TE Vwgh Beschluss 1997/11/5 97/21/0673

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Veröffentlicht am 05.11.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/21/0674

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ungersböck, in der Beschwerdesache des EK, geboren am 20. Jänner 1978, vertreten durch Dr. Andreas Brandtner, Rechtsanwalt in Feldkirch, Drevesstraße 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 28. April 1997, Zl. Frb-4250a-13/97, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde wird abgewiesen.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg, die belangte Behörde, gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz (FrG) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich.

Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers wurde ihm dieser Bescheid am 15. Mai 1997 zu Handen seines Vertreters zugestellt.

Mit der vorliegenden, am 3. Oktober 1997 zur Post gegebenen Beschwerde verbindet der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist mit dem Vorbringen, in der zweiten Hälfte des Juni 1997 seien von der Kanzlei seines Rechtsvertreters mehrere Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof ausgefertigt worden. Sein Rechtsvertreter überwache regelmäßig die Eintragung und Einhaltung der Rechtsmittelfristen. Nach Absendung der Rechtsmittelschrift würden die Fristvormerke von jener Sekretärin durchgestrichen (weil erledigt), welche die Schrift ausgefertigt habe. Offenbar aufgrund der mehreren in der zweiten Junihälfte verfaßten Verwaltungsgerichtshofbeschwerden habe eine Sekretärin seines Rechtsvertreters die ausgefertigten Rechtsmittel bzw. die dazu erfolgten Fristeintragungen verwechselt und versehentlich die in seiner Sache eingetragene Rechtsmittelfrist durchgestrichen. Seinem Rechtsvertreter sei dieser Irrtum aufgrund der mehreren zu jener Zeit ausgefertigten Verwaltungsgerichtshofbeschwerden nicht aufgefallen. Der ansonsten sehr verläßlichen, schon seit zehn Jahren in der Kanzlei seines Vertreters beschäftigten namentlich genannten Sekretärin sei ein solcher Irrtum noch nie unterlaufen. Die Fristversäumung sei erst am 19. September 1997 bemerkt worden, als der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz über die Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes zugestellt worden sei.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter (dessen Verschulden dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist) darf nicht auffallend sorglos gehandelt, somit nicht die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. zum Ganzen etwa den hg. Beschluß vom 2. Oktober 1996, Zl. 96/21/0225).

Vorliegend beruht nach dem Antragsvorbringen die Versäumung der Beschwerdefrist darauf, daß irrtümlicherweise der die Rechtssache des Antragstellers betreffende Fristvormerk im Fristenkalender durchgestrichen wurde. Es sei Aufgabe der Kanzleibediensteten, die Fristensache nach Erledigung im Fristenkalender zu streichen. Der Rechtsanwalt überwache regelmäßig die "Eintragung und Einhaltung der Rechtsmittelfristen". Aus diesem Vorbringen ist nicht erkennbar, ob sich die Überwachung durch den Rechtsanwalt auch auf die Streichungen im Fristenkalender erstreckt und ob unter einer "regelmäßigen Überwachung" eine ständige oder stichprobenartige zu verstehen ist. Ist eine ständige Überwachung des Fristenkalenders durch den Rechtsanwalt gemeint, dann liegt ein nicht nur minderer Grad des Versehens nicht nur dann vor, wenn der Rechtsanwalt die Eintragung der Frist in seinen Terminkalender versäumt (vgl. den bereits genannten Beschluß Zl. 96/21/0225), sondern auch dann, wenn das Streichen einer falschen Beschwerdesache im Fristenkalender nicht auffällt.

Unter der Annahme einer bloß stichprobenartigen Überprüfung des Kanzleibetriebes durch den Rechtsanwalt ist davon auszugehen, daß dem Rechtsanwalt eine Verletzung seiner Sorgfaltspflicht nicht zur Last gelegt werden kann, wenn seine Überwachungsmaßnahmen grundsätzlich als hinreichend anzusehen sind und der Fehler einer bis dahin fehlerfrei arbeitenden zuverlässigen und verläßlichen Kanzleikraft unterlaufen ist (vgl. auch dazu den Beschluß Zl. 96/21/0225). Gerade dazu fehlt jedoch jegliches Vorbringen, das im Zusammenhang mit den obigen Ausführungen zu einer Bewilligung der Wiedereinsetzung führen könnte. Der Beschwerdeführer bringt nicht vor, in welcher Weise der Vertreter des Beschwerdeführers seiner Kontrollpflicht nachgekommen ist. Dieser Kontrollpflicht kommt deswegen besondere Bedeutung zu, weil nach dem Vorbringen im Antrag nicht nur eine Person mit den Streichungen im Fristenkalender beauftragt ist, sondern diese Streichungen von mehreren Personen durchgeführt werden.

In beiden Varianten (ständige oder bloß stichprobenartige Überprüfung des Kanzleibetriebes durch den Rechtsanwalt) ist dem Beschwerdeführer der Nachweis dafür nicht gelungen, daß die Versäumung der Frist auf einem bloß minderen Grad des Versehens beruht, weshalb der Antrag abzuweisen war.

Mangels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war die Beschwerde wegen Versäumung der Einbringungsfrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997210673.X00

Im RIS seit

17.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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