TE Lvwg Beschluss 2019/8/12 VGW-111/V/072/10049/2019/R

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Veröffentlicht am 12.08.2019
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Entscheidungsdatum

12.08.2019

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

VwGG §30a Abs3

Text

Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr.in Lettner über den Antrag der Frau A. B., vertreten durch Rechtsanwälte OG, der gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 06.06.2019, GZ: VGW-111/072/14982/2018-21, erhobenen außerordentlichen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den

BESCHLUSS

gefasst:

Gemäß § 30a Abs. 3 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

BEGRÜNDUNG

Gemäß § 30a Abs. 3 VwGG hat das Verwaltungsgericht über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unverzüglich zu entscheiden. Die aufschiebende Wirkung ist mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Die Revisionswerberin hat im vorliegenden Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ausgeführt, dass das angefochtene Erkenntnis unmittelbar vollzugsfähig wäre. Es handle sich um ein privates Bauvorhaben. Zwingende öffentliche Interessen stünden einer Bewilligung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

Für die Revisionswerberin wäre allerdings mit der Ausübung der Berechtigung bereits während des Revisionsverfahrens ein massiver wirtschaftlicher Schaden sowie erhebliche Rechtsvertretungskosten verbunden. Eine zwischenzeitliche Bauführung würde durch die Überschreitung der Gebäudehöhe die Belichtung der Eigentumswohnung der Revisionswerberin beeinträchtigen und im Falle der Veräußerung aufgrund der dadurch eintretenden Wertminderung zu einem wirtschaftlichen Nachteil führen können (merkantiler Minderwert).

Der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner Entscheidung vom 13.2.2019, Zahl Ra 2019/05/0002, ausgeführt, dass es ein Nachbar nach der Bauordnung für Wien nicht in der Hand habe, einen baukonsenslos errichteten Bau exekutiv durchzusetzen. Auch wenn § 1a Abs. 2 VVG dem Nachbarn nunmehr die Möglichkeit einräume, als betreibender Gläubiger die Vollstreckung zu beantrage, scheitere dieses Recht daran, dass die Vollstreckung eines Titels bedürfe. Es gehe daher im gegenständlichen Revisionsverfahren nicht nur um die Erwirkung einer rechtskonformen Entscheidung, sondern um die faktische Möglichkeit der Rechtsverfolgung. Andernfalls könne die Revisionswerberin nur auf die Amtspflicht der Behörde hoffen, dass diese im Falle eines konsenswidrigen Baues einschreite.

Die Interessensabwägung bei der Beurteilung bei der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung habe daher zugunsten der Revisionswerberin auszufallen.

Der Bauwerberin wurde in der Folge die Möglichkeit gegeben, sich zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu äußern. Dies tat sie mit Schriftsatz vom 9.8.2019.

Im vorliegenden Fall war bei der Interessenabwägung einerseits das Interesse der Bauwerberin an der Umsetzung des angefochtenen Bescheides, d.h. an der unverzüglichen Vornahme der von der Behörde bewilligten Baumaßnahmen, zu berücksichtigen. Dem gegenüber steht das Interesse der Beschwerdeführerin daran, dass die Baumaßnahmen nicht durchgeführt werden, solange nicht letztgerichtlich festgestellt ist, dass die Bewilligung dieser Baumaßnahmen rechtens erfolgt ist, da andernfalls der gesetzmäßige Zustand bei Erfolg der Revision nur durch den Abbruch der (konsenslos) errichteten Bauwerksteile hergestellt werden könnten. Sollte die Bauwerberin diesen Abbruch nicht freiwillig vornehmen, wäre ein Bauauftragsverfahren der Behörde erforderlich.

Es hat zwar im Falle des Obsiegens der Beschwerdeführerin allein die Bauwerberin die Folgen einer dann allenfalls eingetretenen Konsenslosigkeit eines inzwischen ausgeführten Baues und die damit verbundenen finanziellen Nachteile zu tragen. Auch der Umstand, dass Bauausführungen typischerweise geeignet sind, Lärm- und Staubbelästigungen auf Nachbargrundstücken herbeizuführen, kann nicht zur Gewährung der aufschiebenden Wirkung führen, weil für den Regelfall § 30 Abs. 1 VwGG bestimmt, dass Beschwerden eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt.

