar vom Land Niederösterreich beherrscht werde. Von ihr sei auch die Mitteilung über den beabsichtigten Abschluss der Rahmenvereinbarung übermittelt worden. Der maßgebliche Anknüpfungspunkt für die Frage, ob ein österreichisches Verwaltungsgericht für die Entscheidung über einen Nachprüfungsantrag zuständig sei, sei der Sitz der zentralen Beschaffungsstelle. Als Vergabekontrollbehörde sei das gemäß den nationalen Bestimmungen vorgesehene Verwaltungsgericht zuständig, weil nur so ein einheitliches Regelungsregime ermöglicht werde. Werde die Durchführung des Vergabeverfahrens einerseits und die Zuständigkeit für den Rechtsschutz andererseits verschiedenen Rechtsordnungen unterworfen, würde dadurch die Ermöglichung eines einheitlichen Regelungsregimes in einem gemeinsamen Binnenmarkt vereitelt werden. Öffentlich-rechtliche Zuständigkeiten seien nicht prorogabel. Werde eine zentrale Beschaffungsstelle mit Sitz in Österreich tätig, müsse auch eine österreichische Behörde Rechtsschutz gewähren. Jede andere Rechtsansicht würde schwerwiegenden verfassungs- und unionsrechtlichen Bedenken begegnen und wäre widersinnig. Würde also das formelle Recht nicht dem materiellen Recht folgen, wäre für Vergaben einer zentralen Beschaffungsstelle für Auftraggeber mit Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten kein einheitliches Rechtsschutzregime gewährleistet. Wenn z.B. eine zentrale Beschaffungsstelle mit Sitz in Österreich ein Vergabeverfahren betreffend Bauleistungen im Wert von fünf Millionen Euro für einen Auftraggeber mit Sitz in Deutschland durchführte, dürfte das Beschaffungsvorhaben im Unterschwellenbereich des BVergG 2018 ausgeschrieben werden. Wenn aber Vergabekontrollbehörden des Sitzstaates des Auftraggebers zuständig wären, würden die Bieter in einem solchen Vergabeverfahren überhaupt keinen Rechtsschutz genießen, da in Deutschland im Unterschwellenbereich Beschaffungsvorhaben nicht ausschreibungspflichtig seien und die dortigen Vergabekontrollbehörden keine Kognitionsbefugnis über einen Nachprüfungsantrag hätten. Aus alldem folge, dass die einzige verfassungs- und unionsrechtlich vertretbare Rechtansicht jene sei, dass eine österreichische Vergabekontrollbehörde für ein Nachprüfungsverfahren über ein Vergabeverfahren einer zentralen Beschaffungsstelle mit Sitz in Österreich und einem Sektorenauftraggeber mit Sitz in Bulgarien zuständig sei. Nur dieses Ergebnis entspreche den Erwägungsgründen der Vergaberichtlinien und den Materialien zum BVergG 2018, nur dieses Ergebnis sei verfassungs- und unionsrechtskonform, nur dieses Ergebnis treffe den Normzweck. - Die Mitteilung über den beabsichtigten Abschluss der Rahmenvereinbarung sei am 28.07.2020 per Mail an die Antragstellerin übermittelt worden. In der Signatur des Mails sei der Name des Prokuristen der D GmbH, K, der in der Ausschreibungsunterlage als Ansprechperson bekanntgegeben worden sei, angeführt. Zusätzlich scheine die Unternehmensbezeichnung der F AG in der Signatur auf. Das Vergabeverfahren sei samt Publikationsnummer bekanntgegeben, somit sei klar, um welches Vergabeverfahren es sich handle und wer in diesem als Auftraggeber und zentrale Beschaffungsstelle auftrete, da die Eckdaten in den Ausschreibungsunterlagen bekanntgegeben seien. Kein Bieter habe dahingehend Zweifel geäußert. Alle Mitteilungen des Vergabeverfahrens sowie die Bieterkorrespondenz seien durch K erfolgt. Es sei mithin allen klar gewesen, dass es sich um eine Mitteilung der D GmbH gehandelt habe. Dass die F AG aufscheine, erkläre sich daraus, dass die Beschaffungsvorhaben der einzelnen Tochtergesellschaften des ***-Konzerns alle über ein und dasselbe Beschaffungsportal der F AG abgewickelt würden. Es sei ein redaktionelles Versehen gewesen, dass das Begleitmail mit der Signatur der F AG (anstatt mit der Signatur der D GmbH) versendet worden sei, und habe keinen Einfluss auf die Gültigkeit der Mitteilung über den beabsichtigten Abschluss der Rahmenvereinbarung. Keine der gesetzlich bzw. von der Judikatur geforderten Mindestanforderungen für die gegenständliche Mitteilung fehle.

Die Antragstellerin hat sich im Wesentlichen wie folgt geäußert: C sei eine nach bulgarischem Recht errichtete und bestehende Aktiengesellschaft, eingetragen im bulgarischen Handelsregister unter ***. Das Grundkapital der C werde zu 100 % durch L GmbH, einer österreichischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit dem Sitz in *** und der Geschäftsanschrift ***, ***, eingetragen im Firmenbuch unter FN ***, gehalten. Alleingesellschafterin der L GmbH sei die F AG (FN ***), an deren Stammkapital das Land Niederösterreich mittelbar über die 100%igen Tochtergesellschaften H GmbH (FN ***) und die I GmbH (FN ***) zu 51% beteiligt sei. Daraus ergebe sich eine mittelbare Beteiligung des Landes Niederösterreich an der C von 51 % sowie die Rechnungshofzuständigkeit hinsichtlich C gemäß Art. 127 Abs. 3 B-VG. Der Rechnungshof führe C ausdrücklich in seiner jährlich veröffentlichten Liste der prüfungspflichtigen Rechtsträger an. Aus diesem Grund fielen Nachprüfungsanträge gegen Zuschlagentscheidungen im Namen der C als Auftraggeber in die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich. Auch in Fällen, in denen ein österreichischer öffentlicher Auftraggeber im Ausland zur Anwendung des Bundesvergabegesetzes verpflichtet sei, sei davon auszugehen, dass einem im Ausland ansässigen Bieter Rechtsschutz vor dem österreichischen Verwaltungsgericht gewährt werde. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die Zuständigkeit der bulgarischen Wettbewerbsbehörde zur Überprüfung der Vergabe öffentlicher Aufträge in Bulgarien im bulgarischen Gesetz über die Öffentlichen Aufträge geregelt sei und gemäß Art. 196 dieses Gesetzes offenbar an seine Anwendbarkeit anknüpfe. Vor diesem Hintergrund habe sich die bulgarische Wettbewerbsbehörde bereits informell auf Anfrage der Antragstellerin als unzuständig zur Überprüfung der angefochtenen Zuschlagsentscheidung erklärt.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch seinen Vergabesenat 1 dazu wie folgt erwogen:

