TE Vwgh Beschluss 2020/9/14 Ra 2019/15/0146

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Veröffentlicht am 14.09.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

ABGB §1053
ABGB §936
BAO §198
BAO §201
BAO §24 Abs1 litd
B-VG Art133 Abs4
EStG 1988 §30
EStG 1988 §30 Abs1 Z1 lita
EStG 1988 §30 Abs4 idF 2012/I/022
EStG 1988 §30b
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des R W in G, vertreten durch Dr. Alexander Haas, Rechtsanwalt in 8054 Graz-Seiersberg, Haushamerstraße 1, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 7. August 2019, Zl. RV/2100166/2017, betreffend Einkommensteuer 2013, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Der Revisionswerber veräußerte mit Kaufvertrag vom 15. Februar 2013 eine Liegenschaft, deren eine Hälfte er im Jahr 1983 erworben hatte. Strittig ist, ob der Erwerb der zweiten Liegenschaftshälfte durch den Revisionswerber bereits mit Kaufanbot (samt Zusatzvereinbarungen) vom 8. August 1994 erfolgt ist (Vorliegen wirtschaftlichen Eigentums) und sohin für Zwecke der Immobilienertragsteuer gemäß § 30 EStG 1988 auch für diesen Hälfteanteil von „Altvermögen“ iSd § 30 Abs. 4 EStG 1988 auszugehen wäre.

2        Der Revisionswerber erfasste die Grundstücksveräußerung in seiner Einkommensteuererklärung 2013 mit einer Bemessungsgrundlage (für Altvermögen) von 175.000 € und ermittelte solcherart eine Immobilienertragsteuer von 43.750 €.

3        Im Gefolge einer Außenprüfung setzte das Finanzamt die Immobilienertragsteuer hingegen mit 155.771,97 € fest (Bescheid gemäß § 201 BAO). Die zweite Liegenschaftshälfte sei erst mit Kaufvertrag vom 19. Juni 2008 in das Eigentum des Revisionswerbers übergegangen und stelle somit „Neuvermögen“ dar. Bis zu diesem Zeitpunkt habe lediglich eine Kaufoption des Revisionswerbers auf Erwerb der zweiten Liegenschaftshälfte bestanden.

4        In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde beantragt, die Immobilienertragsteuer wiederum mit 43.750 € festzusetzen. Begründend brachte der Revisionswerber vor, es handle sich auch beim Verkauf der zweiten Liegenschaftshälfte nicht um „Neuvermögen“, weil sich aus dem Gesamtbild der Umstände ergebe, dass der Kauf der gesamten Liegenschaft tatsächlich schon im Jahr 1983 von den Parteien gewünscht, aber rechtlich nicht möglich gewesen wäre, da die zweite Liegenschaftshälfte mit der fideikommissarischen Substitution zu Gunsten dreier Personen belastet gewesen sei. Ein Verkauf dieser Liegenschaftshälfte hätte nur an diese drei Personen erfolgen können.

5        Der gleichzeitige Abschluss und die Verknüpfung von Optionsrecht und Darlehensvertrag (beide nicht vorzeitig kündbar) im Jahr 1994 sei die rechtlich möglich gewesene äußere Erscheinungsform des beiderseitigen Willens gewesen. Die Verkäufer hätten ihr Benutzungsrecht nach 1994 nicht mehr geltend gemacht und der Revisionswerber habe sämtliche Kosten und Abgaben der gesamten Liegenschaft seit 1983 bezahlt. Die Verkäufer hätten sich nur mehr als formelle Eigentümer gesehen, den „wirtschaftlichen Kaufpreis“ hätten sie in Form eines Darlehens ohnehin schon erhalten. Beide Seiten seien davon ausgegangen, dass ein Verkauf vollzogen werden solle, für den erst zu einem unbestimmten künftigen Zeitpunkt der richtige Rechtstitel formuliert würde. Auch wenn bei Optionsgeschäften das relevante Verpflichtungsgeschäft erst mit Ausübung der Option zustande komme, ändere dies nichts an einem früheren Übergang des wirtschaftlichen Eigentums. Aus den Gesamtumständen, nämlich der Aufgabe des faktischen und wirtschaftlichen Eigentumsanspruchs der Verkäufer, der gesamten Kostentragung und Pflege der Liegenschaft durch den Revisionswerber, der Zurechnung der Chancen einer Wertsteigerung an den Revisionswerber sowie der tatsächlichen zivilrechtlichen Übertragung sofort nach Eintritt der rechtlichen Möglichkeit, sei dem Revisionswerber ab dem 8. August 1994 das wirtschaftliche Eigentum auch an der zweiten Liegenschaftshälfte zuzurechnen gewesen.

