TE Vwgh Beschluss 2020/9/15 Ra 2020/15/0073

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Veröffentlicht am 15.09.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
23/01 Insolvenzordnung
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §80
IO §114 Abs1
IO §2 Abs2
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und den Hofrat Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der H GmbH als Masseverwalter im Konkurs der X GmbH in K, vertreten durch Mag. Dr. Florian Legit, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 26, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom 3. Februar 2020, Zl. RV/3100451/2019, betreffend Zurücknahme einer Beschwerde hinsichtlich Umsatz- (2016 und 2017), Körperschaft- (2016) und Kapitalertragsteuer (2016 und 2017) sowie Anspruchszinsen (2016) gemäß § 85 Abs. 2 BAO, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Bei der X GmbH, über deren Vermögen mit Beschluss des Landesgerichtes Y vom 11. November 2019 das Konkursverfahren eröffnet worden ist, wurde im Jahr 2018 eine die Jahre 2015 und 2016 sowie den Nachschauzeitraum Jänner 2017 bis Februar 2018 umfassende Außenprüfung durchgeführt.

2        Im Anschluss an die Außenprüfung erließ das Finanzamt - teilweise nach Wiederaufnahme der Verfahren - Bescheide betreffend Umsatz- (2016 und 2017), Körperschaft- (2016) sowie Kapitalertragsteuer (2016 und 2017) und setzte Anspruchszinsen für das Jahr 2016 fest (Ausfertigungsdatum der Bescheide war jeweils der 21. November 2018).

3        Die X GmbH brachte mit Eingabe vom 21. Dezember 2018 Beschwerde gegen die im Anschluss an die Außenprüfung ergangenen Bescheide ein.

4        Mit dem angefochtenen Beschluss erklärte das Bundesfinanzgericht die Beschwerde vom 21. Dezember 2018 gemäß § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen und eine Revision gegen den Beschluss für nicht zulässig.

5        Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Die Revision führt zu ihrer Zulässigkeit aus, der Beschluss weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach eine nach Konkurseröffnung an den Gemeinschuldner gerichtete Erledigung auch dann ins Leere gehe, wenn sie an den Gemeinschuldner, zu Handen des Masseverwalters gerichtet sei (Hinweis auf VwGH 26.8.2009, 2009/13/0076; 24.6.2009, 2009/15/0044; 28.5.2009, 2009/15/0009; 24.7.2007, 2006/14/0065). Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses liege darin, dass dieser die Gemeinschuldnerin (Revisionswerberin) zur Adressatin erkläre. Während des Konkursverfahrens dürften „Bescheide“ nicht an den Gemeinschuldner gerichtet werden. Erledigungen, die - wie im Revisionsfall - die Masse beträfen, seien vielmehr an den Masseverwalter zu richten.

10       Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt.

11       Durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerpflichtigen wird das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen (§ 2 Abs. 2 der Insolvenzordnung). Der Insolvenzverwalter ist für die Zeit seiner Bestellung betreffend die Insolvenzmasse - soweit die Befugnisse des Schuldners beschränkt sind - gesetzlicher Vertreter des Schuldners iSd § 80 BAO (vgl. VwGH 2.10.2014, Ro 2014/15/0028, mwN). Auch in einem Abgabenverfahren tritt nach der Insolvenzeröffnung der Insolvenzverwalter an die Stelle des Schuldners, soweit es sich um Aktiv- oder Passivbestandteile der Insolvenzmasse handelt. Die Abgaben sind daher während des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter, der insofern den Schuldner repräsentiert, festzusetzen (vgl. VwGH 9.11.2011, 2009/16/0260, mwN).

12       Während des Insolvenzverfahrens dürfen somit weder Abgabenbescheide noch Erkenntnisse bzw. Beschlüsse, mit welchen über Beschwerden gegen Abgabenbescheide abgesprochen wird, an den Schuldner gerichtet werden. Eine nach Konkurseröffnung an den Schuldner gerichtete Erledigung geht ins Leere; sie entfaltet weder eine Wirkung für den Schuldner noch für den Insolvenzverwalter.

13       Beim angefochtenen Beschluss ergibt sich aus der im Beschluss enthaltenen Zustellverfügung, an wen er gerichtet ist. Demnach ist der Beschluss 1. an die „[Z] Rechtsanwälte GmbH als Masseverwalter im Konkurs der [X GmbH], [...], [...], als Beschwerdeführer“, und 2. an das Finanzamt gerichtet. Damit hat das Bundesfinanzgericht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entsprochen, wonach ein nach Insolvenzeröffnung ergehender Beschluss nicht an den Schuldner, sondern an den im Insolvenzverfahren bestellten Insolvenzverwalter zu richten ist.

14       Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 15. September 2020

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020150073.L00

Im RIS seit

12.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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