Aufgrund der Aktenlage, nämlich des Vorbringens der Antragstellerin und der Antragsgegnerin in ihren Schriftsätzen und der vorgelegten Ausschreibungsunterlagen, und einer Einsicht ins Firmenbuch steht folgender Sachverhalt fest:

Die C, eine Aktiengesellschaft nach bulgarischem Recht, eingetragen im bulgarischen Handelsregister unter ***, mit dem Sitz in ***, Bulgarien, ist öffentlicher (Sektoren-)Auftraggeber im Vergabeverfahren „Rahmenvereinbarung über die Durchführung von Elektroinstallationsarbeiten sowie der damit verbundenen Bau- und Demontagearbeiten im Versorgungsgebiet der C“. Es handelt sich um ein offenes Verfahren betreffend einen Bauauftrag im Oberschwellenbereich. Zur Ausschreibung gelangen Rahmenvereinbarungen (36 unabhängige Lose) über die Durchführung von Elektroinstallationsarbeiten sowie der damit verbundenen Bau- und Demontagearbeiten in regional abgegrenzten ländlichen als auch städtisch strukturierten Gebieten. Die Losaufteilung erfolgt gebietsweise. Alle Lose liegen im Versorgungsgebiet der C in Bulgarien.

Laut Ausschreibungsunterlage bestehen die Leistungen, die der C erbracht werden sollen, aus Errichtung, Instandhaltung und Instandsetzung von Freileitungen für Niederspannung und Mittelspannung, Herstellung von Künetten mit zugehörigen Gruben, Verlegung von Energiekabelleitungen inklusive zugehörigen Materialien, Grab- und Wiederherstellungsarbeiten für die Einbindung der Leitungen in Gebäuden, Kästen bzw. Schaltschränken samt Leitungs- und Kabelsicherung an den Endpunkten, Herstellung von Mauerschlitzen und Nischen sowie Versetzen von Fertigteilfundamenten für Schränke und Kästen, Aufbrüche und Wiederherstellungen von befestigten Oberflächen sowie Herstellung der Tragschichten; allesamt in Bulgarien. Als wesentlicher Teil der Leistungserbringung bezeichnet ist der Störfall- und Gebrechens-Dienst mit der damit verbundenen Rufbereitschaft, die während des gesamten Jahres rund um die Uhr sicherzustellen sei. Auf Grund der Wichtigkeit der Versorgungsmedien und auftretender potentieller Gefahren bei Gebrechen sei eine umgehende Behebung als Erstmaßnahme unumgänglich.

In der Ausschreibungsunterlage sind unter

„1. Daten des Vergabeverfahrens“

als „Auftraggeber (AG)“ die C mit Sitz in ***, Bulgarien, als „zentrale Beschaffungsstelle des AG“ die D GmbH mit Sitz in *** und als „Zuständige Stelle für Rechtsbehelfs-/Nachprüfungsverfahren“ das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und die NÖ Schlichtungsstelle für öffentliche Aufträge beim Amt der NÖ Landesregierung bezeichnet.

Unter „3. Allgemeine Bestimmungen“ ist unter u.a. Folgendes wörtlich festgelegt: „a. Ansprechpartner

Auftraggeber ist der unter Punkt 1 genannte Auftraggeber. Für die Abwicklung und Durchführung der gegenständlichen Ausschreibung ist die zentrale Beschaffungsstelle laut Punkt 1 zuständig. (…)“,

unter „d. Vertrags- und Korrespondenzsprache“ heißt es wörtlich:

„Alle Dokumente sind in deutscher und bulgarischer Sprache verfügbar, wobei bei Widersprüchen die Unterlagen in deutscher Sprache vorgehen. Alle das Vertragsverhältnis betreffenden Schriftstücke sind in Deutsch oder Bulgarisch vorzulegen. Auftragsabwicklung erfolgt in bulgarischer Sprache.“,

und unter „h. Einhaltung des bulgarischen Arbeits- und Sozialrechts“ heißt es:

„Bei der Erstellung des Angebots ist zu berücksichtigen, dass für in Bulgarien zu erbringende Leistungen die in Bulgarien geltende Arbeits- und Versicherungsgesetzgebung, Gesetzgebung zur Gewährleistung von sicheren und gesunden Arbeitsbedingungen und öffentlicher Ordnung und die Gesetze in Bezug auf Umweltschutz, Abfallmanagement und Management von gefährlichen Chemikalien und Gemischen einzuhalten sind. Es wird besonders darauf hingewiesen, dass die bulgarische Arbeitsgesetzgebung, insbesondere das Arbeitsgesetzbuch, das Gesetz zur Beilegung von kollektiven Arbeitsstreitigkeiten und Rechtsvorschriften zu deren Anwendung sowie die unterzeichneten kollektiven Arbeitsverträge zwischen einem konkreten Auftragnehmer in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber und dessen Mitarbeitern und Arbeitern einzuhalten sind. Die bulgarische Sozialversicherung, geregelt in den Vorschriften des Sozialversicherungskodices, geltende Gesetze (einschl. des Krankenversicherungsgesetzes) und Rechtsvorschriften zu deren Anwendung sind zu berücksichtigen.“

