TE Lvwg Erkenntnis 2020/8/24 LVwG-AV-765/001-2020

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Veröffentlicht am 24.08.2020
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Entscheidungsdatum

24.08.2020

Norm

GewO 1994 §11 Abs4
GewO 1994 §11 Abs5
GewO 1994 §345 Abs5
COVID-19-VwBG §1
COVID-19-VwBG §2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Cervenka-Ehrenstrasser über die Beschwerde der A e. U., ***, *** gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt St. Pölten als Gewerbebehörde vom 15. Juni 2020, ***, betreffend den Übergang der Gewerbeberechtigung zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruch zu lauten hat wie folgt:

„Der Bürgermeister der Stadt St. Pölten als Gewerbebehörde stellt zur Anzeige des Übergangs der Gewerbeberechtigung „Schneeräumung und Verkehrsflächenreinigung unter Ausschluß jeder an einen Befähigungsnachweis gebundenen Tätigkeit“ im Standort ***, *** (GISA-Zahl: ***) von der bisherigen Gewerbeinhaberin Bs KG auf die Rechtsnachfolgerin A e.U. vom 3.5.2020 und vom 12.5.2020 fest, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für den Übergang dieser Gewerbeberechtigung nicht gegeben sind und untersagt die Ausübung des verfahrensgegenständlichen Gewerbes.“

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die B KG war Inhaberin der Gewerbeberechtigung „Schneeräumung und Verkehrsflächenreinigung unter Ausschluß jeder an einen Befähigungsnachweis gebundenen Tätigkeit“ im Standort ***, *** (GISA-Zahl: ***). Am 1. Oktober 2019 wurde die Firma im Firmenbuch zur Firmenbuchnummer *** gelöscht.

Mit Anzeige vom 3. Mai 2020 und vom 12. Mai 2020 wurde der Übergang der Gewerbeberechtigung der B KG für das Gewerbe „Hausservice und Schneeräumung“ im Standort ***, *** auf den Nachfolger A e. U. angezeigt.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid des Bürgermeisters des Magistrats der Stadt St. Pölten als Gewerbebehörde vom 15. Juni 2020, ***, wurde der Übergang der Gewerbeberechtigung „Schneeräumung und Verkehrsflächenreinigung unter Ausschluß jeder an einen Befähigungsnachweis gebundenen Tätigkeit“ im Standort ***, ***, vom bisherigen Gewerbeinhaber B KG auf den Rechtsnachfolger A e.U., Inhaberin C, geb. ***, gemäß § 11 in Verbindung mit § 345 Gewerbeordnung 1994 nicht zur Kenntnis genommen und der Eintrag des Übergangs des Gewerbes im Gewerbeinformationssystem Austria (GISA) verwehrt.

In der Begründung wurde dazu ausgeführt, dass die Vermögensübernahme gemäß § 142 UGB von der B KG durch die A e.U., Inhaberin C, am 1.10.2019 im Firmenbuch eingetragen worden sei. Gemäß § 11 Abs. 5 Gewerbeordnung 1994 habe die Rechtsnachfolgerin C sechs Monate Zeit gehabt, die Übernahme der gegenständlichen Gewerbeberechtigung der Gewerbebehörde anzuzeigen, wie ihr auch mit Schreiben der Gewerbebehörde vom 22. Oktober 2019 mitgeteilt worden sei. Diese Frist habe am 1. April 2020 geendet, die tatsächliche Anzeige sei jedoch erst mit Schreiben vom 3. bzw. 12. Mai 2020 und somit verspätet erfolgt.

