TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/17 I407 2176478-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.03.2020
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Entscheidungsdatum

17.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55a
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I407 2176478-1/38E

Schriftliche Ausfertigung des am 21.02.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Stefan MUMELTER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 22.09.2017, Zl. XXXX ,

zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG erteilt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer reiste spätestens am 21.02.2016 unter Umgehung der Grenzbestimmungen in das Bundesgebiet ein und stellte am 22.02.2016 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen des darauffolgenden Asylverfahrens wurde er zunächst am 23.02.2016 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes befragt und in weiterer Folge am 16.08.2017 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.

2.       Mit Bescheid vom 22.09.2017, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Algerien (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist (Spruchpunkt III.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

3.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 02.11.2017 (bei der belangten Behörde eingelangt am selben Tag).

4.       Die Beschwerde samt Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 15.11.2017 vorgelegt.

5.       Am selben Tag erkannte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde mit Beschluss die aufschiebende Wirkung zu.
6.         Am 03.09.2019, am 21.11.2019 und am 21.02.2020 hat das Bundesverwaltungsgericht jeweils eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt.

7.       Am 21.01.2020 wurde der Beschwerdeführer vor dem Büro 3.4 Menschenhandel und Schlepperei des Bundeskriminalamtes wegen des Verdachts des Menschenhandels – Ausbeutung durch Begehung von Straftaten – zum Nachteil des Beschwerdeführers niederschriftlich einvernommen.

In weiterer Folge wurde seitens des Bundeskriminalamtes Anzeige an die Staatsanwaltschaft XXXX erhoben. Nach Auskunft der verfahrensführenden Behörde hat die Staatsanwaltschaft bisher keinen Auftrag für weitere Ermittlungen an diese Behörde erteilt.

8.       Im Anschluss an die Verhandlung am 21.02.2020 wurde das gegenständliche Erkenntnis mündlich verkündet und vom Beschwerdeführer die schriftliche Ausfertigung beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist volljährig, ledig und Staatsangehöriger von Algerien. Er ist in XXXX geboren, gehört zur Volksgruppe der Araber und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Seine Identität steht nicht fest.

Er verließ seinen Herkunftsstaat legal im Herbst 2015 und reiste am 21.02.2016 unter Umgehung der Grenzkontrollen schlepperunterstützt über Ungarn nach Österreich ein.

Er ist gesund, arbeitsfähig, spricht die Landessprache Arabisch auf Muttersprachenniveau und ist der deutschen Sprache auf dem Niveau A2 mächtig.

Der Beschwerdeführer besuchte in seinem Herkunftsstaat sieben Jahre lang die Grundschule und hat eine Ausbildung zum Fliesenleger absolviert. Darüber hinaus hat er nebenbei als Friseur schwarzgearbeitet.

In Österreich ist der Beschwerdeführer seit 01.09.2018 als Lehrling für die Ausbildung im Lehrberuf Friseur und Perückenmacher (Stylist) im Unternehmen XXXX beschäftigt und erhält dafür eine monatliche Lehrlingsentschädigung in Höhe von netto EUR 473,01. Das voraussichtliche Ende der Lehrzeit ist der 31.08.2021.

Der Beschwerdeführer ist seit 21.03.2016 in einer betreuten Unterkunft des „SOS-Kinderdorf“ wohnhaft und in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig.

Im Bundesgebiet hat der Beschwerdeführer eine Freundin, er kennt diese ca. seit April 2018, lebt mit ihr jedoch nicht zusammen.

Die Familie des Beschwerdeführers, bestehend aus Mutter und vier Geschwistern, lebt unverändert in Algerien. Er hält zu dieser auch Kontakt. In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine Verwandten und über keine maßgeblichen familiären Anknüpfungspunkte und wurde dies vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren, wonach er in seinem Herkunftsland der unmittelbaren Gefahr einer Verfolgung durch eine Person namens XXXX ausgesetzt sei, konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Algerien einer Verfolgung durch staatliche Behörden oder Privatpersonen ausgesetzt ist.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Algerien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

1.3. Zur Situation in Algerien:

Auf Basis des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Algerien vom 14.06.2019 werden folgende Feststellungen getroffen:

Politische Lage:

Nach der Verfassung von 1996 ist Algerien eine demokratische Volksrepublik. Der Präsident wird für fünf Jahre direkt gewählt, seine Amtszeit ist seit der letzten Verfassungsreform im Jahr 2016 auf zwei Mandate begrenzt. Neben der nach Verhältniswahlrecht (mit Fünfprozent-Klausel) gewählten Nationalen Volksversammlung (Assemblée Populaire Nationale) besteht eine zweite Kammer (Conseil de la Nation oder Sénat), deren Mitglieder zu einem Drittel vom Präsidenten bestimmt und zu zwei Dritteln von den Gemeindevertretern gewählt werden. Die Gewaltenteilung ist durch die algerische Verfassung von 1996 gewährleistet, jedoch initiiert oder hinterfragt das Parlament seither selten Gesetzesvorschläge der Regierung und die Macht hat sich innerhalb der Exekutive zunehmend gefestigt. Präsident Bouteflika regierte weitgehend durch Präsidialdekret (BS 2018). Der Senatspräsident vertritt den Staatspräsidenten (AA 17.4.2019). Präsident Abdelaziz Bouteflika übernahm sein Amt erstmals im April 1999 (AA 17.4.2019). Am 17.4.2014 wurde er mit über 81% für eine vierte Amtszeit wiedergewählt (AA 17.4.2019; vgl. ÖB 13.2.2018).

Algerien, das größte Land Afrikas, gilt als wichtiger Stabilitätsanker in der Region. Die nächsten Präsidentschaftswahlen waren für den 18.4.2019 festgelegt (KAS 27.2.2019). Mehrere Oppositionsparteien wollten einen gemeinsamen Gegenkandidaten aufstellen - konnten sich allerdings nicht einigen (TB 22.2.2019; vgl. TS 26.3.2019).

Seit Februar 2019 kommt es in Algier und vielen anderen Städten zu massiven Protesten, um gegen die erneute Kandidatur des kranken, 81-jährigen Präsidenten Bouteflika zu protestieren. Es wird ein Wechsel des politischen Systems und der Abgang der politischen Führung des Landes gefordert (AA 17.4.2019; vgl. BAMF 18.2.2019).

Die Proteste verliefen meist friedlich (BAMF 25.2.2019), dennoch setzte die Polizei Tränengas, Wasserwerfer und Schlagstöcke ein, um die Menge zu zerstreuen. Einige Menschen wurden vorübergehend festgenommen und nach ein paar Stunden wieder freigelassen (BAMF 25.2.2019; vgl. TB 22.2.2019). Staatliche wie auch regierungstreue Medien wurden in ihrer Berichterstattung eingeschränkt. Am 28.2.2019 demonstrierten rund hundert algerische Medienvertreter in Algier. Mehrere Journalisten wurden festgenommen. Am 1.3.2019 soll es landesweit zu ca. 200 verletzten Demonstranten und Polizisten gekommen sein (BAMF 4.3.2019).