6        Nach Ergehen einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung wies auch das auf Grund eines Vorlageantrages zuständig gewordene Bundesfinanzgericht (BFG) die Beschwerde als unbegründet ab. Weiters sprach es aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7        Die Verkäufer seien dem Revisionswerber auf Grund des Kaufanbots vom 8. August 1994 zwar innerhalb der darin festgelegten Frist (bis zum Ablauf von zwölf Monaten nach schriftlicher Bekanntgabe vom Ableben der Nacherbberechtigten) im Wort gestanden. Mit diesem Anbot sei jedoch keine auch den Revisionswerber bindende Vereinbarung vorgelegen, auf Grund deren die Eigentümer der Liegenschaft ihrerseits auf Abschluss eines Kaufvertrages hätten dringen können. Aus dem Anbot gehe klar hervor, dass damit nur dem Revisionswerber ein Recht auf Erwerb der zweiten Liegenschaftshälfte um den vereinbarten Kaufpreis von 1,2 Mio. S unter Einhaltung der genannten Fristen eingeräumt werde. Eine beide Vertragsparteien bindende, einen späteren Kaufvertrag wirtschaftlich vorwegnehmende Vereinbarung sei nicht gegeben (Hinweis auf VwGH 20.11.1997, 96/15/0256).

8        Zweifellos sei der Revisionswerber auf Grund dieses Anbots auch noch nicht in der Lage gewesen, maßgebliche sachenrechtliche Verfügungen im Hinblick auf diese Liegenschaftshälfte zu treffen. Es treffe daher nicht zu, dass dem Revisionswerber auf Grund dieses Anbots bereits eine eigentümerähnliche Stellung zugekommen wäre, welche sein wirtschaftliches Eigentum am zweiten Hälfteanteil hätte begründen können.

9        An dieser Beurteilung vermögen auch die im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Anbot vom 8. August 1994 getroffenen weiteren Vereinbarungen (Darlehensvertrag über die Kaufsumme, Pfandbestellung) nichts zu ändern. Darauf hinzuweisen sei zudem, dass der Revisionswerber sowohl auf Grund des Anbots vom 8. August 1994 als auch auf Grund des Kaufvertrages vom 19. Juni 2008 erst ab dem Zeitpunkt der Annahme des Anbotes bzw. mit dem Abschluss des Kaufvertrages „in den faktischen Besitz und Genuss der verkauften Liegenschaftsanteile“ eintreten und erst „von da an Wag und Gefahr“ tragen sollte. Auch dies spreche klar gegen den früheren Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums.

10       Der Revisionswerber habe im Beschwerdeschriftsatz zunächst ausgeführt, eine Eigentumsübertragung sei auf Grund der bestehenden fideikommissarischen Substitution nicht möglich gewesen. In einer ergänzenden Eingabe an das BFG habe er diese Ansicht revidiert und gemeint, dass die Vorerben das belastete Vermögen zwar hätten veräußern können, in weiterer Folge aber verpflichtet gewesen wären, einen allfälligen Veräußerungserlös an die Begünstigten weiterzugeben. Dem BFG sei die konkrete inhaltliche Ausgestaltung der gegenständlich vorliegenden fideikommissarischen Substitution nicht bekannt. Für die steuerliche Beurteilung könne es jedoch ohnehin dahingestellt bleiben, ob ein Eigentumsübergang an den Revisionswerber bereits im Jahr 1994 rechtlich möglich gewesen wäre oder nicht. Denn eine Veräußerung durch die Vorerben sei unbestritten nicht erfolgt.