Unter „5. Gerichtsstand/anwendbares Recht“ ist wörtlich festgelegt:

„Für das Vergabeverfahren und alle daraus erwachsenden Ansprüche gilt österreichisches Recht unter Ausschluss aller kollisionsrechtlichen Normen. Für die Vertragsabwicklung gilt bulgarisches Recht. Ausschließlicher Gerichtsstand für Ansprüche aus der Vertragsabwicklung ist das sachlich zuständige bulgarische Gericht.“

In den – ebenfalls einen Teil der Ausschreibungsunterlagen darstellenden – „Vertragsbedingungen“ ist unter „1. Parteien und Vertragsgegenstand“ als „Auftraggeber“ die C in ***, ***, angeführt, und unter „Vertragsgegenstand“ heißt es wörtlich (Fehler im Original): „Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer und er stimmt zu, die folgenden Tätigkeiten durchzuführen: Ausführung von Elektromontagearbeiten, sowie damit verbunden Bauarebeiten - und Demontagearbeiten auf dem lizenzierten Gebiet der C in einzelnen Losen, in Vereinbarung mit den Bestimmungen dieses Vertrages.“ – Der Vertrag über die zu erbringenden Leistungen soll also mit der C abgeschlossen werden.

Unter „24. Anwendbares Recht“ heißt es (Fehler im Original): „Für die Streitbeilegung von Streitigkeiten zwischen Vertragsparteien ist das zuständige bulgarische Gericht gemäß den in der bulgarischen Zivilprozessordnung festgelegten Zuständigkeitsregeln. Alle rechtlichen Angelegenheiten und Konsequenzen in Bezug auf die Auslegung, Handlung (einschließlich - Abschluss, Änderung, Kündigung), Erfüllung und Nichterfüllung des Vertrags gilt das anwendbares materielles bulgarisches Recht. Falls es eine Auslegung des Vertragsinhalts notwendig ist, geltend ist die Bulgarische Sprache.“

Die D GmbH ist eine zu FN ***im Firmenbuch eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung und steht zu 100 % im Eigentum der G-Gesellschaft mbH (FN ***), die wiederum zu 100 % im Eigentum der F AG steht. Die F AG ist eine zu FN *** im Firmenbuch eingetragene Aktiengesellschaft. 51 % von deren Kapital werden von der I GmbH (FN ***) gehalten, die ihrerseits zu 100% von der H GmbH (FN ***) und diese wiederum zu 100% vom Land Niederösterreich gehalten wird. - Das Grundkapital der C wird zu 100% durch L GmbH, eingetragen im Firmenbuch zu FN ***, mit dem Sitz in *** gehalten. Alleingesellschafterin der L GmbH ist wiederum die F AG.

In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

Art. 9 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG lautet wie folgt:

„Die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechtes gelten als Bestandteile des Bundesrechtes.“

Art. 14b Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG lautet wie folgt:

„(1) Bundessache ist die Gesetzgebung in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit diese nicht unter Abs. 3 fallen.

(2) Die Vollziehung in den Angelegenheiten des Abs. 1 ist

1. Bundessache hinsichtlich

a) der Vergabe von Aufträgen durch den Bund;

b) der Vergabe von Aufträgen durch Stiftungen, Fonds und Anstalten im Sinne des Art. 126b Abs. 1;

c) der Vergabe von Aufträgen durch Unternehmungen im Sinne des Art. 126b Abs. 2, wenn die finanzielle Beteiligung oder der durch andere finanzielle oder sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Maßnahmen vermittelte Einfluss des Bundes mindestens gleich groß ist wie die finanzielle Beteiligung oder der Einfluss der Länder;

d) der Vergabe von Aufträgen durch bundesgesetzlich eingerichtete Selbstverwaltungskörperschaften;

e) der Vergabe von Aufträgen durch in lit. a bis d und Z 2 lit. a bis d nicht genannte Rechtsträger,

aa) die vom Bund finanziert werden, wenn der Finanzierungsanteil des Bundes mindestens gleich groß ist wie der der Länder;

bb) die hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht des Bundes unterliegen, soweit die Vergabe nicht unter sublit. aa oder Z 2 lit. e sublit. aa fällt;

cc) deren Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgane aus Mitgliedern bestehen, die vom Bund ernannt worden sind, wenn der Bund mindestens gleich viele Mitglieder ernannt hat wie die Länder, soweit die Vergabe nicht unter sublit. aa oder bb oder Z 2 lit. e sublit. aa oder bb fällt;

f) der gemeinsamen Vergabe von Aufträgen durch den Bund und die Länder, wenn der Anteil des Bundes am geschätzten Gesamtauftragswert mindestens gleich groß ist wie die Summe der Anteile der Länder;

g) der Vergabe von Aufträgen durch in lit. a bis f und Z 2 nicht genannte Rechtsträger;

2. Landessache hinsichtlich

a) der Vergabe von Aufträgen durch das Land, die Gemeinden und die Gemeindeverbände;

b) der Vergabe von Aufträgen durch Stiftungen, Fonds und Anstalten im Sinne des Art. 127 Abs. 1 und des Art. 127a Abs. 1 und 8;

c) der Vergabe von Aufträgen durch Unternehmungen im Sinne des Art. 126b Abs. 2, soweit sie nicht unter Z 1 lit. c fällt, sowie der Vergabe von Aufträgen durch Unternehmungen im Sinne des Art. 127 Abs. 3 und des Art. 127a Abs. 3 und 8;

d) der Vergabe von Aufträgen durch landesgesetzlich eingerichtete Selbstverwaltungskörperschaften;

e) der Vergabe von Aufträgen durch in Z 1 lit. a bis d und lit. a bis d nicht genannte Rechtsträger,

aa) die vom Land allein oder gemeinsam mit dem Bund oder anderen Ländern finanziert werden, soweit die Vergabe nicht unter Z 1 lit. e sublit. aa fällt;

bb) die hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht des Landes unterliegen, soweit die Vergabe nicht unter Z 1 lit. e sublit. aa oder bb oder sublit. aa fällt;

cc) deren Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgane aus Mitgliedern bestehen, die vom Land ernannt worden sind, soweit die Vergabe nicht unter Z 1 lit. e sublit. aa bis cc oder sublit. aa oder bb fällt;

f) der gemeinsamen Vergabe von Aufträgen durch den Bund und die Länder, soweit diese nicht unter Z 1 lit. f fällt, sowie der gemeinsamen Vergabe von Aufträgen durch mehrere Länder.

