TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/7 96/19/3024

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Veröffentlicht am 07.11.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs3;
AVG §13;
AVG §63 Abs4;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, über die Beschwerde des 1966 geborenen M B in Wien, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. Ingo Ubl in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Mai 1996, Zl. 114.948/2-III/11/95, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 3. Oktober 1994 die Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 27. Jänner 1995 gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Nach dem Inhalt des im Akt erliegenden Rückscheines erfolgte die Zustellung dieses Bescheides an den Beschwerdeführer durch postalische Hinterlegung. Beginn der Abholfrist war der 7. Februar 1995.

Im Verwaltungsakt befindet sich ein Berufungsschriftsatz des Beschwerdeführers, der einen Eingangsstempel der erstinstanzlichen Behörde vom 17. Februar 1995 mit dem Vermerk "persönlich abgegeben" trägt. Daneben befindet sich ein unterfertigter Eingangsvermerk der erstinstanzlichen Behörde vom 17. März 1995 mit dem Beisatz "hat Berufung retourverlangt und dann erneut eingebracht".

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. Mai 1996 wies die belangte Behörde die in Rede stehende Berufung zurück. Begründend führte sie aus, gemäß § 63 Abs. 5 AVG seien Berufungen binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung einzubringen. Der angefochtene Bescheid sei am 7. Februar 1995 zugestellt worden. Die vorerst am 17. Februar 1995 eingebrachte Berufung sei wieder zurückgenommen worden. Die neuerliche Einbringung der Berufung am 17. März 1995 sei daher verspätet erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen abzuweisen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften, die belangte Behörde habe es unterlassen, zu erforschen, wie es zur Anbringung der beiden Eingangsvermerke bei der erstinstanzlichen Behörde gekommen sei. Dieser Rüge ist zu entgegnen, daß die belangte Behörde sich hinsichtlich dieses Vorganges auf die Beurkundung durch die erstinstanzliche Behörde stützen konnte, wonach der Beschwerdeführer die von ihm zunächst am 17. Februar 1995 eingebrachte Berufung "retourverlangt" und sodann am 17. März 1995 erneut eingebracht habe. Der inhaltlichen Richtigkeit dieses Aktenvermerkes tritt der Beschwerdeführer nicht mit einem konkreten Vorbringen entgegen.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, im AVG finde sich keine Möglichkeit, eine Berufung zurückzunehmen. Die am 17. Februar 1995 fristgerecht eingebrachte Berufung wäre daher von der belangten Behörde einer inhaltlichen Erledigung zuzuführen gewesen. Es bestehe auch keine rechtliche Grundlage dafür, Originale eingebrachter Berufungen der Partei wieder auszuhändigen. Selbst wenn man jedoch die Auffassung vertreten würde, mit einem solchen Vorgang wäre die Zurückziehung der Berufung verbunden, wäre die erstinstanzliche Behörde gehalten gewesen, den Beschwerdeführer zu belehren, bis zu welchem Zeitpunkt er die Berufung spätestens wieder einzubringen hätte.

Auch das Rechtsmittel der Berufung ist ein Anbringen im Sinne des § 13 Abs. 1 AVG. Dieses Gesetz enthält zwar in seinem § 13 keine ausdrücklichen Vorschriften über die Zurückziehung solcher Anbringen, doch können diese nach Lehre und Rechtsprechung in jeder Lage des Verfahrens bis zur Erlassung des Bescheides zurückgezogen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1994, Zlen. 91/17/0070, 0126 mit weiteren Hinweisen auf Lehre und Judikatur). Erklärt eine Partei die von ihr eingebrachte Berufung "retourzuverlangen" und wird ihr diese über ihren diesbezüglichen Wunsch ausgefolgt, ist darin eine - auch ausdrückliche (vgl. zu diesem Erfordernis das hg. Erkenntnis vom 28. September 1976, Slg. Nr. 9133/A) - Zurückziehung des Anbringens zu erblicken.

Im vorliegenden Fall kann es dahingestellt bleiben, ob in einem solchen Verlangen einer Partei auch schon ein ausdrücklicher Verzicht auf die Berufung im Sinne des § 63 Abs. 4 AVG (der auch die Zurückweisung der innerhalb der Berufungsfrist neuerlich vorgelegten Berufung als unzulässig zur Folge gehabt hätte) gelegen ist, weil der Beschwerdeführer die Berufung erst nach Ablauf der zweiwöchigen Berufungsfrist des § 63 Abs. 5 AVG neuerlich bei der erstinstanzlichen Behörde überreichte.

Dahingestellt bleiben kann es auch, ob die erstinstanzliche Behörde anläßlich des "Retourverlangens" der Berufung des Beschwerdeführers diesen über den Zeitpunkt des Ablaufes der Berufungsfrist hätte belehren müssen, weil selbst das Unterbleiben einer gebotenen Rechtsbelehrung nichts am Ablauf der Rechtsmittelfrist ändern könnte (vgl. etwa zur Untauglichkeit des Fehlens einer Rechtsmittelbelehrung selbst als Wiedereinsetzungsgrund bei Versäumung der Rechtsmittelfrist das hg. Erkenntnis vom 15. September 1994, Zl. 93/09/0452, unter Hinweis auf die §§ 61 Abs. 2 und 71 Abs. 1 Z. 2 AVG).

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Änderung von Anträgen und Ansuchen im Berufungsverfahren Formerfordernisse Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Inhalt der Berufungsentscheidung Rechtsgrundsätze Verzicht Widerruf VwRallg6/3 Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Diverses VwRallg10/1/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996193024.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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