TE Vwgh Beschluss 2020/9/10 Ra 2019/15/0128

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Veröffentlicht am 10.09.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
23/01 Insolvenzordnung
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §80
IO §114 Abs1
IO §2 Abs2
VwRallg

Beachte


Serie führend: Ra 2019/15/0028 E 17.12.2020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und den Hofrat Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der Rechtsanwältin Mag. Dr. U R in ihrer Funktion als Insolvenzverwalterin der C GmbH in W, vertreten durch die Cerha Hempel Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Parkring 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 11. Juli 2019, Zl. LVwG-358-3/2018-R10, betreffend Kriegsopferabgabe für den Monat Juli 2015 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Bregenz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Die Revisionswerberin ist Insolvenzverwalterin im Konkurs über das Vermögen der C GmbH, die im Streitzeitraum - nach den Feststellungen des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg (LVwG) - an einem Standort in Bregenz ein Pokercasino betrieb, in dem Pokerspiele in unterschiedlichen Varianten sowohl als „Cash Games“ als auch in Turnierform gespielt wurden.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis - das im zweiten Rechtsgang nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 3. April 2019, Ra 2018/15/0119, auf welches hinsichtlich des bisherigen Verfahrensganges verwiesen wird, erging - setzte das LVwG die Kriegsopferabgabe fest, wobei es Strukturkostenbeiträge, Tischgelder und Turnierkostenbeiträge als Bemessungsgrundlage heranzog und die Feststellung zur Höhe der Einnahmen der C GmbH (Strukturkostenbeitrag, Tischgeld und Turniereintrittsgeld) auf Erklärungen der C GmbH an die Abgabenbehörde stützte.

3        Gegen dieses Erkenntnis - in dem das LVwG eine Revision für nicht zulässig erklärt hat - richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Die Revision macht zu deren Zulässigkeit zunächst geltend, das angefochtene Erkenntnis richte sich an die „[C GmbH ...] nunmehr vertreten durch die [Revisionswerberin]“ und setze im Spruch die Abgabe „für die [C GmbH] mit 21.827,45 Euro“ fest. Nach der Zustellverfügung ergehe die Entscheidung an die „Revisionswerberin“. Würden Abgaben - wie im Revisionsfall - nach Insolvenzeröffnung weiterhin gegenüber der Schuldnerin festgesetzt, so sei diese Festsetzung, insoweit als der Schuldnerin gemäß § 2 Abs. 2 IO in den die Masse betreffenden Angelegenheiten die Verfügungsfähigkeit entzogen sei, nicht wirksam (Hinweis auf VwGH 26.4.1996, 96/17/0083; 16.1.1991 und 18.12.1992, 89/17/0037, 0038).

8        Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt.

9        Durch Eröffnung der Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Abgabepflichtigen wird das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen (§ 2 Abs. 2 der Insolvenzordnung). Der Insolvenzverwalter ist für die Zeit seiner Bestellung betreffend die Insolvenzmasse - soweit die Befugnisse des Schuldners beschränkt sind - gesetzlicher Vertreter des Schuldners iSd § 80 BAO (vgl. VwGH 2.10.2014, Ro 2014/15/0028, mwN). Auch in einem Abgabenverfahren tritt nach der Insolvenzeröffnung der Insolvenzverwalter an die Stelle des Schuldners, soweit es sich um Aktiv- oder Passivbestandteile der Insolvenzmasse handelt. Die Abgaben sind daher während des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter, der insofern den Schuldner repräsentiert, festzusetzen (vgl. VwGH 9.11.2011, 2009/16/0260, mwN).

10       Während des Insolvenzverfahrens dürfen somit weder Abgabenbescheide noch Erkenntnisse bzw. Beschlüsse, mit welchen über Beschwerden gegen Abgabenbescheide abgesprochen wird, an den Schuldner gerichtet werden. Eine nach Konkurseröffnung an den Schuldner gerichtete Erledigung geht ins Leere; sie entfaltet weder eine Wirkung für den Schuldner noch für den Insolvenzverwalter.

11       Wie sich aus der im angefochtenen Erkenntnis enthaltenen Zustellverfügung ergibt, ist das Erkenntnis an die Insolvenzverwalterin gerichtet.

12       Die Revision trägt zu ihrer Zulässigkeit weiters vor, es fehle Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Einbeziehung des „Strukturkostenbeitrages“ in die Bemessungsgrundlage der Kriegsopferabgabe und die bisherige Rechtsprechung zum Veranstaltungsbegriff des KOAbG sei uneinheitlich. Dazu kann gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz iVm Abs. 9 VwGG auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom heutigen Tag, Ra 2019/15/0124, verwiesen werden, der ebenfalls ein Pokercasino betrifft. Aus den in jenem Beschluss angeführten Gründen werden mit diesem Vorbringen auch im vorliegenden Fall keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.

13       Der unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften erfolgten Rüge, das Verwaltungsgericht habe im festgestellten Sachverhalt „offenbar vergessen [...] eine Tabelle mit den relevanten offengelegten Bemessungsgrundlagen einzufügen“, weshalb aus dem festgestellten Sachverhalt nicht hervorgehe, „wie die im Spruch enthaltenen Bemessungsgrundlagen ermittelt wurden“, ist Folgendes zu entgegnen: Die im Spruch angeführten Bemessungsgrundlagen wurden einem - in den Verwaltungsakten erliegenden - Antrag der C GmbH auf bescheidmäßige Festsetzung einer Selbstberechnungsabgabe entnommen, dem ein Auszug aus der Buchhaltung der C GmbH betreffend „Strukturerlöse“ (Strukturkostenbeitrag), „Tischerlöse“ (Tischgelder) und „Erlöse Entry Fee“ (Turniereintrittsgeld) beigelegt wurde. Dass die im Antrag der C GmbH auf bescheidmäßige Festsetzung einer Selbstberechnungsabgabe angeführten - der Revisionswerberin in ihren Funktion als Insolvenzverwalterin der C GmbH bekannten - Bemessungsgrundlagen nicht stimmten, wird in der Revision nicht behauptet. Damit wird aber nicht dargetan, dass im Fall der Durchführung eines mängelfreien Verfahrens die Möglichkeit besteht, zu einer anderen - für die Revisionswerberin günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu gelangen.

14       Soweit die Revision die Verletzung des Parteiengehörs und des Überraschungsverbots im Hinblick auf die angenommenen Eigenschaften des Strukturkostenbeitrages rügt, ist gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz iVm Abs. 9 VwGG wiederum auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom heutigen Tag, Ra 2019/15/0124, zu verweisen. Aus den in jenem Beschluss angeführten Gründen wird mit dem Vorbringen, der Strukturkostenbeitrag stelle eine Entschädigung für die Kosten der Infrastruktur des Betriebes dar und sei daher nicht in die Bemessungsgrundlage für die Kriegsopferabgabe einzubeziehen, auch im vorliegenden Fall keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.

15       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

16       Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff (insbesondere § 51) VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 10. September 2020

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019150128.L00

Im RIS seit

12.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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