Am 11.3.2019 verkündete Präsident Bouteflika in einer "Botschaft an das Volk", dass die für den 18.4.2019 geplanten Wahlen abgesagt wurden und dass er selbst keine fünfte Amtszeit mehr anstrebe. Außerdem entließ er die bisherige Regierung unter Premierminister Ouyahia und ernannte den bisherigen Innenminister Noureddine Bedoui zum neuen Premierminister. Generalstabschef und Vize-Verteidigungsminister Ahmed Gaid Salah verblieb im Amt. Dieses Angebot von Bouteflika wurde von den Demonstranten abgelehnt (AA 17.4.2019).

Am 26.3.2019 forderte Ahmed Gaid Salah das Verfassungsgericht und das Parlament auf, den Präsidenten gem. Artikel 102 der Verfassung aus gesundheitlichen Gründen für amtsunfähig zu erklären (AA 17.4.2019; vgl. BAMF 1.4.2019; NZZ 26.3.2019). Nachdem auch die Machteliten, die bisher hinter Präsident Bouteflika standen, seinen Rücktritt gefordert hatten, ernannte dieser am 31.3.2019 eine Übergangsregierung. Zu der 27-köpfigen Übergangsregierung gehören sechs alte und 21 neue Minister (BAMF 1.4.2019). Wie das Staatsfernsehen mitteilte, gehörten von den 27 Ministern lediglich acht der vorherigen Regierung an. Neu besetzt wurden unter anderem die Spitzen von Außenministerium, Finanzministerium, Innenministerium und Energieministerium. Der am 11.3.2019 zum Regierungschef ernannte Noureddine Bedoui bleibt im Amt (TS 1.4.2019). Am 3.4.2019 erklärte Bouteflika mit sofortiger Wirkung seinen Rücktritt (TS 3.4.2019).

Die Bestätigung der Regierung durch das Parlament und Beauftragung von Senatspräsident Abdelkader Bensalah als Übergangspräsidenten ist am 9.4.2019 erfolgt. Präsidentschaftswahlen wurden für den 4.7.2019 anberaumt (AA 17.4.2019; BAMF 15.4.2019). Bouteflikas Nachfolger Abdelkader Bensalah unterzeichnete das entsprechende Dekret, wie die algerische Nachrichtenagentur APS meldete (TS 10.4.2019; vgl. ZO 11.4.2019) und das algerische Militär kündigte an, die politische Übergangsphase zu begleiten", indem sie die Wahlvorbereitungen kritisch überwachen würden (TS 10.4.2019; vgl. ZO 11.4.2019). Salah versprach auch den Kreis um das ehemalige Staatsoberhaupt zu entmachten und die Mitglieder der amtierenden Führung des Landes sollten für mögliche Vergehen wie Korruption zur Verantwortung gezogen werden (ZO 11.4.2019). Die landesweiten Proteste fanden weiterhin statt (AA 17.4.2019). Der 77-jährige Bensalah, einer der engsten Vertrauten Bouteflikas, ist seit mehr als 16 Jahren Präsident der oberen Parlamentskammer (TS 9.4.2019; vgl. ZO 11.4.2019) und ein langjähriger Weggefährte des Ex-Präsidenten (TS 9.4.2019). Bensalah darf bei der Wahl nicht selbst kandidieren (ZO 11.4.2019). Ihm fällt laut Verfassung die Verantwortung für die Übergangsphase zu. Gegen die Parlamentsentscheidung gab es erneut Demonstrationen in mehreren Städten Algeriens. Viele Demonstranten sehen in ihm einen Vertreter der alten Politikelite. Sie forderten einen vollständigen Wechsel an der Staatsspitze (TS 9.4.2019).

Weder der Rücktritt von Präsident Bouteflika noch die Ankündigung von Neuwahlen für den 4.7.2019 konnten weitere Demonstrationen verhindern. Tausende Menschen kamen zusammen, darunter auch erstmals eine einflussreiche Richtervereinigung, die erklärte, die Beaufsichtigung der angekündigten Präsidentschaftswahl boykottieren zu wollen. Die Protestierenden fordern den Rücktritt der gesamten Wirtschafts- und Machtelite ("le pouvoir") um Bouteflika (BAMF 15.4.2019). Am 10.5.2019, richteten sich die Proteste in der Hauptstadt hauptsächlich gegen Übergangspräsident Bensalah (BAMF 13.5.2019) und am 17.5.2019 verlangten die Demonstrierenden die für den 4.7.2019 geplanten Neuwahlen zu verschieben. Es sollen keine ehemaligen Machtinhaber, wie z.B. der Armeechef Ahmed Gaid Salah, an einer neuen Regierung beteiligt sind.

Seit Beginn der Proteste gehen noch mehr Menschen auf die Straßen, aber auch die Sicherheitsmaßnahmen wurden erhöht. Panzerfahrzeuge wurden eingesetzt und Kontrollen an den Einfallstraßen in die Hauptstadt eingerichtet. Meldungen der Nachrichtenagentur AFP zufolge, soll es wieder zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften und zum Einsatz von Tränengas gekommen sein. Über Verletzte wurde nichts bekannt. Am 19.5.2019 haben auch tausende Studenten in Algier gegen die Fortsetzung einer Regierung mit alten Machtinhabern demonstriert (BAMF 20.5.2019).

Nachdem sich lediglich zwei Kandidaten für die Wahl am 4.7.2019 gemeldet hatten, jedoch nicht die geforderten Voraussetzungen erfüllten, hat der Verfassungsrat den Termin erneut verschoben. Interimspräsident Bensalah muss jetzt innerhalb seiner Amtszeit, die am 9.7.2019 endet, einen neuen Termin festsetzen (BAMF 3.6.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (17.4.2019): Algerien - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/algerien-node/-/222160, Zugriff 27.5.2019

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (3.6.2019): Briefing Notes 3 Juni 2019, Zugriff 4.6.2019

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (20.5.2019): Briefing Notes 20 Mai 2019, Zugriff 4.6.2019

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (1.4.2019): Briefing Notes 1 April 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2006127/Deutschland___Bundesamt_f%C3%BCr_Migration_und_Fl%C3%BCchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_01.04.2019_%28deutsch%29.pdf, Zugriff 4.6.2019

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (25.2.2019): Briefing Notes 25 Februar 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003661/Deutschland___Bundesamt_f%C3%BCr_Migration_und_Fl%C3%BCchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_25.02.2019_%28deutsch%29.pdf, Zugriff 4.6.2019

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (18.2.2019): Briefing Notes 18 Februar 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003659/Deutschland___Bundesamt_f%C3%BCr_Migration_und_Fl%C3%BCchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_18.02.2019_%28deutsch%29.pdf, Zugriff 4.6.2019

-        BBC - BBC News Africa (12.4.2019): Algeria protests: Police arrest 108 in Friday clashes, https://www.bbc.com/news/world-africa-47915798, Zugriff 28.5.2019

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Algeria Country Report, https://www.bti-project.org/de/berichte/laenderberichte/detail/itc/DZA/, Zugriff 28.5.2019

