TE Vwgh Beschluss 2020/8/24 Ra 2020/03/0066

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Veröffentlicht am 24.08.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §25a Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §34 Abs1a
VwGG §63 Abs1
VwGVG 2014 §28 Abs3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Ö AG in W, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Oktober 2019, Zl. W110 2162055-1/57E, betreffend eine Angelegenheit nach dem Eisenbahngesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Schienen-Control Kommission; mitbeteiligte Partei: W GmbH in W, vertreten durch B&S Böhmdorfer Schender Rechtsanwälte GmbH in 1040 Wien, Gußhausstraße 6), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 27. März 2017 stellte die Schienen-Control Kommission (SCK) das gemäß § 74 Eisenbahngesetz (EisbG) von Amts wegen eingeleitete wettbewerbsaufsichtsbehördliche Verfahren zum Infrastruktur-Benützungsentgelt der revisionswerbenden Partei ein (Spruchpunkt 1.) und wies die Anträge der mitbeteiligten Partei betreffend die Entgeltbestimmungen in den Produktkatalogen der revisionswerbenden Partei der Jahre 2011 bis 2017 ab bzw. jene Anträge betreffend die Entgeltbestimmungen in den Produktkatalogen der revisionswerbenden Partei der Jahre 2009 und 2010 zurück (Spruchpunkte 2. bis 4.).

2        Die dagegen erhobene Beschwerde der mitbeteiligten Partei wies das Bundesverwaltungsgericht (VwG) mit Erkenntnis vom 10. Dezember 2018 als unbegründet ab. Zentraler Streitpunkt des Verfahrens war die Frage, welche Kosten die revisionswerbende Partei bei der Ermittlung der Wegeentgelte für den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur ansetzen durfte, insbesondere, was unter den Kosten im Sinne des § 67 Abs. 1 EisbG zu verstehen ist, die „unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen“. Da zu dieser Rechtsfrage noch keine ausreichende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorlag, erklärte das VwG die Revision für zulässig.

3        Mit Erkenntnis vom 11. Juli 2019, Ro 2019/03/0015, hob der Verwaltungsgerichtshof das angefochtene Erkenntnis des VwG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.

4        In der Begründung seiner Entscheidung bezog sich der Verwaltungsgerichtshof zusammengefasst darauf, dass § 67 EisbG die Bestimmung des Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2012/34/EU umsetze, weshalb das Unionsrecht auch für die Auslegung des nationalen Rechts maßgeblich sei. Unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des EuGH führte der Verwaltungsgerichtshof wörtlich u.a. aus (Rn. 25 bis 35):

„25 ... Aus dem Gesagten lässt sich ableiten, dass der EuGH davon ausgeht, dass unter den Begriff der unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallenden Kosten nur jene Kosten zu subsumieren sind, die in Abhängigkeit von der Zugbewegung variieren. Fixkosten, also Kosten, welche der Betreiber auch dann tragen muss, wenn keine Zugbewegung stattfindet, fallen nicht unter diesen Begriff. Ferner sind Kostenpositionen, die zum Teil Fixkosten und variable Kosten umfassen, nur im Umfang der variablen Kosten miteinzubeziehen.

...

