TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/7 I419 2228253-2

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Veröffentlicht am 07.07.2020
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Entscheidungsdatum

07.07.2020

Norm

AlVG §26
AVG §69
B-VG Art133 Abs4

Spruch

I419 2228253-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Tomas Joos als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Dr. Florian Burger und Thomas Geiger MBA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des AMS Innsbruck vom 11.05.2020, Zl. 2020-0566-7-000170|AMS||ALV|||1, wegen Wiederaufnahme eines Verfahrens zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 03.10.2018 stellte das AMS das dem Beschwerdeführer gewährte Weiterbildungsgeld mit 01.10.2018 ein. Dieser habe den (näher bezeichneten) Studienerfolg für das Sommersemester 2018 nicht nachweisen können. Dieser Bescheid wurde mangels rechtzeitiger Beschwerde rechtskräftig.

2. Mit dem nun bekämpften Bescheid wies das AMS den Antrag des Beschwerdeführers ab, das Verfahren wiederaufzunehmen. Weder sei den vorgelegten Unterlagen zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer den Studienerfolg erbracht habe, noch ergebe sich aus Ihnen ein berücksichtigungswürdiger Grund, der ihn von der Verpflichtung befreit hätte, den Studienerfolg nachzuweisen.

3. Beschwerdehalber wird vorgebracht, die neuen Beweismittel würden zeigen, dass der minderjährige Sohn des Beschwerdeführers aufgrund falscher Angaben der Kindesmutter in Italien krankenversichert sei. Der Beschwerdeführer habe bereits in seinem Antrag auf Weiterbildungsgeld den Kinderzuschlag beansprucht.

Zumal „das ganze Familiengefüge“ zu Unrecht in italienischen Registern geführt werde, hätte das AMS erkennen müssen, „unter welchen schädigenden Bedingungen“ der Beschwerdeführer studiere. Es gehe auch nicht nur um die Auszahlung des Weiterbildungsgeldes für das Sommersemester 2018 einschließlich des Kinderzuschlags, sondern auch um jenes für das Wintersemester danach samt genanntem Zuschlag. Dem AMS stehe es nicht zu, Mutmaßungen über jahrelange Sorgerechtsstreite abzugeben, zumal es nicht darum gehe, sondern um ein Versicherungsproblem aufgrund der unrichtigen Erklärungen der Kindesmutter.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Der Beschwerdeführer ist Vater eines 2015 geborenen Sohnes, der in Italien wohnhaft ist. Wegen Konflikten mit der Kindesmutter litt er im September 2018 an einem psychovegetativen Erschöpfungszustand und einer Anpassungsstörung wegen belastender psychosozialer Umstände. Darüber wurden ihm am 19. und am 20.09.2018 Bestätigungen einer Allgemeinmedizinerin und einer Universitätsklinik für Medizinische Psychologie ausgestellt.

1.2 Das AMS hat den Beschwerdeführer am 27.09.2018 betreffend den Erfolgsnachweis für das Sommersemester befragt, wobei dieser erklärte, er habe die Universität besucht, aber nicht an Prüfungen teilnehmen können, weil er in den „letzten Wochen“ mit der Fahndung nach seinem Sohn so belastet gewesen sei. Diesen habe das Bundeskriminalamt etwa fünf Wochen zuvor zur Fahndung ausgeschrieben. Er habe jetzt alles getan, was er für den Sohn habe tun können, brauche dafür nichts mehr zu tun und könne sich auf das Studium konzentrieren. Dabei legte er die Bestätigung der Universitätsklinik vor.

1.3 Anschließend erließ das AMS den Bescheid betreffend die Einstellung des Weiterbildungsgeldes. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Beschwerdeführer weder Prüfungen im Ausmaß von 4 Semesterwochenstunden noch 8 ECTS nachgewiesen habe, und keine berücksichtigungswürdigen Gründe für die Nichterbringung der Nachweise vorlägen.