-        KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (27.2.2019): Algerien vor der Präsidentschaftswahl, https://www.kas.de/laenderberichte/detail/-/content/algerien-vor-der-praesidentschaftswahl, Zugriff 28.5.2019

-        NZZ - Neue Zürcher Zeitung (26.3.2019): Die algerische Armee lässt Präsident Bouteflika fallen, https://www.nzz.ch/international/militaer-fordert-absetzung-von-praesident-bouteflika-ld.1470236, Zugriff 28.5.2019

-        ÖB - Österreichische Botschaft Algier (13.12.2018): Asylländerbericht Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1454442/5818_1544771170_alge-ob-bericht-2018-12-13.docx, Zugriff 29.5.2019

-        TB - Tagesblatt (22.2.2019): Tausende protestieren in Algerien: Polizei löst Demonstration auf, https://www.tagblatt.ch/newsticker/international/tausende-protestieren-in-algerien-polizei-lost-demonstration-auf-ld.1096496, Zugriff 28.2.2019

-        TS - Tagesscshau (3.4.2019): Rücktritt von Präsident Bouteflika - Ein historischer Moment in Algerien, https://www.tagesschau.de/ausland/bouteflika-ruecktritt-107.html, Zugriff 13.6.2019

-        TS - Tagesschau (9.4.2019): Nach Bouteflika-Rücktritt Neuer Übergangspräsident für Algerien, https://www.tagesschau.de/ausland/algerien-bouteflika-bensaleh-101.html, Zugriff 28.5.2019

-        TS - Tagesschau.de (26.3.2019): Protest gegen Bouteflikas fünfte Kandidatur, https://www.tagesschau.de/ausland/algerien-proteste-101.html, Zugriff 28.5.2019

-        ZO - Zeit Online (11.4.2019): Algerien: Präsidentschaftswahl soll im Juli stattfinden, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-04/algerien-wahl-praesident-abdelaziz-bouteflika-proteste, Zugriff 28.5.2019

Sicherheitslage:

Demonstrationen finden seit Mitte Februar 2019 fast täglich in allen größeren Städten statt, die größten Protestmärsche nach den Freitagsgebeten. Auch wenn diese bisher weitgehend friedlich verlaufen sind, können gewaltsame Auseinandersetzungen nicht ausgeschlossen werden (AA 29.5.2019). Die Sicherheitslage in gewissen Teilen Algeriens ist weiterhin gespannt. Es gibt immer noch terroristische Strukturen, wenn auch reduziert (ÖB 13.12.2018). Das Risiko von Terroranschlägen islamistischer Gruppen und Entführungen mit kriminellem oder terroristischem Hintergrund ist besonders hoch (BMEIA 29.5.2019; vgl. AA 29.5.2019). Landesweit kann es zu Behinderungen durch Demonstrationen und Streiks kommen (BMEIA 29.5.2019). Da jedoch Algerien in den 1990er Jahren ein Jahrzehnt des Terrorismus erlebt hat, bevorzugt die große Mehrheit der Algerier Frieden und lehnt Instabilität ab (BS 2018). Algerien steht auch aufgrund seines riesigen Staatsgebietes vor Herausforderungen. Dies erschwert den Kampf gegen den Terrorismus noch mehr. Die Überreste von terroristischen Gruppen aus den 90er Jahren in der Sahara und einigen nördlichen Regionen stellen immer noch eine massive Einschränkung der Regierungsführung dar (BS 2018).

Der djihadistische Terrorismus in Algerien ist stark reduziert worden; Terroristen wurden Großteils entweder ausgeschaltet, festgenommen oder haben oft das Land verlassen, was zur Verlagerung von Problemen in die Nachbarstaaten z.B. Mali führte. Gewisse Restbestände oder Rückzugsgebiete sind jedoch v.a. in der südlichen Sahara (so z.B. angeblich Iyad ag Ghali) vorhanden. Gruppen, wie die groupe salafiste pour la prédication et le combat (GSPC), die den 1997 geschlossenen Waffenstillstand zwischen dem algerischen Militär und der AIS nicht anerkannte, sich in die Saharagebiete zurückzog und 2005 mit Al Qaida zur AQIM verband sind auf kleine Reste reduziert und in Algerien praktisch handlungsunfähig. Inzwischen hat sich diese Gruppe wieder mehrmals geteilt, 2013 u.a. in die Mouvement d'unité pour je jihad en Afrique occidentale (MUJAO). Ableger dieser Gruppen haben den Terroranschlag in In Amenas/Tigentourine im Jänner 2013 zu verantworten. 2014 haben sich mit dem Aufkommen des "Islamischen Staates" (IS) Veränderungen in der algerischen Terrorismusszene ergeben. AQIM hat sich aufgespalten und mindestens eine Teilgruppe, Jund al-Khilafa, hat sich zum IS bekannt. Diese Gruppe hat die Verantwortung für die Entführung und Enthauptung des französischen Bergführers Hervé Gourdel am 24.9.2014 übernommen. Dies war 2014 der einzige Anschlag, der auf einen Nicht-Algerier zielte. Ansonsten richteten sich die terroristischen Aktivitäten ausschließlich auf militärische Ziele (ÖB 13.12.2018).

Islamistischer Terrorismus und grenzübergreifende Kriminalität in der Sahelregion stellen weiterhin Bedrohungen für die Stabilität Algeriens dar. Algerien ist massiv in der Bekämpfung des Terrorismus engagiert und hat sein Verteidigungsbudget auf mehr als 10 Mrd. EUR erhöht (somit das höchste in Afrika). Eine kleine Anzahl islamistischer Extremisten operiert vor allem in der Sahara und den Berberregionen. Unsicherheit in der Region und die Aktivitäten des IS in einigen Nachbarländern machen diese jedoch zu einer potenziellen Bedrohung (BS 2018).

Die Sicherheitssituation betreffend terroristische Vorfälle hat sich jedoch inzwischen weiter verbessert, die Sicherheitskräfte haben auch bislang unsichere Regionen wie die Kabylei oder den Süden besser unter Kontrolle, am relativ exponiertesten ist in dieser Hinsicht noch das unmittelbare Grenzgebiet zu Tunesien und zu Mali. Es kommt jedoch mehrmals wöchentlich zu Razzien und Aktionen gegen Terroristen oder deren Unterstützer (ÖB 13.12.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (29.5.2019): Algerien: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/algerien-node/algeriensicherheit/219044#content_0, Zugriff 29.5.2019

-        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (29.5.2019): Reiseinformationen Algerien, Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/algerien/, Zugriff 29.5.2019

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Algeria Country Report, https://www.bti-project.org/de/berichte/laenderberichte/detail/itc/DZA/, Zugriff 29.5.2019

-        FD - France Diplomatie (29.5.2019): Conseils aux Voyageurs - Algérie - Sécurité, http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays/algerie/, Zugriff 29.5.2019

-        ÖB - Österreichische Botschaft Algier (13.12.2018): Asylländerbericht Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1454442/5818_1544771170_alge-ob-bericht-2018-12-13.docx, Zugriff 29.5.2019

Rechtsschutz / Justizwesen:

Obwohl die Verfassung eine unabhängige Justiz vorsieht, beschränkt die Exekutive die Unabhängigkeit der Justiz (USDOS 13.3.2019; vgl. GIZ 12.2016a; BS 2018). Der Präsident hat den Vorsitz im Obersten Justizrat, der für die Ernennung aller Richter (USDOS 13.3.2019; vgl. BS 2018), sowie Staatsanwälte zuständig ist (USDOS 13.3.2019). Der Oberste Justizrat ist für die richterliche Disziplin und die Ernennung und Entlassung aller Richter zuständig (USDOS 13.3.2019; vgl. BS 2018). Die in der Verfassung garantierte Unabhängigkeit von Gerichten und Richtern wird in der Praxis nicht gänzlich gewährleistet (BS 2018), sie ist häufig äußerer Einflussnahme und Korruption ausgesetzt (USDOS 13.3.2019). Die Justizreform wird zudem nur äußerst schleppend umgesetzt. Algerische Richter sehen sich häufig einer außerordentlich hohen Arbeitsbelastung ausgesetzt, was insbesondere in Revisions- und Berufungsphasen zu überlangen Verfahren führt. Ein berufsständisches Gesetz zu Status und Rolle der Anwaltschaft existiert nicht (AA 4.4.2018; vgl. BS 2018), der jedoch unter dem Einfluss der Exekutive steht (BS 2018 ).

Praktische Entscheidungen über richterliche Kompetenzen werden vom Obersten Justizrat getroffen (BS 2018). Die Richter werden für eine Dauer von zehn Jahren ernannt und können u.a. im Fall von Rechtsbeugung abgelöst werden (AA 4.4.2018). Im Straf- und Zivilrecht entscheiden Justizministerium und der Präsident der Republik mittels weisungsabhängiger Beratungsgremien über das Fortkommen von Richtern und Staatsanwälten. Das Rechtswesen kann so unter Druck gesetzt werden, besonders in Fällen, in denen politische Entscheidungsträger betroffen sind. Es ist der Exekutive de facto nachgeordnet. Im Handelsrecht führt die Abhängigkeit von der Politik zur inkohärenten Anwendung der Anti-Korruptionsgesetzgebung, da auch hier die Justiz unter Druck gesetzt werden kann (GIZ 12.2016a).

Das algerische Strafrecht sieht explizit keine Strafverfolgung aus politischen Gründen vor. Es existiert allerdings eine Reihe von Strafvorschriften, die aufgrund ihrer weiten Fassung eine politisch motivierte Strafverfolgung ermöglichen. Dies betrifft bisher insbesondere die Meinungs- und Pressefreiheit, die durch Straftatbestände wie Verunglimpfung von Staatsorganen oder Aufruf zum Terrorismus eingeschränkt werden. Rechtsquellen sind dabei sowohl das algerische Strafgesetzbuch als auch eine spezielle Anti-Terrorverordnung aus dem Jahre 1992. Das Strafmaß für die Diffamierung staatlicher Organe und Institutionen durch Presseorgane bzw. Journalisten soll allerdings grundsätzlich auf Geldbußen beschränkt sein (AA 4.4.2018). Der Straftatbestand der "Diffamation" führt zu zahlreichen Anklagen durch die staatlichen Anklagebehörden und schwebt als Drohung über Journalisten und allen, die sich öffentlich äußern (GIZ 12.2016a).

Die Verfassung gewährleistet das Recht auf einen fairen Prozess (USDOS 13.3.2019), aber in der Praxis respektieren die Behörden nicht immer die rechtlichen Bestimmungen, welche die Rechte des Angeklagten wahren sollen (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 4.4.2018). Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung und sie haben das Recht auf einen Verteidiger, dieser wird falls nötig auf Staatskosten zur Verfügung gestellt. Die meisten Verhandlungen sind öffentlich. Angeklagten und ihren Anwälten wird gelegentlich der Zugang zu von der Regierung gehaltenen Beweismitteln gegen sie verwehrt. Angeklagte haben das Recht auf Berufung. Die Aussage von Frauen und Männern wiegt vor dem Gesetz gleich (USDOS 13.3.2019). Den Bürgerinnen und Bürgern fehlt nach wie vor das Vertrauen in die Justiz, und sie sehen vor allem in politisch relevanten Strafverfahren Handlungsbedarf. Nach belastbarer Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen und kritischen Journalisten nimmt die Exekutive in solchen Fällen unmittelbar Einfluss auf die Entscheidungen des Gerichts (AA 4.4.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (4.4.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432978/4598_1526980677_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-demokratischen-volksrepublik-algerien-stand-februar-2018-04-04-2018.pdf, Zugriff 29.5.2019

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Algeria Country Report, https://www.bti-project.org/de/berichte/laenderberichte/detail/itc/DZA/, Zugriff 15.2.2018

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2016a): Algerien - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/algerien/geschichte-staat/, Zugriff 29.5.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004261.html, Zugriff 29.5.2019

Sicherheitsbehörden:

Die staatlichen Sicherheitskräfte lassen sich unterteilen in nationale Polizei, Gendarmerie, Armee und Zoll (GIZ 12.2016a). Die dem Innenministerium unterstehende nationale Polizei DGSN wurde in den 90er Jahren von ihrem damaligen Präsidenten, Ali Tounsi, stark ausgebaut und personell erweitert, und zwar von 100.000 auf 200.000 Personen, darunter zahlreiche Frauen (GIZ 12.2016a). Ihre Aufgaben liegen in der Gewährleistung der örtlichen Sicherheit (GIZ 12.2016a; vgl. USDOS 13.3.2019). Sie ist in den blauen Uniformen sehr präsent und in den Städten überall wahrnehmbar (GIZ 12.2016a). Der Gendarmerie Nationale gehören ca. 180.000 [Anm. GIZ: 180.000; USDOS: 130.000] Personen an, die die Sicherheit auf überregionaler (außerstädtischer) Ebene gewährleisten sollen (GIZ 12.2016a; vgl. USDOS 13.3.2019). Sie untersteht dem Verteidigungsministerium und verfügt über zahlreiche spezielle Kompetenzen und Ressourcen, wie Hubschrauber, Spezialisten gegen Cyberkriminalität, Sprengstoffspezialisten usw. Mit ihren schwarzen Uniformen sind sie besonders außerhalb der Städte präsent, z.B. bei den häufigen Straßensperren auf den Autobahnen um Algier (GIZ 12.2016a).

Die Gendarmerie Locale wurde in den 90er Jahre als eine Art Bürgerwehr eingerichtet, um den Kampf gegen den Terrorismus in den ländlichen Gebieten lokal zielgerichteter führen zu können. Sie umfasst etwa 60.000 Personen. Die Armee ANP (Armée Nationale Populaire) hat seit der Unabhängigkeit eine dominante Stellung inne und besetzt in Staat und Gesellschaft Schlüsselpositionen. Sie zählt allein an Bodentruppen ca. 120.000 Personen und wurde und wird im Kampf gegen den Terrorismus eingesetzt. Die Armee verfügt über besondere Ressourcen, wie hochqualifizierte Militärkrankenhäuser und soziale Einrichtungen. Die Zollbehörden nehmen in einem außenhandelsorientierten Land wie Algerien eine wichtige Funktion wahr. Da in Algerien gewaltige Import- und Exportvolumina umgesetzt werden, ist die Anfälligkeit für Korruption hoch (GIZ 12.2016a).