Zwar sehe das COVID-19 Begleitgesetz (COVID-19-VwBG) grundsätzlich eine Unterbrechung von Fristen vor, jedoch sei die Bestimmung des § 1 COVID-19-VwBG nicht auf die Frist gemäß § 11 Abs. 5 Gewerbeordnung 1994 anwendbar. Eine Fristunterbrechung finde nur für verfahrensrechtliche, nicht jedoch für materiell-rechtliche Fristen statt. Bei der Frist gemäß § 11 Abs. 5 Gewerbeordnung 1994 handle es sich um eine materiell-rechtliche Frist. Somit seien die Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 und 5 Gewerbeordnung 1994 für den Übergang der Gewerbeberechtigung aufgrund der verspäteten Anzeige nicht gegeben.

Dagegen hat A e. U. fristgerecht Beschwerde erhoben (von ihr als Einspruch bezeichnet) und vorgebracht, dass in der Pressekonferenz und in der Parlamentsrede vom 15. März 2020 über gravierende Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus informiert worden sei und an die Bevölkerung appelliert worden sei, zu Hause zu bleiben. Als Maßnahme zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus seien Einschränkungen im Kundenverkehr ab 16. März 2020 angekündigt worden, weshalb sie sich an diese Aufforderung gehalten und ihr Büro geschlossen habe. Sie habe erst auf Home-Office umstellen müssen, erst danach habe sie wieder aktiv werden können. Am 3. bzw. 12. Mai 2020 habe sie ihren Antrag per Mail eingebracht. Es werde daher ersucht, die Ablehnung noch einmal zu überprüfen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.

Mit Schreiben vom 16. Juli 2020 wurde die Beschwerde samt dem dazugehörigen Verfahrensakt zur Entscheidung übermittelt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt zur Zahl ***.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat dazu wie folgt erwogen:

Von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt ist auszugehen:

Die B KG war Inhaberin der Gewerbeberechtigung „Schneeräumung und Verkehrsflächenreinigung unter Ausschluß jeder an einen Befähigungsnachweis gebundenen Tätigkeit“ im Standort ***, *** (GISA-Zahl: ***). Alleiniger unbeschränkt haftender Gesellschafter war zuletzt C, geb. ***. Am 1. Oktober 2019 wurde die Firma im Firmenbuch zur Firmenbuchnummer *** gelöscht und das Vermögen gemäß § 142 UGB durch die Firma A e.U., Inhaberin C, geb. *** übernommen.

Am 1. Oktober 2019 wurde der Einzelunternehmer A e.U., Inhaberin C, geb. *** im Firmenbuch zur Firmenbuchnummer *** eingetragen.

Mit Schreiben vom 22. Oktober 2019 wurde C durch den Magistrat der Stadt St. Pölten auf die Bestimmung des § 11 Abs. 3 Gewerbeordnung 1994 hingewiesen, wonach die Gewerbeberechtigung einer eingetragenen Personengesellschaft mit dem Ausscheiden des letzten Mitgesellschafters auf den verbleibenden Gesellschafter übergeht, wenn dieser die Voraussetzungen für die Ausübung des betreffenden Gewerbes erfüllt. Als verbleibender Gesellschafter müsse sie den Übergang unter Anschluss der erforderlichen Belege längstens innerhalb von sechs Monaten nach Eintragung (bis 1. April 2020) dem Magistrat der Landeshauptstadt St. Pölten anzeigen. Sollte die Anzeige unterlassen werden, endige die Berechtigung nach Ablauf von sechs Monaten ab Eintragung der Umgründung im Firmenbuch. Eine Anzeige sowie eine entsprechende Erklärung waren diesem Schreiben angeschlossen.

Mit E-Mail vom 3. Mai 2020 wurde zunächst eine Anzeige ohne Nennung der Gewerbeberechtigung und ohne korrekte Nennung des bisherigen Gewerbeinhabers übermittelt. Nach entsprechendem Informationsschreiben des Magistrats der Stadt St. Pölten wurde schließlich mit E-Mail vom 12. Mai 2020 eine korrekt ausgefüllte Anzeige übermittelt.

Zu diesen Feststellungen gelangt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aufgrund der Einsichtnahme in den vorgelegten unbedenklichen Verwaltungsakt zur Zahl ***.

