TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/18 L521 2184469-1

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Veröffentlicht am 18.12.2019
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Entscheidungsdatum

18.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §6
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

L521 2184469-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2017, Zl. 15-1082123208-15102753, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 04.04.2019 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 wird gemäß § 6 AVG 1991 mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte im Gefolge seiner schlepperunterstützten unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 10.08.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 12.08.2015 legte der Beschwerdeführer dar, den Namen XXXX zu führen, Staatsangehöriger des Irak und ledig zu sein. Er sei XXXX in Tikrit geboren und habe dort zuletzt gelebt. Er habe von 1995 bis 2001 in Tikrit die Grundschule besucht und sei zuletzt als Koch tätig gewesen. Seine Eltern, fünf Brüder und fünf Schwestern seien im Irak oder einem anderen Drittstaat aufhältig.

Im Hinblick auf seinen Reiseweg brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, den Irak etwa vier Jahre vor der nunmehrigen Einreise in das Bundesgebiet legal auf dem Landweg in die Türkei verlassen zu haben. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Izmir sei er auf dem Landweg schlepperunterstützt mit einem Lastkraftwagen nach Österreich gelangt.

Zu den Gründen seiner Ausreise befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass zu Hause Krieg herrsche. Ein Bruder sei vom Kämpfern des Islamischen Staates getötet und ihr Haus sei zerstört worden. Bei einer Rückkehr fürchte er den Tod.

2. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 18.12.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers in arabischer Sprache niederschriftlich vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter einvernommen.

Eingangs bestätigte der Beschwerdeführer, die arabische Sprache zu verstehen und der Einvernahme in gesundheitlicher Hinsicht folgen zu können. Ferner bestätigte der Beschwerdeführer, bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht zu haben, wobei einige Daten aufgrund der schlechten Arabischkenntnisse des Dolmetschers nicht ganz korrekt aufgenommen worden sein. Demnach sei sein Familienname XXXX und sei er am XXXX geboren. Zudem sei er nicht vier Jahre, sondern ein Jahr und vier Monate in der Türkei aufhältig gewesen. Was die Geburtsdaten seiner Familienangehörigen betrifft, führte der Beschwerdeführer an, dass es bei 13 Personen schwierig sei, alle Daten im Kopf zu behalten. Hinsichtlich der in der Erstbefragung festgehaltenen Ausreisegründe erklärte der Beschwerdeführer zunächst, dass seine Angaben vollständig seien und er selbst nichts mehr dazu anzuführen hätte. Später erklärte der Beschwerdeführer an anderer Stelle auf Vorhalt seiner in der Erstbefragung getätigten Angaben zum Ausreisegrund, dass dies ein Teil seiner Geschichte sei. Sein Bruder sei von einer Vorgängerorganisation des Islamischen Staates namens Bildung des Islamischen Staates ermordet worden. Weitere Ausführungen traf er nicht.

Zur Person und den Lebensumständen befragt legte der Beschwerdeführer insbesondere dar, den Namen XXXX zu führen. Er sei XXXX in der Stadt XXXX geboren, in der Stadt XXXX bei seinen Eltern aufgewachsen und habe dort bis zum 24.04.2014 gelebt, Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und des sunnitischen Glaubens sowie ledig. Er habe im Irak von 1994 bis 2001 die Grundschule und von 2001 bis 2006 die Hauptschule - ohne Abschluss - besucht. Anschließend sei er von 2007 bis 2014 als Koch und Kellner in einem Restaurant beruflich tätig gewesen. In den Jahren 2009 und 2010 habe er zudem als Automechaniker gearbeitet. Sein Vater und ein Bruder seien bereits verstorben. Seine Mutter, fünf Brüder und fünf Schwestern befänden sich in Erbil in einem Flüchtlingslager. Er stehe mit seiner Familie über das Internet - zuletzt am 11.12.2017 - in Kontakt. Sein Vater habe ein Unternehmen für Baumaterialien besessen. Am 30.04.2014 habe die Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq das Haus seines Vaters in Tikrit zerstört. Er habe bis zu seiner Ausreise in guten Verhältnissen gelebt.

Befragt nach dem Grund für das Verlassen des Heimatstaates führte der Beschwerdeführer aus, in einem großen Restaurant in Tikrit gearbeitet zu haben. Am 15.04.2014 habe ein Kunde von ihm alle Namen der Piloten, der Geheimdienste und der Mitglieder der Baath-Partei unter Saddam Hussein verlangt. Er würde aus Tikrit und einer großen und bekannten Familie stammen. Cousins hätten unter Saddam Hussein als Piloten und im Geheimdienst gearbeitet. Die Namen könne er nicht weitergeben, ansonsten würde er von seinem Stamm getötet werden. Er habe diese Person angelogen und gesagt, dass er die Namen organisieren würde. Seine Familie habe ihm die Bekanntgabe der Namen untersagt. Dem Kunden sei bewusst gewesen, dass ihm die Namen bekannt seien, da es sich um einen Stammkunden gehandelt habe. Dieser habe ihn mit Geld schmieren wollen. Am 22.04.2014 hätte er den Irak verlassen. Daraufhin seien die Milizen auf der Suche nach seiner Person bei ihm zu Hause erschienen. Zudem hätten sie ihn telefonisch bedroht. Diese Personen würden keine Drohbriefe versenden, sondern sie töten sofort. Diese würden alle Mitglieder unter Saddam Hussein töten wollen.

Auf Nachfrage bejahte der Beschwerdeführer von der schiitischen Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq bedroht worden zu sein. Dies sei eine Terrororganisation, die zum Iran "gehöre". Tikrit sei am 11.06.2014 von der Miliz des Islamischen Staates eingenommen worden. Im Jahr 2016 sei Tikrit befreit worden, aber er sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Irak gewesen. Im Zuge der Bedrohung habe ihn ein Mann zur Zusammenarbeit mit der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq aufgefordert, was er anfangs aus Angst vor dieser Person bejahte. Dieser Mann habe eine Uniform und am Kopf ein Band mit dem Namen Hussein getragen, was bedeute, dass er Schiit sei. Dieser Mann sei Stammkunde im Restaurant gewesen und mit dieser Uniform in das Restaurant gegangen. Der Mann sei ab 28.03.2014 öfters im Restaurant gewesen. Hin und wieder sei er auch in Zivilkleidung erschienen. Diese Person habe ihm für die Information auch Geld geben wollen, was er nicht akzeptiert habe, aber habe er ein sehr gutes Trinkgeld erhalten. Der Mann sei immer mit einer Gruppe von fünf bis sieben Personen - ebenfalls in Uniform - gekommen. Seine Schwester habe ihm telefonisch mitgeteilt, dass die Miliz nach ihm gesucht habe. Er sei nach Kirkuk und in der Folge in die Türkei gegangen. Bei einer Rückkehr habe er Angst vor dem Tod. Im Personalausweis finde sich seine Herkunft aus Tikrit und würde er sicher getötet werden.

Des Weiteren wurden dem Beschwerdeführer Fragen bezüglich seiner Integration in Österreich gestellt.

Zudem wurde dem Beschwerdeführer angeboten, ihm die aktuellen landeskundlichen Feststellungen zum Irak zur Abgabe einer Stellungnahme auszuhändigen. Der Beschwerdeführer verzichtete auf diese Möglichkeit.

Im Rahmen der Einvernahme brachte der Beschwerdeführer zwei Lichtbilder von einem zerstörten Gebäude, eine Sterbeurkunde bezüglich des Bruders, seinen irakischen Personalausweis, seinen irakischen Reisepass in Kopie, eine Bestätigung über die Verrichtung gemeinnütziger Tätigkeiten vom 08.08.2017 in Kopie und Identitätsausweise bezüglich seiner Familienangehörigen in Kopie in Vorlage.

