TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/7 95/19/0554

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Veröffentlicht am 07.11.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
VwGG §23 Abs1;
VwGG §33 Abs1;
ZustG §17 Abs1;
ZustG §17 Abs3;
ZustG §7;
ZustG §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, über die Beschwerde des 1969 geborenen V V in Jugoslawien, vertreten durch DDr. Wolfgang Schulter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fleischmarkt 28, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Mai 1995, Zl. 110.720/2-III/11/95, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 3. Juni 1994 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Zum Nachweis verfügbarer Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes legte er eine Verpflichtungserklärung seiner Ehegattin sowie eine Bestätigung, wonach diese Karenzgeld von S 268,30 täglich beziehe, vor. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 4. September 1994 wurde dieser Antrag gemäß § 9 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtete sich die von der Ehegattin des Beschwerdeführers in dessen Namen eingebrachte Berufung vom 14. Oktober 1994. Sie enthält einen Beisatz, wonach der Beschwerdeführer ersucht, Zustellungen an seine Ehegattin vorzunehmen.

Mit dem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Mai 1995 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 5 Abs. 1 AufG abgewiesen. Begründend führte die Berufungsbehörde aus, gemäß § 5 Abs. 1 AufG könne unter anderem dann keine Bewilligung erteilt werden, wenn der Lebensunterhalt des Fremden für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert sei. Im Falle des Beschwerdeführers stehe zur Sicherung des Lebensunterhaltes lediglich das Einkommen seiner Ehegattin zur Verfügung, welche Karenzgeld in der Höhe von S 268,30 täglich beziehe. Angesichts dieser Einkommenshöhe seiner Ehegattin könne dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsbewilligung nicht erteilt werden.

Die belangte Behörde verfügte die Zustellung dieses Bescheides an den Beschwerdeführer zu Handen seiner Ehegattin mit RSa-Brief. Nach dem Inhalt eines im Akt erliegenden Rückscheines wurde die Erledigung der Ehegattin des Beschwerdeführers durch postalische Hinterlegung zugestellt. Beginn der Abholfrist war der 13. Mai 1995. Die hinterlegte Sendung wurde nicht behoben und langte vor dem 13. Juni 1995 wieder bei der belangten Behörde ein. Anläßlich einer Vorsprache der Ehegattin des Beschwerdeführers bei der Behörde wurde ihr der Bescheid am 1. August 1995 persönlich ausgehändigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, am 4. August 1995 zur Post gegebene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, die belangte Behörde habe zu Unrecht die Zustellung des angefochtenen Bescheides zu Handen seiner Ehegattin verfügt. Diese habe sich überdies im Zeitraum zwischen Anfang April 1995 und 29. Juni 1995 im Ausland befunden. Sie habe erst am 30. Juni 1995 vom Versuch, ihr die gegenständliche Sendung zuzustellen, Kenntnis erlangt. Sie habe am Postamt erfahren, daß die Postsendung retourniert worden sei. Es sei ihr in der Folge erst am 31. Juli 1995 (richtig wohl am 1. August 1995) gelungen, den Bescheid ausgefolgt zu erhalten. Der Beschwerdeführer erachtet den gegenständlichen Bescheid für rechtswidrig, weil die belangte Behörde nicht in ihre Überlegungen einbezogen habe, daß sich auch der "Schwager (Bruder) der Gattin" des Beschwerdeführers für ihn verpflichtet habe, welcher über ein monatliches Nettoeinkommen von S 15.000,-- verfüge. Überdies sei der Karenzgeldbezug seiner Ehegattin nur vorläufig, und zwar bis zum 2. Lebensjahr des gemeinsamen Kindes. Die belangte Behörde habe es auch unterlassen, dem Beschwerdeführer gemäß § 45 Abs. 3 AVG rechtliches Gehör zum gebrauchten Abweisungsgrund zu leihen. Über Vorhalt des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Mai 1997 brachte der Beschwerdeführer ausdrücklich vor, daß seine Ehegattin zur Einbringung der Berufung vom 14. Oktober 1994 bevollmächtigt gewesen sei. Zum Nachweis dessen legte er eine eidesstättige Erklärung seiner Ehegattin vor.

Mit Eingabe der Ehegattin des Beschwerdeführers vom 4. Juli 1997 erklärte diese, die gegenständliche Beschwerde namens des Beschwerdeführers zurückzuziehen. Eine sowohl an die Einschreiterin als auch an den Beschwerdevertreter zugestellte Aufforderung, diese Beschwerderückziehung binnen vier Wochen entweder mit der Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines bevollmächtigten Rechtsanwaltes versehen wieder vorzulegen, blieb ergebnislos.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit und Rechtzeitigkeit der Beschwerde:

Aufgrund der glaubwürdigen, von der belangten Behörde unbestritten gebliebenen, Behauptungen des Beschwerdeführers, der eidesstättigen Erklärung seiner Ehegattin vom 27. Mai 1997 sowie der vorgelegten Kopien aus dem Reisepaß der Ehegattin des Beschwerdeführers stellt der Verwaltungsgerichtshof folgenden Sachverhalt fest:

Die Ehegattin des Beschwerdeführers war von ihm mit der Einbringung einer Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 4. September 1994 bevollmächtigt und beauftragt worden. Die Ehegattin des Beschwerdeführers hielt sich im Zeitraum zwischen 7. April 1995 und 29. Juni 1995 im Ausland und daher nicht an jener Adresse auf, an der die zur postalischen Hinterlegung führenden Zustellversuche des angefochtenen Bescheides vorgenommen wurden.

Gemäß § 21 Abs. 2 ZustellG ist § 17 Abs. 3 ZustellG auch für die Rechtswirksamkeit der Hinterlegung einer eigenhändig zuzustellenden Sendung anzuwenden.