In rechtlicher Hinsicht wurde vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wie folgt erwogen:

Gemäß § 17 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles ... und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Folgende rechtliche Bestimmungen kommen zur Anwendung:

§ 11 Abs. 4, 5 und 6 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) lauten:

(4) Bei Umgründungen (Verschmelzungen, Umwandlungen, Einbringungen, Zusammenschlüssen, Realteilungen und Spaltungen) geht die ursprüngliche Berechtigung zur Gewerbeausübung auf den Nachfolgeunternehmer (Rechtsnachfolger) nach Maßgabe der in den Abs. 5 und 6 festgelegten Bestimmungen über. Zu den Umgründungen zählt auch die Einbringung von Unternehmen in eine zu diesem Zweck gegründete eingetragene Personengesellschaft. Die Bestimmungen des ersten Satzes sind auch in dem Fall anzuwenden, dass in Entsprechung des § 8 Abs. 3 UGB die Eintragung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 1175ff ABGB) in das Firmenbuch als eingetragene Personengesellschaft erfolgt.

(5) Die Berechtigung zur weiteren Gewerbeausübung im Sinne des Abs. 4 entsteht mit dem Zeitpunkt der Eintragung der Umgründung im Firmenbuch, wenn der Nachfolgeunternehmer (Rechtsnachfolger) die Voraussetzungen für die Ausübung des betreffenden Gewerbes erfüllt. Der Nachfolgeunternehmer (Rechtsnachfolger) hat der Behörde (§ 345 Abs. 1) den Übergang unter Anschluß der entsprechenden Belege längstens innerhalb von sechs Monaten nach Eintragung im Firmenbuch anzuzeigen. Ist der Nachfolgeunternehmer (Rechtsnachfolger) eine eingetragene Personengesellschaft oder eine juristische Person, so ist § 9 Abs. 2 erster Satz sinngemäß anzuwenden.

(6) Die Berechtigung des Nachfolgeunternehmers (Rechtsnachfolgers) endigt nach Ablauf von sechs Monaten ab Eintragung der Umgründung im Firmenbuch, wenn er innerhalb dieser Frist den Rechtsübergang nicht angezeigt hat oder im Fall des Abs. 5 letzter Satz kein Geschäftsführer innerhalb dieser Frist bestellt wurde. Handelt es sich um ein im § 95 genanntes Gewerbe, so endigt die Gewerbeberechtigung dann nicht nach Ablauf von sechs Monaten, wenn die Genehmigung der Bestellung des Geschäftsführers innerhalb der Frist von sechs Monaten beantragt wurde, jedoch erst nach Ablauf dieser Frist erteilt wird.

§ 345 GewO 1994 lautet:

(1) Die Bestimmungen der Abs. 2 bis 5 gelten für die nach diesem Bundesgesetz zu erstattenden Anzeigen, die bewirken, dass die Behörde Daten in das GISA neu einzutragen oder eingetragene Daten zu ändern hat.

(2) Die Anzeigen sind zu erstatten

1.

gemäß § 46 Abs. 2 Z 1 und § 47 Abs. 3 bei der für die weitere Betriebsstätte zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde und

2.

gemäß § 46 Abs. 2 Z 2 und 3 bei der für den neuen Standort zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde.

Sonstige Anzeigen sind bei der Bezirksverwaltungsbehörde des Standortes zu erstatten.