27 Nach den Ausführungen zur Rechtsprechung des EuGH sind etwaige in den Kostenpositionen enthaltene Kosten, welche nicht in Abhängigkeit der Zugbewegung variieren, bei der Berechnung der Wegeentgelte nicht zu berücksichtigen. Auf Basis der (oben wiedergegebenen) Feststellungen des VwG bzw. der belangten Behörde lässt sich jedoch nicht erkennen und beurteilen, ob die dargelegten Grundsätze hinsichtlich der Auslegung des Begriffs der unmittelbar aufgrund des Zugbetriebes anfallenden Kosten berücksichtigt wurden, und dementsprechend nur jene Kosten bei der Ermittlung des Wegeentgelts einbezogen wurden, die in Abhängigkeit von der Zugbewegung variieren, sodass keine nachprüfende Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes in diese Richtung möglich ist. Weder die belangte Behörde noch das VwG haben dargelegt, was unter ‚konnexen Fixkosten‘ zu verstehen sei, welche Kostenpositionen ‚konnexe Fixkosten‘ aufweisen und inwiefern bzw. inwieweit diese Kosten je nach Zugverkehr bzw. Zugbewegung variieren und damit (teilweise) als unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallend zu beurteilen sind. Diesbezüglich ist auf Basis der Feststellungen des VwG nicht nachvollziehbar, ob sämtliche in den einzelnen Kostenpositionen enthaltene Kosten im Sinne der Rechtsprechung des EuGH in Abhängigkeit von der Zugbewegung variieren oder ob teilweise auch Fixkosten, also Kosten die der Betreiber auch dann tragen muss, wenn keine Zugbewegungen stattfänden, miteinbezogen wurden.

28 Mangels ausreichender Feststellungen dahingehend, ob die einzelnen Kostenpositionen nur jene Kosten umfassen, die in Abhängigkeit des Zugverkehrs variieren, sowie mangels ausreichender Darlegung, weshalb bestimmte Kosten aufgrund des Zugverkehrs variabel sind, hat das VwG das angefochtene Erkenntnis schon deshalb mit Rechtswidrigkeit belastet.

...

33 Im vorliegenden Fall hat die belangte SCK ihren Feststellungen die von der [revisionswerbenden] Partei in ihren Stellungnahmen vom 9. September 2016 und 8. Februar 2017 übermittelten Kostendaten zu Grunde gelegt. Hinsichtlich der Feststellung zu den von der [revisionswerbenden] Partei bei der Ermittlung der Entgelte zu Grunde gelegten Kosten, den Entgeltkomponenten Zugkilometer und Bruttotonnenkilometer, zu Indexierung und zur Ermittlung der Planwerte durch die [revisionswerbende] Partei hielt die belangte Behörde lediglich fest, dass sich die diesbezüglichen Feststellungen auf das Vorbringen der [revisionswerbenden] Partei, insbesondere auf vier näher datierte Stellungnahmen der [revisionswerbenden] Partei, stützen ...

...

35 Entgegen der Ansicht des VwG ist dem Bescheid der belangten Behörde eine solche umfassende Überprüfung und Analyse der Daten jedoch nicht zu entnehmen. Die belangte Behörde beschreibt lediglich die Ermittlung der bescheidgegenständlichen Entgelte unter Heranziehung der festgestellten Kostenpositionen unter Zugrundelegung der von der [revisionswerbenden] Partei übermittelten Plan- und Ist-Kosten und überprüft in weiterer Folge die Richtigkeit der Berechnung der Entgelte (vgl. S. 43 ff sowie 141 ff des Bescheides). Erwägungen, welche ausreichend erkennen lassen, dass die dieser Berechnung zu Grunde gelegten Zahlen selbst richtig seien, lassen sich dem Bescheid der SCK - entgegen dem VwG - nicht entnehmen. Die vom VwG getroffenen Feststellungen betreffend die Kosten sind daher einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht zugänglich, zumal nicht ersichtlich ist, auf Grund welcher fachkundigen Überlegungen und Erwägungen die belangte Behörde bzw. das VwG die festgestellte Kostenbasis, also die von der [revisionswerbende] Partei zu Verfügung gestellten Zahlendaten der einzelnen Kostenpositionen, als schlüssig im Sinne der oben dargelegten Rechtsprechung angenommen hat. Auch der von der belangten Behörde angestellte Vergleich der Daten der [revisionswerbende] Partei mit Daten von Vorjahren vermag die Richtigkeit und Vollständigkeit der hier maßgeblichen Kostenbasis nicht zu begründen.“

5        Mit dem angefochtenen Beschluss hob das VwG den Bescheid der SCK vom 27. März 2017 in Erledigung der Beschwerde der mitbeteiligten Partei auf und verwies die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die SCK zurück. Die Revision erklärte das VwG für nicht zulässig.