Gemeinden gelten unabhängig von der Zahl ihrer Einwohner als Rechtsträger, die im Sinne der Z 1 lit. b und c und der Z 2 lit. b und c der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegen. Im Rahmen der Z 1 lit. b, c, e und f werden Auftraggeber im Sinne der Z 1 dem Bund und Auftraggeber im Sinne der Z 2 dem jeweiligen Land zugerechnet. Sind nach Z 2 lit. c, e oder f mehrere Länder beteiligt, so richtet sich die Zuständigkeit zur Vollziehung nach dem Überwiegen des Merkmals, das nach der entsprechenden Litera (Sublitera) der Z 1 für die Abgrenzung der Vollziehungszuständigkeit des Bundes von jener der Länder maßgebend ist oder wäre, dann nach dem Sitz des Auftraggebers, dann nach dem Schwerpunkt der Unternehmenstätigkeit des Auftraggebers, dann nach dem Sitz (Hauptwohnsitz) der vergebenden Stelle, kann jedoch auch danach die Zuständigkeit nicht bestimmt werden, so ist dasjenige beteiligte Land zuständig, das im Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens zum Vorsitz im Bundesrat berufen ist oder zuletzt war.

(3) Landessache ist die Gesetzgebung und die Vollziehung in den Angelegenheiten der Nachprüfung im Rahmen der Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Sinne des Abs. 2 Z 2.

(4) Der Bund hat den Ländern Gelegenheit zu geben, an der Vorbereitung von Gesetzesvorhaben in Angelegenheiten des Abs. 1 mitzuwirken. Nach Abs. 1 ergehende Bundesgesetze, die Angelegenheiten regeln, die in Vollziehung Landessache sind, dürfen nur mit Zustimmung der Länder kundgemacht werden.

(5) Die Durchführungsverordnungen zu den nach Abs. 1 ergehenden Bundesgesetzen sind, soweit in diesen Gesetzen nicht anderes bestimmt ist, vom Bund zu erlassen. Abs. 4 und Art. 42a sind auf solche Verordnungen sinngemäß anzuwenden.“

Gemäß § 1 Abs. 1 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz regelt dieses Gesetz den Rechtsschutz in Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 2 B-VG in den Vollziehungsbereich des Landes fallen.

Gemäß § 4 Abs. 2 Z. 2 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz ist das Landesverwaltungsgericht bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf des Vergabeverfahrens zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen Vorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens (Art. 14b Abs. 1 und 5 B-VG) oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte zuständig.

Gemäß § 4 Abs. 15 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz sind, soweit in diesem Gesetz und im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, nichts anderes bestimmt ist, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. I Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2018, mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht nach diesem Gesetz sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 13 Abs. 1 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz sind Anträge, deren Inhalt bereits erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung oder der behauptete Schaden offensichtlich nicht vorliegt oder die behauptete Rechtswidrigkeit offensichtlich keinen Einfluss auf das weitere Vergabeverfahren hatte oder hat, ohne weiteres Verfahren abzuweisen, soferne der Antrag nicht als unzulässig zurückzuweisen ist.

Gemäß § 6 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.

Gemäß § 6 Abs. 2 AVG kann die Zuständigkeit der Behörde durch Vereinbarung der Parteien weder begründet noch geändert werden.

Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Wie sich aus § 4 Abs. 15 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz i.V.m. § 6 AVG ergibt, hat das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich auch in Vergabe-Nachprüfungsverfahren seine sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen und kann seine Zuständigkeit durch Parteienvereinbarung weder begründet noch geändert noch abbedungen werden. Auch eine Selbstbindung eines dem NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz sachlich nicht unterliegenden Auftraggebers kann eine Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts nicht begründen, und selbst eine in der Ausschreibung festgelegte Zuständigkeit einer Vergabekontrollbehörde kann für sich genommen keine Zuständigkeit begründen, weil sich diese einer gestaltenden Festlegung durch Auftraggeber entzieht und eine solche Festlegung auch nicht bestandfest werden kann; die Bezeichnung der zuständigen Nachprüfungsinstanz in der Bekanntmachung oder in der Ausschreibungsunterlage ist nach der Rechtsprechung (vgl. die Verweise in Walther in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht4, Rz 1900) einer Präklusion nicht zugänglich, weil es sich dabei nicht um eine Festlegung handelt, die die Auftragsdurchführung betrifft und sohin den Auftraggeber oder Bewerber bzw. Bieter bindet, sondern um eine solche, die von der entscheidenden Vergabekontrollbehörde von Amts wegen zu beurteilen ist. Eine Vergabekontrollbehörde wird also auch nicht dadurch zuständig, dass sie (unrichtig) als zuständige Behörde in der Ausschreibung angegeben ist. Aus der Bezeichnung des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich als „zuständige Stelle für Rechtsbehelfs-/Nachprüfungsverfahren“ in der Ausschreibungsunterlage lässt sich daher für die hier zu beantwortende Frage, wer für die Behandlung des gegenständlichen Nachprüfungsantrags zuständig ist, nichts gewinnen.