(3) Für die Art der Einbringung der Anzeigen gilt § 339 Abs. 4. Den Anzeigen sind die zum Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen für die Maßnahme oder Tätigkeit, die Gegenstand der Anzeige ist, erforderlichen Belege anzuschließen. Betrifft die Anzeige die Tätigkeit einer natürlichen Person, so sind jedenfalls die Belege gemäß § 339 Abs. 3 Z 1 anzuschließen. Betrifft eine solche Anzeige die Tätigkeit als Geschäftsführer oder Filialgeschäftsführer, so sind überdies die Belege gemäß § 339 Abs. 3 Z 2 anzuschließen. Für die Anzeige gemäß § 46 Abs. 2 Z 1 erster Fall und für die Anzeigen gemäß § 46 Abs. 2 Z 2 und 3 gelten die Vorschriften des § 339 Abs. 2 sinngemäß. Der Erstatter einer Anzeige ist bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 339 Abs. 4 Z 1 oder 2 von der Vorlage der Belege entbunden.

(4) Wenn die jeweils geforderten Voraussetzungen gegeben sind und in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt wird, hat die Behörde die sich aus der Anzeige ergebende Eintragung in das GISA vorzunehmen und den Erstatter der Anzeige von der Eintragung zu verständigen.

(5) Wenn die jeweils geforderten gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind, hat die Behörde, bei der die Anzeige erstattet worden ist - unbeschadet eines Verfahrens nach §§ 366 ff – dies mit Bescheid festzustellen und die Maßnahme oder die Tätigkeit, die Gegenstand der Anzeige ist, zu untersagen.

(6) Die Behörde hat Anzeigen gemäß § 81 Abs. 3 binnen zwei Monaten nach Erstattung der Anzeige mit Bescheid zur Kenntnis zu nehmen, wenn die geforderten Voraussetzungen gegeben sind. Der Bescheid bildet einen Bestandteil des Genehmigungsbescheides. Sind die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, hat die Behörde innerhalb von zwei Monaten nach Erstattung der Anzeige einen Bescheid im Sinne des Abs. 5 zu erlassen. Für die den Anzeigen gemäß § 81 Abs. 3 anzuschließenden Belege gilt § 353. Mit dem Betrieb der geänderten Betriebsanlage darf erst nach Erlassung des Bescheides im Sinne des ersten Satzes begonnen werden.

§ 1 und § 2 Verwaltungsrechtliches COVID-19-Begleitgesetz (COVID-19-VwBG) lauten:

Unterbrechung von Fristen
§ 1.

(1) In anhängigen behördlichen Verfahren der Verwaltungsbehörden, auf die die Verwaltungsverfahrensgesetze (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991, Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991, und Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 – VVG, BGBl. Nr. 53/1991) anzuwenden sind, werden alle Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes fällt, sowie Fristen, die bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen. Sie beginnen neu zu laufen. Bei der Berechnung einer Frist nach § 32 Abs. 1 AVG gilt der 1. Mai 2020 als Tag, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll. Bei der Berechnung einer Frist nach § 32 Abs. 2 AVG gilt der 1. Mai 2020 als Tag, an dem die Frist begonnen hat. Die vorstehenden Sätze gelten nicht für Fristen in Verfahren nach dem Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186/1950.

(1a) Keine Fristen im Sinne des Abs. 1 sind die Fristen gemäß

1.

§ 80 Abs. 6 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 und

2.

§ 22a Abs. 2 und 4 des BFA-Verfahrensgesetzes – BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012.

(2) Die Behörde (Art. II Abs. 1 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 – EGVG, BGBl. I Nr. 87/2008) kann jedoch im jeweiligen Verfahren aussprechen, dass eine Frist nicht für die in Abs. 1 festgelegte Dauer unterbrochen wird. Diesfalls hat sie gleichzeitig eine neue angemessene Frist festzusetzen.

(3) Nach Abs. 2 ist nur vorzugehen, wenn nach sorgfältiger Abwägung aller Umstände die Fortsetzung des Verfahrens zur Abwendung einer Gefahr für Leib und Leben, Sicherheit und Freiheit oder zur Abwehr eines erheblichen und unwiederbringlichen Schadens einer Partei (§ 8 AVG) dringend geboten ist und nicht das Interesse der Allgemeinheit an der Verhütung und Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 sowie der Schutz der Aufrechterhaltung eines geordneten Verwaltungsbetriebes die Einzelinteressen überwiegen.

