TE Vfgh Erkenntnis 1995/12/2 V52/95

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Veröffentlicht am 02.12.1995
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs4
Verordnung der Gemeinde Aspang Markt vom 09.12.83 betreffend Widmung eines Grundstücks als Verkehrsfläche (Gehsteig)
Nö ROG 1976 §18
Nö ROG 1976 §21
Nö ROG 1976 §22
Nö ROG 1976 §30 Abs7
Nö LandesstraßenG §32 Abs5

Leitsatz

Feststellung der Gesetzwidrigkeit einer auf das Nö LandesstraßenG gestützten Verordnung betreffend Widmung eines Grundstücks als Verkehrsfläche (Gehsteig) wegen Nichtbeachtung der für eine derartige Verordnung raumplanungsrechtlicher Natur maßgeblichen Vorschriften des Nö ROG 1976 und wegen Widerspruchs zum Gleichheitssatz

Spruch

Die Verordnung der Gemeinde Aspang Markt vom 9. Dezember 1983, derzufolge das Grundstück Nr. 126/5, EZ 651, KG Aspang, als Verkehrsfläche (Gehsteig) gewidmet wird, angeschlagen an der Amtstafel des Gemeindeamtes Aspang Markt vom 4. bis 18. Jänner 1984, war gesetzwidrig.

Die Niederösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruchs im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist eine zu B1435/93 protokollierte Beschwerde gemäß Art144 B-VG gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung anhängig, mit dem die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen einen Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Aspang Markt betreffend Abweisung eines Bauansuchens wegen Widerspruchs zum vereinfachten Flächenwidmungsplan abgewiesen wurde. Der nunmehrige Beschwerdeführer als Bauwerber wollte nämlich ein als Verkehrsfläche der Gemeinde gewidmetes Grundstück als Ergänzungsfläche in sein Bauvorhaben einbeziehen.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen in seinen Rechten verletzt und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß Art144 B-VG.

2. Die Niederösterreichische Landesregierung sowie die Gemeinde Aspang Markt beantragten, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3. Der Verfassungsgerichtshof ging in seinem Beschluß vom 3. März 1995, B1435/93-7, von der Präjudizialität der "Verordnung der Gemeinde Aspang Markt vom 9. Dezember 1983, derzufolge das Grundstück Nr. 126/5, EZ 651, KG Aspang, als Verkehrsfläche (Gehsteig) gewidmet wird, angeschlagen an der Amtstafel des Gemeindeamtes Aspang Markt vom 4. bis 18. Jänner 1984", für die angeführte Beschwerde aus und beschloß, die angeführte Verordnung gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.

3.1. Die gemäß Art139 Abs1 B-VG in Prüfung gezogene Verordnung lautet:

"Betr.: Widmung als öffentliches Gut;

Der Gemeinderat der Gemeinde Aspang Markt hat in seiner Sitzung am 9. Dezember 1983 folgende

V E R O R D N U N G

einstimmig beschlossen:

Gemäß §32 Abs5 des NÖ. Landesstraßengesetzes, LGBl. 8500-0, wird die Parz. Nr. 126/5, EZ. 651, KG. Aspang, als Verkehrsfläche (Gehsteig) gewidmet.

Die mit Gemeinderatsbeschluß vom 20. Mai 1983 beschlossene Verordnung über die Widmung der Parz. Nr. 126/5, EZ. 651, KG. Aspang, als Ortsraum wird aufgehoben.

Für den Gemeinderat -

Der Bürgermeister:

..."

3.2. Der Verfassungsgerichtshof hegte folgende Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der im Wortlaut wiedergegebenen Verordnung:

a. Für die Gemeinde Aspang Markt galt zu dem für die Entscheidung des Gemeinderates über das Bauansuchen des Beschwerdeführers maßgeblichen Zeitpunkt ein vereinfachter Flächenwidmungsplan aus dem Jahr 1970. In diesem war gemäß §30 Abs6 Niederösterreichisches Raumordnungsgesetz, LGBl. 8000-0, (NÖ ROG 1976), "für alle Flächen im Gemeindegebiet wenigstens die Widmung Bauland, Verkehrsflächen oder Grünland festzulegen". Auch für das gegenständliche Grundstück Nr. 126/5, EZ 651, KG Aspang, sei sohin eine der drei genannten Widmungen im vereinfachten Flächenwidmungsplan festgelegt worden.