Straffreiheit bleibt ein Problem (USDOS 13.3.2019). Übergriffe und Rechtsverletzungen der Sicherheitsbehörden werden entweder nicht verfolgt oder werden nicht Gegenstand öffentlich gemachter Verfahren (ÖB 13.12.2018). Das Strafgesetz enthält Bestimmungen zur Untersuchung von Missbrauch und Korruption, aber die Regierung veröffentlicht keine Informationen bzgl. disziplinärer oder rechtlicher Maßnahmen gegen Mitglieder der Sicherheitskräfte (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2016a): Algerien - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/algerien/geschichte-staat/, Zugriff 29.5.2019

-        ÖB - Österreichische Botschaft Algier (13.12.2018): Asylländerbericht Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1454442/5818_1544771170_alge-ob-bericht-2018-12-13.docx, Zugriff 29.5.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004261.html, Zugriff 29.5.2019

Folter und unmenschliche Behandlung:

Folter ist gesetzlich verboten (USDOS 13.3.2019; vgl. ÖB 13.12.2018). Unmenschliche oder erniedrigende Strafen werden gesetzlich nicht angedroht. Die Verfassung verbietet Folter und unmenschliche Behandlung (AA 4.4.2018). Das traditionelle islamische Strafrecht (Scharia) wird in Algerien nicht angewendet. Im algerischen Strafgesetz ist Folter seit 2004 ein Verbrechen (AA 4.4.2018). In den neuesten Berichten von Menschenrechtsorganisationen werden Fälle bis 2015 aufgeführt, in denen Übergriffe gegen Personen in Gewahrsam bis hin zu Folter durch die Sicherheitsdienste beklagt werden. Auf neuere Fälle gibt es keine Hinweise (AA 4.4.2018; vgl. USDOS 13.3.2019).

Das Strafmaß für Folter liegt zwischen 10 und 20 Jahren. Nach Angaben des Justizministeriums gab es im Laufe des Jahres sechs Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Strafverfolgungsbeamte wegen Folter. Menschenrechtsaktivisten gaben an, dass die Polizei manchmal übermäßige Gewalt gegen Verdächtige einschließlich Demonstranten angewendet hat (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (4.4.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432978/4598_1526980677_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-demokratischen-volksrepublik-algerien-stand-februar-2018-04-04-2018.pdf, Zugriff 29.5.2019

-        ÖB - Österreichische Botschaft Algier (13.12.2018): Asylländerbericht Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1454442/5818_1544771170_alge-ob-bericht-2018-12-13.docx, Zugriff 29.5.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004261.html, Zugriff 29.5.2019

Korruption:

Gesetzlich sind zwar bis zu zehn Jahre Haft für behördliche Korruption vorgesehen, jedoch wird das Gesetz von der Regierung nicht effektiv durchgesetzt. Korruption bleibt ein Problem. Manchmal üben Beamte straflos korrupte Praktiken aus (USDOS 13.3.2019). Das dem Justizministerium unterstellte Zentralbüro zur Bekämpfung der Korruption ist das hauptverantwortliche Regierungsorgan (GIZ 12.2016a). Korruption in der Regierung beruht hauptsächlich auf einer überbordenden Bürokratie und mangelnden transparenten Strukturen (USDOS 13.3.2019). Auf dem Corruption Perceptions Index für 2018 liegt Algerien auf Platz 105 von 180 (TI 2018).

Quellen:

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2016a): Algerien -Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/algerien/geschichte-staat/, Zugriff 29.5.2019

-        TI - Transparency International (2018): Table of Results: Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/country/DZA, Zugriff 29.5.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004261.html, Zugriff 29.5.2019

Allgemeine Menschenrechtslage:

Staatliche Repressionen, die allein wegen Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe erfolgen, sind in Algerien nicht feststellbar (AA 4.4.2019). Algerien ist den wichtigsten internationalen Menschenrechtsabkommen beigetreten. Laut Verfassung werden die Grundrechte gewährleistet. Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen haben seit Ende der 1990er Jahre abgenommen, bestehen jedoch grundsätzlich fort (AA 17.4.2019). Meinungs- und Versammlungsfreiheit existieren lediglich auf dem Papier (GIZ 12.2016a), werden eingeschränkt (USDOS 13.3.2019; vgl. GIZ 12.2016a, BS 2018) und die Unabhängigkeit der Justiz ist mangelhaft. Weitere bedeutende Menschenrechtsprobleme sind übermäßige Gewaltanwendung durch die Polizei, inklusive Foltervorwürfe, sowie die Einschränkung der Möglichkeit der Bürger, ihre Regierung zu wählen. Weitverbreitete Korruption begleitet Berichte über eingeschränkte Transparenz bei der Regierungsführung. Straffreiheit bleibt ein Problem (USDOS 13.3.2019).

Obwohl die Verfassung Meinungs- und Pressefreiheit gewährleistet, schränkt die Regierung diese Rechte ein (USDOS 13.3.2019; vgl. HRW 17.1.2019, GIZ 12.2016a, BS 2018). NGOs kritisieren diese Einschränkungen. Bürger können die Regierung nicht ungehindert kritisieren. Es drohen Belästigungen und Verhaftungen; Bürger sind somit bei der Äußerung von Kritik zurückhaltend (USDOS 13.3.2019). Es gibt zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften (GIZ 12.2016a). Die Gründung von drei privaten Fernsehsendern durchbrach 2013 das staatliche TV-Monopol (BS 2018). Diese privaten Anbieter stehen aber unter scharfer Beobachtung. Das Tor zur Welt stellt für die algerische Bevölkerung jedoch das Satellitenfernsehen dar - Satellitenschüsseln sind in riesiger Anzahl überall installiert und erlauben den Zugang zu Europa und zur arabischen Welt (GIZ 12.2016a).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit werden durch die algerische Verfassung garantiert, sie bleiben aber bislang - auch nach Aufhebung des Ausnahmezustands durch Präsident Bouteflika im Februar 2011 - in der Praxis stark eingeschränkt (AA 4.4.2018; vgl. USDOS 13.3.2019, HRW 9.4.2019). Ergebnis ist, dass die Möglichkeiten politischer Tätigkeit insbesondere in Algier weiterhin eng begrenzt sind. Oppositionelle politische Aktivisten beklagen, aufgrund von Anti-Terrorismus-Gesetzen und solchen zur Begrenzung der Versammlungsfreiheit festgenommen zu werden (ÖB 13.12.2018). So besteht in Algier unter Berufung auf ein Dekret aus dem Jahr 2001 weiterhin ein generelles Demonstrationsverbot (AA 4.4.2018; vgl. HRW 9.4.2019). Auch am 10.5.2019 sind die Menschen wieder in Massen auf die Straßen gegangen. In der Hauptstadt Algier richteten sich die Proteste hauptsächlich gegen Übergangspräsident Bensalah. Das Militärgericht in Blida hat am 9.5.2019 die Generalsekretärin der oppositionellen Arbeiterpartei Louisa Hanoune festgenommen. Sie hat zusammen mit ihrer Partei die Proteste unterstützt. Ein Tatvorwurf ist bisher nicht bekannt (BAMF 13.5.2019). Auch in anderen Städten werden Demonstrationen trotz Aufhebung des Ausnahmezustands weiterhin regelmäßig nicht genehmigt. Oppositionelle Gruppierungen haben zudem oft Schwierigkeiten, Genehmigungen für Veranstaltungen in geschlossenen Räumen zu erhalten (AA 4.4.2018).