Sonderregelungen für bestimmte Fristen
§ 2.

(1) Die Zeit vom 22. März 2020 bis zum Ablauf des 30. April 2020 wird nicht eingerechnet:

1.

in die Zeit, in der ein verfahrenseinleitender Antrag (§ 13 Abs. 8 AVG) zu stellen ist,

2.

in Entscheidungsfristen mit Ausnahme von verfassungsgesetzlich festgelegten Höchstfristen und

3.

in Verjährungsfristen.

Im Anwendungsbereich der Z 2 verlängert sich die jeweilige Entscheidungsfrist um sechs Wochen, wenn sie jedoch weniger als sechs Wochen beträgt, nur im Ausmaß der Entscheidungsfrist selbst.

(2) Die Frist für die Zahlung des Strafbetrages beträgt

1.

bei in der Zeit vom 22. März bis zum Ablauf des 30. April 2020 ausgefertigten Anonymverfügungen, abweichend von § 49a Abs. 6 VStG, sechs Wochen und

2.

bei Organstrafverfügungen, wenn ein Beleg gemäß § 50 Abs. 2 VStG verwendet und dieser in der Zeit vom 22. März bis zum Ablauf des 30. April 2020 am Tatort hinterlassen oder dem Beanstandeten übergeben wird, abweichend von § 50 Abs. 6 VStG, vier Wochen.

Im Anwendungsbereich des ersten Satzes beziehen sich Verweisungen auf die in den §§ 49a Abs. 6 und § 50 Abs. 6 VStG bezeichneten Fristen auf die im ersten Satz bezeichneten Fristen.

§ 13 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) lautet:

Anbringen
§ 13.

(1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden. Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, sind schriftlich einzubringen. Erscheint die telefonische Einbringung eines Anbringens der Natur der Sache nach nicht tunlich, so kann die Behörde dem Einschreiter auftragen, es innerhalb einer angemessenen Frist schriftlich oder mündlich einzubringen.

(2) Schriftliche Anbringen können der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten sind im Internet bekanntzumachen.

(3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

(4) Bei Zweifeln über die Identität des Einschreiters oder die Authentizität eines Anbringens gilt Abs. 3 mit der Maßgabe sinngemäß, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf der Frist als zurückgezogen gilt.

(5) Die Behörde ist nur während der Amtsstunden verpflichtet, schriftliche Anbringen entgegenzunehmen oder Empfangsgeräte empfangsbereit zu halten, und, außer bei Gefahr im Verzug, nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Zeit verpflichtet, mündliche oder telefonische Anbringen entgegenzunehmen. Die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit sind im Internet und an der Amtstafel bekanntzumachen.

(6) Die Behörde ist nicht verpflichtet, Anbringen, die sich auf keine bestimmte Angelegenheit beziehen, in Behandlung zu nehmen.

(7) Anbringen können in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden.

(8) Der verfahrenseinleitende Antrag kann in jeder Lage des Verfahrens bis zu einer allfälligen Schließung des Ermittlungsverfahrens (§ 39 Abs. 3) geändert werden. Durch die Antragsänderung darf die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden.

(9) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 10/2004)

Gemäß § 11 Abs. 4 geht bei Umgründungen die ursprüngliche Berechtigung zur Gewerbeausübung auf den Nachfolgeunternehmer (Rechtsnachfolger) nach Maßgabe der in den Abs. 5 und 6 festgelegten Bestimmungen über. Gemäß Abs. 5 leg. cit. entsteht die Berechtigung zur weiteren Gewerbeausübung im Sinn des Abs. 4 mit dem Zeitpunkt der Eintragung der Umgründung im Firmenbuch, wenn der Nachfolgeunternehmer die Voraussetzungen für die Ausübung des betreffenden Gewerbes erfüllt. Voraussetzung dafür ist, dass der Nachfolgeunternehmer der Behörde den Übergang längstens innerhalb von sechs Monaten nach Eintragung im Firmenbuch anzeigt.

