TE OGH 2020/8/6 2Ob182/19g

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Veröffentlicht am 06.08.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** 2015 verstorbenen O***** S*****, zuletzt *****, wegen Feststellung der Erbhofeigenschaft, über den Revisionsrekurs der erbantrittserklärten Erbin E***** M*****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer und andere Rechtsanwälte in Wels, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 14. August 2019, GZ 22 R 108/19t-179, womit infolge der Rekurse des F***** A***** und anderer erbantrittserklärter Erben der Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom 2. Jänner 2019, GZ 17 A 23/15x-159, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Parteien haben die Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1]       Der am ***** 2015 verstorbene Erblasser war Alleineigentümer der Liegenschaft EZ *****, KG ***** mit dem darauf errichteten Hof ***** und einer Gesamtfläche von 170.599 m². Weiters war er zur Hälfte Eigentümer der Wegliegenschaften EZ ***** und EZ *****, beide KG *****, die der Zufahrt zur Hofstelle und der Erschließung der Bewirtschaftungskomplexe dienen. Im Betrieb waren seit Jahrzehnten keine Tiere gehalten worden. Die landwirtschaftlichen Flächen sind seit 1. 1. 2007 auf unbestimmte Zeit an eine Baumschule verpachtet. Die im Pachtvertrag vereinbarte Kündigungsfrist beträgt vier Jahre. Der jährliche Pachtzins betrug zuletzt 18.762,77 EUR brutto. Die Böden sind für die Erzielung landwirtschaftlicher Erträge geeignet, jedoch bedarf es der Umsetzung landwirtschaftlicher Meliorationsmaßnahmen. Weiters besteht eine Waldfläche von 1,2 ha, wobei die Pflege des Bestandes vernachlässigt ist und erhebliche Beeinträchtigungen bestehen. Der Hofkomplex weist eine Fläche von 1,2 ha auf und wird über einen Schachtbrunnen mit Trinkwasser versorgt. Der Bau- und Erhaltungszustand des Gebäudes ist mäßig. Die Hausmeisterwohnung (Wohnung Nr 1) wird von einer Familie bewohnt, die dafür Betriebskostenersatz von 100 EUR monatlich sowie Hausmeistertätigkeiten leistet. Der Erblasser bewohnte die Wohnung Nr 2, die sich im derzeitigen Zustand nicht für eine Fremdvermietung eignet. Auf dem Dach ist eine Photovoltaikanlage angebracht, deren durchschnittlicher Jahreserlös 3.015,07 EUR betrug.

[2]            Im Nachlass befinden sich unter anderem auch ein Sparbuch mit einem Guthaben von 341.673,47 EUR, ein Wertpapierdepot mit einem Kurswert von 427.093 EUR, 100 Goldmünzen im Wert von 12.100 EUR, ein weiteres Sparbuch mit einem Guthaben von 171.679,56 EUR sowie Girokonten mit einem Guthaben von insgesamt rund 10.000 EUR. Eine Geschäftsliegenschaft des Erblassers wurde im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung um 850.610,04 EUR verkauft. Die Passiven der Verlassenschaft betragen rund 7.000 EUR.

[3]            Im Verlassenschaftsverfahren gaben 38 Personen bedingte Erbantrittserklärungen aufgrund des Gesetzes ab. Die Erbhofeigenschaft der Hofliegenschaften ist strittig. Die Revisionsrekurswerberin will diese als Anerbin übernehmen.

