TE Bvwg Beschluss 2020/1/21 L506 2209188-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.01.2020
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Entscheidungsdatum

21.01.2020

Norm

AsylG 2005 §13
VwGG §25a Abs2 Z1
VwGG §30 Abs2

Spruch

L506 2209188-1/39E

L506 2209188-2/22E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. GABRIEL über den Antrag vom 09.01.2020 von XXXX , der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.10.2019, Zlen. XXXX, erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.12.2019, Zlen. XXXX, wurde der Revision die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

Mit verfahrensleitender Anordnung des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.01.2020, beim Bundesverwaltungsgericht am 16.01.2020 eingelangt, wurde der gegenständliche dritte Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der revisionswerbenden Partei zuständigkeitshalber an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt. Im neuerlichen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung führte die revisionswerbende Partei folgendes an:

"Der Rw. hat am 6.12.2019 innerhalb offener Frist Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.10.2019 1.) L506 2209188-1/18E 2.) L506 2209188-2/5E erhoben. Das Verwaltungsgericht hat den mit der Revision verbundenen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen und den an am 23.12.2019 den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zurückgewiesen.

Die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, haben sich wesentlich geändert:

Es besteht aktuell und nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes erhöhte Kriegsgefahr im Iran. Der Rw. stammt aus dem Iran, bei Vollzug der angefochtenen Entscheidung wird er dorthin abgeschoben.

Nach der gezielten Tötung des Chefs der iranischen Revolutionsgarden durch das US- Militär ist die Gefahr einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen den beiden Erzfeinden Iran und USA so hoch wie nie zuvor. Manche sprechen sogar von einem "Sarajevo"-Effekt, der einen neuen Weltkrieg heraufbeschwören könnte. (zB. Mittwoch, 08.01.2020, 22:28 FOCUS https://www.focus.de/archiv/politik/08-01-2020/) Das österreichische Außenministerium hat aktuell (9.1.2020, 12.00) ein hohes Sicherheitsrisiko Stufe 4 ausgesprochen https://www.bmeia.gv.at/reise- aufenthalt/reiseinformation/land/iran/

Dazu kommt, dass nicht bekannt ist, wie sich die aktuelle Bedrohung auf Konvertiten auswirkt. Der Rw. wurde 2016 in Österreich getauft. Nach dem im Iran geltenden islamischen Recht, gilt das Verlassen des Islams als todeswürdiges Verbrechen. Bei einer Abschiebung in den Iran befürchtet er Verfolgung aus religiösen Gründen und in eine ausweglose Lage zu geraten, er hat keinerlei Perspektiven elementarste Bedürfnisse zu befriedigen, einen sicheren Wohnort zu finden, eine Lebensgrundlage zu erwirtschaften oder ausreichende Gesundheitsvorsorge vorzufinden."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

§ 30 Abs. 2 VwGG lautet: "Bis zur Vorlage der Revision hat das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer Begründung, wenn durch sie Interessen anderer Parteien berührt werden. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden."

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entfaltet auch ein Beschluss über einen Antrag nach § 30 Abs. 2 VwGG die Wirkung einer rechtskräftigen Entscheidung. Bei unveränderter Sach- und Rechtslage darf (abgesehen von der Möglichkeit des Verwaltungsgerichtshofes, einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes nach § 30 Abs. 3 VwGG aufzuheben oder abzuändern) daher nicht neuerlich in der selben Sache entschieden werden (vgl. den Beschluss vom 10. November 2014, Ra 2014/15/0023). Im Fall eines Antrages nach § 30 Abs. 3 VwGG ist - wenn eine wesentliche Änderung der für die Entscheidung über den Antrag auf aufschiebende Wirkung maßgeblichen Voraussetzungen nicht behauptet wird - grundsätzlich nur die Begründung des ursprünglichen Antrages maßgeblich. Das Verfahren nach § 30 Abs. 3 VwGG dient nicht dazu, dem Antragsteller eine weitere "Nachbegründung" seines Antrages zu erlauben; vielmehr sollen einerseits eine Überprüfung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf Basis der bereits diesem vorgelegenen Entscheidungsgrundlagen und andererseits die Berücksichtigung von wesentlichen Änderungen, die auch die Stellung eines neuen Antrages rechtfertigen würden, ermöglicht werden (vgl. den Beschluss des VwGH vom 09.08.2016, Ra 2016/16/0057).