Die sachliche Zuständigkeit das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ergibt sich aus § 1 Abs. 1 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz, demnach umfasst sie Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 2 B-VG in den Vollziehungsbereich des Landes fallen. Hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit in Vergabe-Nachprüfungsverfahren mangelt es an einer ausdrücklichen Bestimmung im NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz, und die (die örtliche Zuständigkeit in Verwaltungsverfahren regelnden) §§ 1 bis 5 AVG sind (siehe § 4 Abs. 15 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz) hier nicht anzuwenden.

Die verwaltungsgerichtliche Zuständigkeit in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens hängt vor dem Hintergrund der Kompetenzverteilung in
Art. 14b B-VG davon ab, wer öffentlicher Auftraggeber ist, und nicht davon, wer vergebende Stelle oder zentrale Beschaffungsstelle ist oder wer für den Auftraggeber auf dessen Namen und Rechnung das Vergabeverfahren organisatorisch abwickelt (vgl. Denk in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Bundesvergabegesetz 2006, Rz 53 zu Art. 14b). Gemäß § 2 Z. 5 BVergG 2018 ist „Auftraggeber“, wer vertraglich an einen Auftragnehmer einen Auftrag zur Erbringung von Leistungen gegen Entgelt erteilt oder zu erteilen beabsichtigt, d.h. derjenige, der zivilrechtlicher Vertragspartner des Auftragnehmers werden soll (vgl. VwGH 24.2.2006, 2006/04/0002, und VwGH 26.9.2017, Ra 2017/04/0049), was auch mit der Definition des „Auftragnehmers“ in § 2 Z. 6 BVergG 2018 („jeder Unternehmer, mit dem vertraglich vereinbart wird, dem Auftraggeber eine Leistung gegen Entgelt zu erbringen“) in Einklang steht. Das ist im gegenständlichen Fall nach den obigen Feststellungen die C mit Sitz in Bulgarien, weil mit dieser der zivilrechtliche Vertrag abgeschlossen und dieser die Leistung erbracht werden soll, und nicht die D GmbH mit Sitz in Österreich, die in diesem Vergabeverfahren nicht als Auftraggeber, sondern als zentrale Beschaffungsstelle auftritt.

Richtig ist das Vorbringen der Antragsgegnerin, dass zentrale Beschaffungsstellen per definitionem (§ 2 Z. 47 BVergG 2018) selbst Auftraggeber sein müssen. Ob die D GmbH überhaupt als Auftraggeber im Sinne des § 2 Z. 5 BVergG 2018 anzusehen ist, d.h. ob sie grundsätzlich auch zivilrechtlicher Vertragspartner eines Auftragnehmers werden könnte, wo ihr Gegenstand laut eigenem Vorbringen das Erbringen von Dienstleistungen ist und die Beschaffung von Leistungen für Gesellschaften im Konzern ist, bleibt dahingestellt. Die Antragsgegnerin räumt aber auch ein, dass im gegenständlichen Fall, wie sich aus den Ausschreibungsunterlagen klar ergibt, nicht im Großhändlermodell, sondern im Vollmachts-, Vermittler- oder Stellvertretermodell (siehe § 2 Z. 48 lit. b BVergG 2018) Leistungen beschafft werden sollen; bei diesem letzteren Modell tritt die zentrale Beschaffungsstelle als Vertreterin des öffentlichen Auftraggebers auf, und der zivilrechtliche Vertrag kommt zwischen dem öffentlichen Auftraggeber (hier: der C mit Sitz in Bulgarien) und dem Auftragnehmer zustande.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wurde also gegenständlich im Kern zur Entscheidung darüber angerufen, ob ein bulgarisches Unternehmen (die Antragstellerin) mit einem in Bulgarien ansässigen Auftraggeber einen Vertrag, der in Bulgarien zu erfüllen und nach bulgarischem Recht zu beurteilen (und bei Streitigkeiten vor den bulgarischen Gerichten zu verhandeln) ist, abschließen darf oder nicht.

Der territoriale Anwendungsbereich des Vergaberechts ist weder im europäischen noch im nationalen Recht ausdrücklich geregelt, und – soweit überblickbar – fehlt es dazu auch in Österreich an höchstgerichtlicher Rechtsprechung und Literatur. In seiner Entscheidung vom 4.7.2008, No 316028, Société Colas Djibouti, verneinte der französische Conseil d’Etat die Anwendung französischen Vergaberechts auf Bauleistungen, die die französische Botschaft in Djibouti beschaffen wollte, während es in den Materialien zu § 4 BVergG (RV 69 Blg XXVI. GP, 26) heißt, dass das Gesetz auch auf Vergabeverfahren öffentlicher Auftraggeber für Standorte im Ausland Anwendung finde, und die Errichtung eines Botschaftsgebäudes seitens des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres als Beispiel angeführt ist; dies jedoch, ohne im Gesetzeswortlaut Deckung zu finden, und außerdem ist der Auftraggeber in diesem Beispiel in Österreich ansässig. In Deutschland wird in der Literatur (vgl. z.B. Ollmann, VergabeR 2016, 687 ff.; Eckebrecht, Auftragsvergabe extraterritorialer Einrichtungen, 338 ff.) die Ansicht vertreten, dass nach dem Territorialitätsprinzip das deutsche Vergaberecht bei der Beschaffung im Ausland nicht anwendbar, sondern die örtlichen Gesetze und Gepflogenheiten maßgeblich seien; da der Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses im Aufnahmestaat liege, fehle dem deutschen Staat insoweit die Regelungshoheit.