[4]            Das Erstgericht sprach aus, dass den dem Erblasser gehörigen Hofliegenschaften die Erbhofeigenschaft iSd § 1 AnerbenG zukomme. Es stellte fest, dass bei der Betriebsform Veredelungsschwerpunkt mit Ackerbewirtschaftung und Haltung von 65 Zuchtschweinen einem jährlichen Ertrag von 35.868 EUR ein jährlicher Verbrauch von zwei Personen von rund 34.124 EUR gegenübersteht. Bei einer Bewirtschaftungsart durch Kombination mehrerer der Betriebszweige, etwa der Haltung von 55 Zuchtschweinen, Erdbeererzeugung auf einer Fläche von 1,5 ha und Eiererzeugung in Form von Bodenhaltung auf einer Fläche von 10.000 m² könnte ein jährliches Einkommen von 44.027 EUR erzielt werden. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, es sei nicht entscheidend, ob der Erblasser die Liegenschaft teilweise oder zur Gänze verpachtet habe, sondern es komme lediglich darauf an, ob es sich objektiv um einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb handle, der in der Lage sei, die geforderten Erträgnisse abzuwerfen. Dies sei hier der Fall. Auch wenn der Erblasser kein Eigeninteresse an der selbständigen Führung der Landwirtschaft gehabt habe, habe er die Hofstelle nicht aufgegeben und die Betriebssubstanz im Kern gewahrt. Aus diesem Grund seien Ersparnisse, die unmittelbar verwertet werden könnten, nämlich Giroguthaben und Sparguthaben, der laufenden Wirtschaftsführung zuzuordnen und dem Erbhof zuzurechnen.

[5]            Das von 27 erbantrittserklärten Erben angerufene Rekursgericht gab dem Rekurs Folge, stellte fest, dass es sich bei der gegenständlichen Liegenschaft nicht um einen Erbhof handle und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

[6]            Es führte aus, dass verpachtete Flächen in die Prüfung der Erbhofeigenschaft einzubeziehen seien, wenn sie innerhalb einer zehnjährigen Frist in die Bewirtschaftung des zu beurteilenden Betriebs zurückfielen. Dies sei gegenständlich nicht der Fall. Unter Berücksichtigung der vierjährigen Kündigungsfrist könne der Pachtvertrag frühestens zum 31. 12. 2023 aufgekündigt werden und es sei keineswegs gewährleistet, dass der Pachtvertrag dann ende, weil gemäß §§ 6 ff LPG eine Verlängerung der Dauer des Pachtvertrags möglich sei. Ohne diese Flächen ließe sich der geforderte Durchschnittsertrag nicht erwirtschaften, weshalb es sich nicht um einen Erbhof handle. Zudem könne erst nach Durchführung der erforderlichen Meliorationsmaßnahmen der notwendige Durchschnittsertrag erzielt werden und sei daher insgesamt von einer Dauer der Betriebsumstellung von mindestens sechs bis sieben Jahren auszugehen. Der von der Rechtsprechung anerkannte Zeitraum von etwa drei Jahren für die Beurteilung der Bedarfsdeckung werde damit überschritten, sodass auch deshalb kein Erbhof vorliege.

[7]            Schließe man sich dieser Auffassung nicht an, fehlten Feststellungen des Erstgerichts über die notwendigen Maßnahmen und Investitionskosten für eine Betriebsumstellung. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die angesparten Beträge für die laufende Wirtschaftsführung bestimmt gewesen seien. Sie gehörten daher nicht zum Erbhof und könnten nicht zur Deckung der Betriebsumstellungskosten herangezogen werden. Nur die nach dem Tod des Erblassers bis zur Zuweisung des Erbhofs an den Anerben tatsächlich erwirtschaftete Erträge abzüglich der entstandenen Aufwendungen stünden dem Anerben dafür zur Verfügung.

[8]            Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung zu, es fehle höchstgerichtliche Judikatur dazu, in welcher konkreten Frist seit dem Tod des Erblassers Pachtverträge aufgelöst werden können müssten, um die verpachteten Grundstücke bei der Beurteilung, ob ein Erbhof vorliege, berücksichtigen zu können. Außerdem könnte die Auffassung des Rekursgerichts, dass für eine Änderung der Bewirtschaftungsart nur eine bestimmte Zeit zur Verfügung stehe, mit der Judikatur, dass die Verpachtung von Flächen auf die Qualifikation als Erbhof keinen Einfluss habe, in Widerspruch stehen. Schließlich gebe es keine höchstgerichtliche Judikatur dazu, unter welchen Voraussetzungen Sparguthaben zum Erbhof gehörten.

