TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/6 G306 2224621-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.07.2020
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Entscheidungsdatum

06.07.2020

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs6
B-VG Art133 Abs4
FPG §55 Abs1a

Spruch

G306 2224621-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA: Bosnien und Herzegowina, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.09.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet a b g e w i e s e n .

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Zl. XXXX , vom 09.08.2019, wurde gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) eine Rückkehrentscheidung erlassen, dessen Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina (im Folgenden: BuH) für zulässig erklärt sowie gegen den BF ein auf zwei Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen.

2. Der BF stellte am 05.09.2019, im Stande der Schubhaft, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005).

3. Am 05.09.2019 fand vor einem Organ der Bundespolizei die niederschriftlichen Erstbefragungen des BF statt.

4. Am 11.09.2019 und 12.09.2019 wurde der BF im Asylverfahren niederschriftlich durch das BFA einvernommen.

5. Mit dem oben im Spruch genannten Bescheid des BFA, dem BF zugestellt am 13.09.2019, wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat BuH gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG eine Frist zur freiwilligen Ausreise nicht bestünde (Spruchpunkt III.) sowie einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 und 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

6. Mit per E-Mail 11.10.2019 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz erhob der BF durch seine Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurde neben der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, jeweils in eventu die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder jenen des subsidiär Schutzberechtigen, sowie die Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde beantragt. Zudem wurde die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung angeregt.

7. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom BFA vorgelegt und sind am 22.10.2019 beim BVwG eingelangt.

8. Mit Teilerkenntnis des BVwG, GZ.: G306 2224621-1/3Z, vom 28.10.2019, wurde die gegenständliche Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes IV. gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger der Republik BuH. Er ist Angehöriger der Volksgruppe der Bosniaken, ledig und bekennt sich zum islamischen Glauben. Die Muttersprache des BF ist bosnisch, und spricht er auch Englisch auf mittelmäßigem Niveau.

Der BF reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt in das Bundesgebiet ein. Am XXXX .2019 wurde der BF von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Bundesgebiet betreten und wurde der BF in weitere Folge in Schubhaft genommen.

Mit am 07.09.2019 in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des BFA, Zl. XXXX , vom 09.08.2019, wurde gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG dessen Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina (im Folgenden: BuH) gemäß § 46 FPG für zulässig erklärt sowie gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG ein auf zwei Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen.

Am XXXX 2019 stellte der BF im Stande der Schubhaft den gegenständlichen Antrag auf Zuerkennung des internationalen Schutzes.

Der BF besuchte von 1994 bis 2005 die Schule in BuH, hat den Beruf des Tischlers erlernt und war zuletzt als Monteur für Klimaanlagen im Herkunftsstaat erwerbstätig. Im Herkunftsstaat halten sich nach wie vor der Stiefvater sowie die Schwester des BF auf, mit jenen er bis zu seiner Ausreise im gemeinsamen Haushalt lebte.

Der Lebensmittelpunkt des BF liegt in BuH und verfügt der BF über keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich.

Der BF erweist sich in strafgerichtlicher Hinsicht als unbescholten, ist gesund und arbeitsfähig, geht jedoch keiner legalen Erwerbstätigkeit in Österreich nach.

Der BF ist der deutschen Sprache nicht mächtig und konnten auch sonst keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer tiefgreifenden Integration in sprachlicher, sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Die Republik BuH gilt als sicherer Herkunftsstaat.

Ein konkreter Anlass für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Bedrohungsgefahr ausgesetzt ist oder dass sonstige Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

Zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat:

Bosnien und Herzegowina

1.       Politische Lage

Der Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina (BiH) wurde im November/Dezember 1995 durch das Daytoner „Rahmenabkommen für den Frieden“ geschaffen, dessen Annex 4 die gesamtstaatliche Verfassung festschreibt. Er hat heute ca. 3,5 Millionen Einwohner. BiH ist in zwei flächenmäßig nahezu gleich große, weitgehend autonome Entitäten geteilt: die überwiegend bosniakischkroatische Föderation BiH, (FBiH, 51 % des Territoriums, ca. 63 % der Gesamtbevölkerung) und die überwiegend serbische Republika Srpska (RS, 49 % des Territoriums, ca. 35 % der Gesamtbevölkerung). Neben den beiden Entitäten gibt es den multiethnischen Sonderdistrikt Br?ko. Die FBiH gliedert sich in zehn Kantone, die wiederum aus mehreren Gemeinden bestehen. Die RS ist zentral organisiert und nur in Gemeinden gegliedert. Als „Staatsoberhaupt“ des Gesamtstaats fungiert das Staatspräsidium, das in direkter Wahl für eine Amtszeit von 4 Jahren bestimmt wird. Es besteht aus je einem Vertreter der drei konstituierenden Völker. Der Vorsitz rotiert alle 8 Monate. Die Regierungen des Gesamtstaates, der beiden Entitäten, des Distrikts Br?ko und der zehn Kantone in der FBiH kommen zusammen auf über 150 Ministerien. Der Anteil des Staatsapparats am Staatsbudget ist infolgedessen fast doppelt so hoch wie der EU Durchschnitt. Im Übrigen ist die Besetzung von Ämtern in Regierungen und Verwaltungen auf allen Ebenen durch die institutionalisierte Machtteilung zwischen den konstituierenden Völkern geprägt (AA 16.4.2018). In BiH fanden am 7.10.2018 landesweit in beiden Entitäten allgemeine Wahlen statt. Gewählt wurden die drei ethnisch besetzten Mitglieder des Staatspräsidiums, das gesamtstaatliche Parlament von BiH, das Parlament der Föderation von BiH, die Versammlung der 10 Kantonsparlamente, der Präsident und der Vizepräsident der Republik Srpska (RS) sowie die Nationalversammlung der RS. Die Wahlbeteiligung lag bei 53 %. Die SDA und die SNSD sind beide die großen Wahlsieger. In das Staatspräsidium von BiH wurden der kroatische Mitglied Željko Komši? aus der DF (Demokratska Fronta), der serbische Mitglied Milorad Dodik von der SNSD (Union unabhängiger Sozialdemokraten) und bosniakischer Mitglied Šefik Džaferovi? von der SDA (Partei der demokratischen Aktion) gewählt. In Bezug auf die Parlamentswahlen zeichnen sich gegenwärtig mögliche Koalitionen nicht ab (KAS 10.10.2018). Die konstituierende Sitzung der RS-Volksversammlung fand am 19.11.2018 statt - zur neuen RSPräsidentin wurde die bisherige Premierministerin Željka Cvijanovic gewählt (VB 16.4.2019). Die Wahlen sind im Allgemeinen ordnungsgemäß verlaufen und die IEOM-Beobachter (Election Observation Mission) konnten den Prozess ohne Einschränkungen verfolgen (OSCE 25.1.2019). Trotz permanenter politischer Versprechungen, den EU Beitrittsstatus so bald wie möglich erreichen zu wollen, ging die Beantwortung des von der EU diesbezüglich übermittelten Fragebogens nur sehr schleppend voran. Der Vorsitzende des BiH Staatspräsidiums hat am 4.3.2019 in Brüssel die Antworten auf die Zusatzfragen der EU Kommission eingereicht. Es fehlt auch an der konsequenten Umsetzung der für einen EU-Beitritt maßgeblichen gesetzlichen Richtlinien. Es wird vermieden, bestehende Schlupflöcher zu schließen. Nach wie vor ist die allgegenwärtige Korruption eines der Hauptprobleme im Land (VB 16.4.2019). Die klassische rechtsstaatliche Gewaltenteilung wird schließlich ergänzt durch den im Daytoner Rahmenabkommen für den Frieden vorgesehenen Hohen Repräsentanten der Internationalen Gemeinschaft (HR) und die ihm unterstehende Behörde, dem „Office of the High Representative“ (OHR). Der HR ist die höchste Instanz im Land für die Auslegung und Implementierung des Daytoner Rahmenabkommens für den Frieden und steht damit rechtlich über den staatlichen Stellen. Seit 26.3.2009 ist der Österreicher Valentin Inzko Amtsinhaber (AA 16.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.4.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432989/4598_1526981108_auswaertiges-amt-berichteinstufung-von-bosnien-herzegowina-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylvfgstand-april-2018-16-04-2018.pdf, Zugriff 24.4.2019

- KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (10.10.2018): Auslandsbüro Bosnien und Herzegowina, Publikationen, Länderberichte, Bosnien nach den Wahlen, https://www.kas.de/web/bosnienherzegowina/laenderberichte/detail/-/content/bosnien-nach-den-wahlen, Zugriff 24.4.2019

- OSZE - Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (25.1.2019): Bosnia and Herzegovina, General Elections, 7 October 2018: Final Report, https://www.osce.org/odihr/elections/bih/409905?download=true, Zugriff 24.4.2019 - VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (16.4.2019): Auskunft des VB, per E-Mail
2. Sicherheitslage
Wichtigstes Ziel der Sicherheits- und Verteidigungspolitik von BiH ist die Annäherung und schließlich Integration in die euroatlantische Partnerschaftsarchitektur. Jedoch gibt es hiergegen auch Widerstände, insbesondere von Politikern der Republika Srpska (AA 16.4.2018). In BiH ist man seit vielen Jahren an aggressive nationalistische Rhetorik gewöhnt, allerdings geht es schon lange nicht nur mehr um Worte, sondern auch um Taten. So will die Regierung des Landesteils RS nun eine Reservepolizei aufbauen. Medienberichten zufolge soll diese Polizei dafür sorgen, die "Entitätsgrenzen" - das sind die administrativen Grenzen zwischen den bosnischen Landesteilen RS und Föderation - zu "sichern", wenn der Chef der nationalistischen Partei SNSD, Milorad Dodik, die Sezession der RS ankündigt. Der Gesetzesvorschlag sieht zudem vor, dass Polizisten aus anderen Staaten angestellt werden und "undercover" arbeiten könnten. Das erinnert viele an die Paramilitärs, die im Krieg hier Schrecken verbreiteten. Für Ängste hat zudem gesorgt, dass die Polizei der RS 2017 mit 2.500 automatischen Langwaffen - ähnlich jenen, die eine Armee hat - ausgestattet wurden (derStandard 25.4.2019). Sowohl die politische Situation als auch die allgemeine Konfliktlage in der Region bleiben auch 23 Jahre nach Kriegsende labil und angespannt. Im Rahmen der EUFOR Mission Operation Althea, die 2004 mit dem Ende von SFOR die Überwachung des Dayton-Abkommens übernahm, sind derzeit 1.600 Soldaten aus 26 Staaten stationiert. Die OSZE-Mission in BiH ist mit etwa 68 Personen weiterhin in dem Land präsent und operiert unter der Führung der USA. Ziel der Mission ist es, die allgemeine Sicherheitslage zu verbessern und die Verteidigungsstrukturen zu stärken. Darüber hinaus hat die Mission zum Ziel, die bosnische Regierung beim Aufbau einer demokratischen Gesellschaft, einer funktionierenden Zivilgesellschaft und einem guten Regierungssystem zu unterstützen. Zwischen BiH und Kroatien bestehen einige ungelöste, andauernde Grenz- und Territorialfragen. Zwischen BiH und Serbien wiederum existieren ungelöste Grenz- und Territorialfragen entlang des Flusses Drina (BICC 12.2018; vgl. KAS 12.2017). Kürzlich wurde publik, dass der kroatische Geheimdienst SOA versuchte, das Nachbarland BiH als Hort des islamischen Terrorismus darzustellen, um es zu diskreditieren. Das bosnische Medium "Žurnal" deckte auf, dass der kroatische Geheimdienst versucht hatte, über einen Mittelsmann Waffen in Moscheen in BiH zu verstecken, um diese angeblichen Waffendepots danach "aufzudecken" und behaupten zu können, es gäbe dort militanten Islamismus. Es gibt seit Jahrzehnten Versuche von kroatischer Seite, BiH als Terrorzentrum zu diskreditieren. Nun bestätigte der bosnische Sicherheitsminister Dragan Mekti? die Vorwürfe gegen SOA (derStandard 12.4.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.4.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432989/4598_1526981108_auswaertiges-amt-berichteinstufung-von-bosnien-herzegowina-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylvfgstand-april-2018-16-04-2018.pdf, Zugriff 24.4.2019

- BICC - Bonn International Center for Conversion (12.2018): Informationsdienst, Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte - Länderinformationen Bosnien-Herzegowina, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/bosnien/ 2018_bosnien.pdf, Zugriff 24.4.2019

- derStandard (12.4.2019): International, Kroatien, Ausspionieren: Kroatischer Geheimdienst verärgert Nachbarn, derstandard.at/2000101246246/Ausspionieren-und-diskreditieren-kroatischerGeheimdienst-veraergert-Nachbarn, Zugriff 15.4.2019

- derStandard (25.4.2019): International, Bosnien-Herzegowina, Republika Srpska will Sondereinheiten der Polizei aufbauen, https://derstandard.at/2000102024422/Republika-Srpskawill-Sondereinheiten-der-Polizei-aufbauen, Zugriff 26.4.2019

- KAS - Konrad Adenauer Stiftung (12.2017): Länderbericht, Ethnische Politik in Bosnien und Herzegowina, http://www.kas.de/wf/doc/kas_51222-1522-1-30.pdf?180102110250, Zugriff 5.4.2019
3. Rechtsschutz / Justizwesen