Das Territorialitätsprinzip ist eine anerkannte Regel des Völkerrechts, die (vgl. Art. 9 Abs. 1 B-VG) auch hierzulande gilt; demnach dürfen staatliche Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet grundsätzlich nur mit ausdrücklicher Duldung oder Zustimmung des fremden Staates gesetzt werden. Würde man das NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz auf den gegenständlichen Fall als anwendbar und das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich tatsächlich als zuständig erachten, kämen diesem auch Kompetenzen wie z.B. Nichtigerklärung des Vertrages oder Verhängung von Sanktionen gemäß § 17 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz zu; damit würde massiv in die Souveränität des bulgarischen Staates eingegriffen. Zumal aus Art. 49 Abs. 1 B-VG abzuleiten ist, dass sich die verbindende Kraft von Bundesgesetzen nicht über das Bundesgebiet hinaus erstreckt, wenn nicht der Bundesgesetzgeber anderes anordnet, und aus Art. 22 Abs. 4 NÖ Landesverfassung – NÖ LV 1979, dass sich die verbindende Kraft von Landesgesetzen nicht über das Landesgebiet hinaus erstreckt, wenn nicht der Landesgesetzgeber anderes anordnet, müsste für eine Anwendung des BVergG 2018 oder des NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetzes auf einen Sachverhalt in Bulgarien eine ausdrückliche Anordnung in diesen Gesetzen bestehen. Im NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz findet sich eine solche Anordnung nicht (darin ist zwar – in § 8 Abs. 1 – die Parteistellung der zentralen Beschaffungsstelle im Nachprüfungsverfahren, wenn sie zumindest Teile des Vergabeverfahrens geführt hat, normiert, aber nicht, welches Rechtsschutzregime zur Anwendung gelangt, wenn zentrale Beschaffungsstelle und Auftraggeber aus verschiedenen Staaten stammen), sondern wird an den Auftraggeberbegriff des Art. 14b Abs. 2 Z 2 B-VG angeknüpft. Selbst wenn man davon ausginge, dass die C vom Land Niederösterreich im Sinne des Art. 14b Abs. 2 Z. 2 lit. c i.V.m. Art. 127 Abs. 3 B-VG „beherrscht“ würde und die von der Antragstellerin angesprochene Rechnungskontrolle berücksichtigt, ist damit immer noch nichts darüber ausgesagt, ob das NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz auch auf Auftragsvergaben von Unternehmungen im Sinne des Art. 127 Abs. 3 B-VG im Ausland anzuwenden bzw. die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich für deren Nachprüfung, egal wo immer auf der Welt der Vertrag abgeschlossen bzw. die zu beschaffenden Leistungen erbracht werden sollen, gegeben ist. In diesem Zusammenhang ist im konkreten Fall auch durch ein Abstellen auf den in § 4 Abs. 1 BVergG 2018 abgesteckten persönlichen Geltungsbereich des österreichischen Vergaberechts nichts zu gewinnen, da die Antragsgegnerin nicht dargelegt hat, dass die C zum Zweck der Durchführung des konkreten Projekts oder zu dem Zweck, im (österreichischen!) Allgemeininteresse liegende Aufgaben im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a BVergG 2018 zu erfüllen, gegründet wurde. Nach der Rechtsprechung des Bundesvergabeamts (vgl. BVA 21.12.2005, 02N-111/05-24) beschränkte sich der Geltungsbereich des BVergG 2002 entsprechend dem Grundsatz der Territorialität auf das Bundes- bzw. Landesgebiet und somit nicht auf Auftraggeber mit Sitz im Ausland.

Im BVergG 2018 gibt es immerhin Bestimmungen, die die „gemeinsame grenzüberschreitende Auftragsvergabe“ regeln, und zwar in § 11 hinsichtlich der „klassischen“ Auftraggeber und in § 180 hinsichtlich der Sektorenauftraggeber. In beiden Fällen ist im jeweiligen Absatz 2 normiert, dass dann, wenn sich ein öffentlicher Auftraggeber einer zentralen Beschaffungsstelle aus einem anderen Mitgliedstaat der EU oder mit Sitz in einer sonstigen Vertragspartei des EWR-Abkommens bedient, Folgendes den Regelungen des Sitzstaates der zentralen Beschaffungsstelle unterliegt:

1.   die Durchführung des Vergabeverfahrens,

2.   die Vergabe eines Auftrages im Rahmen eines dynamischen Beschaffungssystems,

3.   die Durchführung eines erneuten Aufrufes zum Wettbewerb gemäß einer Rahmenvereinbarung und

4.   im Falle der Vergabe eines Auftrages aufgrund einer Rahmenvereinbarung ohne erneuten Aufruf zum Wettbewerb die Festlegung, welcher Partei der Rahmenvereinbarung der Zuschlag erteilt werden soll.

Daraus ergibt sich aber nur, dass das materielle Vergaberecht des Mitgliedstaates, in dem sich die zentrale Beschaffungsstelle befindet, auf das Vergabeverfahren anzuwenden ist (arg. „die Durchführung des Vergabeverfahrens“). Welches Verfahrensrecht auf das Nachprüfungsverfahren anzuwenden ist, ergibt sich daraus nicht, und diese Frage wird auch von den (den zitierten Bestimmungen zugrunde liegenden) Richtlinien 2014/24/EU und 2014/25/EU nicht beantwortet (vgl. Art. 39 Abs. 3 bzw. Art. 57 Abs. 3 der genannten Richtlinien und dazu Dillinger/Oppel, Das neue BVergG 2018, Rz 3.25). Zumal die Regelung, dass sich das Vergabeverfahren nach dem Recht des Mitgliedstaates richtet, in dem die zentrale Beschaffungsstelle liegt, in der Literatur (vgl. Arrowsmith, The Law of Public and Utilities Procurement I3 Rz 5-49, und Oppel, Horizontale Zusammenarbeit und zentrale Beschaffungsstellen nach dem BVergG 2018, ZVB 2018/102) einschränkend dahingehend auslegt wird, dass sie sich lediglich auf die Abwicklung des Vergabeverfahrens bezieht, vergaberechtliche Regelungen des Sitzstaates des öffentlichen Auftraggebers aber insoweit anwendbar bleiben, als sie nicht unmittelbar die Abwicklung des Vergabeverfahrens, sondern inhaltliche Anforderungen (z.B. Regelungen betreffend umweltbezogene oder soziale Aspekte oder eine etwaige Pflicht zur Wahl des Bestbieterprinzips) regeln, und zumal der öffentliche Auftraggeber schlussendlich verantwortlich bleibt, deutet das (vgl. abermals Dillinger/Oppel, aaO) in die Richtung, dass sich die Zuständigkeit für den Vergaberechtsschutz nach dem öffentlichen Auftraggeber richtet, der sich einer ausländischen zentralen Beschaffungsstelle bedient; damit liegt sie im gegenständlichen Fall in Bulgarien. Mit dieser Auslegung wird auch verhindert, dass sich öffentliche Auftraggeber im Ergebnis über die Wahl einer ausländischen zentralen Beschaffungsstelle nicht nur weitgehend das anzuwendende materielle Vergaberecht, sondern schlichtweg auch das im Nachprüfungsverfahren anzuwendende (für sie günstigere?) (Verfahrens-)Recht und damit auch das zuständige Gericht bzw. die zuständige Vergabekontrollbehörde aussuchen können (wie das von der Antragsgegnerin herangezogene Beispiel – mit umgekehrten Vorzeichen angewendet – anschaulich zeigt, wenn also ein österreichischer Auftraggeber durch die Beiziehung einer deutschen zentralen Beschaffungsstelle einen in Österreich zu erfüllenden Auftrag im Unterschwellenbereich freihändig vergeben könnte).