11       Der Revisionswerber übersehe, dass die Aufgabe des faktischen Besitzanspruchs durch die Vorerben für die Begründung des wirtschaftlichen Eigentums nicht ausreichend sei. Auch wenn der Revisionswerber das Grundstück gebrauchen, verändern und die Eigentümer - weitestgehend - von der Nutzung habe ausschließen können, hätte dennoch die Möglichkeit (Gefahr) bestanden, dass der Nacherbsfall eintrete. Durch die bücherliche Eintragung der fideikommissarischen Substitution wäre im Substitutionsfall der Wille der Verkäufer (Vorerben) hinter die Rechte der Nacherben gerückt. Wäre dieser Fall eingetreten, hätte der Revisionswerber keine rechtlich durchsetzbare Möglichkeit gehabt, das Anbot anzunehmen.

12       Das relevante Verpflichtungsgeschäft sei daher erst mit Ausübung der Option am 19. Juni 2008 zustande gekommen, somit sei die nach dem 31. März 2012 anzuwendende Rechtslage maßgeblich. Das Grundstück gelte als am 31. März 2012 steuerverfangen iSd § 30 Abs. 4 EStG 1988, da an diesem Tag die Spekulationsfrist iSd § 30 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 idF vor dem 1. Stabilisationsgesetz 2012 noch nicht abgelaufen war. Somit sei hinsichtlich der strittigen zweiten Liegenschaftshälfte „Neuvermögen“ veräußert worden.

13       Eine (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nicht zulässig, weil der VwGH bereits mehrfach judiziert habe, dass ein Kaufanbot oder die Einräumung einer Kaufoption noch kein wirtschaftliches Eigentum verschaffe (Hinweis u.a. auf VwGH 20.11.1997, 96/15/0256).

14       Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren eingeleitet hat.

15       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

16       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).

17       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

18       Zur Zulässigkeit wird in der Revision geltend gemacht, es stelle sich die Frage grundsätzlicher Art, inwieweit dem BFG darin zu folgen sei, dass die Möglichkeit des Eintrittes des Substitutionsfalles von vornherein die Verschaffung von wirtschaftlichem Eigentum iSd BAO ausschließe. Das BFG gestehe selbst zu, dass der Revisionswerber vorgebracht habe, dass den Vorerben die Veräußerung der Liegenschaften gegen Weitergabe des Veräußerungserlöses an die Nacherben gestattet gewesen wäre. Die vorliegende Entscheidung stehe in Widerspruch zum Erkenntnis des VwGH vom 30. April 2019, Ra 2017/15/0071. „Dies, da das Bundesfinanzgericht zwar davon ausgeht, dass die Rechtsvorgänger des Revisionswerbers diesem nie ein zivilrechtliches Eigentum verschaffen wollten, dabei aber verkennt, dass ein wirtschaftliches Eigentum ausreicht“. Gegenständlich sei dem Revisionswerber 1983 ein umfassendes unkündbares Nutzungsrecht hinsichtlich der halben Liegenschaftsanteile eingeräumt worden und 1994 im Rahmen eines Anbotes der Kaufpreis endgültig festgelegt worden. Dieser Kaufpreis sei im Rahmen eines im Gegenzug gewährten Darlehens (unverzinst und nicht wertgesichert) bereits derart an seine Rechtsvorgänger zur Auszahlung gebracht worden, als im Rahmen einer Zusatzvereinbarung bestimmt worden sei, für den Fall der Annahme des Anbotes sei der Kaufpreis mit diesem Darlehen als gegenverrechnet anzusehen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt sei klar gewesen, dass der Revisionswerber wirtschaftlicher Eigentümer hinsichtlich der gesamten Liegenschaft geworden sei und es wirtschaftlich auch keinen anderen Sinn gehabt hätte, als das Anbot anzunehmen. Denn für den Fall der Nichtannahme hätte er das Darlehen unverzinst und nicht wertgesichert zurückerhalten, womit ein wirtschaftlicher Schaden eingetreten wäre.

19       Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.

20       Gemäß § 30 Abs. 3 EStG 1988 ist als Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen im Wesentlichen der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den Anschaffungskosten anzusetzen.

