TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/7 96/19/0888

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Veröffentlicht am 07.11.1997
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Index

22/02 Zivilprozessordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §63 Abs5;
ZPO §292 Abs2;
ZustG §17 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, über die Beschwerde der S S in Wien, geboren 1950, vertreten durch Dr. Robert Wallentin, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 6-8, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. Jänner 1996, Zl. 304.999/2-III/11/96, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. einer Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin verfügte nach der Aktenlage über Wiedereinreisesichtvermerke für die Zeiträume vom 21. August 1992 bis 28. Februar 1993 und vom 24. Februar 1993 bis 30. Jänner 1994. In weiterer Folge wurden ihr Aufenthaltsbewilligungen zum Zwecke der Familiengemeinschaft für die Zeiträume vom 31. Jänner 1994 bis 31. Jänner 1995 sowie vom 1. Februar 1995 bis 25. September 1995 erteilt.

Sie beantragte am 14. Juli 1995 die Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz durch Ankreuzen der Fallvariante "Verlängerungsantrag" zum Zweck der Familiengemeinschaft.

Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 14. November 1995 diesen Antrag gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes "mangels eines gesicherten Lebensunterhaltes für die Dauer der Bewilligung" ab. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin durch Hinterlegung beim Postamt 1162 Wien zugestellt, wobei der Beginn der Abholfrist mit 24.11.1995 angegeben ist.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin am 12. Dezember 1995 Berufung.

Der Bundesminister für Inneres wies mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. Jänner 1996 die Berufung der Beschwerdeführerin zurück.

Die belangte Behörde begründete wie folgt:

"Berufungen sind gemäß § 63 Abs. 5 AVG binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung einzubringen. Da die Zustellung rechtswirksam am 24.11.1995 erfolgte und ihre Berufung erst am 12.12.1995 und daher verspätet eingebracht wurde, war spruchgemäß zu entscheiden."

Die Beschwerdeführerin bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt die Aufhebung aus diesen Gründen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Die Beschwerdeführerin tritt der Annahme der belangten Behörde, daß die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides am 24. November 1995 rechtswirksam erfolgt sei, mit der Behauptung entgegen, sie habe (zu ergänzen: den erstinstanzlichen Bescheid) "am 28.11.1995 zugestellt erhalten".

Vor Zurückweisung einer Berufung als verspätet hat die Behörde entweder von Amts wegen zu prüfen, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1951, Slg. NF. Nr. 2367/A), wenn nämlich Umstände auf einen solchen hinweisen, oder dem Berufungswerber die offenbare Verspätung seiner Rechtsmittels vorzuhalten. Unterläßt sie dies, so kann der Berufungswerber ohne Verstoß gegen das Neuerungsverbot den Zustellmangel in seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof dartun (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 23. März 1988, Zl. 88/18/0048). Geht die Behörde von der Feststellung des Versäumung der Rechtsmittelfrist aus, ohne dies dem Berufungswerber vorgehalten zu haben, so hat sie das Risiko einer Bescheidaufhebung zu tragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. März 1994, Zl. 94/10/0010, mwN).

Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt jedoch nicht auf jeden Fall zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, sondern nur dann, wenn der Verfahrensmangel im zu prüfenden Fall von Einfluß auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides sein konnte. Es obliegt der beschwerdeführenden Partei, in der Beschwerde (gegebenenfalls unter Anführung von Beweisen) darzutun, inwiefern die belangte Behörde bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschriften (im gegenständlichen Fall: des Rechtes auf Parteiengehör) zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Gemäß dem im Akt erliegenden Rückschein wurde der erstinstanzliche Bescheid für die Beschwerdeführerin nach dem Zustellversuch am 23. November 1995 unter Einlegung einer Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach beim Postamt 1162 Wien mit Beginn der Abholfrist 24. November 1995 hinterliegt. Der Zustellnachweis weist keinen äußeren Mangel auf. Derartige Zustellnachweise sind öffentliche Urkunden, die den Beweis dafür erbringen, daß die Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, doch ist der Gegenbeweis gemäß § 292 Abs. 2 ZPO offen. Behauptet jemand, es lägen Zustellungsmängel vor, so hat er diese Behauptung auch entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, die die vom Gesetz im Zusammenhang mit einem vorhandenen Rückschein aufgestellte Vermutung der vorschriftsmäßigen Zustellung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. April 1997, Zlen. 95/19/1564 bis 1566).

Die Behauptung der Beschwerdeführerin, den erstinstanzlichen Bescheid am 28. November 1995 zugestellt erhalten zu haben, ist für sich allein nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit des Zustellvorganges zu erwecken.

Offenbar verwechselt die Beschwerdeführerin den Vorgang der rechtsgültigen Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz mit dem tatsächlichen Zukommen durch Übernahme der hinterlegten Sendung seitens des Empfängers. Die (allfällige) Übernahme durch die Beschwerdeführerin am 28. November 1994 ist jedoch rechtlich unbedeutend, da es gemäß § 17 Abs. 3 dritter Satz des Zustellgesetzes ausschließlich auf den Tag ankommt, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird.

Da die Angaben der Beschwerdeführerin sohin nicht dartun können, inwiefern die belangte Behörde bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschrift zu einem anderen Bescheid gelangt wäre, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996190888.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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