3. Mit dem hier angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen sowie unter einem gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkte III. bis V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, das Vorbringen des Beschwerdeführers werde im Hinblick auf den Ausreisegrund als nicht glaubhaft erachtet und es könne deshalb nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer den Irak aufgrund einer aktuellen und gegen ihn gerichteten Verfolgung verlassen habe. Es könne auch keine Gefährdung des Beschwerdeführers für den Fall einer Rückkehr in den Irak erkannt werden. Der Beschwerdeführer verfüge nach wie vor über Familienangehörige im Irak, sodass ihm eine Rückkehr möglich und in Anbetracht seiner Arbeitsfähigkeit auch zumutbar wäre.

4. Mit Verfahrensanordnungen vom 27.12.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben und der Beschwerdeführer ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

5. Gegen den dem Beschwerdeführer am 29.12.2017 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die im Wege der dem Beschwerdeführer beigegebenen und zum damaligen Zeitpunkt von ihm bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In dieser wird beantragt, den angefochtenen Bescheid abzuändern und dem Antrag auf internationalen Schutz Folge zu geben und dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten oder hilfsweise des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen oder hilfsweise einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 55, 57 AsylG zu erteilen. Des Weiteren wird beantragt, die ausgesprochene Rückkehrentscheidung und den Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak aufzuheben. Ferner wird die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht begehrt.

In der Sache bringt der Beschwerdeführer nach neuerlicher Darlegung des aus seiner Sicht maßgeblichen Sachverhaltes vor, das belangte Bundesamt stütze die angefochtene Entscheidung auf unzureichende Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat im Hinblick auf die Aktivitäten der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq vor Eroberung der Stadt Tikrit durch die Miliz des Islamischen Staates, wobei in der Beschwerde in der Folge über mehrere Seiten hinweg Berichte zur Lage im Herkunftsstaat und vornehmlich zu den Aktivitäten der Milizen auszugsweise zitiert werden.

Im Hinblick auf die Beweiswürdigung wird im Wesentlichen vorgebracht, dass in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt wird, dass die Religionszugehörigkeit mangels Wissen des Beschwerdeführers über Grundsätzliches nicht mit sunnitisch angenommen werden könne. Dies widerspreche der Feststellung, dass er sunnitischer Moslem sei. Jedenfalls verweise der Beschwerdeführer bezüglich der Religionszugehörigkeit auf sein Vorbringen.

Der Beschwerdeführer sei von der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq aus religiösen Gründen und aus Gründen der Verweigerung der Mitarbeit bzw. Unterstützung dieser Gruppe (damit auch politischer Gegner) verfolgt worden. Da er den Aufforderungen, Informationen über seinen Stamm/ seine Familie bezüglich der Zeit unter Saddam Hussein preiszugeben, keine Folge leisten wolle bzw. habe wollen, hätte er im Falle der Rückkehr mit Verfolgungshandlungen bis zur Ermordung zu rechnen. Staatlichen Schutz könne er aufgrund der Rechtsstruktur im Irak nicht erwarten.

Eine Rückkehr in den Herkunftsstaat erweise sich aufgrund der prekären Sicherheitslage als nicht zumutbar, zumal ihm keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe. In sein bisher bestehendes familiäres Netzwerk könne er nicht wieder zurückkehren, da die Familie aktuell immer noch in einem Flüchtlingslager in Erbil untergebracht sei und damit nur eingeschränkt über den notwendigen eigenen Lebensunterhalt verfüge. Eine Einreise in den kurdischen Teil des Irak sei im Hinblick auf die militärischen Auseinandersetzungen mit der Regierung nach wie vor nicht möglich. In Bagdad verfüge er nicht über das notwendige Netzwerk, um zumindest in der Anfangszeit sein Unter- und Fortkommen zu sichern.

Der Beschwerde ist die Anfragebeantwortung von ACCORD vom 20.02.2017 betreffend Aktivitäten von Asa'ib Ahl al-Haqq in Kopie angeschlossen.

6. Die Beschwerdevorlage langte am 29.01.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zugewiesen.

7. Das Bundesverwaltungsgericht veranlasste zunächst die Übersetzung des im Zuge der Einvernahme vor der belangten Behörde vorgelegten irakischen Personalausweises und der im Zuge der Einvernahme vor der belangten Behörde vorgelegten irakischen Sterbeurkunde bezüglich des Bruders.

8. Zur Vorbereitung der für den 04.04.2019 anberaumten mündlichen Verhandlung wurden der dem Beschwerdeführer beigegebenen und zum damaligen Zeitpunkt von ihm bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.01.2019 aktuelle Länderdokumentationsunterlagen zur allgemeinen Lage im Irak zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und die Möglichkeit eingeräumt, dazu innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens schriftlich Stellung zu nehmen.

Eine Stellungnahme dazu wurde nicht abgegeben.

9. Mit Schreiben vom 02.04.2019 teilte die bevollmächtigte Rechtsberatung dem Bundesverwaltungsgericht mit, dass sie die erteilte Vollmacht niederlege.

10. Am 04.04.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, seiner rechtsfreundlichen Vertretung und eines Dolmetschers für die arabische Sprache durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer einerseits Gelegenheit gegeben, neuerlich seine Ausreisemotivation umfassend darzulegen sowie die aktuelle Lageentwicklung im Irak anhand der dem Beschwerdeführer im Vorfeld übermittelten Länderdokumentationsunterlagen erörtert. Ferner wurde Mag.a phil. XXXX als Zeugin einvernommen. Der Beschwerdeführer brachte außerdem eine von der Zeugin verfasste Stellungnahme zu den mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.01.2019 an den Beschwerdeführer übermittelten Länderdokumentationsunterlagen, Lichtbilder zu seiner beruflichen Tätigkeit im Irak und ein Konvolut an Integrationsunterlagen in Vorlage.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist der Verhandlung entschuldigt ferngeblieben.

11. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.04.2019 wurden der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers aufgrund der dynamischen Lageentwicklung im Herkunftsstaat neuerlich aktuelle länderkundliche Dokumente zur allgemeinen Lage im Irak und insbesondere zur Lage im Gouvernement Salah ad-Din zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und die Möglichkeit eingeräumt, dazu innerhalb einer Frist schriftlich Stellung zu nehmen.

Der Beschwerdeführer äußerte sich - unter auszugsweiser Zitierung zweier weiterer Länderberichte - im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung mit Stellungnahme vom 02.05.2019 zu den mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.04.2019 übermittelten länderkundliche Dokumenten und brachte ergänzend zu seiner Stellungnahme in der Sache einen Nachweis in Bezug auf seine Integration im Bundesgebiet in Vorlage.

12. Mit Schreiben vom 11.06.2019 brachte der Beschwerdeführer im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung in der Sache weitere Nachweise in Bezug auf seine Integration im Bundesgebiet in Vorlage.

13. Am 10.10.2019 übermittelte die belangte Behörde an das Bundesverwaltungsgericht mehrere Unterlagen bezüglich der seitens des Beschwerdeführers erfolgten Anmeldung des Gewerbes "Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungstätigkeiten einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten".

14. Mit Schreiben vom 29.11.2019 brachte der Beschwerdeführer im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung in der Sache nochmals weitere Nachweise in Bezug auf seine Integration im Bundesgebiet in Vorlage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angeführten Namen, er ist Staatsangehöriger des Irak und Angehöriger der arabischen Volksgruppe. Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in der Stadt XXXX im Gouvernement Salah ad-Din geboren. Er lebte anschließend bis zur Ausreise in der Stadt XXXX im Gouvernement Salah ad-Din in einem Haus im Eigentum seines Vaters. Der Beschwerdeführer ist Moslem und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Er ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprache Arabisch in Wort und Schrift.

Der Beschwerdeführer ist gesund, er steht nicht in medizinischer Behandlung und nimmt keine Medikamente ein.

Der Beschwerdeführer besuchte in XXXX ab Mitte der 90er Jahre die Grund- und Hauptschule und trat anschließend in das Berufsleben ein. Er arbeitete von 2007 bis 2014 als Koch und Kellner in einem Restaurant. Zwischenzeitlich war der Beschwerdeführer in den Jahren 2009 und 2010 auch als Fahrzeugmechaniker beruflich tätig.