Die Staatsverfassung sieht das Recht auf eine faire Gerichtsverhandlung in Zivil- und Strafsachen vor. Die Entitätsverfassungen sehen eine unabhängige Justiz vor. Dennoch beeinflussen manchmal politische Parteien und Persönlichkeiten die Justiz in politisch sensiblen Fällen, insbesondere im Zusammenhang mit Korruption, sowohl auf staatlicher als auch auf Entitätsebene. Die Behörden haben es manchmal versäumt, Gerichtsentscheidungen durchzusetzen. Während die zivilen Behörden eine wirksame Kontrolle und Koordinierung der Strafverfolgungsbehörde und Sicherheitskräfte aufrechterhalten, führte das Fehlen einer klaren Aufteilung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zwischen den 16 Strafverfolgungsbehörden des Landes zu gelegentlichen Verwirrung und überlappenden Zuständigkeiten. Das Gesetz sieht die Unschuldsvermutung vor. Der Angeklagte hat das Recht auf einen Anwalt und falls er sich keinen Anwalt leisten kann, wird auf Staatskosten ein Pflichtverteidiger bereitgestellt. Die Gerichte sind verpflichtet, einen Verteidiger zu bestellen, wenn der Angeklagte taub oder stumm ist oder einer Straftat beschuldigt wird, für die eine langjährige Haft verhängt werden kann. Der Angeklagte hat das Recht auf einen gerichtlich bestellten Dolmetscher, die Zeugen und Beweise in seinen eigenen Namen vorzulegen und Urteile anzufechten. Die Behörden respektieren im Allgemeinen die meisten dieser Rechte, die sich auf alle Angeklagten erstrecken (USDOS 13.3.2019). Mit der Schließung des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) im Dezember 2017 bekam die Verfolgung von Kriegsverbrechen vor nationalen Gerichten eine neue Bedeutung. In der Praxis gibt es jedoch wenige Fortschritte. Im September 2018 gab es 114 Fälle von Kriegsverbrechen vor dem Staatsgericht mit 296 Angeklagten. Zwischen Jänner und September 2018 verkündete das Gericht 29 Urteile, davon 14 Verurteilungen, 12 Freisprüche und drei Teilfreisprüche. Zwischen Jänner und September 2018 erhielt der Oberste Gerichtshof der RS sieben Fälle von Kriegsverbrechen, von denen vier zu Verurteilungen führten und drei zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses bearbeitet wurden (HRW 17.1.2019). Der Hohe Justiz- und Staatsanwaltschaftsrat von BiH (HJPC) und die Regulierungsbehörde für das ganze bosnische Gerichtswesen ernannten am 23.1.2019 Gordana Tadic zur Oberstaatsanwältin. Laut dem hohen Repräsentanten in BiH hat sich Situation mit der Rechtsstaatlichkeit in BiH verschlechtert. Korruption und politische Schirmherrschaft sind offensichtlich. Ein großer Grund zur Besorgnis und große Enttäuschung stellen Politiker dar, welche die Justiz kontrollieren und nutzen und dafür wenige oder gar keine Konsequenzen tragen müssen (VB 16.4.2019). Wie viele Bereiche des täglichen Lebens in BiH ist auch die Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis von Korruption durchzogen. Problematisch ist zudem, dass oft die existierenden, transparenten Regelungen zur Auswahl des Richters in einem Verfahren (gesetzlich bestimmter Richter) in der Praxis nicht angewandt werden. Sippenhaft wird in BiH nicht praktiziert (AA 16.4.2018). Grundsätzlich gilt, dass sich jeder bosnische Staatsbürger im Falle von "Verfolgungshandlungen gegen seine/ihre Person" an Polizei oder direkt an die Staatsanwaltschaft wenden kann. Sollten die offiziellen Stellen nicht tätig werden bzw. sollte es sich bei der Verfolgungshandlung gegen den Betroffenen um eine Menschenrechtsverletzung handeln, stehen halb- bis nichtstaatliche Organisationen mit Rechtsbeistand zur Seite. Auch hat das Ministerium für Menschenrechte und Flüchtlinge in der Sektion für Menschenrechte eine Abteilung zum „Schutz von individuellen Menschenrechten und Bürgerrechten“, welche u.a. Anliegen und Beschwerden annimmt und bearbeitet und Bürgern fachliche Hilfe leistet (VB 16.4.2019). Der Hohe Repräsentant für BiH, Valentin Inzko, berichtete am 11.6.2018 an den UN-Sicherheitsrat, dass BiH neben der Frage der nicht umgesetzten Gerichtsentscheidungen auch vor einem Problem der tief verwurzelten öffentlichen Enttäuschung über die scheinbare Unfähigkeit des Strafrechtssystems Korruption zu bekämpfen und mit dem organisierten Verbrechen umzugehen steht (OHR 11.6.2018). Das Repräsentantenhaus des BiH-Parlaments verabschiedete am 17.9.2018 das Gesetz zu Änderungen der BiH-Strafprozessordnung im Zuge einer einberufenen Krisensitzung. Somit tritt eine Reihe von Neuheiten hinsichtlich der Voraussetzungen für den Einsatz besonderer Ermittlungsmaßnahmen in Kraft. In den Änderungen der Strafprozessordnung werden auch Fristen neu definiert, innerhalb derer die Ermittlungen abgeschlossen werden müssen. Die Änderungen präzisieren klar die Ermittlungsdauer oder den Zeitpunkt, bis zu dem Anklage erhoben werden muss. Das Gesetz präzisiert ebenfalls Straftaten, für die besondere Ermittlungsmaßnahmen, wie zum Beispiel Abhörmaßnahmen, angeordnet werden können (VB 16.4.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.4.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432989/4598_1526981108_auswaertiges-amt-berichteinstufung-von-bosnien-herzegowina-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylvfgstand-april-2018-16-04-2018.pdf, Zugriff 24.4.2019

- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002240.html, Zugriff 24.4.2019

- OHR – Office of the High Representative (11.6.2018): emarks by High Representative Valentin Inzko to the UN Security Council, http://www.ohr.int/?p=100185, Zugriff 24.4.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018, Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004276.html, Zugriff 24.4.2019 - VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (16.4.2019): Auskunft des VB, per E-Mail
4. Sicherheitsbehörden

Auch im Bereich Sicherheit schlägt sich die komplexe BiH Verfassung nieder: Auf Gesamtstaatsebene existiert neben der dem deutschen BKA vergleichbaren Polizeibehörde SIPA (u.a. zuständig für Kriegsverbrechen, OK und Korruption) die Grenzpolizei sowie die Direktion zur Koordinierung der Polizeidienste, der u.a. Interpol und der Objektschutz zugeordnet sind. Aufsicht über diese gesamtstaatlichen Polizeibehörden liegt beim Sicherheitsministerium. In der FBiH existiert eine Föderationspolizei mit Sitz in Sarajevo, deren Zuständigkeit sich auf das Gebiet FBiH erstreckt, die aber keinerlei Weisungsbefugnis gegenüber den auf Kantonsebene bestehenden Polizeibehörden hat. In der RS übt die Gesamtpolizei der RS hingegen auch Aufsicht über die 6 regionalen Polizeibehörden der Entität aus. Die Polizei im Sonderdistrikt Brcko ist unabhängig. Jede dieser Behörden verfügt wiederum über Spezialeinheiten. Daneben besteht ein gesamtstaatlicher, sowohl In- als auch Auslandsaktivitäten abdeckender Geheimdienst (OSA), der aus der Zusammenlegung der früher existierenden beiden Entitätsgeheimdienste entstanden ist. Seit 2006 steht er unter parlamentarischer Kontrolle. Es ist nicht auszuschließen, dass insbesondere die Polizeibehörden der RS zumindest teilweise nachrichtendienstliche Parallelstrukturen unterhalten. Das Militär befindet sich seit 2003 in einem Reformprozess (u.a. in Hinblick auf die weitere NATO-Annäherung BiHs). Durch das Verteidigungsgesetz und das Wehrdienstgesetz (beide 2005) wurde mit den „Armed Forces“ eine gesamtstaatliche Armee geschaffen. Die Armeen der Entitäten bzw. aus Kriegszeiten erhalten gebliebene Truppenteile der drei konstitutiven Volksgruppen wurden abgeschafft (AA 16.4.2018). Parallel zum Militär fand auch innerhalb der Polizei ein umfassender Reformprozess statt. Erfolge bestehen darin, dass die Polizei, die einst Rückkehrer drangsalierte und Kriegsverbrecher schützte, nun zu den angesehensten Institutionen im ganzen Land zählt (BICC 12.2018). Durch die permanente Ausbildung von bosnischen Polizeibeamten durch europäische und österreichische Experten (z.B. Twinning Project „Strenghtening in Law Enforcement“ und „Moneylaundering“) wurde die internationale Zusammenarbeit wesentlich ausgebaut. Die Kooperation zwischen heimischen [österreichischen; Anm.] und bosnischen Sicherheitsbehörden hat sich unter anderem auch dadurch weiter intensiviert. Besonders hervorzuheben ist die ausgezeichnete Zusammenarbeit zwischen dem BVT und den bosnischen Sicherheitsbehörden (VB 16.4.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.4.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432989/4598_1526981108_auswaertiges-amt-berichteinstufung-von-bosnien-herzegowina-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylvfgstand-april-2018-16-04-2018.pdf, Zugriff 24.4.2019

- BICC - Bonn International Center for Conversion (12.2018): Informationsdienst, Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte - Länderinformationen Bosnien-Herzegowina, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/bosnien/ 2018_bosnien.pdf, Zugriff 24.4.2019

- VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (16.4.2019): Auskunft des VB, per E-Mail
5. Folter und unmenschliche Behandlung
Die Verfassung von BiH schreibt für alle Menschen das Recht auf Freiheit von Folter fest. BiH ist danach an die Antifolterkonvention (1984) und die Europäische Folterverhütungskonvention gebunden. BiH hat 2003 vorbehaltlos die Zuständigkeit der Antifolterkommission nach Art. 22 der VN-Antifolterkonvention anerkannt. Folter ist in BiH strafbar. Der Ausschuss des Europarates zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment, CPT) überprüft seit 2011 Polizeistationen, Haftanstalten und psychiatrische Einrichtungen in BiH. Es kommt nach Angaben des CPT im Rahmen von polizeilichen Verhören und Verhaftungen verbreitet und innerhalb der Gefängnisse nach wie vor vereinzelt zu körperlichen Misshandlungen, insbesondere gegen Angehörige der Roma. Beschwerden von Betroffenen werden uneinheitlich behandelt und nur wenige werden aufgeklärt (AA 16.4.2018). Das Gesetz verbietet solche Praktiken. Obwohl es in den ersten neun Monaten des Jahres 2016 keine Berichte gab, dass Regierungsbeamte solche Maßnahmen ergriffen haben, gibt es keine konkreten Hinweise darauf, dass die Sicherheitskräfte die Praxis der schweren Misshandlung von Häftlingen und Gefangenen, die in den Vorjahren gemeldet wurden, beendet hatten. Die Regierung verfügt über Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch und Korruption. Allerdings verhindert der politische Druck oft die Nutzung dieser Mechanismen. Die Beobachter halten die polizeiliche Straflosigkeit für weit verbreitet. In Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen, stellt die Regierung für die Sicherheitskräfte Schulungen zur Bekämpfung von Korruption und Missbrauch zur Verfügung bzw. fördert die Einhaltung von Menschenrechten (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.4.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432989/4598_1526981108_auswaertiges-amt-berichteinstufung-von-bosnien-herzegowina-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylvfgstand-april-2018-16-04-2018.pdf, Zugriff 24.4.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018, Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004276.html, Zugriff 24.4.2019
6. Korruption

Die Regierung verfügt über Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch und Korruption, aber der politische Druck verhindert oft die Anwendung dieser Mechanismen. Die Regierung hat das ganze Jahr 2018 - hauptsächlich mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft - die Polizei- und Sicherheitskräfte geschult, um Missbrauch und Korruption zu bekämpfen und die Achtung der Menschenrechte zu fördern. Die Schulung von Polizeibeamten hat auch Komponenten des Ethik- und Antikorruptionstrainings enthalten. Korruption seitens der Beamten ist strafbar, aber die Regierung hat das Gesetz nicht effektiv umgesetzt und die öffentliche Korruption nicht als ernsthaftes Problem eingestuft. Besonders häufig war die Korruption im Gesundheits- und Bildungswesen, bei den öffentlichen Beschaffungsprozessen, bei der lokalen Verwaltung und bei den Beschäftigungsverfahren in öffentlicher Verwaltung (USDOS 13.3.2019). Korruption ist sowohl auf höchster politischer als auch gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und privater Ebene weit verbreitet. Wie viele Bereiche des täglichen Lebens in BiH ist auch die Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis von Korruption durchzogen. Korruption ist in BiH allgegenwärtig und kann auch im Gesundheitswesen nicht ausgeschlossen werden (AA 16.4.2018). Die Korruption in den staatlichen Institutionen ist nach wie vor das größte Problem in BiH. Sie trägt zu politischem und wirtschaftlichem Stillstand bei. BiH hat zwar diesbezüglich Gesetze, diese werden jedoch von den Behörden nicht umgesetzt. Auch wird das Problem der Korruption von den zuständigen Behörden nicht ernst genommen. Beamte, die an Korruptionshandlungen beteiligt sind, kommen oft ungestraft davon, während die Korruption in vielen politischen und ökonomischen Institutionen weit verbreitet ist (VB 16.4.2019). Im aktuellen Transparency International Corruption Perceptions Index 2018 rangiert Bosnien unter 180 Ländern und Territorien an 89. Stelle mit einer Punkteanzahl von 38 von bestmöglichen 100 (TI 2016).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.4.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432989/4598_1526981108_auswaertiges-amt-berichteinstufung-von-bosnien-herzegowina-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylvfgstand-april-2018-16-04-2018.pdf, Zugriff 24.4.2019

-TI - Transparency International (2018): Corruption Perceptions Index 2018; https://www.transparency.org/cpi2018, Zugriff 24.4.2019 - USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018, Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004276.html, Zugriff 24.4.2019

- VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (16.4.2019): Auskunft des VB, per E-Mail
7. Ombudsmann

Insgesamt gibt es in BiH Ombudsmannbüros in Banja Luka, Sarajevo, Mostar, im Distrikt Brcko und eine Außenstelle in Livno (VB 16.4.2019). Der gesamtstaatliche Ombudsmann hat die Befugnis, Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen die Landesgesetze auf Hinweis der einzelnen Bürger zu untersuchen und Empfehlungen zur Nachbesserung an die Regierung unterbreiten. Die Empfehlungen des Bürgerbeauftragten sind rechtlich unverbindlich. Ein Bosniake, ein Kroate und ein Serbe teilen sich die Führung der Ombudsstelle, der die Mittel fehlen, um effektiv zu arbeiten (USDOS 13.3.2019). Dem Büro des Bürgerbeauftragten fehlen weiterhin ausreichende personelle Ressourcen und ist ernsten finanziellen Einschränkungen ausgesetzt, die sich nachteilig auf die Gesamtleistung auswirken. Dies schadet dem gesamten Ergebnis, auch bei der Umsetzung der Antidiskriminierungsgesetzgebung. Die systematische Zusammenarbeit zwischen dem Büro des Ombudsmanns und dem zivilen Sektor bleibt begrenzt (EK 17.4.2018).

Die Zahl der Beschwerden, die beim Ombudsmann für Menschenrechte im Jahr 2018 eingelangt sind, erhöhte sich auf 3.266 Fälle, um 106 mehr als im Jahr 2017 (3.160 Fälle). Mit den aus den Vorjahren übertragenen Fällen wurden 5.303 Beschwerden bearbeitet, davon 3.240 erledigt. Die meisten Beschwerden betrafen Verstöße gegen die bürgerlichen und politischen Rechte - 1.819 (1.861 im Vorjahr) (Ombudsmann BiH 3.2019).

Quellen:

- EK - Europäische Kommission (17.4.2018): Bosnia and Herzegovina 2018 Report [SWD(2018) 155 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1438379/1226_1531808797_20180417-bosnia-andherzegovina-report.pdf, Zugriff 24.4.2019

- Ombudsmann für Menschenrechte BiH (3.2019): Annual Report on results of the activities of the Institution of Human Rights Ombudsman of Bosnia and Herzegovina for 2016, https://www.ombudsmen.gov.ba/documents/obmudsmen_doc2019030109434379eng.pdf, Zugriff 24.4.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018, Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004276.html, Zugriff 24.4.2019

- VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (16.4.2019): Auskunft des VB, per E-Mail
8. Allgemeine Menschenrechtslage

