TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/26 W129 2120217-1

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Veröffentlicht am 26.05.2020
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Entscheidungsdatum

26.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
GehG §113
GehG §175 Abs79 Z2
VwGVG §14
VwGVG §15

Spruch

W129 2120217-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX gegen den durch eine Beschwerdevorentscheidung bestätigten Bescheid des Leiters des Personalamtes Wien für Beamte der Betriebsstellen der Telekom Austria Aktiengesellschaft in Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 05.10.2015, Zl. VrSt 01037/13, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und die Beschwerdevorentscheidung dahingehend abgeändert, dass sie zu lauten hat: "Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Sachverhalt:

1.1. Die beschwerdeführende Partei steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Sie beantragte die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages durch Anrechnung von vor der Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten/Feststellung der daraus resultierenden besoldungsrechtlichen Stellung/allfällige Nachzahlung von Bezügen.

1.2. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wurde dieser Antrag gemäß § 175 Abs 79 Z 2 und 3 Gehaltsgesetz 1956 (GehG) als unzulässig zurückgewiesen.

1.3. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei innerhalb offener Frist Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit mit der wesentlichen Begründung, dass der Gesetzgeber durch die nunmehr getroffenen Bestimmungen die Rechtsprechung des EuGH betreffend die Anrechnung von Vordienstzeiten vor dem 18. Geburtstag nur unzureichend umgesetzt und damit die Altersdiskriminierung perpetuiert habe.

1.4. In Erledigung dieser Beschwerde erließ die belangte Behörde eine Beschwerdevorentscheidung, mit welcher sie die Beschwerde abwies.

In weiterer Folge erhob die beschwerdeführende Partei das Rechtsmittel des Vorlageantrages.

1.5. Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht vor.

1.6. Das Bundesverwaltungsgericht setzte das Verfahren gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union über das ihm mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.06.2017, W128 2148285-1/2Z, vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen aus.

1.7. Mit Urteil vom 08.05.2019, C-396/17, hat der EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen entschieden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt mangels gegenteiliger gesetzlicher Regelung Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren wurde gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG bis zur Entscheidung des EuGH über das ihm mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.06.2017, W128 2148285-1/2Z, vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt. Da der EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen mit Urteil vom 08.05.2019, C-396/17, entschieden hat, ist das Verfahren nunmehr fortzusetzen.

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu A)

Die belangte Behörde geht im Beschwerdefall vom Fehlen einer Antragslegitimation der beschwerdeführenden Partei aus, weil mit der Gesetzesnovelle BGBI. I Nr. 104/2016 eine Anrechnung von Zeiten ausdrücklich ausgeschlossen werde und der Gesetzgeber die Regelungen betreffend "Vorrückungsstichtag" aus dem historischen Bestand der zweiten Republik vollständig entfernt habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass, wenn die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung ist (vgl. VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002, 0003; 23.06.2015, Ra 2015/22/0040, sowie 16.09.2015, Ra 2015/22/0082 bis 0084, alle mwN).

Eine inhaltliche Entscheidung über den verfahrensgegenständlichen Antrag war dem Bundesverwaltungsgericht somit verwehrt. Auch eine Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG kam nicht in Betracht (s. dazu VwGH 16.12.2009, 2008/12/0219).

Es ist demnach zu prüfen, ob die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei zu Recht eine Sachentscheidung verweigert hat:

Wie der EuGH nunmehr in seinem Urteil C-396/17 dargelegt hat, muss ein Beamter, der eine Diskriminierung wegen des Alters erlitten hat, die Möglichkeit haben, unter Berufung auf Art. 2 der Richtlinie 2000/78 die diskriminierenden Wirkungen der Modalitäten seiner Überleitung in das neue Besoldungs- und Vorrückungssystem anzufechten. Aus diesem Grund stehen Art. 47 der Charta und Art. 9 der Richtlinie 2000/78 einer nationalen Regelung entgegen, die in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens den Umfang der Kontrolle, die von den nationalen Gerichten ausgeübt werden kann, einschränkt, indem Fragen im Zusammenhang mit der Grundlage des anhand des alten Besoldungs- und Vorrückungssystems berechneten "Überleitungsbetrags" ausgeschlossen werden.

Darüber hinaus hat der EuGH ausgesprochen, dass Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78 in Verbindung mit Art. 21 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer rückwirkend in Kraft gesetzten nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, wonach zur Beseitigung einer Diskriminierung wegen des Alters die Überleitung von Beamten im Dienststand in ein neues Besoldungs- und Vorrückungssystem vorgesehen ist, in dem sich die erste Einstufung dieser Beamten nach ihrem letzten gemäß dem alten System bezogenen Gehalt richtet.

Das nationale Gericht ist, wenn nationale Rechtsvorschriften nicht im Einklang mit der Richtlinie 2000/78 ausgelegt werden können, verpflichtet, im Rahmen seiner Befugnisse den Rechtsschutz, der dem Einzelnen aus dieser Richtlinie erwächst, zu gewährleisten und für ihre volle Wirkung zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Vorschrift unangewendet lässt. Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass die Wiederherstellung der Gleichbehandlung in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, wenn eine unionsrechtswidrige Diskriminierung festgestellt wurde und solange keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung erlassen wurden, voraussetzt, dass den durch das alte Besoldungs- und Vorrückungssystem benachteiligten Beamten die gleichen Vorteile gewährt werden wie den von diesem System begünstigten Beamten, sowohl in Bezug auf die Berücksichtigung vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegter Vordienstzeiten als auch bei der Vorrückung in der Gehaltstabelle, und dass den diskriminierten Beamten infolgedessen ein finanzieller Ausgleich in Höhe der Differenz zwischen dem Gehalt, das der betreffende Beamte hätte beziehen müssen, wenn er nicht diskriminiert worden wäre, und dem tatsächlich von ihm bezogenen Gehalt gewährt wird.

Aus dieser Rechtsprechung folgt auch für das vorliegende Verfahren, dass die Zurückweisung des Antrages der beschwerdeführenden Partei durch den angefochtenen Bescheid nicht auf die - damals geltende - nationale Rechtslage gestützt werden konnte. Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, über den Antrag inhaltlich zu entscheiden, weshalb der Bescheid ersatzlos aufzuheben ist (vgl. hiezu auch VwGH 09.09.2016, Ro 2016/12/0002).

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die belangte Behörde wird im fortgesetzten Verfahren inhaltlich über den Antrag zu entscheiden und zu berücksichtigen haben, dass ein dem Unionsrecht genügender, diskriminierungsfreier Rechtszustand - wie vom EuGH dargelegt - hergestellt wird.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die unter A) zitierte Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Fall übertragbar.

Schlagworte

Abänderung eines Bescheides Beamter Behebung der Entscheidung Beschwerdevorentscheidung ersatzlose Behebung EuGH meritorische Entscheidung Sache des Verfahrens Telekom Austria AG Vorlageantrag Vorrückungsstichtag Vorrückungsstichtag - Neufestsetzung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W129.2120217.1.00

Im RIS seit

22.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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