Der Vater des Beschwerdeführers ist im Jahr 1999 eines natürlichen und ein Bruder des Beschwerdeführers im Jahr 2006 eines gewaltsamen Todes gestorben. Die Identität oder das Motiv der Täter bezüglich der Tötung des Bruders waren nicht feststellbar. Die Mutter, fünf Brüder und fünf Schwestern des Beschwerdeführers leben bereits längere Zeit in Erbil in einem Lager für Binnenvertriebene. Seine Mutter führt dort den Haushalt und seine Geschwister verrichten auf Baustellen als Arbeiter Hilfstätigkeiten. Der Beschwerdeführer unterhält zu ihnen über das Internet Kontakt.

Der Beschwerdeführer gehörte dem Islamischen Staat vor seiner Ausreise nicht an, ebenso finden sich unter seinen Angehörigen keine Anhänger des Islamischen Staates.

Der Beschwerdeführer verließ den Irak im April 2014 auf dem Landweg in die Türkei und gelangte in der Folge nach einem mehr als einjährigen Aufenthalt in Izmir schlepperunterstützt mit einem Lastkraftwagen nach Österreich, wo er am 10.08.2015 nach seiner Betretung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.2. Der Beschwerdeführer gehört keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatte in seinem Herkunftsstaat keine Schwierigkeiten aufgrund seiner arabischen Volksgruppenzugehörigkeit und seines sunnitischen Religionsbekenntnisses zu gewärtigen. Der Beschwerdeführer hatte außerdem vor seiner Ausreise keine Schwierigkeiten mit Behörden, Gerichten oder Sicherheitskräften seines Herkunftsstaates zu gewärtigen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise im Frühling 2014 zwecks Erlangung von Informationen über Anhänger von Saddam Hussein oder Mitglieder der Baath-Partei (in seiner Familie) von der schiitischen Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq in XXXX zur Zusammenarbeit aufgefordert und (auch telefonisch) bedroht wurde. Außerdem kann nicht festgestellt werden, dass das Haus der Familie des Beschwerdeführers in der Folge am 30.04.2014 von der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq zerstört wurde.

Der Beschwerdeführer verließ die Stadt Tikrit im Frühjahr 2014 aufgrund der bevorstehenden Eroberung der Stadt durch die Milizen des Islamischen Staates, ohne dass es zu persönlichen Konfrontationen mit Kämpfern des Islamischen Staates kam oder Verfolgungshandlungen wider den Beschwerdeführer gesetzt wurden.

Es kann abseits davon nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat dort einer anderweitigen individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr in seine Herkunftsregion einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer der Gefahr von Übergriffen durch schiitische Milizen oder extremistische Gruppierungen oder psychischer und/oder physischer Gewalt seitens verbliebener Anhänger des Islamischen Staates im Falle einer Rückkehr in seine Herkunftsregion mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.

Der Beschwerdeführer ist im Fall einer Rückkehr in seine Herkunftsregion auch nicht einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt aufgrund seines Bekenntnisses zum sunnitischen Islam ausgesetzt. Zudem wird dem Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in seine Herkunftsregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Anhängerschaft bzw. Unterstützung des Islamischen Staates oder ein sonstiges Naheverhältnis zum Islamischen Staat vor der Ausreise unterstellt werden.

Wider den Beschwerdeführer besteht im Irak weder ein Haftbefehl, noch wird er in anderer Weise von zivilen oder militärischen Behörden oder Gerichten gesucht. Der Beschwerdeführer ist im Rückkehrfall nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von strafrechtlicher Verfolgung bedroht.

1.3. Dem Beschwerdeführer droht im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht die Todesstrafe. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak.

1.4. Der Beschwerdeführer ist ein gesunder, arbeits- und anpassungsfähiger Mensch mit im Herkunftsstaat erworbener grundlegender Schulbildung und Berufserfahrung als Koch, Kellner und Fahrzeugmechaniker. Der Beschwerdeführer verfügt über eine - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherte Existenzgrundlage in seinem Herkunftsstaat. Ihm ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung seines Auskommens möglich und zumutbar.

Die Stadt XXXX ist über den Flughafen Bagdad und anschließend die Schnellstraße 1 (via Samarra) sicher erreichbar.

1.5. Der Beschwerdeführer verfügt über einen irakischen Personalausweis im Original und ein irakisches Reisedokument in Kopie.

1.6. Der Beschwerdeführer hält sich seit Anfang August 2015 in Österreich auf. Er reiste rechtswidrig in das Bundesgebiet ein, ist seither durchgehend im Bundesgebiet als Asylwerber aufhältig und verfügt über keinen anderen Aufenthaltstitel. Er ist für keine Person im Bundesgebiet sorgepflichtig.

Der Beschwerdeführer bezieht seit der Antragstellung Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber und war in verschiedenen Unterkünften für Asylwerber, zuletzt in der Gemeinde XXXX in Tirol, untergebracht.

Der Beschwerdeführer war im Bundesgebiet seit seiner Einreise bis Anfang Oktober 2019 nicht legal erwerbstätig. Am 02.10.2019 hat er das Gewerbe "Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungstätigkeiten einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten" angemeldet.

Der Beschwerdeführer besuchte Deutschkurse. Prüfungen über Kenntnisse der deutschen Sprache legte er nicht ab. Der Beschwerdeführer verfügt dessen ungeachtet über grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache, die für eine Konversation auf einfachem Niveau ausreichen.

Der Beschwerdeführer ist alleinstehend und hat in Österreich keine Verwandten. Er pflegt normale soziale Kontakte zu seinem Freundeskreis und ist für keine Person im Bundesgebiet sorgepflichtig. In seiner Freizeit unternimmt er Spaziergänge und engagierte sich im Jahr 2019 als Schauspieler bei den Passionsspielen in XXXX Der Beschwerdeführer ist weder in einem Verein noch in einer sonstigen Organisation Mitglied. Der Beschwerdeführer verrichtete gemeinnützige Tätigkeiten in der Gemeinde XXXX im Ausmaß von 53 Stunden im Gemeindebauhof im Sommer 2018, in der Gemeinde XXXX in Tirol im Ausmaß von 205 Stunden im Jahr 2016 und im Ausmaß von 124,75 Stunden im Jahr 2017 (wofür ihm eine Entlohnung von insgesamt EUR 989,25 ausbezahlt wurde) und in einem nicht feststellbaren Ausmaß von Dezember 2018 bis Mitte März 2019 als Hausmeister in seiner Unterbringung in der GVE XXXX Des Weiteren übernahm er kleine Gartenarbeiten an einem seiner Unterbringungsorte.

Unterstützer des Beschwerdeführers attestierten ihm Freundlichkeit, Strebsamkeit und Genauigkeit sowie Engagement und Verlässlichkeit bei der Arbeit. Zudem wird ihm bescheinigt, sich bei verschiedenen Betrieben um eine Arbeit zu bemühen.

1.7. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet war nie nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Z. 3 FPG geduldet. Sein Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Der Beschwerdeführer wurde nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.

1.8. Zur gegenwärtigen Lage im Gouvernement Salah ad-Din werden folgende Feststellungen getroffen:

Das Gouvernement Salah ad-Din hat eine geschätzte Einwohnerzahl von 1.637.000 Personen und ist organisatorisch in die Distrikte Tikrit (zugleich die Hauptstadt des Gouvernements), ad-Dawr, asch-Schirqat, al-Faris, Balad, Baidschi, Tuz, und Samarra gegliedert. In ethno-religiöser Hinsicht ist Salah al-Din arabisch-sunnitisch dominiert, beherbergt jedoch eine schiitische, eine kurdische und eine turkmenische Minderheit. Darüber hinaus befindet sich in der Provinz der schiitische al-Askari-Schrein in Samarra, eines der wichtigsten Heiligtümer des schiitischen Islam. In Salah al-Din sind mehrere irakische Stammeskonföderationen beheimatet. In der rund um Tikrit ansässigen Konföderation ist eine Reihe bedeutender Stämme vereint; der vielleicht bekannteste von ihnen ist der Stamm der Albu Nasir, dem der ehemalige Diktator Saddam Hussein und viele seiner engsten Mitstreiter angehörten. Einem Bericht aus dem Jahr 2003 zufolge sind noch weitere bedeutende Stämme in der Provinz ansässig, wie beispielsweise die Jabour (asch-Schirqat), die Obeidi (al-Alam), die al-'Azzat (Balad), die Luhayb (asch-Schirqat) und die Harb (ad-Dawr).