Im Hinblick auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (siehe die von der Beschwerdeführerin zitierte Entscheidung Ra 2019/05/0002) ist jedoch bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der der Revisionswerberin bei sofortiger Umsetzung der angefochtenen Baubewilligung drohenden Nachteile auch ein zeitlicher Aspekt zu berücksichtigen. Diese Erwägung wird im Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung von der Revisionswerberin im Zusammenhang mit der faktischen Effizienz der Revision auch releviert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im o.a. Beschluss festgehalten, dass zwar davon auszugehen sei, dass die Behörden den gesetzlichen Zustand herstellen werden, dass es aber der Nachbar nach der Bauordnung für Wien nicht in der Hand habe, selbst tätig zu werden um den Abbruch, gegebenenfalls im Wege einer Säumnisbeschwerde, auch beizeiten durchzusetzen. Zwar räume § 1a Abs. 2 VVG in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013 dem Nachbarn ein Antragsrecht als betreibendem Gläubiger auf die Vollstreckung ein. Dies ändere aber nichts daran, dass die Vollstreckung eines Titels bedarf. Die Bauordnungen anderer Bundesländer gewährten den Nachbarn das Recht, ihre Nachbarrechte auch im baupolizeilichen Auftragsverfahren zu verfolgen und die Schaffung eines solchen Titels gegebenenfalls durchzusetzen (vgl. insbesondere § 6 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 35 Abs. 2 NÖ Bauordnung 2014, LGBl. Nr. 1/2015 in der Fassung Nr. 53/2018; § 41 Abs. 6 Steiermärkisches Baugesetz, LGBl. Nr. 59/1995 in der Fassung Nr. 117/2016; § 34 Abs. 3 Kärntner Bauordnung 1996, LGBl. Nr. 62 in der Fassung Nr. 85/2013; ferner auch § 7 Abs. 5 in Verbindung mit § 16 Salzburger Baupolizeigesetz 1997, LGBl. Nr. 40/1997 in der Fassung Nr. 96/2017).

Beim derzeit gegebenen Stand der Rechtsordnung falle es daher bei der hier konkret vorzunehmenden Interessenabwägung vor dem Hintergrund des Vorbringens der Parteien des Verfahrens ins Gewicht, dass die Umsetzung des subjektiv-öffentlichen Rechts der Revisionswerber im Fall ihres Obsiegens jedenfalls in zeitlicher Hinsicht weiterhin ungewiss bleibe.

Solange die revisionswerbenden Nachbarn im Falle ihres Obsiegens nicht die Möglichkeit hätten, einen Vollstreckungstitel zu erwirken, den sie dann nach § 1a Abs. 2 VVG auch vollstrecken lassen können, erscheine die faktische Effizienz der Revision vor dem Hintergrund der Neuregelung des § 1a Abs. 2 VVG nicht in ausreichendem Maß gesichert. Gerade angesichts dessen, dass der Nachbar vor dem Verwaltungsgerichtshof subjektive Rechte verfolge, könne es nicht mehr ausreichen, ihn bei der subjektiven Verfolgbarkeit dieser Rechte in Bezug auf die Umsetzbarkeit derselben ins Tatsächliche auf die Amtspflicht der Behörde bzw. die Judikatur der ordentlichen Gerichte zum Missbrauch der Amtsgewalt oder auf das Einschreiten der Volksanwaltschaft zu verweisen. Unter diesen Umständen vermöge auch das Interesse der Bauwerberin an einer Umsetzung des Bauvorhabens bereits während des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof nichts daran zu ändern, dass in einem Fall nach der Bauordnung für Wien, wie dem vorliegenden, die Interessenabwägung zugunsten der Nachbarn auszufallen hat.

Die Revisionswerberin hat sich in ihrem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ausdrücklich auf die o.a. Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs bezogen und vorgebracht, weshalb sie die dort dargestellten Überlegungen als anwendbar erachtet. Es war ihr in ihrer Argumentation zu folgen. Die Bauwerberin hat in ihrer Stellungnahme vom 9.8.2019 kein Vorbringen erstattet, das ein Überwiegen ihrer Interessen an der sofortigen Umsetzung der Baubewilligung begründet hätte. Öffentliche Interessen stehen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

Da die aufschiebende Wirkung der Revision bereits aufgrund der dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs im Hinblick auf die Regelungen der hier anzuwendenden Wiener Bauordnung und der dazu erfolgten Erwägungen des Gerichts zuzuerkennen war, war auf die Frage, ob der Revisionswerberin auch aufgrund der ihr bei sofortiger Umsetzung der Baubewilligung entstehenden Kosten der Rechtsverfolgung bzw. aufgrund einer allfälligen Wertminderung ihrer Wohnung ein unverhältnismäßiger Nachteil droht, nicht mehr einzugehen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die ordentliche Revision ist gemäß § 25a Abs. 2 VWGG unzulässig.

Schlagworte

Revision; aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.111.V.072.10049.2019.R

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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