Im gegenständlichen Fall wurde festgestellt, dass die ursprüngliche Gewerbeinhaberin, die B KG, mit 1.10.2019 im Firmenbuch gelöscht wurde, am selben Tag wurde die Firma A e.U., Inhaberin C, im Firmenbuch eingetragen.

Die entsprechende Anzeige hinsichtlich der Umgründung wurde am 3. Mai 2020 in unvollständiger Form, am 12. Mai 2020, somit nach Ablauf der sechs Monaten gemäß § 11 Abs. 5 Gewerbeordnung 1994 schließlich vollständig bei der Behörde erstattet.

Die Beschwerdeführerin beruft sich nun auf den aufgrund des neuartigen Coronavirus veranlassten sog. Lockdown, welcher rechtlich unter anderem im Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren, im Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes (Verwaltungsrechtliches COVID-19-Begleitgesetz-COVID-19-VwBG) Niederschlag gefunden hat. Demnach werden in anhängigen behördlichen Verfahren der Verwaltungsbehörden, auf die die Verwaltungsverfahrensgesetze anzuwenden sind, alle Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes fällt, sowie Fristen, die bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, bis zum Ablauf des 30. April unterbrochen. Sie beginnen neu zu laufen.

Nach Lehre und Rechtsprechung wird zwischen prozess-rechtlichen und materiell-rechtlichen Fristen unterschieden. Soll eine Handlung prozessuale Rechtswirkungen auslösen (Verfahrenshandlung), dann stellen die dafür gesetzten Fristen verfahrensrechtliche (formelle) Fristen dar; ist eine Handlung hingegen auf den Eintritt materieller Rechtswirkungen gerichtet, so stellt eine allenfalls dafür vorgesehene Frist eine materiell-rechtliche Frist dar (vgl. VwGH 21.12.2004, 2003/04/0138 mit Verweis auf Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, o5te Auflage, Rz 229).

Dem Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 397/A ist zu § 1 COVID-19-VwBG zu entnehmen, dass unter Fristen im Sinne dieser Bestimmung nur sogenannte verfahrensrechtliche Fristen zu verstehen sind (112 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR – Berichterstattung).

Zur sechsmonatigen Frist des § 11 Abs. 5 Gewerbeordnung 1994 hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21.12.2004, 2003/04/0138, festgehalten, dass es sich hierbei um eine materiell-rechtliche Frist handelt, ein Antrag auf Wiedereinsetzung der Versäumung der Frist ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Bestimmung des § 1 COVID-19-VwBG ist somit auf die Frist des § 11 Abs. 5 Gewerbeordnung 1994 nicht anwendbar.

Zu prüfen bleibt die Anwendbarkeit des § 2 COVID-19-VwBG. Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 COVID-19-VwBG wird die Zeit vom 22. März 2020 bis zum Ablauf des 30. April 2020 in die Zeit, in der ein verfahrenseinleitender Antrag (§ 13 Abs. 8 AVG) zu stellen ist, nicht eingerechnet.

Der Begriff des verfahrenseinleitenden Antrags wird im COVID-19-VwBG nicht definiert. Der mit „Anbringen“ überschriebene § 13 AVG 1991 listet unter Abs. 1 folgende Arten von Anbringen auf: Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen, woraus hervorgeht, dass der Gesetzgeber ausdrücklich zwischen einem Antrag und einer Anzeige unterscheidet. Während sich die übrigen Bestimmungen des § 13 AVG allgemein auf alle Arten von Anbringen beziehen, stellt Abs. 8 leg. cit. ausdrücklich nur auf den verfahrenseinleitenden Antrag ab, sodass nach dem Wortlaut dieser Bestimmung die übrigen Arten von Anbringen, eben auch Anzeigen, nicht erfasst sind. Demnach ist auch die Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z. 1 COVID-19-VwBG daher auf die Frist des § 11 Abs. 5 Gewerbeordnung 1994 nicht anwendbar, setzt dieser doch eine Anzeige voraus.