Die folgende Kartei zeigt das Gouvernement Salah ad-Din.

Bild kann nicht dargestellt werden

Im Sommer 2014 eroberten die Milizen des Islamischen Staates den Distrikt Tooz, die Stadt Baiji und die Hauptstadt Tikrit. Die Städte Samarra, Balad und Amerli hielte den Angriffen der Milizen des Islamischen Staates stand und wurden nicht vom Islamischen Staates erobert.

Salah al-Din war eines der ersten Provinzen, die im Zuge der Offensive der irakischen Streitkräfte gegen den Islamischen Staat befreit wurden, sodass die wichtigsten urbanen Zentren ab Mitte 2015 nicht mehr vom Islamischen Staat kontrolliert wurden. Zudem war Salah al-Din eine der ersten Provinzen, die massive Rückkehrbewegungen zu verzeichnen hatten: Die Zahl der zurückgekehrten Binnenvertriebenen, bei denen es sich nahezu ausschließlich um sunnitische Araber handelte, belief sich im bereit Juli 2015 auf 130.000 Personen und steigt bis zum Dezember 2016 auf 360.000 Personen an. Schon vor und auch nach der raschen Rückeroberung der vom Islamischen Staat besetzten Teile Gouvernements bereits in den Sommermonaten 2015 kam es zu Vergeltungsmaßnahmen der PMU gegen Familien und Stämme, denen eine Zusammenarbeit mit dem Islamischen Staat vorgeworfen wurde, wobei es zu außergerichtlichen Hinrichtungen, außergesetzlichen Anhaltungen und zur Zerstörung von Besitz kam. Als ursächlich kann insbesondere das Massaker in Camp Speicher (nördlich von Tikrit) am 12.06.2014 angesehen werde, bei dem bis zu 1.700 irakische Luftwaffenkadetten von den Milizen des Islamischen Staates ermordet wurden (bislang wurde ca. 1.150 Leichen geborgen) und das zu Vergeltungsaktionen der PMF führte, wobei insbesondere Familien und Stämme betroffen waren, denen man Verbindungen zum Islamischen Staat zur Last legte. Diese Entwicklung ist weitestgehend auf die Vormachtstellung der PMF-Milizen im Gouvernement und deren Einfluss auf die bestehenden politischen Strömungen zurückzuführen. Die Berichte über Entführungen und Misshandlungen durch PMF-Milizen, aber durch lokale turkmenischen und sunnitischen Milizen, die mit den PMF zusammenarbeiten, haben mit der Zeit abgenommen.

Sicherheitskräfte im Gouvernement Salah ad-Din

Die Sicherheit im Gouvernement wird von Einheiten der irakischen Streitkräfte gewährleistet. Sie bestehen in erster Linie aus Einheiten der irakischen Armee, der paramilitärischen Bundespolizei und einigen Sondereinheiten. In vielen ländlichen Gegenden sind die irakischen Streitkräfte kaum präsent. Der umstrittene, multiethnische Bezirk Tuz wurde bis Oktober 2017 von kurdischen Streitkräften, PMF-Milizen und der örtlichen Polizei kontrolliert. Nachdem es im Oktober 2017 zu Auseinandersetzungen zwischen den durch PMF-Milizen unterstützten irakischen Sicherheitskräften und kurdischen Streitkräften gekommen war, wurde im Januar 2018 die Emergency Response Division (ERD)der Zentralregierung entsandt. Sie kontrollierte die Stadt, bis sie im September 2018 durch die regulären Streitkräfte ersetzt wurde.

Das Salah al-Din Operations Command (SDOC) wurde gebildet, nachdem der Islamische Staat Gebiete im Irak erobert hatte. Es kontrolliert mehr als die Hälfte der Gebiete von Salah al-Din, darunter auch Tikrit, Baidschi und asch-Schirqat. Unklar ist, welcher Armeedivision das SDOC untersteht. Einem ISW-Bericht vom Dezember 2017 zufolge sollte die 20. Infanteriedivision der irakischen Armee den Befehl über das SDOC übernehmen. Im Süden des Gouvernements ist das Samarra Operations Command (SOC) für die Koordinierung der Einheiten der irakischen Streitkräfte zuständig.

Die im Gouvernements Salah ad-Din stationierten Einheiten der paramilitärischen irakischen Bundespolizei sind stark von der Badr-Organisation beeinflusst. Die Bundespolizei verfügt in der Provinz mit vier Divisionen (2., 4. und 5. Division) über eine massive Präsenz: Die 5. Brigade der 2. Division ist beim Sajjid-Mohammed-Schrein in Balad (seit Mai 2016) stationiert, während die 13. (seit September 2016) und die 15. (seit Mai 2017) Brigade der 4. Division in Makhoul bzw. asch-Schatra stationiert sind. Die 5. Division hat mit der 17., 19. und 20. Brigade drei Brigaden in Salah al-Din stationiert. Diese Division operiert gemeinsam mit der 6. Division der Bundespolizei, die einem Badr-Befehlshaber untersteht.

Schiitische PMF-Milizen spielten bei der Befreiung einiger Gebiete der Provinz Salah al-Din eine wichtige Rolle und waren in führender Position oder als Begleitung der irakischen Streitkräfte an der Rückeroberung von Tuz, Tikrit, ad-Dawr, al-Alam, Baidschi und Teilen von asch-Schirqat beteiligt. Sie waren mit zahlreichen Kämpfern im Gouvernement präsent und kontrollierten strategisch wichtige Standorte und sogar Gebiete, für die sie offiziell nicht zuständig waren. Darüber hinaus bauten schiitische PMF-Milizen eigene Hilfskräfte auf, indem sie eine örtliche turkmenische Miliz mobilisierte, die die Hälfte des Gebietes von Tuz kontrollierte, und in Tikrit sowie in Baidschi und asch-Schirqat eine Reihe sunnitischer Stammesmilizen gründeten. Im Mai 2017 waren schätzungsweise zwischen 2.000 und 3.000 PMF-Kämpfer in Salah al-Din stationiert. Nach Angaben des ISW operieren die PMU unabhängig im Zuständigkeitsbereich des SDOC.

In einem Bericht der International Crisis Group vom Juli 2018 verlangte die Führung der PMF aufgrund der Präsenz des Islamischen Staates im Gouvernement (insbesondere in Tuz Churmatu), die PMF-Milizen anstelle der regulären Sicherheitskräfte einzusetzen, da sich die Sicherheitskräfte als unfähig erwiesen hättem, das Gebiet zu stabilisieren. Derselben Quelle zufolge beteiligen sich PMF-Milzen in den befreiten Gebieten zunehmend an wirtschaftlichen Aktivitäten, insbesondere am Wiederaufbau. Im August 2018 befahl der stellvertretende Befehlshaber der PMF deren Rückzug aus den befreiten Städten in von Sunniten bewohnten Gebieten, darunter auch aus Salah al-Din. Jedoch hob Ministerpräsident Abadi diesen Befehl kurz darauf wieder auf.

