RS Vfgh 2020/6/8 E4519/2019

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Veröffentlicht am 08.06.2020
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §3, §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz betreffend einen Staatsangehörigen des Irans; mangelnde Nachvollziehbarkeit der Beweiswürdigung zur Scheinkonversion und Abgehen vom Akteninhalt zur Verfolgung von Religionszugehörigen der Bahá'í

Rechtssatz

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) weist den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz deswegen ab, weil es sich beim Übertritt des Beschwerdeführers zur Glaubensgemeinschaft der Bahá'í um eine Scheinkonversion handle. In seiner, diese Annahme begründenden Beweiswürdigung stützt sich das BVwG entscheidend darauf, dass ein in seiner Eigenschaft als "Tutor" des Beschwerdeführers geladener Zeuge eine Scheinkonversion nicht habe ausschließen können. Das BVwG führt aus, dass es der "plausible[n] Ansicht" des Zeugen, der nach eigenen Angaben früher Mitglied des Nationalen Geistigen Rates der Bahá'í in Österreich und damit für die Aufnahme neuer Mitglieder in die Bahá'í-Gemeinde in Österreich verantwortlich gewesen sei, dahingehend folge, "dass eine Scheinkonversion nicht einfach ausgeschlossen werden" könne, womit von einer Scheinkonversion auszugehen sei.

Für den VfGH ist nicht nachvollziehbar, warum die Ausführungen des Zeugen die Annahme einer Scheinkonversion des Beschwerdeführers nahelegen sollen, bekräftigen sie doch bloß aus der Sicht des Zeugen den Umstand, dass eine Aufnahme in die Glaubensgemeinschaft der Bahá'í nur nach sorgfältiger Prüfung der Ernsthaftigkeit der Glaubensentscheidung erfolgen würde.

Weiters stellt das BVwG im Zusammenhang mit einer möglichen Verfolgung der Bahá'í im Iran darauf ab, ob sich ein Mitglied dieser Glaubensgemeinschaft in einer exponierten Lage befindet, was es im Hinblick auf den Beschwerdeführer deswegen verneint, weil der Besuch der Gemeinde der Bahá'í nicht zu einem auffälligen Verhalten führe. Damit lässt das BVwG aber die in seiner Entscheidung wiedergegebenen Länderfeststellungen außer Betracht, in denen ausgeführt wird, dass die "etwa 300.000 Anhänger [...] systematisch verfolgt [werden], weil sie Propheten nach Mohammed akzeptieren und damit als abtrünnige Muslime gelten"; weiters, dass die Bahá'í "als religiöse Minderheit den schwierigsten Stand in der Gesellschaft" haben und diese "wegen des Bestehens ihrer Zentrale in Haifa/Israel von offizieller iranischer Seite besonders misstrauisch beobachtet und oft als israelische Spione angesehen werden". Zudem gebe es "häufig Berichte über Verhaftungen von Baha'is" und ist von "systematischen Angriffe[n] auf die Glaubensgemeinschaft der Baha'i" sowie von "willkürliche[n] Festnahmen, lange[n] Haftzeiten, Folter und andere[n] Misshandlungen" die Rede.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Religionsfreiheit, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E4519.2019

Zuletzt aktualisiert am

21.09.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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