TE Vwgh Beschluss 2020/9/7 Ra 2020/04/0099

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Veröffentlicht am 07.09.2020
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Index

22/02 Zivilprozessordnung
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §47
VStG §24
ZPO §292 Abs2
ZustG §17 Abs2
ZustG §17 Abs3
ZustG §22

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa-Janovsky, über die Revision des Dipl.-Ing. H A in W, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher und Dr. Thomas Neugschwendtner, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 3. Juni 2020, Zl. VGW-021/020/16551/2019-18, betreffend Zurückweisung eines Einspruchs gegen eine Strafverfügung wegen Übertretung der Gewerbeordnung 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Strafverfügung vom 4. Juli 2019 verhängte der Magistrat der Stadt Wien (belangte Behörde) über den Revisionswerber als gewerberechtlichen Geschäftsführer einer näher genannten Handelsgesellschaft mbH wegen zwei Übertretungen nach § 40 Marktordnung 2018 iVm § 368 GewO 1994 jeweils eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von € 500,-- samt Ersatzfreiheitsstrafe.

2        Nachdem das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) mit Erkenntnis vom 22. Oktober 2019 der vom Revisionswerber gegen die Vollstreckungsverfügung der belangten Behörde vom 21. August 2019 eingebrachten Beschwerde ausschließlich gegen die Vollstreckung der „Mahngebühren“ nicht jedoch des „Strafbetrages“ Folge gab, beantragte der Revisionswerber mit Schriftsatz vom 11. November 2019 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung eines Einspruchs gegen die Strafverfügung und holte in einem den Einspruch nach. Der Revisionswerber brachte dazu im Wesentlichen vor, er sei nach dem erfolglosen Versuch der Zustellung der Strafverfügung mittels RSb-Sendung an seine Wohnadresse nicht von deren Hinterlegung bei der zuständigen Post-Geschäftsstelle ab dem 9. Juli 2019 informiert worden. Der Revisionswerber kontrolliere täglich seinen Postkasten und sei zur fraglichen Zeit nicht ortsabwesend gewesen. Als Geschäftsführer näher genannter HandelsgesmbH würden ihm regelmäßig behördliche Schriftstücke zugestellt werden. Da er untertags erwerbstätig und somit nicht zu Hause sei, sei er regelmäßig nicht bei Zustellversuchen an seiner Wohnadresse anzutreffen. Deshalb erhalte er regelmäßig Verständigungen von Hinterlegungen. Ihm sei daher bekannt, dass die Hinterlegung einer RSb-Sendung fristauslösend sei und aus diesem Grund die hinterlegte Sendung ehest möglich abgeholt werden müsse. Darauf achte er verlässlich und genau. Wäre er von der Hinterlegung verständigt worden, hätte er umgehend die Sendung behoben und fristgerecht Einspruch erhoben. Die unterlassene Verständigung von der Hinterlegung stelle für ihn ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar.

3        Mit Bescheid vom 15. November 2019 wies die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag des Revisionswerbers gemäß § 71 AVG iVm § 24 VStG ab (Spruchpunkt I.), gab dem damit verbundenen Antrag auf aufschiebende Wirkung gemäß § 71 Abs. 6 AVG iVm § 24 VStG nicht statt (Spruchpunkt II.) und wies den Einspruch des Revisionswerbers gegen die Strafverfügung vom 4. Juli 2019 gemäß § 49 Abs. 1 AVG als verspätet zurück (Spruchpunkt III.).

4        Der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers gab das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis nicht statt und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

5        Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass der vom Revisionswerber behauptete Zustellmangel keinen Wiedereinsetzungsgrund bilde.