Einem Bericht der International Crisis Group vom Juli 2018 zufolge sind in Salah al-Din unter anderem die folgenden PMU aktiv: Kataeb Asbal al-Sadr, Ansar al-Marjaeeya, die Badr-Organisation, Sarayat al-Salam, Asa'ib Ahl al-Haqq, Kataeb Jund al-Imam, Kataeb Hizbollah, Sarayat Ansar al-Aqeeda, Sarayat al-Mukhtar und die Waad Allah Force. Der Schwerpunkt ihrer Operationen liegt auf Samarra und den schiitischen Schreinen. Mitunter sind PMF-Milizen auch in Form von Vertretungsbüros in den größeren Städten präsent. In einem im Dezember 2017 vorgelegten Bericht stellte das ISW fest, dass die PMF-Kräfte in Salah al-Din unabhängig und ohne Koordinierung mit dem SDOC operieren. Schiitische PMF-Milizen operierten außerhalb von Baidschi und des Speicher-Luftwaffenstützpunkts nordwestlich von Tikrit und würden entlang der Fernstraße zwischen Baidschi und Haditha eingesetzt. PMF-Milizen sind auch im Zuständigkeitsbereich des SOC aktiv, da dieser auch den al-Askari-Schrein in Samarra umfasst. Die PMF-Milizen führen in der Regel gemeinsame Operationen mit den sunnitischen Stammesmilizen durch. Die meisten Kontrollpunkte werden von diesen Milizen sowie von einer Vielzahl von Sicherheitskräften, wie etwa der Bundespolizei und den Anti-Terror-Einheiten, betrieben, wobei die meisten von ihnen nicht miteinander kommunizieren.

Die Massenhinrichtungen schiitischer Rekruten durch den Islamischen Staat beim Camp Speicher (nördlich von Tikrit) am 12.062014, bei denen der Islamische Staat nach eigenen Angaben 1.700 Luftwaffenkadetten ermordete, verschärfte die religiösen Spannungen, die sich in zahlreichen Racheakten der PMF-Milizen gegen die örtliche Bevölkerung und insbesondere gegen Sunniten entluden. Den Berichten zufolge kam es unmittelbar nach dem Massaker im Juni 2014 zu Vergeltungsmaßnahmen - darunter außergerichtliche Hinrichtungen, unrechtmäßige Verhaftungen und die Zerstörung von Eigentum - gegen sunnitisch-arabische Gemeinschaften. Zwar ließen diese im Laufe der Zeit nach, jedoch gibt es noch immer Berichte über Entführungen und Misshandlungen durch die im Süden aktiven PMF-Milizen und die ihnen nahestehende turkmenische und sunnitische Stammesmilizen. Im März 2018 wurde ein Massengrab mit den Überresten von 157 Kadetten gefunden, die 2014 vom ISIL beim Speicher-Luftwaffenstützpunkt in Tikrit ermordet wurden. Mit diesem Fund stieg die Zahl der dokumentierten Todesopfer des Massakers auf 1.150 an.

Dem Bericht über eine im April 2018 vom Danish Immogrations Service und von Landinfo in der autonomen Region Kurdistan durchgeführte Erkundungsmission zufolge verfügt der Islamische Staat in der Provinz Salah al-Din nur über begrenzte operative Kapazitäten, wobei jedoch noch immer einige verbliebene Kämpfer nachts aktiv sind. Der Islamische Staat kontrolliert jedoch keine Gebiete mehr und ist geschwächt. Einer im Dezember 2018 vom Experten Michael Knights auf der Grundlage der Aktivitätsdaten und Operationsmuster des Islamischen Staates vorgenommenen Einschätzung zufolge unterhält die Gruppe in mindestens 27 Gebieten des Irak dauerhaft operierende Anschlagszellen. In Salah al-Din zählen hierzu die südliche Jalam-Wüste (südlich von Samarra), Baidschi, asch-Schirqat, Pulkana (nahe Tuz) und Mutabijah/Udaim.

Im Januar 2019 äußerte das ISW die Einschätzung, dass der Islamische Staat ein Gebiet in den Makhoul-Bergen bei Baidschi kontrollieren würde, indem er eine soziale Kontrolle über die Bevölkerung ausübt. Der Islamische Staat würde in den Bezirken asch-Schirqat und Tuz starken physischen und psychischen Druck auf die Bevölkerung ausüben. Der Islamische Staat könne in diesen Bezirken zwar kein Territorium dauerhaft kontrollieren, jedoch sei anhand einer Reihe von Indikatoren festzustellen, dass der Islamische Staat den Irakischen Sicherheitskräften die Kontrolle streitig machen würde. Zu diesen Indikatoren zählten beispielsweise die Aufgabe bewohnter Dörfer, die Zerstörung von landwirtschaftlichen Flächen und Infrastrukturen, wiederholte Überfälle und Anschläge auf die örtliche soziale Hierarchie. In diesem Gebiet könne die Zivilbevölkerung nicht auf einen angemessenen Schutz durch die Sicherheitskräfte zählen. Im Hamrin-Gebirg an der Grenze von Diyala, Salah al-Din und Kirkuk hat der Islamische Staat weitläufige, mit Waffenlagern und Lebensmitteln ausgestattete Höhlen- und Tunnelkomplexe errichtet, von denen aus Guerilla-Aktivitäten im Nordirak entfaltet werden.

Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die nachstehende Grafik zeigt, dass die Anzahl der zivilen Opfer von Gewaltakten im Gouvernement Salah al-Din im Jahr 2018 gegenüber den Vorjahren signifikant gesunken ist, was auf die Beendigung der Kämpfe im Jahr 2017 zurückzuführen ist (Anmerkung: Die Datenbank Iraq Body Count kommt zu abweichenden Werten, siehe dazu die weitere Grafik).

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Die folgende Grafik veranschaulicht die Entwicklung der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Gouvernement Salah al-Din und Anzahl der Opfer, wobei die Darstellung jedwede Art von Gewaltanwendung (insbesondere Bombenanschläge, Selbstmordattentate, Attacken mit Schusswaffen und außergerichtliche Tötungen) umfasst.

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Verbliebene Kämpfer des Islamischen Staates setzten zuletzt im Jahr 2018 asymmetrische Angriffe gegen irakische Sicherheitskräfte und mit der Zentralregierung verbündete sunnitische Stammesmilizen fort. Die Intensität der Angriffe hat einer Expertenmeinung zufolge abgenommen.

Im Jahr 2018 stieg die Zahl der der sicherheitsrelevanten Vorfälle zunächst an, darunter Selbstmordattentate, Bombenanschläge und Entführungen durch die "White Flags", einer terroristischen Gruppierung, die in der Provinz Tooz (Tuz) operiert. Im Januar 2018 wurde der Anführer von Asa'ib Ahl al-Haqq in Tuz Khurmatu von der irakischen Armee nach bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Asa'ib Ahl al-Haqq und Armeeeinheiten festgenommen. Im Januar und Februar wurden bewaffnete Angriffe des Islamischen Staates auf Sicherheitskontrollpunkte und Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und Aufständischen berichtet. Am 12.03.2018 ermordeten Kämpfer des Islamischen Staates 15 Zivilisten an einem gefälschten Checkpoint in der Nähe von Amerli in der Provinz Tooz. Ein Bombenanschlag des Islamischen Staates auf eine Moschee im März 2018 verursachte nur Sachschaden. In einer Nachrichtensendung des irakischen Fernsehsenders Al Sumaria vom 18.03.2018 wurde berichtet, dass Sicherheitskräfte in Samarra ihre Sicherheitsvorkehrungen in Vorbereitung der Ankunft von Pilgern im Distrikt verschärft hätten. Laut Angaben des lokalen Militärgeheimdienstes sei ein geplanter Anschlag auf Pilger zum Imam Ali al- Hadi-Schrein in Samarra aufgedeckt und vereitelt worden. Anfang April 2018 wurden bei einem Bombenschlag des Islamischen Staates zehn Personen getötet und vierzehn Personen verletzt, dazu wurden Gräber vom Islamischen Staat mit Sprengstoff präpariert. Bei einem Angriff auf ein PMU-Trainingszentren wurden vier Personen verletzt. Am 15.04.2018 kam es zu einem Selbstmordanschlag in der Nähe einer Polizeistation im Bezirk Al-Eshaqi in Süd-Samarra, dabei wurden zwei Polizisten getötet und zwei weitere verletzt.

