TE Vwgh Beschluss 1997/11/21 96/19/3680

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Veröffentlicht am 21.11.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
22/02 Zivilprozessordnung;

Norm

VwGG §26 Abs3;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §61;
ZPO §381;
ZPO §66 Abs1;
ZPO §66 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über den Antrag des NJ in Wien, geboren 1969, vertreten durch Dr. Gabriel Liedermann, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Gudrunstraße 143, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ergänzung der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. April 1996, Zl. 305.713/2-III/11/96, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung wird gemäß § 46 VwGG zurückgewiesen.

Begründung

Der Bundesminister für Inneres wies im Instanzenzug mit Bescheid vom 10. April 1996, Zl. 305.713/2-III/11/96, den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) ab.

Nachdem der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 26. Juni 1996, B 1816/96-3, die Behandlung der an ihn gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hatte, forderte der Verwaltungsgerichtshof den Beschwerdeführer mit Verfügung vom 8. August 1996, zugestellt am 6. September 1996, auf, gemäß § 34 Abs. 2 VwGG die Beschwerde zur Behebung der ihr anhaftenden Mängel innerhalb einer Frist von sechs Wochen zu ergänzen.

Am letzten Tag dieser Frist ersuchte der Beschwerdeführer, ihm "zur Einbringung der Bescheidbeschwerde" (gemeint: zur aufgetragenen Beschwerdeergänzung) die Verfahrenshilfe im Ausmaß der Beigebung eines Rechtsanwaltes und der Befreiung von den Stempelgebühren zu bewilligen. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers berief sich bei diesem Antrag auf eine Vollmacht, die ihm (lediglich) im Umfang der Einbringung des Verfahrenshilfeantrages erteilt worden sei.

Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Oktober 1996 wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, binnen zwei Wochen ein von ihm unterfertigtes, vollständig ausgefülltes und nicht mehr als vier Wochen altes Vermögensbekenntnis vorzulegen. Er wurde darauf hingewiesen, daß bei Nichtvorlage des Vermögensbekenntnisses der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gemäß § 66 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen, eine unvollständige oder nicht fristgerechte Entsprechung hingegen gemäß § 381 ZPO der freien Würdigung unterliegen würde.

Dieser Beschluß wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers am 31. Oktober 1996 zugestellt.

Mit Schreiben vom 16. Dezember 1996, hg. eingelangt am 20. Dezember 1996, ergänzte der Beschwerdeführer die Beschwerde, stellte einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung seiner Beschwerde und verband dies mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist (zur Vorlage des Vermögensbekenntnisses und damit) zur Einbringung der Beschwerdeergänzung. Der letztgenannte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (hg. Zl. 96/19/3680) ist Gegenstand des vorliegenden Beschlusses.

Der Beschwerdeführer stützte seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einbringung der Beschwerdeergänzung gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. April 1996 darauf, daß ihn zwei Schreiben seines Rechtsvertreters (vom 22. Juli 1996 sowie vom 9. September 1996) nicht erreicht hätten. Daher habe der Rechtsvertreter, der allein zur Einbringung der Verfahrenshilfeantrages ermächtigt gewesen sei, für den Beschwerdeführer am 17. Oktober 1996 den Verfahrenshilfeantrag gestellt. Mit Schreiben vom 5. November 1996 habe ihn sein Rechtsvertreter darüber zu verständigen versucht, daß das zur Vorlage übermittelte Vermögensbekenntnis so rasch als möglich ausgefüllt und samt Beilagen dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt werden müsse. Dieses Schreiben vom 5. November 1996 sei jedoch von der Post nicht an seine Abgabestelle zugestellt, sondern vom Zusteller in das Hausbrieffach des im selben Haus auf Top 13c wohnenden Mieters eingeworfen worden. Infolgedessen habe er von der Frist zur Vorlage des Vermögensbekenntnisses keine Kenntnis erlangt und somit auch die Frist von sechs Wochen zur Ergänzung der Bescheidbeschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. April 1996, welche ihm mit dem Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. August 1996 eingeräumt worden und mit 18. Oktober 1996 abgelaufen sei, versäumt. Er sei ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist zur Vorlage des Vermögensbekenntnisses und damit an der Einhaltung der Frist zur Einbringung der Beschwerdeergänzung gehindert worden. Das Hindernis sei erst fortgefallen, als die Ehegattin des auf Top 13c wohnenden Mieters dem Beschwerdeführer und Antragsteller am 4. Dezember 1996 das Schreiben seines Rechtsfreundes vom 5. November 1996 übergeben und er bei der Vorsprache bei seinem Rechtsfreund am 5. Dezember 1996 in Erfahrung gebracht habe, daß er die Frist zur Vorlage des Vermögensbekenntnisses versäumt habe.

Diesem Antrag war ein ausgefülltes und mit Beilagen versehenes Vermögensbekenntnis beigeschlossen.