Das Gesetz garantiert der Regierung weitreichende Möglichkeiten zur Überwachung und Einflussnahme auf die täglichen Aktivitäten von zivilgesellschaftlichen Organisationen (USDOS 13.3.2019). Das Innenministerium muss der Gründung zivilgesellschaftlicher Organisationen zustimmen, bevor diese gesetzlich zugelassen werden (USDOS 13.3.2019; vgl. HRW 9.4.2019).

Das im Jahr 2012 verabschiedete Gesetz über Vereinigungen erleichterte auch die Gründung von politischen Parteien (BS 2018), wofür wie bei anderen Vereinigungen eine Genehmigung des Innenministeriums nötig ist. Politische Parteien auf Basis von Religion, Ethnie, Geschlecht, Sprache oder Region sind verboten. Es gibt jedoch islamistisch ausgerichtete Parteien, v.a. jene der grünen Allianz (USDOS 13.3.2019). Seit Verabschiedung des Parteigesetzes 2012 nahm die Anzahl der Parteien deutlich zu. Dies führte jedoch auch zu einer Zersplitterung der Opposition (BS 2018). Oppositionsparteien können sich relativ ungehindert betätigen, soweit sie zugelassen sind, und haben Zugang zu privaten und - in sehr viel geringerem Umfang - staatlichen Medien. Jedoch haben einzelne Parteien kritisiert, dass ihnen teils die Ausrichtung von Versammlungen erschwert wird und sie Bedrohungen und Einschüchterungen ausgesetzt sind (AA 4.4.2019).

Die CNDH als staatliche Menschenrechtsorganisation (Ombudsstelle) hat eine konsultative und beratende Rolle für die Regierung. Sie veröffentlicht jährlich Berichte zur Menschenrechtslage im Land (USDOS 13.3.2019). Zahlreiche Einzelfälle zeigen jedoch, dass die Funktion eines Ombudsmannes gegenüber der Verwaltung fehlt (ÖB 13.12.2018).

Verschiedene nationale Menschenrechtsgruppen operieren und können ihre Ergebnisse publizieren. Sie sind jedoch in unterschiedlichem Ausmaß Einschränkungen durch die Regierung ausgesetzt. Gesetzlich ist es allen zivilen Organisationen vorgeschrieben, sich bei der Regierung zu registrieren. Dennoch operieren einige Organisationen ohne Registrierung und werden seitens der Regierung toleriert (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (4.4.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432978/4598_1526980677_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-demokratischen-volksrepublik-algerien-stand-februar-2018-04-04-2018.pdf, Zugriff 31.5.2019

-        AA - Auswärtiges Amt (17.4.2019): Algerien - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/algerien-node/-/222160, Zugriff 31.5.2019

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Algeria Country Report, https://www.bti-project.org/de/berichte/laenderberichte/detail/itc/DZA/, Zugriff 31.5.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2016a): Algerien - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/algerien/geschichte-staat/, Zugriff 31.5.2019

-        HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002203.html, Zugriff 31.5.2019

-        HRW - Human Rights Watch (9.4.2019): Algeria: Bouteflika Resignation an Opening for Rights, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006405.html, Zugriff 31.5.2019

-        ÖB - Österreichische Botschaft Algier (13.12.2018): Asylländerbericht Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1454442/5818_1544771170_alge-ob-bericht-2018-12-13.docx, Zugriff 31.5.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004261.html, Zugriff 31.5.2019

Religionsfreiheit:

Die Bevölkerung besteht zu 99% aus sunnitischen Moslems, und zu weniger als 1% aus Christen, Juden und anderen (CIA 29.5.2019). Verschiedene inoffizielle Schätzungen geben die Anzahl der Christen in Algerien zwischen 20.000 und 200.000 an. Durch den Zuzug von Studenten und Migranten aus Subsahara-Afrika ist die Anzahl der Christen in den letzten Jahren gestiegen. Beide christliche Kirchen sind als Vereine algerischen Rechts offiziell akkreditiert, mit dem Vatikan unterhält Algerien seit 1972 über einen Nuntius diplomatische Beziehungen (AA 4.4.2018).

Die Verfassung gewährleistet Glaubensfreiheit. Gesetzliche Bestimmungen gestatten allen Individuen die Freiheit, ihre Religion auszuüben, solange die öffentliche Ordnung und gesetzliche Bestimmungen gewahrt bleiben (USDOS 29.5.2018). Die Verfassung erklärt den Islam zur Staatsreligion (USDOS 29.5.2018; vgl. AA 4.4.2018), verbietet aber Diskriminierung aus religiösen Gründen (AA 4.4.2018). Auch in der Praxis ist die Religionsfreiheit gut etabliert. Christen können ihren Glauben an designierten Örtlichkeiten frei ausüben (BS 2018). Muslime, die zum Christentum konvertieren bzw. den Islam oder islamische Würdenträger kritisieren, sind gesellschaftlichen und rechtlichen Restriktionen ausgesetzt (BS 2018; vgl. USDOS 29.5.2018). Die kollektive Religionsausübung muslimischer wie nichtmuslimischer Religionen ist einem Genehmigungsvorbehalt unterworfen. Religiöse Gemeinschaften müssen sich als "Vereine algerischen Rechts" beim Innenministerium akkreditieren lassen, Zulassungen bzw. Neubauten von Moscheen und Kirchen vorab durch eine staatliche Kommission genehmigt werden, und Veranstaltungen religiöser Gemeinschaften fünf Tage vor Veranstaltungsbeginn dem örtlichen Wali angezeigt werden. Diese dürfen nur in dafür vorgesehenen und genehmigungspflichtigen Räumlichkeiten stattfinden. Zuwiderhandlungen sind mit Strafe bedroht (AA 4.4.2018). Gemäß Verfassung sind politische Parteien auf Grundlage der Religion verboten (USDOS 13.3.2019). Missionstätigkeit (von Muslimen durch Nicht-Muslime) ist gesetzlich verboten (USDOS 29.5.2018; vgl. AA 4.4.2018). Die (versuchte) Konvertierung eines Muslims zu einer anderen Religion ist unter Strafe gestellt (Haftstrafe von zwei bis fünf Jahren) (AA 4.4.2018; vgl. USDOS 29.5.2018) sowie eine Geldstrafe (USDOS 29.5.2018).