[9]            Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der erbantrittserklärten Erbin E***** M***** mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen; in eventu, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Rechtssache an die Vorinstanzen zurückzuverweisen.

[10]           Die Rekurswerber beantragen in ihren Revisionsrekursbeantwortungen, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben. Die übrigen Parteien beteiligten sich nicht am Rechtsmittelverfahren.

Rechtliche Beurteilung

[11]           Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht hinsichtlich der Erbhofzugehörigkeit verpachteter Liegenschaften von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist und höchstgerichtliche Judikatur dazu fehlt, unter welchen Voraussetzungen Sparguthaben zum Erbhof gehören. Er ist im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen auch berechtigt.

[12]           Die Revisionsrekurswerberin macht geltend, dass der Pachtvertrag keinen Einfluss auf die Qualifikation als Erbhof habe, da es auf die objektiven Nutzungsmöglichkeiten ankomme. Auf den Zeitraum, innerhalb dessen die verpachteten Flächen wieder zur eigenen Bewirtschaftung zur Verfügung stehen müssten, komme es ebensowenig an wie auf eine bestimmte Zeitspanne, die für die Änderung der Bewirtschaftungsart zur Verfügung stehe. Ein sorgfältiger Landwirt hätte bei Verpachtung des Gesamtbetriebs die Pachteinnahmen gespart, damit diese nach Beendigung des Pachtverhältnisses für das landwirtschaftliche Anwesen verwendet werden könnten. Die Sparbücher gehörten daher zum Erbhof.

[13]     Hiezu wurde erwogen:

[14]           1. Die Verpachtung der landwirtschaftlich genutzten Flächen ist für die Beurteilung der Erbhofeigenschaft nicht zu berücksichtigen:

[15]           1.1 Gemäß § 1 Abs 1 AnerbenG in der aufgrund des Todestags des Erblassers anzuwendenden Fassung BGBl 1989/659 (§ 22 Abs 5 AnerbenG) sind Erbhöfe mit einer Hofstelle versehene land- und forstwirtschaftliche Betriebe, die im Eigentum einer natürlichen Person, von Ehegatten oder eines Elternteils und eines Kindes stehen und mindestens einen zur angemessenen Erhaltung von zwei erwachsenen Personen ausreichenden, jedoch das Zwanzigfache dieses Ausmaßes nicht übersteigenden Durchschnittsertrag haben. Gemäß § 2 Abs 1 AnerbenG besteht der Erbhof aus den dem Eigentümer des Erbhofs gehörenden Grundstücken, die den Zwecken der Landwirtschaft dienen und eine wirtschaftliche Einheit bilden, samt den auf diesen Grundstücken befindlichen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden.

[16]           Die Leistungsfähigkeit des zu beurteilenden Hofs ist nach objektiven Kriterien zu prüfen, wobei es auf eine durchschnittliche Wirtschaftsführung und nicht auf die konkrete Bewirtschaftungsart des Erblassers oder des präsumtiven Hofübernehmers ankommt. Maßgeblich ist grundsätzlich, welches landwirtschaftliche Nettoeinkommen (als rechnerische Größe) aus dem landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Betrieb zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers von einem durchschnittlichen Landwirt bei ortsüblicher Bewirtschaftung erzielt werden kann (RS0113948 [T1]).

[17]           1.2 Bei der Frage, ob landwirtschaftlich genutzte Liegenschaften eine wirtschaftliche Einheit bilden, handelt es sich um eine Rechtsfrage (2 Ob 54/19h). Die Verpachtung landwirtschaftlich genutzter Flächen steht nach ständiger Rechtsprechung der Bejahung der Erbhofeigenschaft nicht entgegen, weil es auf die objektiven Nutzungsmöglichkeiten ankommt (2 Ob 54/19h; 2 Ob 235/17y mwN; RS0050260; RS0050232 [T1]). Auch die Verpachtung zur landwirtschaftlichen Nutzung – selbst des Gesamtbetriebs (2 Ob 235/17y) – ist eine mögliche Bewirtschaftungsform, die einer dauernden Nichtbewirtschaftung nicht gleichzuhalten ist (6 Ob 225/99b). Lediglich die nicht nur vorübergehende Vermietung landwirtschaftlich nutzbarer Grundstücke zu nichtlandwirtschaftlichen Zwecken beendet die Zugehörigkeit der betroffenen Flächen zur wirtschaftlichen Einheit des Erbhofs, wenn sie nicht einem Unternehmen des Hofeigentümers iSd § 2 Abs 3 AnerbenG dienen (vgl 2 Ob 235/17y; 6 Ob 265/07z [Vermietung auf 30 Jahre]; Schramm in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 2 AnerbenG Rz 1).