Der Beweis, dass eine Zustellung vorschriftsgemäß erfolgt sei, werde durch den eine öffentliche Urkunde darstellenden Zustellnachweis (Rückschein) erbracht, gegen den jedoch gemäß § 292 Abs. 2 ZPO iVm § 24 VStG und § 47 AVG der Gegenbeweis zulässig sei. Werde ein Zustellmangel behauptet, sei diese Behauptung entsprechend zu begründen und es seien Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet seien. Diese Widerlegung sei dem Revisionswerber nicht gelungen. Anhaltspunkte für die Annahme, dass das Zustellorgan den Zustellvorgang unrichtig beurkundet habe, hätten sich nicht ergeben und seien vom Revisionswerber nicht konkret vorgebracht worden. Das Vorbringen, es sei keine Verständigung der Hinterlegung erfolgt, stelle eine bloße Vermutung dar, wofür keinerlei Beweise angeboten oder vorgelegt worden seien. Der Beweisantrag des Revisionswerbers, die gegen ihn geführten anderen Verwaltungsverfahren, in denen eine Hinterlegung von Schriftstücken erfolgt sei, beizuschaffen, spreche für eine rechtskonforme Vorgehensweise der Postboten und beziehe sich nicht auf den konkreten Zustellversuch. Ebenso stelle die Möglichkeit von Zustellfehlern durch die Zustellerin nicht den geforderten Gegenbeweis dar. Insgesamt sei das Vorbringen des Revisionswerbers nicht geeignet, einen Zustellmangel gesichert nachzuweisen. Der erst mit dem Wiedereinsetzungsantrag nach Ablauf der Einspruchsfrist am 23. Juli 2019 erhobene Einspruch sei daher als verspätet zurückzuweisen gewesen.

6        Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Die Revision richtet sich ausschließlich gegen die Zurückweisung des Einspruchs und bringt zur Zulässigkeit zusammengefasst vor, aus näher dargestellter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gehe hervor, „dass nicht unbedingt ein Gegenbeweis zum Beweis über die Zustellung durch Rückschein erbracht werden“ müsse, sondern es ausreiche, „wenn zumindest berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorgangs aufkommen“ würden. Im Übrigen moniert die Revision mit näherer Begründung die Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts zum Zustellvorgang.

11       Die in § 17 Abs. 2 ZustG genannte Verständigung des Empfängers von der Hinterlegung (Hinterlegungsanzeige) ist unabdingbare Voraussetzung einer Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 ZustG. Unterbleibt die Hinterlegungsanzeige, so tritt eine wirksame (fristauslösende) Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 ZustG nicht ein (vgl. VwGH 1.2.2019, Ro 2018/02/0014, Rn. 14, mwN).

12       Der Beweis, wonach eine Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, wird durch den eine öffentliche Urkunde darstellenden Zustellnachweis (Rückschein) erbracht, gegen den jedoch gemäß § 292 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 24 VStG und § 47 AVG der Gegenbeweis zulässig ist. Behauptet jemand, es liege ein Zustellmangel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet sind. Es ist Sache des Empfängers, Umstände vorzubringen, die geeignet sind, Gegenteiliges zu beweisen oder zumindest berechtigte Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des Zustellvorganges aufkommen zu lassen (vgl. etwa VwGH 20.2.2014, 2013/07/0237, mwN).

13       Nach dem Rückschein wurde die Strafverfügung bei näher genannter Post-Geschäftsstelle hinterlegt (Beginn der Abholfrist: 9. Juli 2019) und eine Verständigung von der Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung eingelegt.

14       Für das Verwaltungsgericht haben sich nach Einvernahme des Zustellorgans und des Revisionswerbers keine Anhaltspunkte für eine unrichtige Beurkundung des Zustellvorgangs am Zustellnachweis ergeben.

15       Nach ständiger Rechtsprechung ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 3.3.2020, Ra 2020/04/0021, Rn. 13, mwN).

16       Einen derart krassen Fehler der Beweiswürdigung zeigt die Revision in Bezug auf die Annahme des Verwaltungsgerichts über fehlende Anhaltspunkte für den vom Revisionswerber behaupteten Zustellmangel nicht auf. Aus dem Vorbringen des Revisionswerbers, zu dessen Beweis er die Beischaffung ihn betreffender Verwaltungsstrafakten beantragte, er sei wegen seiner Erwerbstätigkeit regelmäßig nicht bei Zustellversuchen an der Abgabestelle anzutreffen, weshalb er regelmäßig Verständigungen von Hinterlegungen behördlicher Schriftstücke erhalte, ihm die fristauslösende Wirkung der Hinterlegung einer RSb-Sendung bekannt sei und er hinterlegte Schriftstücke fristgerecht abhole, um entsprechende Rechtsmittel zu ergreifen, ist nicht auf berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges zu schließen.

17       Insofern mangelt es auch dem von der Revision in Bezug auf die vom Verwaltungsgericht unterlassene Beischaffung der beantragten Verwaltungsstrafakten geltend gemachten Verfahrensmangel an der für das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG erforderlichen rechtlichen Relevanz (vgl. zum Erfordernis der Relevanzdarstellung beim Zulässigkeitsvorbringen VwGH 26.6.2019, Ra 2019/04/0058, Rn. 10, mwN).

18       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 7. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020040099.L00

Im RIS seit

12.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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