Im Jahr 2017 führte die Regierung Ermittlungen gegen mindestens 205 Ahmadi-Muslime und verhaftete Dutzende. Gründe waren etwa das Betreiben einer nicht autorisierten Religionsgemeinschaft, illegales Spendensammeln und der Druck von Büchern, Beten außerhalb eines autorisierten Gebetsplatzes, Verletzung der nationalen Sicherheit, Abhaltung von nicht autorisierten Gottesdiensten sowie nicht autorisierte Religionsausübung und Missionierung. Im April 2018 rief der damalige Stabschef des Präsidenten des Landes die Bürger auf, "das Land vor den Schiiten und Ahmadi-Sekten zu schützen". Der Minister für religiöse Angelegenheiten erklärte im Februar 2018, dass Ahmadis "die Grundlage des Islam schädigen", und im Juli 2018, so Human Rights Watch, sagte er, dass Ahmadis von einer "fremden Hand" manipuliert wurden, um die Regierung zu destabilisieren. Ein algerischer Islamrat erklärte, dass der Glaube der Ahmadi außerhalb des Islam liegt. Christliche Gruppen berichten von Schwierigkeiten bei administrativen Vorgängen mit den Behörden. Es gibt Berichte über gesellschaftlichen Missbrauch oder Diskriminierung basierend auf Religionszugehörigkeit, Glauben oder Religionsausübung, v.a. gegenüber Konvertiten (USDOS 29.5.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (4.4.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432978/4598_1526980677_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-demokratischen-volksrepublik-algerien-stand-februar-2018-04-04-2018.pdf, Zugriff 3.6.2019

-        CIA - Central Intelligence Agency (29.5.2019): The World Factbook - Algeria - Military and Security, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ag.html, Zugriff 3.6.2019

-        USDOS - U.S. Department of State (29.5.2018): 2017 Report on international Religious Freedom, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436878.html, Zugriff 3.6.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004261.html, Zugriff 3.6.2019

Ethnische Minderheiten:

Algeriens ethnische Zusammensetzung ist eine Mischung aus Arabern und Berbern, wobei die große Mehrheit der Algerier berberischen Ursprungs ist. Nur eine Minderheit identifiziert sich selbst als Berber (CIA 29.5.2019).

Staatliche Repressionen, die allein wegen Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe erfolgen, sind in Algerien nicht feststellbar. Eine rassisch diskriminierende Gesetzgebung existiert nicht; es liegen auch keine belastbaren Erkenntnisse über tatsächlich erfolgte Diskriminierungen vor (AA 4.4.2018).

Neben der mehrheitlich arabischen Bevölkerung leben in verschiedenen Regionen Berbervölker, unter denen sich besonders die Kabylen seit der Unabhängigkeit Algeriens für die Anerkennung ihrer Sprache (Tamazight) und ihrer Kultur einsetzen. Durch die Verfassungsreform von 2016 wurde Tamazight, nach dem Arabischen, zur Amtssprache erklärt (AA 4.4.2018).

Ethnische (Berber)Minderheiten, vor allem im Süden des Landes, führen diskriminierendes Verhalten der Sicherheitskräfte an. Mozabiten [Anm.: eine muslimische Minderheit] in der Wilaya Ghardaia beklagen, dass sie von Sicherheitskräften nicht ausreichend gegen Gewalt geschützt würden. Polizei und Gendarmerie seien parteiisch, außerdem mache sich bemerkbar, dass Mozabiten vom verpflichtenden Militärdienst praktisch befreit seien und keine Vertreter in Polizei und Gendarmerie entsendeten. Auch in der Kabylei mit einer starken regionalen Identität gibt es immer wieder Klagen über systematische Benachteiligungen und Repressionen (ÖB 13.12.2018 ).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (4.4.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432978/4598_1526980677_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-demokratischen-volksrepublik-algerien-stand-februar-2018-04-04-2018.pdf, Zugriff 3.6.2019

-        CIA - Central Intelligence Agency (29.5.2019): The World Factbook - Algeria - Peoples and Society, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ag.html, Zugriff 3.6.2019

-        ÖB - Österreichische Botschaft Algier (13.12.2018): Asylländerbericht Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1454442/5818_1544771170_alge-ob-bericht-2018-12-13.docx, Zugriff 3.6.2019

Bewegungsfreiheit:

Die Verfassung garantiert Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung, diese Rechte werden jedoch von der Regierung in der Praxis eingeschränkt. Die Regierung hält aus Gründen der Sicherheit Reiserestriktionen in die südlichen Bezirke El-Oued und Illizi, in der Nähe von Einrichtungen der Kohlenwasserstoffindustrie sowie der libyschen Grenze, aufrecht. Überlandreisen sind aufgrund von Terrorgefahr zwischen den südlichen Städten Tamanrasset, Djanet und Illizi eingeschränkt (USDOS 13.3.2019).

Jungen wehrpflichtigen Männern, die ihren Wehrdienst noch nicht abgeleistet haben, wird die Ausreise ohne Sondergenehmigung verweigert. Sondergenehmigungen erhalten Studenten und Personen in besonderen Familienkonstellationen. Personen, die jünger als 18 Jahre sind, ist es gemäß Familienrecht nicht gestattet, ohne die Erlaubnis einer Aufsichtsperson ins Ausland zu reisen. Verheiratete Frauen, die jünger als 18 Jahre sind, dürfen ohne die Erlaubnis ihres Ehemanns nicht ins Ausland reisen. Ehefrauen, die älter als 18 Jahre sind, sind Auslandsreisen auch ohne Erlaubnis des Ehemanns gestattet (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004261.html, Zugriff 3.6.2019

Grundversorgung:

Algeriens Wirtschaft hängt stark vom Export von Erdöl und Erdgas ab. Dank anhaltend hoher Öl- und Gaspreise konnte Algerien über Jahre hinweg ein kontinuierliches Wachstum von durchschnittlich 3% verzeichnen. Die weiteren Prognosen mussten jedoch aufgrund des derzeitigen Preisverfalls bei Öl und Gas bereits nach unten korrigiert werden. Die "rente petrolière" ist langfristig fragil - hinzu kommt die Unsicherheit über die künftige politische Entwicklung und die Stabilität des Landes. Für das Jahr 2017 verdüsterten sich somit die Aussichten. Ein neues Budgetgesetz sieht u. a. eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, höhere Grund- und Immobilienabgaben sowie eine höhere Besteuerung von Mieten, Kraftstoff und Gütern des täglichen Bedarfs vor. Öffentliche Ausgaben werden drastisch eingeschränkt -manche Stimmen sprechen bereits von einer "Kriegserklärung" an die algerische Gesellschaft (GIZ 12.2016b).

Algerien leistet sich aus Gründen der sozialen und politischen Stabilität ein für die Möglichkeiten des Landes aufwendiges Sozialsystem, das aus den Öl- und Gasexporten finanziert wird. Algerien ist eines der wenigen Länder, die in den letzten 20 Jahren eine Reduktion der Armutsquote von 25% auf 5% erreicht hat. Schulbesuch und Gesundheitsfürsorge sind kostenlos. Energie, Wasser und Grundnahrungsmittel werden stark subventioniert. Ein Menschenrecht auf Wohnraum wird anerkannt. Für Bedürftige wird Wohnraum kostenlos zur Verfügung gestellt. Missbräuchliche Verwendung ist häufig (ÖB 13.12.2018).