Die Antragsgegnerin weist richtigerweise darauf hin, dass in den Materialien zu § 11 Abs. 2 BVergG 2018 (RV 69 Blg XXVI. GP, 27) die Rede davon ist, dass „in diesem Fall das Gesetz selbst zwingend das dabei anwendbare Recht“ festlege und dies u.a. ermögliche, „dass eine zentrale Beschaffungsstelle für eine Vielzahl von öffentlichen Auftraggebern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten der Union Beschaffungen vornimmt und dass dabei lediglich ein Regelungsregime (im materiellen wie auch im Rechtsschutzbereich) zur Anwendung kommt“ und dass es in Erwägungsgrund 82 zur Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.2.2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG heißt: „Mit diesen Vorschriften sollten die Bedingungen für die grenzüberschreitende Nutzung zentraler Beschaffungsstellen festgelegt und das in grenzüberschreitenden gemeinsamen Beschaffungsverfahren anwendbare Recht für die öffentliche Auftragsvergabe, einschließlich der anwendbaren Rechtsvorschriften für Rechtsmittel, bestimmt werden, ergänzend zu den Kollisionsnormen der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates.“

Dem ist jedoch zu entgegnen, dass diese Erwägungen im Gesetzes- bzw. Richtlinientext keinen Niederschlag finden. In § 180 Abs. 2 Z. 1 BVerG 2018 heißt es eindeutig, dass „die Durchführung des Vergabeverfahrens“ den Regelungen des Sitzstaates der zentralen Beschaffungsstelle unterliegt. Im BVergG 2018 wird sprachlich klar und präzise zwischen „Vergabeverfahren“ einerseits und „Rechtsschutz“, „Nachprüfungsverfahren“ und „Feststellungsverfahren“ andererseits unterschieden. So sind der 2. Teil des BVergG 2018 mit „Vergabeverfahren für öffentliche Auftraggeber“ und der 3. Teil mit „Vergabeverfahren für Sektorenauftraggeber“ betitelt, der 4. Teil jedoch mit „Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht“. In diesem (vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich nicht anzuwendenden) 4. Teil und auch im NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz ist an keiner Stelle die Rede davon, dass es sich beim Rechtsschutzverfahren vor dem Bundes- bzw. Landesverwaltungsgericht um die „Durchführung eines Vergabeverfahrens“ handle. Diese Gerichte führen kein Vergabeverfahren durch, sondern Verfahren zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, Nachprüfungsverfahren und Feststellungsverfahren. Schon aus der Formulierung des § 180 Abs. 1 BVergG 2018 („Sektorenauftraggeber … können mit Sektorenauftraggebern … vereinbaren, Vergabeverfahren gemeinsam durchzuführen“), geht hervor, dass ein Vergabeverfahren von einem Auftraggeber durchgeführt wird und nicht von einem Gericht; nur der Auftraggeber wählt die Art des Vergabeverfahrens (§§ 203 ff. BVergG 2018), nur an ihn sind die „Bestimmungen für die Durchführung von Vergabeverfahren“ (§§ 217 ff. BVergG 2018) gerichtet. Zumal also der Wortlaut des § 180 Abs. 2 Z. 1 BVerG 2018 und auch die Gesetzessystematik zweifelsfrei den Begriff „Durchführung des Vergabeverfahrens“ so verstehen lässt, dass damit nicht auch das Rechtsschutzverfahren, insb. das Nachprüfungsverfahren vor dem Bundes- oder Landesverwaltungsgericht, erfasst ist, ist auf die Gesetzesmaterialien nicht zu rekurrieren. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes findet nämlich jede Auslegungsmethode ihre Grenze im eindeutigen Wortlaut des Gesetzes (vgl. etwa VwGH 13.3.2009, 2005/12/0240), das bedeutet bei Auslegung von Gesetzen einen Vorrang der Wortinterpretation in Verbindung mit der grammatikalischen und der systematischen Auslegung sowie äußerste Zurückhaltung gegenüber der Anwendung sogenannter „korrigierender Auslegungsmethoden“. Kommen auf Grund des klaren Wortlautes einer Vorschrift Zweifel über deren Inhalt nicht auf, dann ist eine Untersuchung, ob nicht etwa eine andere Auslegungsmethode einen anderen Inhalt ergeben würde, nicht möglich und ist für eine weitergehende (z.B. teleologische oder verfassungskonforme) Auslegung kein Raum (vgl. VwGH 18.6.2020, Ro 2020/01/0006); abgesehen davon würde eine verfassungskonforme Interpretation zum gleichen Ergebnis führen, zumal dem einfachen Bundesgesetzgeber mit Blick auf Art. 14b Abs. 3 B-VG nicht die Kompetenz zukommt zu regeln, welches Verfahrensrecht ein Landesverwaltungsgericht anzuwenden hat.