Der Verfassungsgerichtshof ging vorläufig davon aus, daß der Gemeinderat entweder im Wege der Auslegung des eine verbindliche Norm darstellenden Flächenwidmungsplanes vor Erledigung des Bauansuchens des Beschwerdeführers festzustellen gehabt hätte, welche Widmung für das Grundstück Nr. 126/5 in Geltung stand, oder daß er im Wege der - einer Änderung des Flächenwidmungsplanes gemäß §22 in Verbindung mit §30 Abs7 NÖ ROG 1976 gleichkommenden - authentischen Interpretation dieses Planes durch eine auf die genannten Bestimmungen des NÖ ROG 1976 gestützte Verordnung das Grundstück Nr. 126/5 als Verkehrsfläche, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorlagen, hätte widmen können.

Hingegen erschien es dem Verfassungsgerichtshof vorläufig gesetzwidrig, - unter Vernachlässigung der raumordnungsrechtlichen Vorschriften über die Änderung vereinfachter Flächenwidmungspläne - durch eine auf das Niederösterreichische Landesstraßengesetz, LGBl. 8500-0, (NÖ Landesstraßengesetz), gestützte Verordnung das im vereinfachten Flächenwidmungsplan der Gemeinde Aspang Markt bereits gewidmete Grundstück Nr. 126/5 "als Verkehrsfläche (Gehsteig)" zu widmen.

Für eine derartige Widmung dürfte jedenfalls die vom Gemeinderat der Gemeinde Aspang Markt herangezogene Bestimmung des §32 Abs5 NÖ Landesstraßengesetz keine zureichende Rechtsgrundlage bilden.

b. Im übrigen hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß die bezeichnete Verordnung ohne sachliche Rechtfertigung lediglich erlassen worden sei, um das Bauansuchen des Beschwerdeführers abschlägig bescheiden zu können.

Der Verfassungsgerichtshof hegte daher auf Grund der dargestellten Sachlage das Bedenken, daß die - durch die in Prüfung gezogene Verordnung erfolgte - Widmung des Grundstücks Nr. 126/5 als Gehsteig auch dem Gleichheitssatz widerspricht.

4. Die Niederösterreichische Landesregierung beantragt in ihrer Äußerung, die in Prüfung gezogene Verordnung nicht als gesetzwidrig aufzuheben.

4.1. Zunächst sei dem Verfassungsgerichtshof zuzustimmen, wenn es ihm gesetzwidrig erscheine, "durch eine auf das NÖ Landesstraßengesetz gestützte Verordnung, das im vereinfachten Flächenwidmungsplan der Gemeinde Aspang Markt bereits gewidmete Grundstück Nr. 126/5 'als Verkehrsfläche (Gehsteig)' zu widmen". Zur Gestaltung der raumordnungsrechtlichen Planungen - im vorliegenden Fall des vereinfachten Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Aspang Markt - wären nämlich die im NÖ ROG 1976 vorgesehenen Instrumente auszuschöpfen.

4.2. Daß die Übernahme einer Straße in die Gattung der Gemeindestraßen "zumindest den faktischen Bestand einer Straße" voraussetzt, sei auch die "Rechtsauffassung des Amtes der NÖ Landesregierung, nach der das NÖ Landesstraßengesetz 'die Abstimmung der Widmung von Gemeindestraßen mit der Widmung von Verkehrsflächen im Flächenwidmungsplan (noch) nicht vorschreibt' (vgl. den Erlaß 'Erläuterungen zum NÖ Landesstraßengesetz', Systemzahl 10-01/06-0001)".

Der faktische Bestand einer Straße im Sinne des §1 Abs2 NÖ Landesstraßengesetz ergebe sich im vorliegenden Fall aus der Aktenlage.