21       Soweit Grundstücke am 31. März 2012 ohne Berücksichtigung von Steuerbefreiungen nicht steuerverfangen waren, sind die Einkünfte nach § 30 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 hingegen im Allgemeinen mit dem Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den mit 86% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten anzusetzen.

22       Ein Grundstück gilt als am 31. März 2012 nicht steuerverfangen iSd § 30 Abs. 4 EStG 1988, wenn an diesem Tag die Spekulationsfrist iSd § 30 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 idF vor dem 1. StabG 2012, BGBl. I Nr. 22/2012, abgelaufen war (vgl. VwGH 18.10.2018, Ro 2016/15/0013, mwN). Diese Spekulationsfrist betrug bei Grundstücken im Allgemeinen zehn Jahre ab Anschaffung.

23       Unter Anschaffung und Veräußerung iSd § 30 EStG 1988 (idF vor dem 1. StabG 2012) sind bei der privaten Grundstücksveräußerung die schuldrechtlichen, auf die Eigentumsübertragung ausgerichteten Rechtsgeschäfte zu verstehen. Für die Berechnung der Spekulationsfrist ist daher der Zeitpunkt des Zustandekommens dieser schuldrechtlichen Rechtsgeschäfte - insbesondere Kaufverträge - maßgeblich. Allerdings kommt es ausnahmsweise nicht auf den Zeitpunkt eines solchen Rechtsgeschäftes an, wenn die Vertragsparteien bereits vorher eine Vereinbarung geschlossen haben, aufgrund derer das wirtschaftliche Eigentum übergegangen ist (vgl. VwGH 23.1.2019, Ra 2018/13/0052, mwN).

24       Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits vielfach mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen vom Vorliegen wirtschaftlichen Eigentums ausgegangen werden kann (vgl. im Zusammenhang mit der Immobilienertragsteuer VwGH 24.10.2019, Ro 2019/15/0177). Nach dieser Rechtsprechung bedarf es dazu einer beide Vertragsparteien bindenden, einen späteren Kaufvertrag wirtschaftlich vorwegnehmenden Vereinbarung, sodass insbesondere die Chance von Wertsteigerungen und die Gefahr von Wertminderungen übergangen ist. Ein (auch unwiderrufliches) Kaufanbot oder eine bloße Kaufoption sind hiefür nicht ausreichend (vgl. VwGH 20.11.1997, 96/15/0256, VwSlg. 7235/F, mwN; vgl. weiters - die Bindung beider Parteien betonend - VwGH 7.4.1981, 3294/80; 8.2.1989, 88/13/0049; vgl. weiters VwGH 23.1.2019, Ra 2018/13/0052, mwN; zur Rechtslage nach dem 1. StabG 2012 vgl. VwGH 3.4.2019, Ra 2017/15/0098).

25       Der Revisionswerber macht als Zulässigkeitsgrund geltend, die angefochtene Entscheidung des BFG weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum wirtschaftlichen Eigentum ab, und verweist hiezu auf das Erkenntnis vom 30. April 2019, Ra 2017/15/0071.

26       Das genannte Erkenntnis behandelt die abgabenrechtliche Einordnung von Miet- oder Leasingverträgen mit Kaufoption. Der Verwaltungsgerichtshof sprach aus, dass es entscheidend darauf ankommt, ob der Mieter oder Leasingnehmer mit der Überlassung des Mietgegenstandes oder Leasinggutes bereits dessen wirtschaftlicher Eigentümer im Sinne des § 24 Abs. 1 lit. d BAO wird. Hiefür ist insbesondere von Bedeutung, wer die Chance von Wertsteigerungen und das Risiko von Wertminderungen trägt. Auch ist zu prüfen, ob die Optionsausübung die einzige wirtschaftlich rationale Möglichkeit für den Mieter oder Leasingnehmer darstellt.