Über Angriffe auf Zivilisten im Mai 2018 wurde berichtet, dass 12 Mitglieder einer Familie von Extremisten getötet wurden. Bombenanschläge auf die Begräbnisse von drei sunnitischen Stammeskämpfern töteten mindestens zehn Personen. Der Islamische Staate setzte seine Sabotagetaktiken gegen die Energieinfrastruktur fort. Am 24.05.2018 wurden Stromleitungen im Dorf Barmaid nördlich der Baiji-Kirkuk-Straße angegriffen und damit die Stromzufuhr zu den meisten Städten in Hawija und Tikrit unterbrochen. Kämpfer des Islamischen Staates ermordeten außerdem einen Dorfvorsteher. Die in der Region lebende ländliche Bevölkerung, die Viehzucht betreibt und für den Lebensunterhalt auf die Landwirtschaft angewiesen ist, berichtete von Entführungen und Tötungen unbewaffnete Viehhirten, das Verbrennen von landwirtschaftlichen Flächen sowie das Ziel und die Bombardierung von Häusern von Einheimischen, die vom Islamischen Staat verdächtigt werden, Mitglieder lokaler Stammesmilizen und Regierungsmitarbeiter zu sein. Am 27.06.2018 wurden in Salah al-Din die Leichen von acht Personen gefunden, die vom Islamischen Staat entführt worden waren. Zuvor wurden die Entführten, zu denen Mitglieder der irakischen Sicherheitskräfte gehörten, in einem Video gezeigt, in dem ihre Ermordung angedroht wurde, sollte keine weiblichen sunnitisch-arabischen Gefangenen entlassen.

Der Provinzrat von Salah al-Din erklärte im Juli 2018, dass die Angriffe im Osten und Westen von Salah al-Din zugenommen hätten. Anfang Juli startete die irakische Armee eine gemeinsame Militäroperation mit der Bundespolizei und vom Iran unterstützte PMUs am Stadtrand von Salah al-Din, Diyala und Kirkuk, die darauf abzielen, Gebiete in der Wüste zwischen den drei Provinzen zu räumen, in denen kürzlich "Angriffe der Aufständischen, Bombenanschläge, Überfälle und Entführungen" stattgefunden hätten. Am 10.08.2018 wurden bei einem Fußballspiel in al-Shirqat von Kämpfern des Islamischen Staates fünf Zivilisten erschossen und sechs weitere Personen, darunter zwei Kinder, verwundet. Im September 2018 erklärte UNHCR, die lokalen Behörden meldeten eine Zunahme der organisierten Kriminalität in Tuz Khurmatu, einschließlich Entführung von Lösegeld. Unter den Einwohnern und Vertriebenen der Stadt gäbe es Befürchtungen, dass es zu einem "potentiellen Rückfall ethnisch motivierter Gewalt infolge des Abzugs der hoch angesehenen Einsatzkräfte der Emergency Response Division (ERD) und ihrer Ablösung durch die irakische Armee" kommen könnte. Am 15.08.2019 bzw. am 19.08.2018 wurden in Samarra insgesamt sechs Kämpfer des Islamischen Staates bei Polizeiaktionen von Sicherheitskräften getötet. Am 12.10.2018 entdeckten lokale Polizeikräfte im Gebiet Jazeera Al-Samarra improvisierte Sprengsätze entschärften diese. Am 15.10.2018 führten die irakischen Sicherheitskräfte in der Provinz Samarra Razzien durch, bei denen eine IS-Basis mit Militäruniformen, zwei Mobiltelefonen, Kleidung, Betten und Militärtaschen, gefunden wurde. Die Sicherheitskräfte entfernten außerdem sechs improvisierte Sprengsätze und 80 Stacheldrahtrollen im Gebiet Al-Lain. Am 16.10.2018 gelang es der Polizei, zwei gesuchte Terroristen Checkpoint al-Hawish in Samarra festzunehmen.

Vertreibung und Rückkehr

Im Dezember 2018 waren noch 238.728 Binnenvertriebene des Gouvernements nicht zurückgekehrt, wobei sich die Mehrheit von 117.870 Personen innerhalb des Gouvernements aufhält. Insgesamt verzeichnete Salah al-Din im Dezember 2018 590.652 registrierte Rückkehrer (das sind 68% der ursprünglich aus Salah al-Din stammenden Vertriebenen) und ist damit das Gouvernement mit der dritthöchsten Zahl an Rückkehrern. Bis zum Monat Februar 2019 stieg die Anzahl der Rückkehrer auf insgesamt 601.866 Personen an, davon kehrten 171.336 nach Tikrit zurück.

Der Humanitarian Needs Overview 2019 von UNOCHA zeigt, dass in Salah al-Din mit 764.669 Menschen noch immer die dritthöchste Zahl an Hilfsbedürftigen zu verzeichnen ist. Die schwierigsten Bedingungen herrschen in den Bezirken Tuz/Suleiman Bek, Balad/Dhuluija und Baidschi.

Einem Bericht von IOM vom September 2018 zufolge kehrten 89.158 Familien (nicht zu verwechseln mit der absoluten Zahl der zurückkehrenden Personen) im Gouvernement Salah al-Din zurück. IOM definierte vier Kategorien ("category of severity") im Hinblick auf die nach der Rückkehr vorgefundenen Bedingungen, nämlich very high, High, medium und Low. Die Mehrheit der zurückkehrenden Familien in Salah al-Din (58 %) fand mittelschwere Bedingungen ("medium severity") vor, gefolgt von 29 %, deren Rückkehr in die Kategorie "low severity" eingestuft wurde. Nur 11 % der Rückkehrfamilien wären mit "high severity" bei der Rückkehr mit hohen Schweregraden konfrontiert, gefolgt von kleinen Segment von 2%, das bei der Rückkehr mit sehr hohen Schwierigkeiten konfrontiert sei ("very high severity"). "Hotspots" für Rückkehrer im Gouvernement sind die Provinzen Tuz, Balad und Baiji. Salah al-Din ist mit besonders hohen Infrastrukturschäden infolge der Kampfhandlungen betroffen. Die humanitäre Krise nach der Niederlage des Islamischen Staates hat zu erhöhter Arbeitslosigkeit und zu Armut beigetragen. Binnenvertriebenen mit angeblichen Verbindungen zum Islamischen Staat wird die Rückkehr tendenziell verwehrt, sie müssen in IDP-Camps leben. Das Shahama-Camp in Salah al-Din ist Ort, der von Einheimischen oft als "ISIL-Camp" bezeichnet wird.

Sicherheit von Verkehrswegen

Im März 2018 kontrollierten PMF-Milizen den größten Teil der Fernstraße 1, die Salah al-Din mit Mossul, Erbil und Bagdad verbindet. Eine Quelle berichtete, dass eine Autofahrt, die normalerweise eine Stunde dauern würde, wegen der Kontrollpunkte jetzt vier Stunden in Anspruch nimmt. Vom Islamischen Staat eingerichtete falsche Checkpoints können eine Gefahr für Sicherheitskräfte und reisende Zivilpersonen in diesem Gebiet darstellen.

1.9. Zu den Aktivitäten von Asa'ib Ahl al-Haqq werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der angeführten Quelle getroffen:

Die Liga der Rechtschaffenen (Asa'ib Ahl al-Haqq) wurde 2006 von Qais al-Khaz'ali gegründet und bekämpfte in erster Linie die US-Truppen im Irak. Nach dem Abzug der US-Truppen im Dezember 2011 fand die Miliz im Kampf gegen den Islamischen Staat eine neue Raison d'être. Unter den Milizen gilt die Asa'ib Ahl al- Haqq als besonders gewalttätig und teils kriminell motiviert. Qais al-Khaz'ali ist einer der prominentesten Anführer der Volksmobilisierungseinheiten und für seine Brutalität berüchtigt. Er und seine Organisation berufen sich Er und seine Organisation berufen sich zwar immer noch auf Muhammad Sadiq as-Sadr, den Begründer der Sadr-Bewegung, doch ist Khaz'alis Nationalismus einer starken Abhängigkeit von den iranischen Revolutionsgarden gewichen, ohne die er den bewaffneten Kampf gegen die USA nicht hätte führen können. Darum bekennt sich die Asa'ib Ahl al-Haqq neben Sadr auch zu Khomeini, Khamenei und der Herrschaft des Rechtsgelehrten. Die iranische Führung dankt es mit großzügiger Unterstützung.