Gleiches gilt für Art. 57 Abs. 3 der Sektoren-RL 2014/25/EU, worin es fast noch eindeutiger heißt, dass nicht die Durchführung des Vergabeverfahrens, sondern „die zentrale Beschaffung“ (das ist gemäß Art. 2 Z. 10 lit. b dieser Richtlinie die Vergabe von Aufträgen oder der Abschluss von Rahmenvereinbarungen) gemäß den nationalen Bestimmungen des Mitgliedstaats, in dem die zentrale Beschaffungsstelle ihren Sitz hat, erfolgt; von diesem klaren Wortlaut ist nicht das Rechtsmittelverfahren umfasst, dieses ist systematisch vielmehr Gegenstand der Sektoren-Rechtsmittel-Richtlinie 92/13/EWG, in der die Anforderungen an das Nachprüfungsverfahren geregelt sind (zur Frage des anwendbaren Rechtsschutzregimes bei grenzüberschreitender Auftragsvergabe findet sich darin nichts). Der von der Antragsgegnerin aufgezeigte Verweis (in Erwägungsgrund 82 zur Sektoren-Richtlinie 2014/25/EU) auf die Verordnung EG Nr. 593/2008 vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“) ist in diesem Zusammenhang (weil diese Verordnung, wie auch die Antragsgegnerin einräumt, Kollisionsnormen – wie schon der Name der Verordnung sagt – im Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse (vgl. Art. 3 Abs. 1: „Der Vertrag unterliegt dem von den Parteien gewählten Recht“), nicht jedoch im Bereich der internationalen gerichtlichen Zuständigkeit enthält (nach ihrem Art. 1 Abs. 3 gilt sie „nicht für den Beweis und das Verfahren“)) ein weiteres Indiz dafür, dass der Verordnungsgeber (nur) das anwendbare materielle Recht regeln wollte.

Aus all diesen Gründen ist der erkennende Senat zum Schluss gelangt, dass das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich für die Entscheidung über den gegenständlichen Nachprüfungsantrag nicht zuständig ist. Der Sitz des öffentlichen Auftraggebers ist in Bulgarien, dieser hat Arbeiten am Stromversorgungsnetz in Bulgarien ausgeschrieben, und der zivilrechtliche Vertrag, der nach bulgarischem Recht beurteilt werden soll, wird in weiterer Folge unter zwei Vertragspartnern, die beide ihren Sitz in Bulgarien haben, geschlossen und in Bulgarien in bulgarischer Sprache abgewickelt; Streitigkeiten aus diesem Vertrag sind dann vor bulgarischen Gerichten auszutragen. Im Sinne der Erwägungen zur zuvor angesprochenen Sektoren-Rechtsmittel-Richtlinie 92/13/EWG, dass den Unternehmen angemessene Nachprüfungsverfahren bzw. Möglichkeiten einer wirksamen und raschen Nachprüfung zur Verfügung stehen müssen, ist dieses Ergebnis im gegenständlichen Fall auch das für die Bieter (die allesamt nur in Bulgarien ansässig sind, zumal zur Leistung als wesentlicher Teil der Störfall- und Gebrechensdienst samt Rufbereitschaft rund um die Uhr gehört) wesentlich vorteilhaftere bzw. rechtsschutzfreundlichere: Wie das bisherige Nachprüfungsverfahren schon gezeigt hat, ist die Korrespondenz zwischen dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und den allesamt in Bulgarien ansässigen präsumtiven Zuschlagsempfängern, die gemäß § 8 Abs. 2 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz auch Parteistellung haben, durch die Sprachbarriere höchst schwierig, und somit wäre der Zugang der bulgarischen Bieter zum einem Gerichtsverfahren bzw. einer Gerichtsverhandlung in Österreich erschwert und für das Gericht ein solches Nachprüfungsverfahren binnen der Entscheidungsfrist gemäß § 19 Abs. 3 leg. cit. schlichtweg nicht inhaltlich zu erledigen, da auch Teile des bulgarischen Vergaberechts, Arbeits- und Sozialrechts, Gewerberechts etc. erforscht und angewendet werden müssten.

Somit war der Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung spruchgemäß zurückzuweisen.

Gemäß § 15 Abs. 2 Z. 1 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung entfallen, da der verfahrenseinleitende Antrag zurückzuweisen war, also eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst nicht getroffen wurde, und dem Art. 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegenstehen. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt hinsichtlich der Zuständigkeitsfrage ist geklärt, sodass derart auch keine Fragen der Beweiswürdigung aufgetreten sind (vgl. VwGH 15.5.2015, Ra 2015/03/0030), und es waren ausschließlich Rechtsfragen zu lösen, deren Lösung keine mündliche Verhandlung erfordert hat, sodass das Gericht unter Berücksichtigung der Effizienz und Verfahrensökonomie sowie des Gebotes der angemessenen Verfahrensdauer (siehe § 19 Abs. 3 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz) aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der vorgelegten Unterlagen entscheiden konnte (vgl. VwGH 18.2.2015, Ra 2014/03/0077).

Die ordentliche Revision ist zulässig, da sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Wie dargelegt, gibt es weder nationale noch europäische abschließende Regelungen der örtlichen Zuständigkeit in Vergabe-Nachprüfungsverfahren, und die Fragen, welches Vergaberechtsschutzregime zur Anwendung kommt und welche Vergabekontrollbehörde bzw. welches Gericht für das Nachprüfungsverfahren zuständig ist, wenn ein öffentlicher Auftraggeber, der seinen Sitz nicht in Österreich hat, einen Auftrag betreffend in seinem Land zu erbringende Leistungen zur Stromversorgung ausschreibt und sich dabei einer zentralen Beschaffungsstelle aus Österreich bedient, sind – soweit überblickbar – in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bislang unbeantwortet.

Schlagworte

Vergabe; Nachprüfung; öffentliches Auftragswesen; Rechtsschutzregime; Völkerrecht; territorialer Anwendungsbereich;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.VG.9.002.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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