1.4 Der Beschwerdeführer hat Anfang 2018 Familienbeihilfe für den unter 1.1 angeführten Sohn beim FA Innsbruck beantragt und gegen dessen abweisenden Bescheid am 27.02.2018 Beschwerde erhoben, in der er unter anderem vorbrachte, dass die Kindesmutter in Italien aufgrund falscher Angaben widerrechtlich Familienleistungen beziehe. Die Beschwerde wurde als verspätet zurückgewiesen, und einen Wiederaufnahmeantrag von 2020 hat das genannte FA abgewiesen.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden AMS-Akt und den Versicherungsdaten sowie den Angaben des Beschwerdeführers im Rechtsmittel und der Nachreichung vom 14.06.2020.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1 Nach § 69 Abs. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel nicht oder nicht mehr zulässig ist und der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder anders erschlichen worden ist (Z. 1), neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten (Z. 2), oder eine Vorfrage nachträglich von der zuständigen Behörde in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde (Z. 3). Das Gleiche gilt nach Z. 4, wenn nachträglich eine Behördenentscheidung bekannt wird, die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt, und im Verfahren die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

3.2 Der Antrag auf Wiederaufnahme ist nach Abs. 2 binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies zwischen Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung war, erst mit Letzterer. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus denen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

3.3 Nach den Feststellungen hat der Beschwerdeführer bereits im abgeschlossenen Verfahren vor dem AMS als Nachsichtsgrund geltend gemacht, dass er wegen der Konflikte um seinen Sohn an der Ablegung von Prüfungen und dem Erwerb von ECTS-Punkten im geforderten Ausmaß gehindert gewesen sei.

3.4 Das AMS hat diese Umstände demnach gekannt, als es die nun rechtskräftige Entscheidung vom 03.10.2018 traf. Welche demgegenüber neuen Tatsachen oder Beweismittel seinen Antrag auf Wiederaufnahme begründeten, hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Auch wenn die Umstände der genannten Auseinandersetzung mit der Kindesmutter (und verschiedenen Behörden) jeweils unterschiedlich akzentuiert und anders formuliert vorgebracht werden, weisen sie nach Ansicht des Gerichts im Kern keinen Neuigkeitscharakter im Sinn des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG auf, zumal sie – wie die Feststellungen zum Finanzverfahren (1.4) illustrieren – nicht erst nach Erlassung des das wiederaufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides bekannt geworden sind, und auch nicht zu sehen ist, wie sie zu einer anderen als der tatsächlich getroffenen Entscheidung betreffend die Einstellung des Weiterbildungsgeldes führen hätten sollen (vgl. VwGH 14.12.2015 Ra 2015/09/0076 mwN).

Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, warum das AMS zudem davon ausgehen hätte sollen, dass der Wiederaufnahmeantrag binnen zwei Wochen ab Kenntnis des Beschwerdeführers von einem Wiederaufnahmegrund eingebracht (und wie das glaubhaft gemacht) worden wäre (§ 69 Abs. 2 AVG).

3.5 Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass der Wiederaufnahmeantrag nicht geeignet ist, einen anderslautenden Spruch herbeizuführen. Somit war spruchgemäß zu entscheiden, weil das AMS den Antrag zu Recht abgewiesen hat.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zu den Anforderungen an neu hervorgekommenen Tatsachen (Beweismittel). Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Antrag auf Wiederaufnahme geklärt erschien und es sich bei der Einordnung, ob die Eignung eines vorgebrachten Wiederaufnahmegrundes vorliegt, um eine Rechtsfrage handelt (vgl. VwGH 28.03.2019, Ra 2019/07/0012 mwH), konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG und § 24 Abs. 4 VwGVG die Abhaltung einer Verhandlung unterbleiben, weil die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

Schlagworte

Studienerfolg Weiterbildungsgeld Wiederaufnahmeantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I419.2228253.2.00

Im RIS seit

05.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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