TE Vwgh Beschluss 2020/9/2 Ra 2020/05/0164

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Veröffentlicht am 02.09.2020
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Wien
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien
L82000 Bauordnung
L82009 Bauordnung Wien
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §37
AVG §45 Abs2
BauO Wr §129 Abs10
BauRallg
VwGVG 2014 §17

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision des R L in W, vertreten durch Mag. Wolfgang Andreas Orsini und Rosenberg, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Annagasse 8, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 4. Juni 2020, VGW-112/072/1497/2020-11, betreffend baupolizeiliche Beseitigungsaufträge gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

5        In den Revisionszulässigkeitsgründen wird ausgeführt, das Verwaltungsgericht gehe davon aus, dass die Behörde keine Prüfpflicht treffe, ob es sich nicht doch um einen Fall handle, der der Kognitionsbefugnis der Behörde aufgrund der langen Dauer entzogen sei. Entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gehe die Behörde auf Grund eines logischen Fehlers davon aus, dass alleine wegen des Vorliegens von Bescheiden im Bauakt die relevierten Abweichungen nicht dem Konsens entsprächen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürfe ein vermuteter Konsens nur dann angenommen werden, wenn es sich um ein seit vielen Jahrzehnten bestehendes Gebäude handle, nicht aber schon dann, wenn ein Einschreiten wegen Konsenslosigkeit bisher nicht erfolgt sei. Der Grundsatz, dass der lange Bestand eines Gebäudes für dessen Konsensmäßigkeit spreche, gelte auch dann, wenn eine Baubewilligung vorhanden sei und bloß der bestehende Zustand mit dieser nicht übereinstimme. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes spreche hinsichtlich eines seit Jahrzehnten bestehenden Gebäudes, bei welchem Unterlagen einer seinerzeitigen Baugenehmigung nicht mehr auffindbar sein, die Vermutung dafür, dass das Gebäude in seiner derzeitigen Gestaltung auf Grund einer nach den im Zeitpunkt der Erbauung in Geltung gestandenen Vorschriften erteilten Baubewilligung errichtet worden sei, es sei denn, dass es Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme gebe. Die außerordentliche Revision werde auch darauf gestützt, dass das Verwaltungsgericht Verfahrensvorschriften verletzt, das Parteiengehör ignoriert und den Akteninhalt aktenwidrig wiedergegeben habe. Das Verwaltungsgericht habe es sich leicht gemacht. Es habe das Fehlen einer Baubewilligung mit der lapidaren Aussage eines Mitarbeiters des Magistrates bestätigt, dass er im Bauakt nichts finde. Dies allein sei zu wenig, um eine derartige Entscheidung zu treffen. Das Verwaltungsgericht hätte Erhebungen dazu durchführen müssen, wie lange sich die Baulichkeiten bereits auf der Liegenschaft befänden und ob es nicht doch eine entsprechende Baubewilligung gebe.

6        Der Begründung des Verwaltungsgerichtes (Seite 4 des angefochtenen Erkenntnisses) ist zu entnehmen, dass der Vertreter des Magistrates bei der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ausgeführt habe, dass für die gegenständlichen Baulichkeiten keine Baubewilligung auffindbar sei. Er habe gewissenhaft Nachschau gehalten, ob bei der Behörde ein Konsens vorhanden sei. Er habe weder bewilligte Einreichpläne gefunden noch habe er bei einer Nachschau im Protokoll entsprechende Vermerke zur Einleitung und Durchführung von Baubewilligungsverfahren auf der gegenständlichen Liegenschaft auffinden können. Es sei darauf hinzuweisen, dass auch im vorigen Jahrhundert das Protokoll gewissenhaft geführt worden sei. Dies sei zum Teil handschriftlich erfolgt. Die Verfahren seien in Listen bzw. Karteikarten eingetragen worden.

7        Das Verwaltungsgericht stellte fest (Seite 6 des angefochtenen Erkenntnisses), dass keine Baubewilligung bestehe. Dies gehe hinsichtlich der Vergangenheit aus der fruchtlosen Recherche der Behörde hervor. Der Behördenvertreter habe in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nachvollziehbar dargestellt, dass er nach bewilligten Einreichplänen und Einträgen im Protokoll gesucht, hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Grundstückes aber nichts gefunden habe.

8        In den Revisionszulässigkeitsgründen wird nicht vorgebracht, dass und bzw. allenfalls aus welchen Gründen die Archive der Behörde entgegen den Darlegungen in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses unvollständig sein sollten. Ohne konkrete Anhaltspunkte für die Unvollständigkeit der Archive sind aber keine weiteren behördlichen Ermittlungen in Bezug auf einen vermuteten Konsens notwendig (vgl. VwGH 23.7.2013, 2013/05/0012; 29.9.2016, 2013/05/0058).

9        Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 2. September 2020

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020050164.L00

Im RIS seit

02.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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