Insofern im neuerlichen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vom 09.01.2020 vorgebracht wird, dass nach der letzten zurückweisenden Entscheidung des BVwG (Anm.: welche mit 08.01.2020 datiert) erhöhte Kriegsgefahr im Iran bestehe und nach der gezielten Tötung des Chefs der iranischen Revolutionsgarde durch das US Militär die Gefahr einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen den USA und dem Iran so hoch wie nie zuvor sei und manche sogar von einem ?Sarajevo-Effekt', der einen neue Weltkrieg heraufbeschwören könne und dazu auf einen Artikel auf FOCUS vom 08.01.2020 verwiesen und hervorgehoben wird, dass das österreichische Außenministerium aktuell (09.01.2020, 12:00) ein hohes Sicherheitsrisiko Stufe 4 ausgesprochen habe, ist festzuhalten wie folgt:

Durch die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes im hg. Asylverfahren wurde rechtskräftig darüber abgesprochen, dass der revisionswerbenden Partei im Falle ihrer Rückkehr in den Iran kein reales Risiko einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht, respektive relevante exzeptionelle Umstände nicht vorliegen.

Mit hg. Beschluss vom 09.12.2019 wurde der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mit näherer Begründung abgewiesen und ein neuerlicher Antrag mit hg. Beschluss vom 08.01.2020 wegen entschiedener Sache als unzulässig zurückgewiesen.

Die Rechtskraft der abweisenden Entscheidung wäre daher nur durchbrochen, wenn die revisionswerbende Partei mit ihrem nunmehrigen dritten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung den Beweis des in ganz Iran bestehenden realen Risikos einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände erbracht hätte bzw. im Iran eine von Amts wegen aufzugreifende Änderung der allgemeinen (Sicherheits-)lage eingetreten wäre.

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat (nur) dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird.

Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art 2 oder 3 MRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art 2 oder 3 MRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).

Der EGMR betont in seiner Rechtsprechung, dass nicht jede prekäre allgemeine Sicherheitslage ein reales Risiko iSd Art. 3 MRK hervorruft. Im Gegenteil lässt sich seiner Judikatur entnehmen, dass nicht eine Situation genereller Gewalt nur in sehr extremen Fällen (in the most extreme cases) diese Voraussetzung erfüllt (VwGH, 21.02.2017, Ra 2016/18/0137 mit Verweis auf EGMR 28.11.2011, Nr. 8319/07 und 11449/07, Sufi und Elmi gg. Vereinigtes Königreich, RNr. 218 mit Hinweis auf EGMR vom 17.07.2008, Nr. 25904/07, NA gg. Vereinigtes Königreich).

Nach der ständige Judikatur des EGMR obliegt es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art 3 MRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 3 MRK widersprechende Behandlung drohen würde (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134). Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art 3 MRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 MRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art 3 MRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).

Derartige individuelle Nachweise hat die revisionswerbende Partei im vorliegenden Fall nicht erbracht und sind im Lichte obiger Ausführungen aus der allgemeinen aktuellen Berichtslage seit der Tötung des Generals der Revolutionsgarde am 03.01.2020, welche im gegenständlichen Antrag thematisiert wird, auch keine von Amts wegen zu berücksichtigenden Änderungen der allgemeinen (Sicherheits-)lage im Iran erkennbar. Das Vorbringen einer erhöhten Kriegsgefahr im Iran aufgrund der aktuellen Verhältnisse ist nicht ausreichend.

Die behauptete Lageänderung war für sich daher von vornherein nicht geeignet, eine maßgebliche Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts zu bewirken. Besondere, in der Person der revisionswerbenden Partei (neu) begründete Umstände, die dazu führten, dass gerade bei ihr ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Iran im Allgemeinen - höheres Risiko bestünde, einer dem Art 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen, wurden - wie bereits dargelegt - nicht vorgebracht und sind nicht ersichtlich.

Hinsichtlich der Thematik "Reisewarnungen des Außenministeriums" ist abschließend auf die rezente Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, welcher die Ansicht vertritt, dass "nicht zu sehen ist, dass die in der Reisewarnung genannten Umstände nicht ohnedies von den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes umfasst sind" und auch darauf verweist, dass diese an reisende österreichische Staatsbürger gerichtet sind und nicht näher ausgeführt wurde, aus welchen Gründen sich deren Inhalt für die im konkreten Fall vorzunehmende Beurteilung als maßgeblich darstellt (VwGH 05.04.2018, Ra 2018/19/0101-4).

Der Revisionswerber begehrt nicht die Aufhebung oder Abänderung des seinerzeitigen Beschlusses vom 09.12.2019, sondern - neuerlich - die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Da der Revisionswerber eine Änderung der Sachlage seit dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.12.2019 nicht behauptet, ist der vorliegende Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Schlagworte

Änderung maßgeblicher Umstände aufschiebende Wirkung entschiedene Sache Krieg res iudicata wesentliche Sachverhaltsänderung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L506.2209188.2.01

Im RIS seit

25.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

25.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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