4.3. Zur sachlichen Rechtfertigung der Verordnung sei durch das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung aus Anlaß des vorliegenden Verordnungsprüfungsverfahrens und ergänzend zur seinerzeitigen verkehrstechnischen Beurteilung eine verkehrstechnische Stellungnahme eingeholt worden, welche wie folgt laute:

"Die dem Aktenvermerk zugrundeliegende örtliche Situation ist gegenüber dem seinerzeitigen Zustand unverändert. Die dreieckförmige Fläche beim Grundstück 126/5 ist flächengleich mit der angrenzenden Verkehrsfläche befestigt und wird gemeinsam mit dieser als Parkfläche genutzt. Die Art der Aufstellung der Fahrzeuge entspricht im Zusammenhang mit der unmittelbar westlich gelegenen Kreuzung nicht den Kriterien der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, welche bei einer verkehrsgerecht gestalteten Kreuzung anzustreben sind.

Diesem Umstand wurde im Aktenvermerk dahingehend Rechnung getragen, daß vorgeschlagen wurde, die Straßen- und Baufluchtlinie beim Haus Laschober in westlicher Verlängerung der Baufluchtlinie des unmittelbar östlich gelegenen Hauses festzulegen. Gegen die Errichtung eines Gehsteiges im gegenständlichen Bereich wurde kein Einwand erhoben.

Aus verkehrstechnischer Sicht ist für einen sicheren Verkehrsablauf neben einer geordneten Führung des Fahrzeugverkehrs auch eine eigene Fläche für den Fußgängerverkehr erforderlich. Folgt man den Aussagen des Aktenvermerkes, ist eine verkehrssichere Lösung möglich, ohne die dreieckförmige Fläche in Anspruch nehmen zu müssen. Eine Einbeziehung der dreieckförmigen Fläche in den Gehsteig würde eine Verbreiterung des zukünftig zu errichtenden Gehsteiges bedeuten, die zwar verkehrstechnisch nicht notwendig ist, die aber auch nicht abgelehnt werden muß. Unbedingt abzulehnen ist jedoch in Zukunft die Nutzung als Parkfläche, da einerseits wegen der Nähe der Kreuzung die Verkehrssicherheit nicht im erforderlichen Umfang sichergestellt werden kann und andererseits bei der Zufahrt zu der dreieckförmigen Fläche der Fußgängerverkehr auf dem zukünftig zu errichtenden Gehsteig zumindest behindert wird."

5. Der Gemeinderat der Gemeinde Aspang Markt brachte in seiner Äußerung vor:

5.1. Der dem Verordnungsprüfungsverfahren zugrundeliegenden Beschwerde liege der Umstand zu Grunde, daß für die Gemeinde Aspang Markt ein vereinfachter Flächenwidmungsplan aus dem Jahre 1970 gelte. Der Gemeinderat der Gemeinde Aspang Markt habe mittlerweile ein örtliches Raumordnungsprogramm beschlossen sowie einen Flächenwidmungsplan erstellt. Das Grundstück Nr. 126/5 sei im Rahmen der "beabsichtigten Planung" als Verkehrsfläche ausgewiesen.

Das Grundstück Nr. 126/5 sei Anfang der siebziger Jahre auf Kosten der Gemeinde asphaltiert worden. Es habe seither vor allem als Parkfläche für PKWs, die zum Teil quer zur Fahrtrichtung der Bahnstraße zum Teil parallel zur Hauswand stehen, und als Gehweg gedient. Seit im Bereich des Grundstückes Nr. 126/5 eine "Passage" errichtet wurde, benützten die Betrachter der "Passage" bzw. der Schaufenster die Fläche des Grundstückes Nr. 126/5 auch als Gehsteig. Diese tatsächliche Nutzung bestehe seit 1974.

Der Gemeinderat sei im Zeitpunkt der Beschlußfassung über das Bauansuchen der Beschwerdeführer der Auffassung gewesen, daß das Grundstück Nr. 126/5 als Verkehrsfläche zu qualifizieren und auch zu erhalten wäre. Die Gemeinde Aspang Markt wollte diese Fläche der öffentlich zugänglichen oder gewidmeten Gesamtfläche zugeordnet haben. Dafür spreche auch die durchgeführte Asphaltierung. Daß das Grundstück in einer Eingabe der Gemeinde an das Bezirksgericht als Bauland bezeichnet worden sei, spreche dem nicht entgegen, da dies mit dem faktischen Zustand nicht übereingestimmt habe.