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist bislang durch umfassende Importe gewährleistet. Insbesondere im Vorfeld religiöser Feste, wie auch im gesamten Monat Ramadan, kommt es allerdings immer wieder zu substanziellen Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln. Für Grundnahrungsmittel wie Weizenmehl, Zucker und Speise-Öl gelten im Januar 2011 eingeführte Preisdeckelungen und Steuersenkungen. Im Bereich der Sozialfürsorge kommt, neben geringfügigen staatlichen Transferleistungen, vornehmlich der Familien-, im Süden des Landes auch der Stammesverband für die Versorgung alter Menschen, Behinderter oder chronisch Kranker auf. In den Großstädten des Nordens existieren "Selbsthilfegruppen" in Form von Vereinen, die sich um spezielle Einzelfälle (etwa die Einschulung behinderter Kinder) kümmern. Teilweise fördert das Solidaritätsministerium solche Initiativen mit Grundbeträgen (AA 17.4.2018).

Nach offiziellen Angaben wird mittlerweile zum ersten Mal von einer Arbeitslosenquote von unter 10% ausgegangen, davon sind 70% jünger als 30 Jahre alt. Diese jungen Leute machen wiederum rund 70% der Bevölkerung aus. Die Arbeitslosigkeit ist die Folge des Niedergangs des verarbeitenden Gewerbes und der Landwirtschaft, die in der Ära Boumedienne viele Arbeitsplätze geschaffen haben. Allerdings beträgt die Arbeitslosigkeit in der Altersgruppe von 16-24 Jahren über 20%. Gegenwärtig werden die betroffenen Jugendlichen ermuntert, eine freiberufliche Perspektive aufzubauen, dazu werden Kredite und steuerliche Anreize geboten (GIZ 12.2016b). Das staatliche Arbeitsamt Agence national d'emploi / ANEM (http://www.anem.dz/) bietet Dienste an, es existieren auch private Jobvermittlungsagenturen (z.B. http://www.tancib.com/index.php?page=apropos). Seit Februar 2011 stehen jungen Menschen Starthilfekredite offen, wobei keine Daten darüber vorliegen, ob diese Mittel ausgeschöpft wurden. Die Regierung anerkennt die Problematik der hohen Akademikerarbeitslosigkeit. Grundsätzlich ist anzumerken, dass allen staatlichen Genehmigungen/Unterstützungen eine (nicht immer deklarierte) sicherheitspolitische Überprüfung vorausgeht, und dass Arbeitsplätze oft aufgrund von Interventionen besetzt werden. Der offiziell erfasste Wirtschaftssektor ist von staatlichen Betrieben dominiert (ÖB 13.12.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (4.4.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432978/4598_1526980677_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-demokratischen-volksrepublik-algerien-stand-februar-2018-04-04-2018.pdf, Zugriff 3.6.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2016b): Algerien - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/algerien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 3.5.2019

-        ÖB - Österreichische Botschaft Algier (13.12.2018): Asylländerbericht Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1454442/5818_1544771170_alge-ob-bericht-2018-12-13.docx, Zugriff 3.6.2019

Rückkehr:

Die illegale Ausreise, d.h. die Ausreise ohne gültige Papiere bzw. ohne eine Registrierung der Ausreise per Stempel und Ausreisekarte am Grenzposten, ist gesetzlich verboten (Art. 175 bis 1. algerisches Strafgesetzbuch, Gesetz 09-01 vom 25.2.2009, kundgemacht am 8.3.2009) (ÖB 13.12.2018; vgl. AA 4.4.2018). Das Gesetz sieht ein Strafmaß von zwei bis sechs Monaten und / oder eine Strafe zwischen 20.000 DA bis 60.000 DA vor (ÖB 13.12.2018). Laut deutscher Botschaft wird das Gesetz auch angewendet; die algerischen Behörden erklären jedoch, das Gesetz sollte nur abschreckende Wirkung entfalten (ÖB 13.12.2018).

Rückkehrer, die ohne gültige Papiere das Land verlassen haben, werden mitunter zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Für illegale Bootsflüchtlinge ("harraga") sieht das Gesetz Haftstrafen von drei bis zu fünf Jahren und zusätzliche Geldstrafen vor. In der Praxis werden zumeist Bewährungsstrafen verhängt (AA 4.4.2018).

Eine behördliche Rückkehrhilfe ist ho. nicht bekannt. Ebenso sind der Botschaft keine NGOs bekannt, die Unterstützung leisten. Bekannt ist, dass Familien zurückkehrende Familienmitglieder wiederaufnehmen und unterstützen. Viel bekannter hingegen sind Fälle, in denen Familien Mitglieder mit beträchtlichen Geldmitteln bei der illegalen Ausreise unterstützen. Sollten Rückkehrer auf familiäre Netze zurückgreifen können, würde man annehmen, dass sie diese insbesondere für eine Unterkunft nützen. Die Botschaft kennt auch Fälle von finanzieller Rückkehrhilfe (EUR 1.000-2.000) durch Frankreich, für Personen, die freiwillig aus Frankreich ausgereist sind. Algerien erklärt sich bei Treffen mit div. EU-Staatenvertretern immer wieder dazu bereit, Rückkehrer aufzunehmen, sofern zweifelsfrei feststehe, dass es sich um algerische Staatsangehörige handle. Nachfragen bei EU-Botschaften und Pressemeldungen bestätigen, dass Algerien bei Rückübernahmen kooperiert. Zwischen Algerien und einzelnen EU-Mitgliedsstaaten bestehen bilaterale Rückübernahmeabkommen (ÖB 13.12.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (4.4.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432978/4598_1526980677_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-demokratischen-volksrepublik-algerien-stand-februar-2018-04-04-2018.pdf, Zugriff 3.6.2019

-        ÖB - Österreichische Botschaft Algier (13.12.2018): Asylländerbericht Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1454442/5818_1544771170_alge-ob-bericht-2018-12-13.docx, Zugriff 3.6.2019

Dem Beschwerdeführer droht im Falle seiner Rückkehr folglich keine Gefährdung in Algerien. Eine Strafe wegen illegaler Ausreise droht ihm bei der Rückkehr in seinen Heimatstaat ebenso nicht.

Eine nach Algerien zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

Schließlich handelt es sich bei Algerien auch um einen sicheren Herkunftsstaat iSd § 1 Z 10 HStV.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität, zur Staatsangehörigkeit und zur Ein- bzw. Ausreise des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, welche sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers ergeben und denen auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Die Identität des Beschwerdeführers steht mangels Vorlage eines unbedenklichen Identitätsdokuments nicht zweifelsfrei fest.

Die Feststellungen betreffend die Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen diesbezüglich glaubhaften und gleichbleibenden Aussage.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers vor dem BFA am 16.08.2017 und in den mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht am 03.09.2019, 21.1

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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