§ 26 Abs. 3 VwGG lautet:

"(3) Hat die Partei innerhalb der Frist zur Erhebung der Beschwerde die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt (§ 61), so beginnt für sie die Frist zur Erhebung der Beschwerde mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes an diesen. Der Bescheid ist durch den Verwaltungsgerichtshof zuzustellen. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen, so beginnt die Frist zur Erhebung der Beschwerde mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei."

§ 46 Abs. 1 VwGG lautet:

"§ 46. (1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt."

Voraussetzung für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist das Vorliegen einer Frist, bei deren Versäumung für den Antragsteller ein Rechtsnachteil eintritt. Einen Rechtsnachteil erleidet die Partei, wenn ihre Säumnis zur Folge hat, daß sie eine zur Wahrung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen notwendige Prozeßhandlung nicht mehr vornehmen kann. Hätte der Beschwerdeführer die Frist zur Einbringung der Beschwerdeergänzung versäumt, träte die Zurückziehungsfiktion des § 34 Abs. 2 VwGG ein und das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof würde in weiterer Folge gemäß § 33 Abs. 1 VwGG eingestellt.

Die Frist zur Beschwerdeergänzung wurde aber im vorliegenden Fall nicht versäumt. Wie dem Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. August 1996 zu entnehmen ist, wird hinsichtlich der Rechtsfolgen bei Nichtentsprechen des Ergänzungsauftrages in der Verfahrenshilfeangelegenheit zwischen der (gänzlichen) Nichtvorlage und einer unvollständigen oder verspäteten Vorlage des Vermögensbekenntnisses unterschieden. Nur im erstgenannten Fall kommt es zu einer Zurückweisung eines Antrages auf Zuerkennung von Verfahrenshilfe. Eine verspätete Vorlage - wie im gegenständlichen Fall - unterliegt gemäß § 381 ZPO der freien Beweiswürdigung und führt entweder zur Bewilligung oder zur Abweisung des Antrages.

Bei Zurückweisung eines derartigen Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe findet § 26 Abs. 3 letzter Satz VwGG, wonach die Frist zur Erhebung (sinngemäß im gegenständlichen Fall: zur Ergänzung) der Beschwerde mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei beginnt, keine Anwendung, da dort ausdrücklich von Abweisung (und nicht von Zurückweisung) des Antrages gesprochen wird. Im Fall der Abweisung des Verfahrenshilfeantrages z.B. wegen verspäteter Vorlage oder wegen Unvollständigkeit des Vermögensbekenntnisses kommt die Bestimmung des § 26 Abs. 3 letzter Satz VwGG aber sehr wohl zum Tragen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, entspricht die im § 26 Abs. 3

letzter Satz VwGG enthaltene Frist zur Erhebung einer Beschwerde der im § 34 Abs. 2 VwGG angeführten Frist zur Mängelbehebung (vgl. die hg. Beschlüsse vom 15. Juni 1973, Slg. Nr. 8432/A, und vom 13. September 1983, Zl. 83/11/0103).

Es bleibt gemäß § 14 Abs. 2 VwGG der Entscheidung des Berichters vorbehalten, ob dem Antrag auf Zuerkennung der Verfahrenshilfe stattgegeben oder nicht stattgegeben wird; für den Beschwerdeführer kann aber in keinem Fall ein Rechtsnachteil im Hinblick auf die Frist zur Beschwerdeergänzung eintreten. Sowohl im Fall der Bewilligung der Verfahrenshilfe (vgl. § 26 Abs. 3 erster und zweiter Satz VwGG), als auch im Fall der Abweisung des Antrages (vgl. § 26 Abs. 3 letzter Satz VwGG) begänne erneut die Frist zur Ergänzung der Beschwerde - nunmehr mit Hilfe eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes - zu laufen (vgl. u.a. den hg. Beschluß vom 13. September 1983, Zl. 83/11/0103).

Die Frist zur Beschwerdeergänzung ist somit - nach dem derzeitigen Verfahrensstand - nicht versäumt worden, weil eine Zurückweisung des Verfahrenshilfeantrages (die eine neuerliche Ingangsetzung der Beschwerdeergänzungsfrist ausgeschlossen hätte) nicht erfolgt ist. Die bereits - vor Entscheidung über den Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe - vorgelegte Ergänzung der Beschwerde erweist sich somit als rechtzeitig eingebracht.

Der vorliegende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Frist zur Vorlage einer Beschwerdeergänzung war daher gemäß § 46 VwGG zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den vorliegenden Antrag war gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. e VwGG im Dreiersenat (vgl. dazu die hg. Beschlüsse vom 15. Oktober 1976, Slg. 9173/A, und vom 29. August 1995, Zl. 95/05/0160) zu treffen.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Frist Mängelbehebung Zurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996193680.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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