Da "zumindest der faktische Bestand der Straße (Gehweg, 3 Parkplätze für PKW)" vorgelegen sei, sei die Einreihung in die Kategorie Gemeindestraße gemäß §3 Abs1 Z3 NÖ Landesstraßengesetz zutreffend gewesen. Insofern stelle §32 Abs5 NÖ Landesstraßengesetz eine geeignete Rechtsgrundlage dar.

5.2. Auch die Bedenken hinsichtlich der sachlichen Rechtfertigung für die in Prüfung gezogene Verordnung sind nach Ansicht des Gemeinderates der Gemeinde Aspang Markt nicht gegeben.

Im Zeitpunkt des Erwerbes eines Teiles des nunmehrigen Grundstückes Nr. 126/5 im Jahre 1973 habe die Gemeinde nicht wissen können, daß der Beschwerdeführer auf dem Grundstück Nr. 127 bauen würde und sich daher die "Möglichkeit einer Ergänzungsfläche" ergeben könnte.

Da das Grundstück Nr. 126/5 eine brauchbare Abstellfläche sowie Zu- und Abgang zu der bestehenden "Passage" sei, sei die Vorgangsweise der Gemeinde vertretbar und sachlich gerechtfertigt gewesen.

6. Die zu B1435/93 beschwerdeführende Partei weist in ihrer Äußerung darauf hin, daß die Gemeinde Aspang Markt das Grundstück Nr. 126/5 angekauft und aus Anlaß der Verbücherung eine Baulandbestätigung ausgestellt habe.

Soweit seitens des Gemeinderates der Gemeinde Aspang Markt als Motiv für die Erlassung der gegenständlichen Verordnung darauf hingewiesen werde, daß die zur Zeit der Erlassung nicht verbaute Fläche des Grundstückes Nr. 126/5 als Teil des Marienplatzes schon im Hinblick auf den noch auszuarbeitenden Flächenwidmungsplan zumindest vorerst nicht zur Verbauung gelangen sollte, gestehe auch die Gemeinde Aspang Markt offen die Gesetzwidrigkeit einer auf das NÖ Landesstraßengesetz gestützten Verordnung zu, sehe doch §32 Abs5 des NÖ Landesstraßengesetzes die Erlassung einer Verordnung nur für den Fall vor, daß eine Straße in die Gattung der Gemeindestraßen übernommen werden soll. Die (auch nicht vorläufige) "Verhinderung einer Bauführung" komme als sachliche Rechtfertigung für die Erlassung einer Verordnung gestützt auf §32 Abs5 des NÖ Landesstraßengesetzes nicht in Frage.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Wie der im Anlaßbeschwerdeverfahren angefochtene Vorstellungsbescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 23. Juni 1993 zeigt, wurde die Vorstellung des Beschwerdeführers in Anwendung der Verordnung der Gemeinde Aspang vom 9. Dezember 1983, mit der das Grundstück Nr. 126/5 als Verkehrsfläche (Gehsteig) gewidmet worden war, abgewiesen. Auch der Verfassungsgerichtshof hat sohin bei seiner Entscheidung über die zu B1435/93 anhängige Beschwerde diese Verordnung, mit der offenkundig intendiert war, die Bebaubarkeit des Grundstückes Nr. 126/5 zu verhindern, anzuwenden.

Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. Die im Prüfungsbeschluß dargestellten Bedenken des Verfassungsgerichtshofs erweisen sich in der Sache als berechtigt:

a. Es ist davon auszugehen, daß sowohl im Zeitpunkt der Erlassung der in Prüfung gezogenen Verordnung als auch zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Gemeinderates der Gemeinde Aspang vom 31. Jänner 1992, Z 030-1283, der den Gegenstand des im Anlaßbeschwerdeverfahren angefochtenen Vorstellungsbescheides der Niederösterreichischen Landesregierung bildet, der (vereinfachte) Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Aspang Markt aus dem Jahr 1970 Geltung besaß. Für die Beurteilung der Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Aspang Markt vom 9. Dezember 1983 ist es belanglos, daß der Gemeinderat der Gemeinde Aspang Markt auf Grund von Beschlüssen vom 22. Juni 1993, 6. Oktober 1993 und 31. Mai 1994 eine Verordnung über das örtliche Raumordnungsprogramm der Gemeinde Aspang-Markt erlassen hat, die nach Genehmigung durch die Niederösterreichische Landesregierung und Kundmachung vom 9. bis 23. November 1994 am 24. November 1994 in Kraft getreten ist. Für die im Prüfungsbeschluß aufgeworfene Frage der Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung vom 9. Dezember 1983 ist auch ohne Relevanz, daß das Grundstück Nr. 126/5, wie der Gemeinderat der Gemeinde Aspang Markt in seiner Äußerung ausführt, auch in dem einen wesentlichen Bestandteil des örtlichen Raumordnungsprogramms bildenden (neuen) Flächenwidmungsplan als Verkehrsfläche ausgewiesen ist. Für die zu treffende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ist im Hinblick auf Art139 Abs4 B-VG lediglich von Bedeutung, daß gemäß §6 des genannten örtlichen Raumordnungsprogramms der Gemeinde Aspang Markt mit dem Tag des Inkrafttretens dieses Raumordnungsprogramms "der vereinfachte Flächenwidmungsplan für das gesamte Gemeindegebiet Aspang Markt außer Kraft gesetzt" wurde (vgl. unten III.1.).

b. Die in Prüfung gezogene Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Aspang Markt vom 9. Dezember 1983 hat das Grundstück Nr. 126/5, EZ 651, KG Aspang, als Verkehrsfläche (Gehsteig) "gewidmet". In ihrem zweiten Absatz erklärt sie die am 20. Mai 1983 beschlossene "Widmung" der besagten Parzelle "als Ortsraum" für aufgehoben.

Wie dem Verwaltungsgeschehen, insbesondere dem Sitzungsprotokoll des Gemeinderates der Gemeinde Aspang Markt vom 20. Mai 1983 zu entnehmen ist, sollte durch die Widmung des Grundstücks Nr. 126/5, EZ 651, KG Aspang, (- zuerst als "Ortsraum dem öffentlichen Verkehr", sodann wegen des Einwandes des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung, daß "die Bezeichnung 'Ortsraum' im Gesetz keine Deckung findet" -) in der Verordnung vom 9. Dezember 1983 "als Verkehrsfläche (Gehsteig)" die Bebaubarkeit der genannten Grundfläche geregelt werden (vgl. etwa folgenden Satz im genannten Gemeinderatsprotokoll: "Der Herr Bürgermeister stellte hiezu fest, daß diese Widmung eine wichtige Voraussetzung im Zuge der Bausache darstellt.").

Eine derartige Widmung eines Grundstückes, mit der beabsichtigt ist, dessen Bebaubarkeit zu regeln, kann sich von Rechts wegen nicht auf die Bestimmung des §32 Abs5 NÖ Landesstraßengesetz stützen. Die ersten zwei Sätze dieser Gesetzesvorschrift lauten:

"(5) Der Gemeinde obliegt die Erhaltung und Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde. Dem Gemeinderat obliegt die Beschlußfassung über die Übernahme einer Straße in die Gattung der Gemeindestraßen. ..."

Wie der Verfassungsgerichtshof im Einklang mit der Niederösterreichischen Landesregierung bereits in seinem Prüfungsbeschluß ausführte, bewirkt die "Übernahme einer Straße in die Gattung der Gemeindestraßen" durch die Gemeinde die Übernahme aller Verpflichtungen als Straßenerhalter, keinesfalls aber die planerische Widmung einer Grund- als Verkehrsfläche.

Die mit der Verordnung tatsächlich intendierten Rechtswirkungen, die schon in der Wahl der Wortfolge "als Verkehrsfläche (Gehsteig) gewidmet" in der vom Gemeinderat beschlossenen Verordnung zum Ausdruck gelangen, sind vielmehr eindeutig raumplanungs- und baurechtlicher Natur. Es handelt sich dabei vom Inhalt her um eine Verkehrsflächenwidmung gemäß §18 NÖ ROG 1976, mag sich der Verordnungsgeber im Wortlaut der von ihm erlassenen Verordnung auch ausdrücklich auf §32 Abs5 NÖ Landesstraßengesetz berufen haben.