§ 9 Abs. 1 und § 17 Abs. 3 ZustellG lauten:

"§ 9. (1) Ist eine im Inland wohnende Person gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt, so hat die Behörde, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, diese Person als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, gilt die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

§ 17. ...

(3) Die hinterlegte Sendung ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte."

Ausgehend von den obigen Feststellungen war die Berufung vom 14. Oktober 1994 dem Beschwerdeführer zuzurechnen. Dies gilt auch für die darin erfolgte Namhaftmachung seiner Ehegattin als Zustellbevollmächtigter. Im Gegensatz zu der in der Beschwerde vertretenen Auffassung hat die belangte Behörde daher zu Recht die Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Beschwerdeführer zu Handen seiner Ehegattin verfügt. Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob die inländische Wohnung der Ehegattin des Beschwerdeführers durch ihre langdauernde Ortsabwesenheit den Charakter einer Abgabestelle überhaupt verloren bzw. ob der Postzusteller im Sinne des § 17 Abs. 1 ZustellG Grund zur Annahme hatte, die Ehegattin des Beschwerdeführers halte sich regelmäßig an der Abgabestelle auf. Selbst wenn man den Charakter der Wohnung als Abgabestelle bejahte und die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 ZustellG als vorliegend erachtete, hätte sich jedenfalls im Sinne des § 17 Abs. 3 vierter Satz ZustellG ergeben, daß die Empfängerin wegen ihrer Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. Eine Rückkehr der Empfängerin an die Abgabestelle innerhalb der Abholfrist ist nicht erfolgt, sodaß eine Sanierung des Zustellmangels nach dem letzten Satzteil dieser Bestimmung hier keinesfalls in Betracht kam. Der angefochtene Bescheid wurde daher erst durch seine Ausfolgung an die Ehegattin des Beschwerdeführers durch die Behörde am 1. August 1995 zugestellt und damit gegenüber dem Beschwerdeführer erlassen. Hieraus folgt, daß die am 4. August 1995 zur Post gegebene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof sowohl zulässig als auch rechtzeitig ist.

Gemäß § 23 Abs. 1 VwGG können die Parteien, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, ihre Sache vor dem Verwaltungsgerichtshof selbst führen oder sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Abweichende Bestimmungen bestehen für die Zurückziehung der Beschwerde nicht. Eine wirksame Beschwerdezurückziehung hätte daher entweder durch den Beschwerdeführer selbst oder aber durch einen von ihm bevollmächtigten Rechtsanwalt erfolgen können. Hieraus folgt, daß die von der Ehegattin des Beschwerdeführers in seinem Namen eingebrachte Rückziehung der Beschwerde unwirksam war. Der Verwaltungsgerichtshof hatte daher in der Sache zu entscheiden.

2. Zur Berechtigung der Beschwerde:

§ 5 Abs. 1 AufG lautet:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

Wenn sich der Beschwerdeführer auf eine Verpflichtungserklärung seitens des "Schwagers (Bruders) seiner Gattin" beruft, ist ihm zu entgegnen, daß die Vorlage einer deratigen Verpflichtungserklärung aus den Verwaltungsakten nicht ersichtlich ist. Der Fremde hat von sich aus (initiativ) die ihm zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel nachzuweisen. Die Behörde kann auch bei Änderung des Versagungsgrundes von den vom Fremden so dargelegten Vermögensverhältnissen ausgehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/0327). Da der Beschwerdeführer im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden eine Verpflichtungserklärung einer anderen Person als die seiner Ehegattin nicht dargetan hat, unterliegt sein diesbezügliches Vorbringen dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot.

Dessen ungeachtet ist seiner Beschwerde Erfolg beschieden.

Die belangte Behörde unterließ es im konkreten Fall, Feststellungen über die Höhe des Bedarfes des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin zu treffen. Es liegen auch keine Feststellungen darüber vor, ob sonstige Familienangehörige auf das Einkommen der Ehegattin angewiesen sind. Der belangten Behörde ist daher ein Begründungsmangel vorzuwerfen, welcher den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung des angefochtenen Bescheides hindert.

Gemäß § 1 Abs. 1 der Wiener Sozialhilfeverordnung in der Fassung der Verordnung der Wiener Landesregierung, LGBl. Nr. 68/1994, betrug der Sozialhilferichtsatz für das Bundesland Wien im Jahr 1995 für den Hauptunterstützten (hier die Ehegattin des Beschwerdeführers) S 4.652,--, für den Mitunterstützten ohne Anspruch auf Familienbeihilfe (hier den Beschwerdeführer) S 2.388,--. Hieraus errechnet sich für den Beschwerdeführer und seine Ehegattin ein monatlicher Unterhaltsbedarf von S 7.040,--. Umstände, aus denen sich ein zusätzlicher Bedarf ergeben könnte, wurden nicht festgestellt. Insbesondere ergibt sich weder aus den Bescheidfeststellungen noch aus dem Beschwerdevorbringen, daß die Kinder des Beschwerdeführers auf die der Mutter zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel angewiesen wären (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 1996, Zl. 95/19/1633). Damit erweist sich die Annahme der belangten Behörde, die zur Verfügung stehenden monatlichen Mittel von S 8.049,-- reichten zur Deckung des Unterhaltsbedarfes des Beschwerdeführers (und seiner Ehegattin) nicht aus, als nicht nachvollziehbar.

Aus diesen Erwägungen fällt der Behörde ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gemäß § 58 Abs. 2 iVm § 67 AVG zur Last, weshalb ihr Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang Zustellung Zurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995190554.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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