Im Jahr 2018 gab es im Bereich der Menschenrechte kaum sichtbare Fortschritte. Mitglieder nationaler Minderheiten hatten bei den Parlamentswahlen 2018 keinen Anspruch auf einen Präsidentschaftskandidaten, da die diskriminierenden Bestimmungen der Verfassung nach wie vor nicht geändert wurden. Die Behörden leisteten Tausenden von Asylbewerbern und Migranten, die 2018 ankamen, keine Grundversorgung. Journalisten sahen sich weiterhin Bedrohungen und Einmischungen in ihre Arbeit ausgesetzt. Kriegsverbrecherfälle wurden weiterhin nur langsam bearbeitet. Mitglieder von Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen- und Transgender-Gemeinschaften (LGBT) sehen sich weiterhin Hassreden und Bedrohungen ausgesetzt (HRW 17.1.2019). Im September 2019 soll die erste offizielle Gay Pride durchgeführt werden. Seit der Bekanntgabe werden LGBT-Personen vermehrt zur Zielscheibe des Hasses. Dies zeigen viele homophobe Kommentare in den sozialen Netzwerken. Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung und Hassverbrechen sind verboten. In der Realität sind LGBT-Personen immer wieder verbalen und gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt (BAMF 15.4.2019). Eine Beschränkung der Betätigungsmöglichkeiten für die politische Opposition durch den Staat und seine Organe erfolgt grundsätzlich nicht. Die Vereinigungsfreiheit wird durch die Verfassung sowie durch beide Entitätsverfassungen gewährleistet. Vereine und Stiftungen können auf Gesamtstaatsebene registriert werden. Die Versammlungsfreiheit ist nicht eingeschränkt. Die Informationsfreiheit ist insofern gewährleistet, als es insgesamt ein breit gefächertes Medienangebot gibt, so dass bei Lektüre einer Vielzahl von Medien eine umfassende Information möglich ist. Jedoch gibt es kein Medium, das unabhängig von parteipolitischer Einflussnahme ist. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird seinem Informationsauftrag nicht gerecht. Unabhängige Beobachter wie die OSZE, Human Rights Watch, der hiesige Presserat und die EU sehen kritische Journalisten neben wirtschaftlichem Druck vereinzelt Bedrohungen und Nötigung ausgesetzt (AA 16.4.2018). Grundlegende Menschen- und Bürgerrechte sind zwar durch die Verfassung gedeckt, werden jedoch weiterhin missachtet. Die Diskriminierung in weiten Teilen des öffentlichen und privaten Lebens ist weit verbreitet. Sehr problematisch ist das mehrfach vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gerügte Wahlrecht, das Minderheiten keine ausreichende Vertretung garantiert. Auch Teile der Verfassung, die stellenweise nur einen provisorischen Charakter haben, sind aus Sicht des Gerichtshofs kritisch. Trotz Verabschiedung eines Antidiskriminierungsgesetzes und sich daraus ergebender Fortschritte bei der Bekämpfung der Diskriminierung, verdeutlichen beispielsweise die allgemeine Segregation und Diskriminierung in öffentlichen Schulen dieses grundlegende Problem, das das Zusammenleben zukünftiger Generationen weiterhin erschweren wird. Defizite bestehen weiterhin bei der gerichtlichen Aufarbeitung der Kriegsverbrechen und der gesellschaftlichen Versöhnung. Bei der Umsetzung der Nationalen Strategie zur Verfolgung von Kriegsverbrechen treten weiterhin Mängel auf (BICC 12.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.4.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432989/4598_1526981108_auswaertiges-amt-berichteinstufung-von-bosnien-herzegowina-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylvfgstand-april-2018-16-04-2018.pdf, Zugriff 24.4.2019

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (15.4.2019): BN - Briefing Notes, per E-Mail - BICC - Bonn International Center for Conversion (12.2018): Informationsdienst, Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte - Länderinformationen Bosnien-Herzegowina, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/bosnien/ 2018_bosnien.pdf, Zugriff 24.4.2019

- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002240.html, Zugriff 24.4.2019

9. Todesstrafe

Das EMRK-Protokoll Nr. 6 ist in BiH am 1.11.2003 in Kraft getreten; die Todesstrafe wurde hierdurch abgeschafft, aber in der Verfassung der RS ist sie weiterhin zu finden. Beide Entitäten haben die Todesstrafe inzwischen aus ihren Strafgesetzbüchern gestrichen (AA 16.4.2018; vgl. AI 12.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.4.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432989/4598_1526981108_auswaertiges-amt-berichteinstufung-von-bosnien-herzegowina-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylvfgstand-april-2018-16-04-2018.pdf, Zugriff 24.4.2019

- AI - Amnesty International (12.4.2018): Death Sentences and Executions 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1429291/90_1523523827_act5079552018english.pdf, Zugriff 24.4.2019
10. Grundversorgung / Wirtschaft

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit (Grund-)Nahrungsmitteln, Kleidung, Heizmaterial, Strom ist landesweit sichergestellt. Insgesamt ist aber der Lebensstandard der Gesamtbevölkerung niedrig. Die Höhe der Sozialhilfe beträgt zwischen 5 und 50 Euro pro Monat. Ein Fünftel der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze und hat weniger als 150 Euro monatlich zur Verfügung. Armut gilt als einer der Gründe für die erhöhte Kindersterblichkeitsrate (zwischen 9 und 10 Kinder pro 1000 Lebendgeburten) (AA 16.4.2018). Die Gesetzgebung in BiH garantiert Sozialhilfe. Über die Empfänger und die Höhe der Unterstützungsgelder wird im Einzelfall entschieden. Die Höhe der jeweiligen Unterstützung (z.B. monatliche Geldbeträge) bzw. Qualität der Einrichtungen für Unterbringung, falls notwendig, hängt auch von den Möglichkeiten der jeweiligen administrativen Einheit (z.B. Kanton) ab. Weiters besteht die Möglichkeit, dass örtliche NGOs (kirchliche, humanitäre etc.) verschiedene Hilfeleistungen für Bedürftige zur Verfügung stellen (VB 16.4.2019). Der Verband unabhängiger Gewerkschaften von BiH (SSSBiH) gab bekannt, dass der Warenkorb im Februar 2019 2.019,80 KM (ca. 1.030 €) ausmachte, während der Durchschnittslohn in der Föderation BiH 914 KM (ca. 466 €) betrug (SSSBiH 3.2019). In der Föderation BiH betrug die Mindestpension im März 2019 359,20 KM (ca. 184,00 €), die garantierte 450,12 KM (ca. 230,00 €) und die höchste Pension 2.174,48 KM (ca. 1.111,00 €) (FZMIO-PIO 3.2019). Die Durchschnittspension in Republika Srpska (RS) im März 2019 betrug 374,45 KM (ca. 191,00 €) (Fond PIORS 3.2019). Die Arbeitslosenquote lag im Jahr 2017 bei 20,5 % und 2018 bei 18,4 %. Laut Schätzungen von Germany Trade & Invest soll sie im Jahr 2019 bei 18 % liegen (GTAI 11.2018). Laut dem bosnischen Arbeitsamt sind (Stand November 2018) 435.358 Personen in Bosnien und Herzegowina arbeitslos, 55,9 % davon sind Frauen. Die Daten zeigen, dass die Arbeitslosenrate sinkt, jedoch in schleppender Geschwindigkeit. Mehr als die Hälfte der Arbeitslosen sind Personen mit Hochschulausbildung (VB 16.4.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.4.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432989/4598_1526981108_auswaertiges-amt-berichteinstufung-von-bosnien-herzegowina-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylvfgstand-april-2018-16-04-2018.pdf, Zugriff 24.4.2019

- FZMIO-PIO (Pensionsversicherungsfonds der Föderation BiH) (3.2019): Penzije za mart (Höhe der Pensionen im März 2019), http://www.fzmiopio.ba/index.php? option=com_content&view=category&layout=blog&id=35&lang=ba, Zugriff 16.4.2019 - Fond PIORS (Pensionsversicherungsfonds der Republika Srpska) (10.4.2019): Penzije za mart (Höhe der Pensionen im März 2019), http://www.fondpiors.org/2019/04/10/%d0%bf%d0%b5%d0%bd%d0%b7%d0%b8%d1%98%d0%b0-%d0%b7%d0%b0-%d0%bc %d0%b0%d1%80%d1%82-3/, Zugriff 16.4.2019