Auch aufgrund des Wesens der Anzeige gemäß § 11 Abs. 5 GewO ist nicht von einem verfahrenseinleitenden Antrag auszugehen:

Nach § 11 Abs. 5 GewO 1994 entsteht die Berechtigung zur weiteren Gewerbeausübung beim Nachfolgeunternehmer ex-lege im Zeitpunkt der Eintragung der Umgründung im Firmenbuch, wenn der Nachfolgeunternehmer die Voraussetzungen für die Ausübung des betreffenden Gewerbes erfüllt. Nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung hat der Nachfolgeunternehmer der nach § 345 Abs. 1 GewO zuständigen Behörde den Übergang innerhalb von sechs Monaten nach Eintragung im Firmenbuch anzuzeigen. Erfolgt keine entsprechende Anzeige nach § 11 Abs. 5 leg. cit., so „endigt“ die Gewerbeberechtigung gemäß Abs. 6. Aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 4 bis 6 GewO 1994 wird ersichtlich, dass gemäß Abs. 5 leg. cit die Berechtigung zur weiteren Gewerbeausübung entsteht und gemäß dessen Abs. 6 „endigt“, d.h. der Nachfolgeunternehmer dieses Rechtes verlustig wird, wenn er nicht den Rechtsübergang rechtzeitig anzeigt oder keinen Geschäftsführer innerhalb dieser Frist bestellt. Die Beendigung des Rechtes zur weiteren Gewerbeausübung, eines materiellen Rechts, ist die unmittelbare Folge einer innerhalb der Frist unterlassenen Anzeige. Sie wird durch Unterlassung der fristgerechten Anzeige bewirkt. Der Anzeige kommt insoferne konstitutive Wirkung zu; sie verhindert nämlich eine Endigung der Gewerbeausübung nach 6 Monaten (vgl. Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO, 3. Aufl., § 11 Rz. 25). Da die Gewerbeberechtigung ex lege entsteht bzw. allenfalls endigt und es keines verfahrenseinleitenden Antrags bedarf, ist die Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z. 1 COVID-19-VwBG auch aus diesem Grund auf die Frist des § 11 Abs. 5 Gewerbeordnung 1994 nicht anwendbar.

Wenn die jeweils geforderten gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind, hat die Behörde, bei der die Anzeige erstattet worden ist - unbeschadet eines Verfahrens nach §§ 366 ff – dies gemäß § 345 Abs. 5 GewO mit Bescheid festzustellen und die Maßnahme oder die Tätigkeit, die Gegenstand der Anzeige ist, zu untersagen. Gemäß Abs. 1 leg. cit. gelten die Bestimmungen der Abs. 2 bis 5 für die nach diesem Bundesgesetz zu erstattenden Anzeigen, die bewirken, dass die Behörde Daten in das GISA neu einzutragen oder eingetragene Daten zu ändern hat. Da somit im Fall der verspäteten Anzeige gemäß § 11 Abs. 5 GewO dies mit Bescheid festzustellen ist und die verfahrensgegenständliche Tätigkeit zu untersagen ist, war der Spruch des angefochtenen Bescheides spruchgemäß zu ändern.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 VwGVG entfallen, zumal der Sachverhalt selbst geklärt ist und diese von keiner Partei des Verfahrens beantragt wurde.

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zur Qualifikation der Frist in § 11 Abs. 5 GewO 1994 als materiell-rechtliche Frist liegt eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vor, von der das gegenständliche Erkenntnis nicht abweicht.

Schlagworte

Gewerbliches Berufsrecht; Gewerbeberechtigung; Übergang; Verfahrensrecht; Fristversäumnis; COVID-19;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.765.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

25.09.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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