[18]           1.3 Im vorliegenden Fall hat der Erblasser die Ackerflächen auf unbestimmte Zeit zur landwirtschaftlichen Nutzung verpachtet, wobei eine vierjährige Kündigungsfrist vereinbart wurde. Nach den dargelegten Rechtsprechungsgrundsätzen wurde dadurch ihre Zugehörigkeit zum Erbhof nicht beendet, weil es weder auf die subjektive Bewirtschaftungsart des Erblassers noch auf jene des präsumtiven Hofübernehmers ankommt. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts ist somit auch nicht entscheidend, ob ein künftiger Anerbe den Pachtvertrag binnen zehn Jahren nach dem Tod des Erblassers auflösen und die Liegenschaft selbst bewirtschaften könnte. Ob eine Verlängerung der Dauer des Pachtvertrags nach §§ 6 ff LPG erfolgen könnte, kann daher dahinstehen.

[19]           2. Die Sparguthaben des Erblassers gehören nicht zum Erbhof:

[20]           2.1 Gemäß § 2 Abs 2 AnerbenG gehören bewegliche körperliche Sachen insoweit zum Erbhof, als sie dem Eigentümer des Erbhofs gehören und zur Führung eines ordentlichen Wirtschaftsbetriebs erforderlich sind. Bargeld und Forderungen, insbesondere Sparguthaben, sind dazuzurechnen, wenn sie für die laufende Wirtschaftsführung bestimmt und erforderlich sind (Schramm in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 2 AnerbenG Rz 2; Kathrein, Anerbenrecht [1990], Anm 2 zu § 2 AnerbenG; Eccher in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 2 AnerbenG Rz 4). Reine Kapitalanlagen oder zur Sicherheit angesparte Gelder bilden daher in der Regel kein Zugehör des Erbhofs (Kathrein, Anerbenrecht, Anm 2 zu § 2 AnerbenG).

[21]           2.2 Zutreffend hat das Rekursgericht darauf verwiesen, dass der Erblasser die Einkünfte aus seinem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb ausschließlich durch Verpachtung erzielte und Anhaltspunkte dafür, dass die beträchtlichen Sparguthaben für die in dieser Form erfolgende Wirtschaftsführung des Erblassers erforderlich gewesen wären, nicht bestehen. Überdies hat das Erstgericht im Zuge seiner beweiswürdigenden Erwägungen ergänzend festgestellt, dass ein Eigeninteresse des Erblassers an der selbständigen Führung der Landwirtschaft nicht vorlag. Die Schlussfolgerung des Rekursgerichts, dass es sich bei den Spareinlagen um Ersparnisse handelte, die der Kapitalbildung dienten, ist daher nicht zu beanstanden. Damit gehören sie nicht zum Erbhof.