6        Begründend führte das VwG aus, entsprechend den Vorgaben im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juli 2019 seien im fortgesetzten Verfahren sämtliche Kostenpositionen, die bei Ermittlung der Entgeltsätze für die Netzfahrplanperioden 2011-2017 berücksichtigt worden seien, danach zu bewerten, ob sie in Abhängigkeit von der Zugbewegung variieren würden. Bei Kostenpositionen, die zum Teil aus fixen Kosten und zum Teil aus variablen Kosten bestünden, müssten die Fixkostenanteile ausgeschieden werden. Sie seien nur im Umfang der variablen Kosten miteinzubeziehen. Darüber hinaus sei auch die Richtigkeit und Vollständigkeit der von der revisionswerbenden Partei übermittelten Kostendaten zu überprüfen. Beide Themenkomplexe bedürften einer mit besonderer Fachkenntnis durchgeführten sachverständigen Beurteilung. Der Umfang der gutachterlichen Tätigkeit und die Erörterung der Ergebnisse überschreite das Ausmaß, das im Allgemeinen mit einer bloßen Ergänzung bereits durchgeführter Ermittlungen der Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht verbunden sei. Aus diesem Grund und aus weiteren - näher erläuterten - Umständen sei zu folgern, dass die Voraussetzungen für die Aufhebung des Bescheides der SCK gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Fall VwGVG gegeben seien. Die Revision sei nicht zuzulassen, weil es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspreche, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG insbesondere dann in Betracht komme, wenn die Verwaltungsbehörde - wie hier - bloß ansatzweise ermittelt habe.

7        Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit im Wesentlichen geltend gemacht wird, das VwG mache der Verwaltungsbehörde mit seinem Aufhebungsbeschluss rechtlich bindende Vorgaben. Das VwG habe im angefochtenen Beschluss festgehalten, welche Ermittlungen im fortgesetzten Verfahren durchzuführen seien. Bereits damit werde eine für die revisionswerbende Partei dahingehend nachteilige Rechtsansicht vertreten, da nicht erst das VwG, sondern bereits der Verwaltungsgerichtshof unmissverständlich klargestellt habe, welche Mängel zu beheben seien. Dies sei schon daher eine nachteilige, jedoch für das weitere Verfahren bindende unrichtige Rechtsansicht des VwG, weil im fortgesetzten Verfahren nunmehr nicht mehr allein auf die verbindlichen Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofes abzustellen sei. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass das VwG gemäß § 63 Abs. 1 VwGGverpflichtet sei, den der Rechtanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Zur Auslegung dieser Vorschrift, insbesondere im Lichte der Bindungswirkung von Aufhebungs- und Zurückverweisungsentscheidungen, sei keine einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ersichtlich. Daher fehle Rechtsprechung zur Lösung dieser grundsätzlich bedeutsamenFrage.

8        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

9        Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in § 28 VwGVG ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat (vgl. dazu grundlegend VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, und aus der Folgejudikatur etwa VwGH 25.2.2020, Ra 2020/03/0003).

10       Die Zulassungsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision legen mit Blick auf die konkreten Ausführungen des VwG, weshalb in Anwendung der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung die Voraussetzungen für die Aufhebung des Bescheides der SCK gemäß
§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG fallbezogen vorlägen, eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dar.

11       Entgegen der von der revisionswerbenden Partei vertretenen Auffassung steht das Vorgehen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG nicht im Gegensatz zu der Bindungswirkung eines vorher ergangenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes nach § 63 Abs. 1 VwGG (vgl. VwGH 26.2.2015, Ra 2015/07/0003, mwN).

12       Das VwG hat der SCK auch keine rechtlichen Vorgaben gemacht, die mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juli 2019, Ro 2019/03/0015, in Widerspruch stünden. Die Revision behauptet zwar Gegenteiliges, zeigt eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber nicht konkret auf.

13       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 24. August 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020030066.L00

Im RIS seit

23.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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