TE Vwgh Erkenntnis 2020/9/14 Ra 2019/17/0005

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Veröffentlicht am 14.09.2020
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §46
AVG §58 Abs2
AVG §60
VStG §24
VwGVG 2014 §38

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des N S in F, vertreten durch Dr. Hanno Lecher, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Hintere Achmühlerstraße 1a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 29. Oktober 2018, LVwG-1-424/2018-R14, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Feldkirch), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 18. Juli 2018 wurde über den Revisionswerber wegen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz - GSpG mit einem Glücksspielgerät („Tablet“) eine Geldstrafe von EUR 6.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 67 Stunden) verhängt. Er habe als Pächter einer näher bezeichneten Tankstelle zu verantworten, dass zumindest am 12. April 2018 Glücksspiele in Form von verbotenen Ausspielungen in dieser Tankstelle unternehmerisch zugänglich gemacht worden seien. Er habe gegen Entgelt die Veranstaltung der verbotenen Ausspielungen in seinem Lokal geduldet. Weiters habe er Personal zur Aufladung von Guthaben auf das „Tablet“ (nach Erhalt von Bargeld) und zur Auszahlung allfälliger erzielter Gewinne angehalten. Ferner wurde dem Revisionswerber gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG aufgetragen, als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens den Betrag von EUR 600,-- zu zahlen.

2        Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (Verwaltungsgericht) der Beschwerde keine Folge und bestätigte das Straferkenntnis mit der Maßgabe einer hier nicht wesentlichen Änderung des Spruches in seiner Tatumschreibung. Weiters setzte es den Kostenbeitrag des Beschwerdeverfahrens mit EUR 1.200,-- fest und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3        Das Verwaltungsgericht stellte (u.a.) fest, auf einem der vier vorgefundenen Glücksspielgeräte („Tablets“) sei zu Beginn der Kontrolle durch einen Kunden der Tankstelle ein näher genanntes Walzenspiel gespielt worden. Der Kunde habe dafür bei E.S., einem Angestellten der Tankstelle, ein PaySafe-Card-Guthaben gekauft. Nach Eingabe des PaySafe-Card-PIN-Codes durch diesen Angestellten habe auf der aufgerufenen Webseite ein näher bezeichnetes Walzenspiel gespielt werden können. Ein allfälliger Gewinn wäre durch den Angestellten der Tankstelle (E.S.) in bar ausbezahlt worden.

4        Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5        1. Die Revision erweist sich bereits im Hinblick auf die Behauptung als zulässig, das Verwaltungsgericht habe dadurch gegen wesentliche Verfahrensvorschriften verstoßen und es sei ihm im Verfahren ein relevanter Verfahrensmangel dadurch unterlaufen, dass es die Einvernahme des - vom Revisionswerber geführten – Zeugen E.S. unterlassen habe. Die Revision führt dazu unter anderem aus, der Revisionswerber habe bestritten, dass mit Pay-Safe-Guthaben Glücksspiele betrieben und allfällige Gewinne von seinem Sohn E.S. ausbezahlt worden seien. Zu diesem entscheidungswesentlichen Punkt habe er E.S. als Zeugen angeboten. Wäre dieser vernommen worden, hätte dieser die Verantwortung des Revisionswerbers bestätigen können, was zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.

6        Dieses Vorbringen führt die Revision zum Erfolg.

7        2.1. Zwar obliegt es regelmäßig der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, ob eine beantragte Beweisaufnahme notwendig ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt ist und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hat (vgl. VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0164; 6.5.2020, Ra 2019/08/0162, jeweils mwN).

8        2.2. Eine solche Fehlbeurteilung ist fallbezogen allerdings zu bejahen, ist Beweisanträgen doch grundsätzlich zu entsprechen, wenn die Aufnahme des begehrten Beweises, dessen Durchführung möglich ist, im Interesse der Wahrheitsfindung notwendig erscheint. Dementsprechend dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel an sich ungeeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern und damit zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts beizutragen (vgl. für wiederum VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0164, mwN). Keiner dieser Umstände liegt im Revisionsfall vor.

