TE Vwgh Erkenntnis 1977/9/20 0262/76

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Veröffentlicht am 20.09.1977
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Index

Abgabenverfahren
10/07 Verwaltungsgerichtshof
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §295
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsidenten Dr. Schimetschek und die Hofräte Hofstätter, Dr. Simon, Dr. Iro und Dr. Drexler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Ministerialsekretär Papp, über die Beschwerde des WR in W, vertreten durch Dr. Friedrich Gatscha, Rechtsanwalt in Wien I, Stubenring 24, gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 26. November 1975, Zl. 6-1860/41/74, betreffend die Einkommensteuer 1968 bis 1971, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Entscheidung über die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1971 richtet, als unbegründet abgewiesen.

Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof beschlossen, die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Entscheidung über die Berufungen gegen die Einkommensteuerbescheide 1968 bis 1970 richtet, zurückzuweisen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Oberste Gerichtshof wies als Revisionsgericht mit seinem Urteil vom 26. April 1967 in Abänderung der vorinstanzlichen Urteile das Begehren des Beschwerdeführers auf Scheidung seiner am 26. Mai 1939 geschlossenen Ehe ab.

Der Beschwerdeführer beantragte in den Einkommensteuererklärungen für 1968 bis 1971 eine Steuerermäßigung wegen der durch die Unterhaltsleistungen an seine von ihm getrennt lebende Gattin und der durch die Zahlung der Kosten des Scheidungsverfahrens erwachsenen außergewöhnlichen Belastungen.

Das Finanzamt versagte in seinen Einkommensteuerbescheiden 1968 bis 1971 diese Steuerermäßigung.

Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland wies die vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Berufungen mit der nunmehr angefochtenen Berufungsentscheidung ab. Die vom Beschwerdeführer als außergewöhnliche Belastungen empfundenen Unterhaltsleistungen an seine von ihm getrennt lebende Gattin hätten 1968 23,4 %, 1969 16,84 %, 1970 13,85 % und 1971 26.05 % seines Einkommens betragen; für 1971, in welchem Jahr der Beschwerdeführer für seine Gattin einen Aufwand von S 47.918,-- getätigt habe, habe dieses Einkommen S 183.954,-- betragen (steuerpflichtiges Einkommen laut Einkommensteuerbescheid S 164.074,--, zuzüglich Absetzungsbetrag gemäß § 93 Abs. 4 EStG 1967 S 7.000,--, zuzüglich steuerfreie Beträge S 3.500,--, zuzüglich sonstige Bezüge S 9.380,--). Einen solchen Betrag, der 30 % des Einkommens nicht übersteige, müsse ein Steuerpflichtiger auch bei gemeinsamen Haushalt für den anständigen Unterhalt seiner Gattin aufwenden. Die Scheidungskosten hingegen seien „aus den vom Finanzamt angeführten Gründen“ - fehlende Zwangsläufigkeit -für eine Steuerermäßigung nicht zu berücksichtigen.

Der Beschwerdeführer behauptet in der gegen den hier wiedergegebenen Teil der Berufungsentscheidung erhobenen Beschwerde, die belangte Behörde sei bei der Ermittlung der 30 % vom Einkommen, die vergleichbare Steuerpflichtige für ihre Gattin aufzuwenden hätten, nicht vom Nettobetrag, sondern vom Bruttoeinkommen ausgegangen. Dies sei rechtswidrig, weil der Unterhaltsanspruch der Gattin vom versteuerten Einkommen, also vom Nettoeinkommen, zu berechnen sei. Die Haushaltstrennung, deren Zwangsläufigkeit nach der Sachlage nicht bestritten werden könne, sei überdies mit Kosten für die Beschaffung einer Wohnung, für die Einrichtung des neuen Haushaltes, etc. verbunden gewesen. Wenngleich dazu im abgabenbehördlichen Verfahren keine Ziffern genannt worden seien, hätte die belangte Behörde darauf, z.B. durch Vernehmung des Beschwerdeführers, Bedacht nehmen müssen. Das vom Beschwerdeführer angestrengte Scheidungsverfahren, dessen Kosten er gleichfalls als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht habe, habe in erster Instanz vier und in zweiter Instanz zwei dem Klagebegehren stattgebende Urteile gezeitigt, ehe es zur Abweisung dieses Klagebegehrens durch den Obersten Gerichtshof gekommen sei. Dies zeige, daß mit einer Abweisung des Scheidungsbegehrens nicht gerechnet habe werden müssen. Neben der juristischen gebe es auch eine menschliche Rechtfertigung des Scheidungsbegehrens. Vom medizinischen Standpunkt aus habe der Sachverständige der Aufhebung der Ehegemeinschaft das Wort geredet. Die Scheidungsklage sei damit durchaus berechtigt und vertretbar gewesen und es seien deshalb die Verfahrenskosten zwangsläufig erwachsen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:

Die Berufungsentscheidung, deren die Einkommensteuerbescheide 1968 bis 1971 betreffender Teil hier angefochten wird, wurde dem Beschwerdeführer am 15. Dezember 1975 zugestellt. Gemäß § 295 BAO ersetzte das Finanzamt am 19. Dezember 1975 die Einkommensteuerbescheide 1968 bis 1970 durch neue Bescheide. Diese neuen Einkommensteuerbescheide 1968 bis 1970 wurden dem Beschwerdeführer am 29. Dezember 1975 zugestellt. Sie sind nach Mitteilung der belangten Behörde in Rechtskraft erwachsen. Die vorliegende Beschwerde wurde am 26. Jänner 1976 zur Post gegeben und langte am 27. Jänner 1976 beim Verwaltungsgerichtshof ein.

Mit der Erlassung der neuen Einkommensteuerbescheide 1968 bis 1970 traten die bisherigen Einkommensteuerbescheide 1968 bis 1970 zur Ganze außer Kraft (vgl. Reeger-Stoll, Die Bundesabgabenordnung5, 458) und es wurde in diesem Umfang auch die Berufungsentscheidung gegenstandslos. Die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, die zu einem Zeitpunkt eingebracht wurde, zu dem der eben erwähnte Teil dieser Berufungsentscheidung nicht mehr dem Rechtsbestand angehörte, ist daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG 1965 insoweit zurückzuweisen, als sie sich gegen die Entscheidung über die jeweils getrennt eingebrachten Berufungen gegen die - alten - Einkommensteuerbescheide 1968 bis 1970 richtet (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. September 1967, Zl. 505/67).

Zu der damit verbleibenden Entscheidung über die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1971 ist festzuhalten, daß sich diese Berufung entgegen der von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift vertretenen Auffassung sowohl gegen die Nichtanerkennung der Unterhaltsleistungen als auch gegen die Nichtanerkennung der Scheidungskosten richtete. Es trifft zwar zu, daß in der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1971, im Gegensatz zu der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1968, die Scheidungskosten nicht ausdrücklich erwähnt werden, doch läßt die Schilderung, warum die getrennte Haushaltsführung und das Scheidungsverfahren notwendig gewesen seien, im Zusammenhalt mit dem Berufungsbegehren, „auf Anerkennung der außergewöhnlichen Belastung“, kaum einen Zweifel über die Absicht des Beschwerdeführers aufkommen, jede Nichtanerkennung der behaupteten außergewöhnlichen Belastungen zu bekämpfen. So und nicht anders verstand es auch die belangte Behörde im Berufungsverfahren, denn in der angefochtenen Berufungsentscheidung heißt es bei der Wiedergabe des Berufungsvorbringens, der Beschwerdeführer habe beantragt, „ihm die begehrte Steuerermäßigung zuzuerkennen“, und zu den Scheidungskosten wird ohne die geringste Einschränkung bemerkt, daß diese „aus den vom Finanzamt angeführten Gründen für eine Steuerermäßigung nicht zu berücksichtigen“ seien.

Gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1967 werden auf Antrag außergewöhnliche Belastungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, insoweit vor Berechnung der Steuer vom Einkommen abgezogen, als sie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Gemäß § 33 Abs. 2 leg. cit. liegt eine außergewöhnliche Belastung, die zu einer Ermäßigung der Einkommensteuer führt, vor, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Gemäß § 33 Abs. 3 leg. cit. erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Gemäß § 33 Abs. 4 leg. cit. wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch außergewöhnliche Belastungen nur insoweit wesentlich beeinträchtigt, als 1) die Aufwendungen die zumutbare, im § 33 Abs. 5 leg. cit. näher bestimmte Mehrbelastung übersteigen und 2) bei nicht laufend wiederkehrenden Aufwendungen ausgenommen Krankheitskosten und Aufwendungen als Folge unabwendbarer und unvorhersehbarer Ereignisse - die Deckung des übersteigenden Betrages (Überbelastungsbetrages) aus vorhandenem Vermögen gemäß § 33 Abs. 7 leg. cit. nicht zumutbar ist.

Der Beschwerdeführer machte 1971 als außergewöhnliche Belastungen die Unterhaltsleistungen an seine von ihm getrennt lebende Gattin, und zwar „Alimentation; Krankenversicherung; Miete für Wohnung, Hausratsversicherung“, sowie Scheidungskosten geltend. Da außergewöhnliche Belastungen nur auf Antrag zu berücksichtigen sind, hatte die belangte Behörde keinen Anlaß, auf weitere ziffernmäßig nicht genannte, nun in der Beschwerde aber bezogene „neue Kosten für die Einrichtung eines neuen Haushalts, Beschaffung einer Wohnung, etc.“ Bedacht zu nehmen.

Zu den als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Scheidungskosten ist dem Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 26. April 1967, dessen dem Beschwerdeführer wesentlich erscheinenden Teile von diesem in Fotokopie im abgabenbehördlichen Verfahren vorgelegt wurden, zu entnehmen, daß selbst die auf Scheidung der Ehe des Beschwerdeführers gemäß § 50 Ehegesetz lautenden Urteile des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien und des Oberlandesgerichtes Wien ausgesprochen hatten, den Beschwerdeführer treffe an der Scheidung ein Verschulden, und daß das auf §§ 49 und 50 Ehegesetz gestützte Scheidungsbegehren letztlich deshalb abgewiesen wurde, weil ihm in jedem Fall die sittliche Rechtfertigung fehlt. Unter diesem Gesichtspunkt sind die Prozeßkosten aus dem Scheidungsverfahren kein Aufwand, dem sich der Beschwerdeführer nicht hätte entziehen können und es ist deshalb der belangten Behörde zuzustimmen, wenn sie hier die Zwangsläufigkeit verneint.

Zu den als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten - und jetzt allein noch verbliebenen - Unterhaltsleistungen ist dem Beschwerdeführer zuzustimmen, daß die Bemessungsgrundlage für den Unterhalt das Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen ist, d.h. sein Gehalt bzw. Lohn samt allen Nebengebühren, jedoch abzüglich der Steuern und Soziallasten bzw. öffentlichen Abgaben (vgl. MGA ABGB30 , § 91 alte Fassung/1 d). Wird, entsprechend dem Beschwerdevorbringen, von dem für 1971 im angefochtenen Bescheid festgestellten und unbestritten gebliebenen Einkommen von S 183.954,-- die für dieses Jahr laut dem Einkommensteuerbescheid zu entrichtende Einkommensteuer von S 46.809,-- abgezogen und erst von S 137.145,-- der Aufwand für den Unterhalt einer im Haushalt des Steuerpflichtigen lebenden Gattin (Normalaufwand) mit den gleichfalls unbestritten gebliebenen 30 % errechnet, dann ergibt dies S 41.143,--. Die vom Beschwerdeführer mit S 47.918,-- geltend gemachten Unterhaltsleistungen zeigen demgegenüber zwar eine Mehrbelastung von S 6.775,--, doch überschreitet diese die zumutbare Mehrbelastung von S 9.197,--, das sind 5 % der unbestritten gebliebenen S 183.954,--, nicht.

Die Beschwerde ist daher, soweit sie sich gegen die Entscheidung über die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1971 richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 in der Fassung BGBl. Nr. 316/1976 als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 19. Dezember 1974, BGBl. Nr. 4/1975.

Wien, am 20. September 1977

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Finanzverwaltung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1977:1976000262.X00

Im RIS seit

09.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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