Nach dem amerikanischen Abzug versuchte sich die Organisation als politische Kraft in Konkurrenz zur Sadr-Bewegung zu etablieren, gewann bei den Parlamentswahlen 2014 aber nur ein einziges Mandat und blieb eine Splittergruppe. Trotzdem wuchs ihre Miliz bis 2015 auf mindestens 3000 Mann an. Sie hat ihre politischen Aktivitäten ausgeweitet und eine Reihe von politischen Büros in Bagdad, Basra, Nadschaf, Hilla, al-Chalis und Tal Afar eröffnet habe. Darüber hinaus habe die Organisation politische Vertreter in die südlichen Provinzen Dhi Qar, al-Muthanna und Maysan gesandt, um Vertreter von Minderheiten und Stammesführer zu treffen. Trotz Berichten über religiös motivierte Verbrechen und Kriegsverbrechen wurde Asa'ib Ahl al-Haqq im November 2016 formell vom irakischen Parlament als Teil der Volksmobilisierungseinheiten anerkannt.

Das Institute for the Study of War (ISW), veröffentlicht im Dezember 2012 einen Bericht über das Wiedererstarken der Gruppe Asa'ib Ahl al-Haqq nach dem Abzug der US-Truppen 2003, sowohl als militärische, als auch als politische und religiöse Organisation. Laut dem Bericht habe die Miliz seit 2010 in Bagdad eine große politische Präsenz aufgebaut. Derzeit unterhalte die Organisation zwei politische Büros in der Hauptstadt, eines in Kadhimiya und eines in Rusafa. Asa'ib Ahl al-Haqq habe eine Reihe öffentlicher Veranstaltungen organisiert, an denen die zentralen Führungspersönlichkeiten der Organisation sowie Vertreter der irakischen Regierung teilgenommen hätten. Die Miliz nutze die politischen Aktivitäten in Bagdad, um ihr neues öffentliches Erscheinungsbild einer nationalistischen, islamischen Widerstandsgruppe zu fördern. Darüber hinaus seien politische Delegationen zu Treffen mit Anführen von Stämmen und Minderheiten in die Provinzen Dhi Qar, Muthanna und Maysan entsandt worden. Die politische Expansion der Organisation in ganz Irak verdeutliche die Fähigkeit von Asa'ib Ahl al-Haqq, in Gebiete, in der die Sadr-Bewegung Rückhalt habe, vorzudringen.

In Hinblick auf den bewaffneten Arm der Organisation erwähnt der Bericht, dass Asa'ib Ahl al-Haqq während des Irakkriegs [gegen die USA] die Miliz in Bataillone eingeteilt habe, von denen jedes einer bestimmten Region zugeteilt worden sei, das Imam Askari-Bataillon in Samarra, das Musa al-Kazim-Battaillon in Bagdad, das Imam Ali-Bataillon in Nadschaf und das Abu Fadl Abbas-Bataillon in Maysan. Im Dezember 2011 habe sich Qais al-Khazali mit den mutmaßlichen Anführern der Kata'ib Hezbollah (KH), der am besten ausgebildeten und geheimsten der vom Iran unterstützen Milizen, getroffen. Trotz der Verschwiegenheit der Miliz würden die Verbindungen zwischen führenden Mitgliedern von Asa'ib Ahl al-Haqq und Kata'ib Hezbollah darauf hindeuten, dass die Organisation Asa'ib Ahl al-Haqq ihren bewaffneten Arm neu geordnet und ihre Macht als Schirmorganisation für schiitische Milizen im Irak gefestigt habe.

Das britische Innenministerium (UK Home Office) gibt in seinem Bericht zu Herkunftsländerinformationen und Handlungsempfehlungen für britische Asylentscheider vom August 2016 Informationen von Jane-s, einem in den USA ansässigen Unternehmen, das unter anderem Analysen zum Thema Sicherheit erstellt, wieder, dass Asa'ib Ahl al-Haqq an einer Reihe von Angriffen auf die US-Truppen bis zu deren Abzug 2011 beteiligt gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe Asa'ib Ahl al-Haqq ihre Absicht bekannt gegeben, dem politischen Prozess beizutreten. Die Miliz unterhalte mehrere politische Büros im Land, sei aber auch bewaffnet und werde verdächtigt, an mehreren Angriffen mit selbstgebauten Spreng- und Brandvorrichtungen und gezielten Tötungen von Sunniten beteiligt zu sein. Militärische Ausbildung erfolge durch die libanesische Hisbollah und die iranische Quds-Einheit, was Asa'ib Ahl al-Haqq zu einer de facto-Stellvertretermiliz des Iran im Irak mache. Kämpfer der Asa'ib Ahl al-Haqq hätten die irakische Armee in der Provinz al-Anbar beim Kampf gegen den Islamischen Staat unterstützt.

Das an der Stanford University angesiedelte Mapping Militants Project, das die Herausbildung militanter Organisationen und deren Zusammenspiel in Konfliktzonen beobachtet und visuell darstellt, schreibt in einem zuletzt im Jänner 2017 aktualisierten Überblick zur Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq, dass es 2013 Berichte gegeben habe, laut denen die Regierung unter Premierminister al-Maliki statt der irakischen Polizei Kämpfer von Asa'ib Ahl al-Haqq in der Provinz al-Anbar und als Bereitschaftspolizei in Bagdad eingesetzt habe.

Al Araby Al Jadeed, ein 2014 in London gegründetes Medienunternehmen, berichtet in einem Artikel vom Juni 2014 über die Situation in Bagdad, wo Bewaffnete in Zivilkleidung zusammen mit dem Militär das Straßenbild bestimmen würden. Die Regierung habe eine Ausgangssperre verhängt und gleichzeitig die Präsenz der Sicherheitskräfte erhöht. Dabei greife sie auf Milizen zurück, um die eigene mangelnde Truppenstärke zu kompensieren. Das Straßenbild gleiche einer Kaserne. Freiwillige Milizkämpfer von Asa'ib Ahl al-Haqq würden in den Gegenden, die sie beschützen würden, Kontrollen durchführen. Insbesondere in der Nähe sunnitischer Wohngebiete habe Asa'ib Ahl al-Haqq "falsche Checkpoints" eingerichtet und eine Waffenparade in der Palästina-Straße abgehalten.

CEDOCA, die Herkunftsländerinformationsstelle des belgischen Generalkommissariats für Flüchtlinge und Staatenlose (CGRA) schreibt in einem Bericht zur Sicherheitslage in der Provinz Diyala vom Juli 2015, dass Berichten zufolge Mitglieder von Asa'ib Ahl al-Haqq Angriffe auf die Dörfer Bulour, Matar, Aruba, Hurriya, Sudur und Harouniya im Distrikt Muqdadiya durchgeführt hätten, wo ungefähr tausend sunnitische Familien leben würden. Die Miliz habe im Winter bis zu 50 Häuser niedergebrannt und weitere Wohnhäuser mit Mörsern und Raketen beschossen habe. Die lokale Bevölkerung habe berichtet, dass Kämpfer der Asa'ib Ahl al-Haqq zusammen mit freiwilligen schiitischen Milizkämpfern und irakischen Antiterror-Einheiten begonnen hätten, im Juni 2014 die Einwohner von Dörfern nahe Muqdadiya zu schikanieren. Im Oktober 2014 hätten die geflohenen Dorfbewohner gehört, dass die Milizen die Gegend verlassen hätten und seien daraufhin zurückgekehrt. Jedoch hätten sich kurz darauf die Milizen wieder gezeigt und damit begonnen, Personen zu entführen, in den Straßen um sich zu schießen und auf Wohnhäuser zu zielen. In einigen Fällen seien Personen hingerichtet worden. Human Rights Watch berichtet im Juli 2014, dass sie zwischen dem 1. Juni und dem 9. Juli 2014 die Tötung von 61 sunnitischen Männern, sowie im März und April die Tötung von mindestens 48 weiteren sunnitischen Männern in Dörfern und Kleinstädten um Bagdad dokumentiert habe. Laut Angaben von nicht näher genannten Zeugen, medizinischem Personal und Regierungsquellen seien in allen Fällen Milizen für die Tötungen verantwortlich gewesen. In vielen, jedoch von der Quelle nicht exakt quantifizierten Fällen hätten Zeugen Asa'ib Ahl al-Haqq als Täter identifiziert. Zeugen hätten außerdem bemerkt, dass Asa'ib Ahl al-Haqq illegale Festnahmen in vielen Gegenden der Provinzen Bagdad und Diyala vornehme.