- SSSBiH - Savez samostalnih sindikata Bosne i Hercegovine (Unabhängiger Gewerkschaftsbund BiH) (3.2019): Sindikalna potroša?ka korpa za mart 2019. godine (Warenkorb für März 2019), http://www.sssbih.com/wp-content/uploads/2019/04/Sindikalna-potrosacka-korpa_mart-2019..pdf, Zugriff 16.4.2019

- VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (16.4.2019): Auskunft des VB, per E-Mail

11. Medizinische Versorgung

Das Gesundheitswesen ist nicht in der Kompetenz des bosnischen Gesamtstaates, sondern wird auf Stufe der beiden Entitäten, respektive des Distrikts Br?ko geregelt. In der Gesetzgebung und der Verfassung ist, trotz komplexen politisch-administrativer Rahmenbedingungen, ein deutlicher Wille zu erkennen, für alle Bürger der bosnisch-kroatischen Föderation eine Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Die Organisation der medizinischen Versorgung nach Kriegsende basiert auf den Strukturen vor dem Krieg. Das Gesetz über das Gesundheitswesen sowie die Verfassung der Föderation BiH legen in allgemeiner Weise fest, dass allen Personen, Bosniaken, Serben, Kroaten als konstitutiven Völkern und allen anderen Bürgern auf dem Gebiet der Föderation die gleichen Rechte garantiert sind. Laut diesen Bestimmungen haben gemäß Artikel 12 des Gesundheitsgesetzes alle Bürger und Bevölkerungsgruppen der Föderation das gleiche Recht auf soziale Sicherung und Gesundheitsversorgung (BFA-SEM 1.2018). Eine Krankenversicherung ist garantiert für alle Personen in einem Angestelltenverhältnis, RentnerInnen/Pensionierte und ihren EhepartnerInnen, Arbeitslose und ihre Verwandten (verheiratete Paare und Kinder bis zu 15 Jahren, welche in einem Zentrum für Beschäftigung (Center for Employment) registriert sind, behinderten Personen, Landwirtschaftlichen ArbeiterInnen, Personen, die Sozialhilfe empfangen. Personen mit geistigen Einschränkungen erhalten entsprechend bestimmter Kriterien eine staatliche Krankenversicherung. Dazu müssen gewisse Voraussetzungen bestätigt werden und eine medizinische Untersuchung, durch eine staatlich-medizinische Kommission, ist notwendig. Generell haben alle Staatsangehörigen aus BiH zudem die Möglichkeit an einer freiwilligen privaten Krankenversicherung teilzunehmen. Die EmpfängerInnen einer staatlichen Krankenversicherung erhalten den Großteil der Medikamente kostenlos. Die Kosten für einige spezielle Medikamente müssen teilweise selbst übernommen werden. Die Beiträge zur Krankenversicherung in BiH sind festgelegt, aber variieren je nach Einrichtung und Kanton. Wenn keine Krankenversicherung vorliegt, ist die Eigenbeteiligung 100 %, ansonsten schwankt sie je nach Art der Behandlung. Die medizinische Versorgung im öffentlichen Gesundheitssektor ist aufgrund der Wirtschaftslage nicht vollständig kostenlos. Abhängig von der Form der medizinischen Behandlung, müssen selbst kleine Beträge einer Behandlung selbst übernommen werden (IOM 1.4.2019). Alle Bürger in Bosnien-Herzegowina haben das Recht auf Sozialversicherung (beinhaltet: Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Rentenversicherung); arbeitslose Personen werden bei ihrer Anmeldung beim Arbeitsamt versichert und können so ihr Recht wahrnehmen (VB 16.4.2019). Die folgenden Personengruppen werden gratis behandelt und sind daher auch von der Zahlung der Patientenbeteiligung (Co-Payment) befreit: Kinder bis zu 15 Jahren, Schüler zwischen 16 und 18 Jahren, Studierende bis zu 26 Jahren, Schwangere und Frauen während der Mutterschaft, Frauen, die präventiv gegen Brust- und Gebärmutterkrebs behandelt werden, Personen über 65 Jahre, Sozialhilfeempfänger, Personen, die an Tuberkulose, HIV oder anderen ansteckenden Krankheiten leiden, Transplantations-, -Dialyse- und Diabetespatienten, Patienten mit malignen Erkrankungen, Kriegsinvalide, Zivile Kriegsopfer, Menschen mit Behinderungen von über 60 % Personen mit psychischen Erkrankungen (BFA-SEM 1.2018). In der bosnisch-kroatischen Föderation und in der Republika Srpska ist die medizinische Versorgung dreistufig aufgebaut. Gemäß übereinstimmenden Aussagen verschiedenster Akteure im Gesundheitswesen der Föderation BiH wurden seit Kriegsende im Jahr 1995 im staatlichen Gesundheitswesen große Fortschritte erzielt und sind grundsätzlich in allen drei Versorgungsstufen genügend Strukturen vorhanden. Herausforderungen bestünden bis heute noch in den Bereichen Finanzierung des Gesundheitswesens, Spitalsadministration und management, der Vereinfachung administrativ-bürokratischer Abläufe sowie der Bekämpfung der teilweise bestehenden Korruption (BFA-SEM 1.2018). Es gibt Krankheiten, die auch an den drei besten Spitälern der Föderation BiH - den Universitätskliniken in Sarajevo, Tuzla und Mostar - nur eingeschränkt oder nicht behandelt werden können. Dazu zählen namentlich die Kinderonkologie, die Kinderkardiochirurgie und die Transplantationschirurgie in den Bereichen Herz und Leber. Dieselbe Feststellung gilt auch für die Universitätsklinik Banja Luka. Nierentransplantationen werden in den Transplantationszentren der Universitätskliniken Sarajevo und Tuzla vorgenommen, in der Republika Srpska im Transplantationszentrum in Banja Luka. In der Zeit von 1999 bis 2012 wurden allein in Tuzla 100 Transplantationen durchgeführt. Gemäß Aussagen verschiedenster Quellen sind Krankheitsbilder, die abteilungsübergreifende Behandlungspakete in unterschiedlichen Kliniken benötigen, weiterhin anspruchsvoll, beispielsweise nach schweren Unfällen jeglicher Art. In Westeuropa erfolgen die Behandlungen oft mittels abteilungsübergreifender Teams von Spezialisten. Bei diesen Behandlungsformen, die in BiH keine Tradition haben, fehlen die Erfahrungen in allen Bereichen, auch bei der begleitenden psychiatrischen Unterstützung (BFA-SEM 1.2018). Grundsätzlich sind in BiH alle Arbeitstätigen, Rentner und als arbeitslos gemeldeten Personen gesetzlich krankenversichert. Das Krankenversicherungsgesetz (der Föderation) deckt aber nur Rückkehrer ab, die bereits vor ihrer Ausreise krankenversichert waren. Es