[22]           3. Ermittlung der objektiven Ertragsfähigkeit durch Änderung der Bewirtschaftungsart:

[23]           3.1 Zur Ermittlung der objektiven Ertragsfähigkeit sind auch Nutzungsmöglichkeiten im Rahmen einer im betroffenen Gebiet bisher noch nicht allgemein geübten, aber nach anerkannten allgemeinen betriebswirtschaftlichen Erwägungen zweckmäßigen Bewirtschaftungsart zugrundezulegen (RS0050263), sofern diese in der Umgebung des zu beurteilenden Hofs nicht geradezu unüblich ist (6 Ob 2027/96y). Die entsprechende Leistungsfähigkeit des übergebenen Gutes kann auch mit einer möglichen Produktionsumstellung begründet werden (RS0050263 [T2]). Der dadurch zu erzielende hypothetische Ertrag muss unter Berücksichtigung der Umstellungskosten und deren Aufteilung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelt werden (6 Ob 307/03w; 6 Ob 2045/95w; 6 Ob 20/90 [6 Ob 21/90]). Nach dem Tod des Erblassers bis zur Zuweisung des Erbhofs an den Anerben tatsächlich erwirtschaftete Erträge oder entstandene Aufwendungen fallen zwar dem späteren Anerben zu (6 Ob 15/86 [6 Ob 16/86] = RS0050274). Sie sind aber für eine Deckung der Umstellungskosten nicht zu berücksichtigen, weil auch bei der Beurteilung der hypothetischen Ertragsfähigkeit grundsätzlich (dazu Punkt 3.2) auf den Zeitpunkt des Todes abzustellen ist (Punkt 1.1) und diese Erträge und/oder Aufwendungen bei einer Änderung der Bewirtschaftungsart in der Regel auch nicht anfallen würden.

[24]           3.2 Zutreffend hat das Rekursgericht auf die Rechtsprechung hingewiesen, wonach ein Zeitraum von etwa drei Jahren für die Beurteilung der Bedarfsdeckung bei Änderung der Bewirtschaftungsart veranschlagt wurde. Maßgeblich ist, ob innerhalb dieses Zeitraums ein den gesetzlichen Anforderungen entsprechender Ertrag erzielt werden könnte (6 Ob 144/00w). Da es sich bei der objektiven Ertragsfähigkeit um eine rein rechnerische Größe handelt (Punkt 1.1), ist auch insoweit eine tatsächlich bestehende Verpachtung von landwirtschaftlich genutzten Flächen (Punkt 1.2 f) nicht zu berücksichtigen. Letztere sind damit auch im vorliegenden Fall für die Ermittlung der hypothetischen Ertragsfähigkeit als erbhofzugehörig zu behandeln.

[25]           4. Aus diesen Gründen trägt die Begründung des Rekursgerichts die Verneinung der Erbhofeigenschaft nicht.

[26]           5. Ausgehend von der dargelegten Rechtslage ist das erstinstanzliche Verfahren zu ergänzen:

[27]           5.1 Die getroffenen Feststellungen reichen für eine abschließende Beurteilung der Erbhofeigenschaft nicht aus. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren Feststellungen dazu zu treffen haben, welche Investitionen (insbesondere Baumaßnahmen, Anlagen, Maschinen) bei den ins Auge gefassten, nicht geradezu unüblichen Änderungen der Bewirtschaftungsart erforderlich wären, welche Umstellungskosten dafür anfallen, wie diese finanziert würden und wie deren Aufteilung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen erfolgen würde (Punkt 3.1; vgl 6 Ob 62/00m). Dabei haben die Sparguthaben des Erblassers und die seit seinem Tod angefallenen Erträge und Aufwendungen außer Betracht zu bleiben (Punkte 2.2 und 3.1). Weiters wird festzustellen sein, ob und ab welchem Zeitpunkt der erzielte hypothetische Ertrag zur Bedarfsdeckung ausreichen würde (Punkt 3.2).

[28]           5.2 Die Beurteilung, ob dazu eine (weitere) Ergänzung des Sachverständigengutachtens erforderlich ist, bleibt den Tatsacheninstanzen vorbehalten.

[29]     6. Dem Revisionsrekurs ist somit Folge zu geben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen sind aufzuheben.

[30]           7. Verfahren nach dem AnerbenG sind Teil des Verlassenschaftsverfahrens, wobei nach § 185 AußStrG im Verlassenschaftsverfahren – außer im Verfahren über das Erbrecht – kein Ersatz von Vertretungskosten stattfindet (RS0123203).

Textnummer

E129259

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00182.19G.0806.000

Im RIS seit

08.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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