27       Der Revisionswerber verweist im Rahmen seiner Zulässigkeitsausführungen darauf, dass der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis vom 30. April 2019, Ra 2017/15/0071, davon ausgehe, wirtschaftliches Eigentum des Leasingnehmers liege vor, wenn er auf Grund massiver finanzieller Vorleistungen „quasi keinerlei andere Möglichkeit“ habe, als das Kaufanbot anzunehmen. Eine derartige Konstellation liege gegenständlich vor, weil der Revisionswerber im Falle der Nichtausübung der Option nur den unverzinsten und nicht wertgesicherten Darlehensbetrag von den Vorerben hätte zurückerhalten können, was den Eintritt eines massiven wirtschaftlichen Schadens bedeutet hätte.

28       Das BFG hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass es den „weitgehenden Kauf- und Bindungswillen“ des Revisionswerbers (und auch der Vorerben) „keineswegs in Abrede“ stelle. Allerdings wäre durch die bücherliche Eintragung der fideikommissarischen Substitution im Substitutionsfalle der Wille der Vorerben hinter die Rechte der Nacherben gerückt. Der Revisionswerber habe im Substitutionsfall keine rechtlich durchsetzbare Möglichkeit gehabt, das Anbot anzunehmen. Diesen Ausführungen tritt die Revision nicht entgegen. Damit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt aber entscheidend von Leasingvereinbarungen, mit denen dem Leasingnehmer nach Ablauf einer bestimmten Zeit ein Recht auf Erwerb des Leasinggutes eingeräumt ist. Das vorliegende Erkenntnis steht schon deshalb nicht in Widerspruch zum Erkenntnis vom 30. April 2019, Ra 2017/15/0071.

29       Der Vorwurf, das BFG habe verkannt, dass - im Ausnahmsfall - die (seinerzeitige) Spekulationsfrist schon vor Abschluss des eigentlichen Kaufvertrages zu laufen habe beginnen können, trifft nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat sich vielmehr gerade unter diesem Gesichtspunkt mit den vorliegenden Vereinbarungen auseinandergesetzt und neben der Ungewissheit, ob ein künftiger Eigentumserwerb überhaupt jemals möglich sein werde, auch Aspekte der Gefahrtragung dafür ins Treffen geführt, das Vorliegen wirtschaftlichen Eigentums an der zweiten Liegenschaftshälfte vor Abschluss des zivilrechtlichen Kaufvertrages zu verneinen.

30       Soweit der Revisionswerber als Grundsatzfrage geklärt haben möchte, ob die Möglichkeit des Eintrittes des Substitutionsfalles von vornherein (bei jeglicher rechtlicher Gestaltung der fideikommissarischen Substitution) der Verschaffung wirtschaftlichen Eigentums durch die Vorerben entgegenstehen müsse, geht es um die Beantwortung einer abstrakten Rechtsfrage, für die der Verwaltungsgerichtshof auf Grund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG nicht zuständig ist (vgl. VwGH 29.4.2015, Ra 2015/06/0041).

31       Nach dem Gesagten war die Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 iVm Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.

32       Gelingt es einer (außerordentlichen) Revision mit den von ihr vorgebrachten Rechtsfragen nicht, die Zulässigkeitsschwelle des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überschreiten, ist es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, auf eine andere Rechtsfrage einzugehen (vgl. VwGH 20.5.2015, Ra 2014/19/0175; VwGH 21.4.2015, Ra 2014/01/0212). Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher nicht als Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung aufzugreifen, dass im gegenständlichen Fall die Immobilienertragsteuer mit einem vom Einkommensteuerbescheid abgesonderten Bescheid vorgeschrieben worden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat eine Vorschreibung der Immobilienertragsteuer durch das Finanzamt im Einkommensteuerbescheid zu erfolgen; auch die Korrektur des vom Parteienvertreter selbstberechneten Betrages an Immobilienertragsteuer hat somit im Wege der Veranlagung zur Einkommensteuer (bzw. gegebenenfalls Körperschaftsteuer) zu erfolgen (vgl. VwGH 3.9.2019, Ro 2019/15/0016, mwN). Die (gesonderte) Festsetzung der Immobilienertragsteuer (durch einen Bescheid nach § 201 BAO) ist nicht zulässig (vgl. VwGH 26.11.2015, Ro 2015/15/0005).

33       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 14. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019150146.L00

Im RIS seit

12.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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