Reuters berichtet in einem weiteren Artikel vom Jänner 2016, dass die in diesem Monat vorgefallenen Entführungen und Tötungen zahlreicher sunnitischer Zivilisten im Osten des Irak, sowie Angriffe auf deren Besitztümer durch vom Iran gestützte Milizen Menschenrechtsverletzungen darstellen könnten. Schiitische Milizkämpfer seien diesen Monat nach Muqdadiya entsandt worden, nachdem zwei Bombenexplosionen nahe einem Café, in dem sich oft Milizen aufgehalten hätten, 23 Menschen getötet hätten. Zu dem Anschlag habe sich der Islamische Staat bekannt und erklärt, dass Schiiten das Ziel gewesen seien. Mitglieder der Milizorganisationen Badr und Asa'ib Ahl al-Haqq hätten Vergeltungsangriffe durchgeführt.

Asa'ib Ahl al-Haqq wird außerdem beschuldigt, für ein Massaker in einem mutmaßlichen Bordell in Bagdad im Juli 2014 verantwortlich gewesen sei, bei dem 29 mutmaßliche Prostituierte erschossen wurden.

Die International Crisis Group (ICG) erwähnt in einer Fußnote zu einem Bericht über die konfessionell gespaltene, junge irakische Generation und deren Mobilisierung für Milizen, die Aussage eines Asa'ib Ahl al-Haqq-Mitglieds in Basra aus einem Interview im September 2015 zu den Zielen der Organisation. Das Mitglied erläutert, dass Asa'ib Ahl al-Haqq nicht bloß eine militärische Organisation sei. Sie habe das Ziel, einen Staat aufzubauen. Man plane, die staatlichen Institutionen zu reformieren und die Volksmobilisierungseinheiten in eine zivile Organisation umzuformen. Die Regierungsführung politischer Parteien sei in Basra und im gesamten Irak gescheitert. Asa'ib Ahl al-Haqq habe militärische Siege errungen und in Demonstrationen für Veränderungen eingetreten, nun sei die Organisation bereit, ein Teil der politischen Führung der Provinz und des gesamten Staates zu werden.

Human Rights Watch berichtet im November 2016, dass Mitglieder einer Miliz der von der Regierung gestützten Volksmobilisierungseinheiten in einem Dorf nahe der Stadt Mossul Hirten, darunter einen Jungen, festgenommen und geprügelt hätten, da man ihnen unterstellt habe, Verbindungen zum IS zu haben. Opfer und Zeugen hätten berichtet, dass es Mitglieder von Asa'ib Ahl al-Haqq gewesen seien, die zehn Hirten festgehalten und mindestens fünf von ihnen, darunter auch den Jungen verprügelt hätten. Die Hirten, die aus dem Dorf Aadaya geflohen seien, seien festgenommen und mehrere Stunden lang festgehalten worden. Die Milizkämpfer hätten sie schließlich freigelassen, aber 300 Schafe gestohlen.

Amnesty International schreibt in einem Bericht zur Verbreitung von Waffen innerhalb der Volksmobilisierungseinheiten und deren Menschenrechtsverletzungen vom Jänner 2017, dass es in der Provinz Diyala weiterhin verbreitet zu Vorfällen von Verschwindenlassen, Entführungen, Folter und Tötungen komme, die mit Straflosigkeit auf sunnitische Männer und Jungen abzielen würden. In Diyala würden die von der Regierung gestützten Milizen, darunter insbesondere die Badr-Organisation und Asa'ib Ahl al-Haqq, eine strenge Kontrolle ausüben, es gebe konfessionelle Spannungen und sunnitische Binnenvertriebene würden daran gehindert, in ihre angestammten Gebiete zurückzukehren. Der Bruder eines jungen Mannes, der im Jänner 2016 in Muqdadiya von Milizkämpfern entführt und tot auf der Straße aufgefunden worden sei, habe erwähnt, dass Asa'ib Ahl al-Haqq, die in Muqdadiya aktiv sei, alle Sunniten als Unterstützer des ehemaligen Präsidenten Saddam Hussein ansehe, und viele Sunniten auf der Straße oder in ihren Häusern aufgegriffen und getötet worden seien. In den ersten Wochen dieser Vorfälle seien Milizen mit Lautsprechern herumgefahren und hätten Sunniten dazu aufgefordert, aus ihren Häusern zu kommen. Am 13. Jänner 2016 seien mehr als hundert Männer entführt worden, deren Verbleib seither unbekannt sei.

Das US-Außenministerium schreibt in seinem im März 2017 veröffentlichten Jahresbericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum: 2016), dass ethnisch motivierte Kämpfe in ethnisch gemischten Gebieten nach den Befreiungsoperationen eskaliert seien. Es bestünden viele Berichte darüber, dass schiitische Volksmobilisierungseinheiten Sunniten nach der Befreiung von Gebieten vom Islamischen Staat verhaftet hätten. Milizen, darunter die Asa'ib Ahl al-Haqq, hielten bis zu 3.000 Gefangene illegal fest. Unter den Gefangenen seien Sunniten gewesen sowie weitere Personen, die verdächtigt worden seien, mit dem Islamischen Staat zusammengearbeitet zu haben. Die Gefangenen seien in provisorischen Gefängnissen festgehalten worden, einige wegen Verbrechen, die man ihnen vorgeworfen habe, andere, um Lösegeld zu erhalten, die bei der Finanzierung der Aktivitäten der Milizen helfen sollten.

Laut Angaben des Sprechers der Volksmobilisierungseinheiten habe das Justizministerium einen Richter ernannt, der Ende des Jahres 2016 die 300 Fälle bearbeitet habe, die mit Verstößen von Milizen-Mitgliedern zu tun gehabt hätten, wobei es um mutmaßliche Misshandlungen von Gefangenen bis hin zu summarischen Hinrichtungen gegangen sei. Laut dem Sprecher habe es sich nur bei einem Viertel derer, die beschuldigt worden seien, um "echte" Mitglieder von Milizen gehandelt, bei den anderen habe es sich um Mitglieder von Freiwilligengruppen gehandelt.

Einem Medienbericht vom Mai 2017 zufolge wurde bei Auseinandersetzungen zwischen der nationalen Polizei und Mitgliedern der Asa'ib Ahl al-Haqq in der Palästina-Straße in Bagdad ein Polizist getötet. Die Ursache der Auseinandersetzungen sei nicht bekannt.

Sot al-Iraq, berichtet im Juli 2017, dass laut einer in der Provinz Suleimaniya in der Region Kurdistan ansässigen Organisation der Faili-Kurden Mitglieder ihrer Gemeinschaft in Bagdad schikaniert würden, seitdem der Termin für das Referendum über die Unabhängigkeit Kurdistans angekündigt worden sei. Laut Angaben eines Mitglieds der Organisation seien Faili-Kurden in Bagdad Drohungen und Schikanen ausgesetzt. Asa'ib Ahl al-Haqq sei laut der Organisation für die Tötung von drei Faili-Kurden in der letzten Zeit verantwortlich, weitere seien direkt von der Miliz bedroht worden. Asa'ib Ahl al-Haqq habe auch kurdische Unternehmen in diesem Zusammenhang bedroht.

Quelle:

- ACCORD: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten von Asa'ib Ahl al-Haqq, 20.02.2017

- ACCORD: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten der Milizen der Asaib Ahl al-Haqq seit 2013 bis heute; Übergriffe auf die Zivilbevölkerung, 30.11.2017

- ACCORD: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten der Asa'i

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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