gibt über 300 Ambulanzen, die jeweils zwischen 2.000 und 10.000 Einwohner versorgen. Grundsätzlich existiert in jeder größeren Gemeinde (ca. 120 in BiH) ein Gesundheitshaus, das eine medizinische Versorgung für 20.000 bis 50.000 Einwohner sicherstellen soll. Rehabilitationsmaßnahmen können nur in Fojnica, Gra?anica, Tuzla, Olovo (FBiH) und in Slatina (Laktaši) und Tesli?, beide in der RS, durchgeführt werden. Die finanzielle Ausstattung des gesamten Gesundheitswesens ist unzureichend. Aufgrund fehlender Medikamente sind einige Behandlungen (HIV- und Krebserkrankungen, Hepatitis B/C, Versorgung nach Organtransplantationen und anderen schwerwiegenden operativen Eingriffen, bei frühgeburtlichen Komplikationen, etc.) nur in eingeschränktem Umfang durchführbar. Herzoperationen bei Erwachsenen können oft nur unter Anleitung ausländischer Experten, herzchirurgische Eingriffe an Kindern nur durch ausländische Gastchirurgen durchgeführt werden. Die schlechte Haushaltslage erschwert die Versorgung von Pflegefällen. Zur Behandlung psychisch Kranker und traumatisierter Personen fehlt es weitgehend an ausreichend qualifizierten Ärzten und an klinischen Psychologen und Sozialarbeitern. Therapien beschränken sich überwiegend auf Medikamentengaben. Gängige Medikamente sind auf dem örtlichen Markt erhältlich und werden, soweit Krankenversicherungsschutz besteht, bei ärztlicher Verordnung von der Krankenversicherung bezahlt. Kosten für Spezialmedikamente werden in der Regel nicht erstattet. Sie können auf dem Importweg oder privat aus dem Ausland beschafft werden (AA 16.4.2018). Regionalspitäler (Kantonalna Bolnica / Bolnica), auch als General Hospitals bezeichnet, sind zuständig für Behandlungen durch spezialisierte Ärzte und stationäre Unterbringungen auf der sekundären Stufe. In der Föderation BiH finden sich in den folgenden Städten Regionalspitäler: Sarajevo, Zenica, Tuzla, Mostar, Travnik, Biha?, Goražde, Tešanj, Konjic und Bugojno. Regionalspitäler verfügen in der Regel über die folgenden Abteilungen: Innere Medizin, Chirurgische Interventionen, Pädiatrie, Gynäkologie und Geburtshilfe, HNO-Erkrankungen, Neuropsychiatrie, Infektionserkrankungen, Dermatologie, Orthopädie und Urologie. Dialyse fällt ebenfalls in die Zuständigkeit der Regionalspitäler (BFA-SEM 1.2018). Die psychiatrische Versorgung war bis zum Kriegsausbruch im Frühjahr 1992 größtenteils spitalbasiert, respektive fand zusätzlich in psychiatrischen Kliniken mit oft mehreren Hundert Betten statt. Ein Teil dieser psychiatrischen Einrichtungen wurde während des Krieges zerstört, andere sollen geschlossen werden. Die noch bestehenden Einrichtungen, beispielsweise diejenige in Jagomir bei Sarajevo, setzt sich zum Ziel, die Bettenzahl deutlich zu vermindern. Wie in anderen jugoslawischen Teilrepubliken basierte die staatliche psychiatrische Versorgung hauptsächlich auf der Verschreibung von Antidepressiva und Beruhigungsmitteln. Vor dem oben angeführten Hintergrund wurde das Konzept der psychiatrischen Behandlung den veränderten Bedürfnissen und modernen westeuropäischen Konzepten und Behandlungsansätzen angepasst. Das heißt, die bereits während des Krieges verfolgte Neuausrichtung wurde sukzessive fortgeführt. Diese bestand darin, in mit der primären Gesundheitsversorgung verbundenen multidisziplinären Zentren für geistige Gesundheit, «Prävention, Behandlung und Rehabilitation von psychischen Erkrankungen anzubieten.» Umgesetzt wurde das landesweit in Form von so genannten «Mental Health Centers» (MHC), in der Region und in einzelnen Dokumenten teilweise auch als «Community Mental Centers» (CMHC) bezeichnet. Gemäß einem Projekt-Faktenblatt der DEZA [Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, eine Agentur für internationale Zusammenarbeit im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA)] vom Januar 2017 bestehen landesweit 72 dieser Zentren, davon 48 in der bosnisch-kroatischen Föderation. Es ist durchaus üblich, dass Patienten mit leichten psychischen Krankheitsbildern zu Hause betreut und gepflegt werden. Bei psychischen Krankheiten werden den erkrankten Personen Renten zwischen € 45 und € 100 bezahlt. Die Betreuungsleistung von Familienmitgliedern wird nicht entschädigt. In der Republika Srpska verfügt die Universitätsklinik in Banja Luka über vier Abteilungen und verschiedene Unterabteilungen und Zentren für die Behandlung psychischer Probleme, namentlich für Allgemeine Psychiatrie, für Kinder- und Jugendpsychiatrie, für neurotische und affektive Störungen sowie für Behandlungen von Suchtkrankheiten. Die verschiedenen Abteilungen bieten verschiedene Behandlungen für ein breites Spektrum von psychischen Erkrankungen an, darunter auch Psychotherapie, Gruppen- und Spieltherapien (BFA-SEM 1.2018). Gesundheitseinrichtungen aller drei Versorgungsstufen und psychiatrische Strukturen verfügen jeweils über eigene Spitalsapotheken. Diese Apotheken decken den spitalsinternen Bedarf ab, Patienten können dort aber keine Medikamente kaufen. Heute bestehen sowohl staatliche als auch reichlich private Apotheken. Auf Rezept können Medikamente der «Essential Drug List» in den staatlichen Apotheken in der Regel kostenlos bezogen. In privaten Apotheken ist heute die überwiegende Mehrheit der Medikamente vorhanden, auch modernere und teurere als die in den Essential Drug Lists enthaltenen. Private Apotheken können Medikamente im Ausland bestellen. Das Apothekennetz ist heute flächendeckend, auch in kleineren Ortschaften finden sich in der Regel mehrere, kleinere oder größere staatliche und/oder private Apotheken. In den ersten Jahren nach dem Konflikt boten eine Reihe von NGOs Behandlungen für traumatisierte Personen an, die meisten Organisationen haben diese Angebote jedoch nach einigen Jahren eingestellt, wie das UNHCR bereits im Jahr 2003 feststellte. Medica in Zenica und Amica in Tuzla bestehen bis heute und haben ihre Angebote und Dienstleistungen für Frauen, Kinder und nachgelagert auch für Familien ausgebaut (BFA-SEM 1.2018).

Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (16.4.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432989/4598_1526981108_auswaertiges-amt-berichteinstufung-von-bosnien-herzegowina-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylvfgstand-april-2018-16-04-2018.pdf, Zugriff 24.4.2019 - BFA Staatendokumentation/EJPD | SEM Schweiz (1.2018): Bosnien und Herzegowina, Bericht zur Bosnien und Herzegowina: Bericht zur medizinischen Grundversorgung, https://www.ecoi.net/en/file/local/1422887/1729_1516952331_bosn-bfa-sem-bericht-zumedizinischen-grundversorgung-2018-01.pdf, Zugriff 16.4.2019

- IOM - International Organization for Migration (2018): Länderinformationsblatt Bosnien und Herzegowina (geändert am 1.4.2019), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/9003505/18364039/ Bosnien_und_Herzegowina_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf? nodeid=20100936&vernum=-2, Zugriff 24.4.2019 - VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (16.4.2019): Auskunft des VB, per E-Mail
12. Rückkehr

Die Situation für Rückkehrer, die während des Balkankriegs aus dem Land flohen, hat sich verbessert. Ist die ursprünglich verlassene Wohnung beziehbar, ist eine Registrierung an einem anderen Ort als dem ursprünglichen Wohnort nicht möglich. Bei Zerstörung oder Besetzung der Wohnung erfolgt die Registrierung anderweitig, in der FBiH in dem Kanton, der dem Vorkriegswohnort am nächsten liegt. Wer über kein Identitätsdokument verfügt, muss ein solches beantragen. Zum Teil werden hierfür eine Reihe von Dokumenten verlangt (z.B. Wehrdienst-, Steuerbescheinigung). Die Zuständigkeit für die Koordination der Flüchtlingsrückkehr liegt beim BiH Ministerium für Menschenrechte und Flüchtlinge, das die staatliche Rückkehrkommission zur Durchführung von Wiederaufbaumaßnahmen gebildet hat. Zurückgeführte Staatsangehörige aus dem Ausland werden zur Aufnahme der Personalien von der Polizei befragt. Die Rückführungen erfolgen über den Flughafen Sarajevo oder über den Flughafen Tuzla (AA 16.4.2018). Der Ministerrat nahm den Bericht des Ministeriums für Menschenrechte und Flüchtlinge über die Umsetzung der revidierten Strategie der Durchführung des Annex 7 des Dayton Vertrages an. Von den 1.050.000 registrierten Rückkehrern sind etwa 600.000 oder 67 % als Vertriebene und etwa 450.000 oder 43 % als Flüchtlinge zu zählen. 220.000 Besitztümer wurden an ihre Vorkriegsbesitzer bzw. an die rechtmäßigen Inhaber zurückgegeben, was einer Umsetzung des Eigentumsgesetzes von 99,9 % entspricht. Weiters wurden 330.000 Häuser und Wohnungen restauriert. In den letzten zehn Jahren, seit BiH die Zuständigkeit auf diesem Gebiet übernommen hatte, wurden mehr als eine Milliarde Konvertible Mark (KM) in BiH für Rückkehrer investiert, wovon 620 Millionen in die Wiederherstellung von Häusern und beinahe 500 Millionen für ergänzende, nachhaltige Maßnahmen verwendet wurden. Laut Angaben des Ministerrates sind für die kommenden Jahre weitere 1,2 Millionen KM für dauerhafte Lösungen im Bereich Wohnungen notwendig (VB 16.4.2019). Die Schlechterstellung von Rückkehrern, die einer Minderheit angehören, durch öffentliche Stellen hat abgenommen, ist aber in einigen Regionen wie im Osten der RS und der Herzegowina noch Praxis. Dies betrifft u. a. die Versorgung mit Strom, Wasser, Gas und Telefon durch die öffentlichen Versorgungsunternehmen, Rentenversorgung, Arbeitsaufnahme, Ausgabe von Personaldokumenten sowie den Zugang zu Bildung. Bei Roma ergeben sich oft zusätzliche Probleme darin, dass sich diese bereits vor Ausreise nicht ordnungsgemäß registrieren ließen und dadurch nach Rückkehr zunächst keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben. Die Behandlung der Rückkehrer durch Dritte ist abhängig davon, ob eine Rückkehr in Minderheitengebiete (z. B. Bosniaken in die RS) oder Mehrheitsgebiete (z.B. Serben in die RS) erfolgt. Dort, wo sich die Volksgruppe, der die Rückkehrer angehören, in der Minderheit befindet, kommt es immer wieder zu Übergriffen. Während sich die Vorfälle in der FBiH meist auf verbale Angriffe und Sachbeschädigungen beschränken, kommt es auch heute noch in der RS gelegentlich zu schwereren Angriffen. Selbst Rückkehrer in Gebiete, in denen die eigene Volksgruppe die Bevölkerungsmehrheit stellt, sind zuweilen Feindseligkeiten ausgesetzt, da gegen Rückkehrer an sich Vorbehalte bestehen. In Einzelfällen werden Rückkehrer als vermeintlich vermögende und privilegierte Personen beraubt oder erpresst. Der polizeiliche Schutz für Rückkehrer vor diesen Angriffen ist unzureichend, wie generell die Polizeiarbeit im Land oft wenig effektiv ist. Racheakte für im Krieg verübtes Unrecht sind bisher nicht bekannt geworden (AA 16.4.2018). Die Regierung arbeitet mit dem Büro des UNHCR und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Schutz und Hilfe für Binnenvertriebene, Flüchtlinge, rückkehrende Flüchtlinge, Asylbewerber, Staatenlose und andere gefährdete Personen zu gewähren (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.4.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432989/4598_1526981108_auswaertiges-amt-berichteinstufung-von-bosnien-herzegowina-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylvfgstand-april-2018-16-04-2018.pdf, Zugriff 24.4.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004276.html, Zugriff 24.4.2019 - VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (16.4.2019): Auskunft des VB, per E-Mail

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten geführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.2.1 Die gegenständliche Antragstellung auf internationalen Schutz im Stande der Schubhaft ergibt sich aus dem unbestrittenen und schlüssigen Akteninhalt

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF beruht auf einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich und folgen die Feststellungen zur rechtskräftig erlassenen Rückkehrentscheidung samt Einreisverbotes auf dem oben zitierten Bescheid des BFA (siehe AS 141)

Das Nichtnachgehen einer legalen Erwerbstätigkeit durch den BF konnte aufgrund eines Sozialversicherungsauszuges ermittelt werden.

Das keine Anhaltspunkte festgestellt werden konnten, die eine Integration des BF in Österreich nahelegen könnte, beruht auf dem Nichtvorbringen eines diesbezüglichen Sachverhaltes seitens des BF.

Die sonstigen oben getroffenen Feststellungen beruhen allesamt auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, jenen in der gegenständlichen Beschwerde nicht – substantiiert – entgegengetreten wurden.

2.2.2. Das Vorbringen des BF zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates und dessen Situation im Fall der Rückkehr in diesen, beruht auf den Angaben desselben bei dessen Erstbefragung, in den Einvernahmen vor der belangten Behörde sowie auf den Ausführungen in der gegenständlichen Beschwerde. Ferner wurden die Angaben des BF in dessen vorangegangenen Aufenthaltsbeendigungsverfahren zur Beurteilung des Sachverhaltes ebenfalls herangezogen.

Wie sich aus den bisher gebotenen Möglichkeiten zu Stellungnahme in der Erstbefragung und den niederschriftlichen Einvernahmen vor dem BFA ergibt, hatte der BF ausreichend Zeit und Gelegenheit seine Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel vorzulegen. Im Übrigen wurde dieser von der belangten Behörde auch zur umfassenden und detaillierten Angabe von Fluchtgründen und zur Vorlage von allfälligen Beweismitteln aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt.

Der BF brachte im Asylverfahren als aktuellen Fluchtgrund vor, im November oder Dezember des Jahres 2018 einen Kredit in Höhe EUR 10.000,- von Privatpersonen, welcher der Mafia zuzuordnen seien, aufgenommen zu haben. Da die Kreditgeber jedoch völlig unerwartet eine Rückzahlung des doppelten Betrages forderten und den BF 3 bis 4-mal telefonisch für den Fall, dass der BF das Geld nicht zurückzuzahle drohten, sei der BF 5 bis 10 Tage nach der Kreditnahme aus seinem Herkunftsstaat Richtung Österreich geflohen. In Österreich habe er das Geld für Miete, Kaution und Lebensmittel ausgeben. Im Falle seiner Rückkehr drohe ihm seine Ermordung durch die besagten Kreditgeber. An herkunftsstaatliche Behörde habe er sich nicht gewandt und drohe ihm darüber hinaus keinerlei Gefahr.

Das erkennende Gericht schließt sich im Ergebnis der Einschätzung der belangten Behörde an und erachtet das Vorbringen des BF aus folgenden Gründen als nicht glaubwürdig.

Das nunmehrige Vorbringen des BF wirft neben einer Vielzahl an Widersprüchlichkeiten in Bezugnahme auf die Angaben des BF in seinem Rückkehrentscheidungsverfahren, auch einige Ungereimtheiten auf. So hat der BF in seinem Rückkehrentscheidungsverfahren nicht nur eine Bedrohung im Herkunftsstaat mit keinem Wort erwähnt, sondern vielmehr das Bestehen einer solchen explizit verneint. Ferner brachte der BF wiederholt vor, freiwillig nach BuH zurückkehren zu wollen, und seine Heimreise schon geplant zu haben. Hinsichtlich seines Einreisezweckes vermeinte der BF seinerzeit, zur Arbeit

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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