9        2.3. Das Absehen von der Einvernahme eines Zeugen, weil sich dieser etwa lediglich vorübergehend im Ausland aufhält, nimmt weder auf die Erforderlichkeit noch die dauerhafte Unmöglichkeit der Beweisaufnahme konkret Bezug. Es ist einem begründungslosen Hinwegsetzen über einen gestellten - und nicht von vornherein untauglichen - Beweisantrag gleichzuhalten, was unzulässig ist (vgl. zum krankheitsbedingten Nichterscheinen VwGH 21.3.2017, Ra 2016/12/0121, mwN; zur Frage der Vernehmung eines im Ausland aufhältigen Zeugen vgl. im Übrigen etwa VwGH 17.12.2013, 2012/09/0104, und ferner VwGH 25.4.2019, Ra 2018/09/0212, wonach die zu der durch BGBl. I Nr. 33/2013, aufgehobenen Bestimmung des § 51g Abs. 3 Z 1 VStG ergangene hg. Judikatur auf das Verwaltungsstrafverfahren vor den Verwaltungsgerichten übertragen werden kann).

10       2.4. Nach Ausweis der vorgelegten Verfahrensakten wurde E.S. als Zeuge vom Verwaltungsgericht - ob von Amts wegen oder aufgrund eines Beweisantrages (unter Bezeichnung eines konkreten Beweisthemas) ist dem angefochtenen Erkenntnis nicht zu entnehmen - zur mündlichen Verhandlung am 8. Oktober 2018 geladen, zu der dieser jedoch trotz ausgewiesener Zustellung der Ladung an einer (näher bezeichneten) inländischen Anschrift nicht erschienen ist. Der diesbezüglichen Verhandlungsschrift zufolge gab der Revisionswerber in dieser Verhandlung an, dass sich sein Sohn E.S. in Bosnien aufhalte und zu dieser Verhandlung nicht erscheinen werde sowie dass die „Einvernahme“ des E.S. als Zeugen „aufrecht erhalten“ werde.

11       Im angefochtenen Erkenntnis begründete das Verwaltungsgericht die Abstandnahme von einer neuerlichen Ladung und einer Vernehmung des Zeugen E.S. in einer fortgesetzten Verhandlung damit, dass sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt auch ohne Angaben dieses zur mündlichen Verhandlung am 8. Oktober 2018 ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der sich zum Zeitpunkt dieser mündlichen Verhandlung in Bosnien aufgehalten habe und daher nicht habe vernommen werden können, aus den (näher bezeichneten) anderen Beweismitteln klar ergebe und einer rechtlichen Beurteilung zuführbar sei.

12       Das Verwaltungsgericht darf sich gemäß ständiger hg. Rechtsprechung über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen. Nach ständiger hg. Judikatur ist dem AVG (vgl. zur Anwendbarkeit im vorliegenden Fall § 38 VwGVG iVm § 24 VStG und § 45 Abs. 2 AVG) eine antizipierende Beweiswürdigung fremd und dürfen Beweisanträge - wie oben bereits erwähnt - nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich bzw. an sich nicht geeignet ist, über den beweiserheblichen Gegenstand einen Beweis zu liefern (vgl. etwa VwGH 26.2.2020, Ra 2019/17/0098, mwN).

13       2.5. Dass der Beweis durch Vernehmung des E.S. als Zeugen untauglich bzw. an sich nicht geeignet wäre, über den beweiserheblichen Gegenstand einen Beweis zu liefern, ergibt sich aus den Ausführungen des Verwaltungsgerichtes nicht und ist vor dem Hintergrund der im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen auch nicht ersichtlich.

14       2.6. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Durchführung der beantragten Zeugenbefragung abweichende Feststellungen zur Auszahlung der Gewinne ermöglicht und damit ein anderes Verfahrensergebnis bewirkt hätte, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.

15       Gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG konnte von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

16       3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 15. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019170005.L00

Im RIS seit

10.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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