TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/5 97/03/0170

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Veröffentlicht am 05.11.1997
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §4 Abs1 litc;
StVO 1960 §4 Abs2;
StVO 1960 §4 Abs5 idF 1983/174;
StVO 1960 §4 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des Dr. C in K, vertreten durch Dr. Nikolaus Lanner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Priesterhausgasse 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 16. Mai 1997, Zl. KUVS-1138-1140/11/96, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Verwaltungsübertretungen nach § 4 Abs. 1 lit. a und Abs. 5 StVO 1960 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.935,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretungen nach

1. § 4 Abs. 1 lit. a, 2. § 4 Abs. 1 lit. c und 3. § 4 Abs. 5 StVO 1960 mit Geldstrafen bestraft, weil er am 21. Juni 1996 um ca. 9.30 Uhr an einer näher bezeichneten Örtlichkeit in Klagenfurt als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten Pkws mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei und es unterlassen habe, 1. sofort anzuhalten, 2. an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken (durch Verlassen der Unfallstelle) und 3. ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten, und c) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben nach der Anordnung des § 4 Abs. 5 StVO 1960 die im Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Voraussetzung für die in den genannten Bestimmungen normierten Verpflichtungen ist - im Falle eines Verkehrsunfalles, bei dem nur Sachschaden eingetreten ist - nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 9. November 1988, Zl. 88/03/0047) nicht nur das objektive Tatbestandsmerkmal des Eintrittes eines Sachschadens, sondern in subjektiver Hinsicht das Wissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens; dabei genügt es, wenn die betreffende Person bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang hätte erkennen können.

Im Beschwerdefall stellte die belangte Behörde fest, daß der Beschwerdeführer durch das Zurückfahren mit seinem Pkw mit der vorderen Stoßstange des von der Zeugin K gelenkten Pkws kollidiert habe, sodaß die Stoßstange um ca. 1 cm zurückgestaucht und die Nummerntafel verbogen worden sei. Er habe das Anstoßgeräusch akustisch wahrgenommen "und die Kollision an sich schwingungsmäßig festgestellt".

Hinsichtlich der Frage, ob das Verbiegen einer Kennzeichentafel einen Sachschaden darstellt, sei auf das hg. Erkenntnis vom 31. Oktober 1990, Zl. 90/02/0119, verwiesen. Danach ist diese Frage zu verneinen, wenn eine verbogene Kennzeichentafel ohne nennenswerten Aufwand in ihre ursprüngliche Lage zurückgebogen werden kann, wobei das Zurückbleiben ganz geringfügiger Spuren beim Zurückbiegen jedenfalls nicht ins Gewicht fällt. Im gegenständlichen Fall liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die verbogene Kennzeichentafel nicht ohne nennenswerten Aufwand in ihre ursprüngliche Lage zurückgebogen werden konnte; die Verbiegung der Kennzeichentafel kann daher nicht als Sachschaden angesehen werden.

Die Zurückstauchung der Stoßstange des Fahrzeuges der Zeugin K stellt hingegen einen Sachschaden dar. Dazu führte der dem Verfahren vor der belangten Behörde beigezogene kraftfahrtechnische Sachverständige aus, daß dieser Schaden "für den Laien nicht sofort erkennbar ist". Ob daraus der Schluß zu ziehen ist, daß der Schaden einem Laien auch bei gehöriger Aufmerksamkeit nicht zu Bewußtsein hätte kommen müssen, oder ob damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß er einem Laien zwar bei bloß oberflächlicher Besichtigung, nicht aber bei Anwendung zumutbarer Aufmerksamkeit verborgen geblieben wäre, wurde von der belangten Behörde nicht geprüft. Träfe ersteres zu, könnte dem Beschwerdeführer in subjektiver Hinsicht keine Verletzung der Anhalte-, Mitwirkungs- und Meldepflicht zum Vorwurf gemacht werden.

Damit hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Darüber hinaus belastete sie ihren Bescheid hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 22. Februar 1990, Zl. 89/18/0169) besteht die in der genannten Gesetzesstelle ausgesprochene Verpflichtung nur dann, wenn es bei einem Verkehrsunfall überhaupt zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes kommt oder zu kommen hat. Dies ist immer der Fall, wenn es sich um einen Unfall handelt, bezüglich dessen eine Verständigungspflicht im Sinne des § 4 Abs. 2 StVO 1960 besteht; darüber hinaus aber auch, wenn ein am Unfall Beteiligter die Intervention eines Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes verlangt oder wenn ein am Unfallort etwa zufällig anwesendes Sicherheitsorgan aus eigenem Antrieb eine Tatbestandsaufnahme vornimmt oder deren Vornahme veranlaßt. Im übrigen kann eine Verpflichtung, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, nicht angenommen werden.

Da es im Beschwerdefall im Hinblick auf einen Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden nicht zu einer Aufnahme des Tatbestandes kommen mußte, es auch tatsächlich nicht dazu gekommen ist und eine solche Tatbestandsaufnahme auch nicht verlangt wurde, verkannte die belangte Behörde die Rechtslage, wenn sie den Beschwerdeführer trotzdem eine Übertretung des § 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 anlastete.

Der angefochtene Bescheid war somit hinsichtlich der Verwaltungsübertretungen nach § 4 Abs. 1 lit. a und Abs. 5 StVO 1960 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG und hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 wegen - einer Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgehender - inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Mitwirkung und Feststellung des Sachverhaltes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997030170.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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