Jede derartige, durch Verordnung zu beschließende Widmung eines Grundstücks im Hinblick auf seine bauliche Nutzbarkeit bedarf eines Verfahrens nach §21 NÖ ROG 1976. Soweit durch die Widmung eine Abänderung eines geltenden vereinfachten Flächenwidmungsplanes bewirkt wird, sind gemäß §30 Abs7 leg.cit. auch die Vorschriften des §22 leg.cit. anzuwenden. Insbesondere unterliegt jede derartige Widmung dem Genehmigungsvorbehalt nach §21 Abs5 ff. NÖ ROG 1976.

Bei Erlassung der in Prüfung gezogenen Verordnung, die sich, wie gezeigt, inhaltlich als eine nach den Vorschriften des Raumplanungsrechts zu erlassende Verkehrsflächenwidmung darstellt, wurden die angeführten Gesetzesvorschriften schon mit Rücksicht darauf nicht beachtet, daß der Gemeinderat rechtsirrtümlich davon ausgegangen ist, daß eine derartige Widmung auch nach §32 Abs5 des NÖ Landesstraßengesetzes erfolgen kann. Dies ist, wie gezeigt, aber nicht der Fall.

Die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Aspang Markt vom 9. Dezember 1983 ist sohin schon aus diesem Grunde gesetzwidrig.

c. Im übrigen zeigt das bereits unter II.2.b. kurz wiedergegebene Vorgehen des Gemeinderates, daß die in Prüfung gezogene Verordnung nur zu dem Zweck erlassen wurde, um das Bauansuchen des Beschwerdeführers abschlägig bescheiden zu können. Wie auch der neuerlichen Stellungnahme des verkehrstechnischen Amtssachverständigen (wiedergegeben in der Äußerung der Niederösterreichischen Landesregierung vom 13. Juni 1995) zu entnehmen ist, entspricht die faktische Verkehrsflächennutzung des Grundstückes Nr. 126/5 den Kriterien der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht. Ferner ist eine verkehrssichere Lösung dieser Stellungnahme zufolge auch möglich, ohne die dreieckförmige Fläche - sei es auch in Gestalt eines Gehsteigs - in Anspruch zu nehmen. Vielmehr empfahl der Amtssachverständige die Verlängerung der Baufluchtlinie des unmittelbar östlich gelegenen Hauses in westlicher Richtung, womit die Widmung der dreieckförmigen Fläche des Grundstücks Nr. 126/5 als "Verkehrsfläche (Gehsteig)" schlechthin unvereinbar ist.

Das Bedenken, daß die Widmung des Grundstücks Nr. 126/5 als Gehsteig dem kraft Gleichheitssatz geltenden Sachlichkeitsgebot widerspricht, trifft sohin gleichfalls zu.

III. 1. Trotz ihrer Berufung auf §32 Abs5 NÖ Landesstraßengesetz trägt die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Aspang Markt vom 9. Dezember 1983, mit der ein bestimmtes Grundstück als Verkehrsfläche gewidmet wurde, wie bereits oben unter II.2.b. dargetan wurde, raumplanungsrechtlichen Charakter. Sie ist als eine, - wenn auch rechtswidrige -, Abänderung des seinerzeitigen vereinfachten Flächenwidmungsplanes aus 1970 zu betrachten. Da dieser vereinfachte Flächenwidmungsplan mit dem Inkrafttreten des örtlichen Raumordnungsprogramms der Gemeinde Aspang Markt am 24. November 1994 in der zu diesem Zeitpunkt in Kraft stehenden Fassung ausdrücklich außer Kraft gesetzt wurde (vgl. oben II.2.a.), ist auch die durch die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Aspang Markt vom 9. Dezember 1983 bewirkte Verkehrsflächenwidmung außer Kraft getreten, mag auch der neue Flächenwidmungsplan neuerlich eine Verkehrsflächenwidmung für das fragliche Grundstück vorsehen. Der Verfassungsgerichtshof hatte sich sohin gemäß Art139 Abs4 B-VG auf den Ausspruch zu beschränken, daß die in Prüfung gezogene Verordnung gesetzwidrig war.

2. Die Verpflichtung zur Kundmachung des Ausspruchs beruht auf Art139 Abs5 B-VG.

3. Dies konnte vom Verfassungsgerichtshof gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Straßenverwaltung, Gemeindestraße, Widmung (einer Straße), Verkehrsflächen, Gehsteig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:V52.1995

Dokumentnummer

JFT_10048798_95V00052_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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