TE Dok 2020/7/22 42144-DK-2020

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Veröffentlicht am 22.07.2020
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Norm

BDG 1979 §44 Abs1

Schlagworte

ungerechtfertigte Einsichtnahme in PAD Akt

Text

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres hat in der durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

N.N. ist schuldig,

er hat in seiner Dienststelle in der PI einen PAD Akt ohne dienstlichen Grund und ohne Berechtigung geöffnet und Einsicht genommen,

er hat dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 44 Abs. 1 BDG i.V.m. der Dienstanweisung vom 18.06.2018 „Datenschutz – Datenschutzerlass 2018 - Durchführungsbestimmungen“, GZ: PAD/18/1068913/2/AA i.V.m der Dienstanweisung vom 15.01.2013 „Kanzlei- und Protokollwesen; PAD“, GZ: P4/303048/3/2012 und i.V.m der Dienstanweisung vom 21.05.2013 „Anfragen – EKIS, IAP und sonstige zentrale Evidenzen“,

GZ: P4/88155/2/2013 i.V.m. § 91 BDG 1979 i.d.g.F. begangen.

Über den Beschuldigten wird gemäß § 92 Abs. 1 Zi 2 BDG eine Geldbuße in der Höhe von € 400,- (in Worten: vierhundert) verhängt.

Dem Beschuldigten erwachsen keine Kosten aus dem Verfahren gemäß § 117 BDG.

BEGRÜNDUNG

Der Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinarverfügung der Dienstbehörde sowie den Erhebungen der LPD.

Sachverhalt:

Durch das LKA wurden seit geraumer Zeit gegen eine serbische Tätergruppe Erhebungen geführt, die Suchtmittel in Verkehr bringen. Im Rahmen der Telefonüberwachung wurde ein Gespräch von Verdächtigen mitgehört. In diesem Gespräch informiert A. den N. darüber, dass SIE alles wissen. Aus dem Gesprächsverlauf entstand der Eindruck, dass A. über die Ermittlungen gegen N. informiert wurde.

Eine Nachschau in der Historie ergab, dass der Beschuldigte in den gegenständlichen PAD Akt Einsicht genommen hat, obwohl er dazu nicht berechtigt war.

Seitens des RBE wurden die Ermittlungen übernommen und der Beschuldigte zu einer schriftlichen Stellungnahme aufgefordert.

In dieser Stellungnahme rechtfertigte sich der Beamte dahingehend, dass er als E2a/Sachbearbeiter einen Akt zur weiteren Bearbeitung an das LKA versenden musste. Da ihm die genaue Schreibweise der Versandadresse des LKA nicht bekannt war, dies jedoch für den Versand wichtig war und er nach mehrmaligen Versuchen in unterschiedlichen Schreibweisen zu keinem Erfolg kamen, erfolgte die Überlegung, dies aus einem bereits bei einem LKA befindlichen Akt einzusehen. Hierfür wurde von ihm in der PAD Suche das Schlagwort „Suchtmittelgesetz §27/1“ eingegeben. Aus den erzielten Treffern habe er willkürlich einen Akt ausgewählt und die gesuchte Schreibweise erkannt.

An der Anzeige nach dem Suchtmittelgesetz hätten er keinerlei privates Interesse gehabt.

Die Staatsanwaltschaft hat von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gem. §35c StAG mit der Begründung abgesehen, dass kein Anfangsverdacht besteht.

Seitens der LPD wurde gegen den Beschuldigten die Disziplinarverfügung der Geldbuße in der Höhe von € 300,- erlassen, wogegen der Beschuldigte fristgerecht einen Einspruch eingebracht hat, sodass nunmehr durch die Disziplinarkommission beim BM.I, das ordentliche Verfahren eingeleitet wird.

Die Disziplinarkommission hat dazu erwogen:

§ 44 (1) BDG: Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und deren Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt, zu befolgen.

Dienstanweisung „Anfragen – EKIS und andere automationsunterstützt geführte zentrale Evidenzen, P4/88155/2/2013 vom 21.05.2013:

Pkt. V -Aufgaben und Verantwortung des Anfragenden: demnach dürfen Anfragen nur gestellt werden, wenn diese zu Erfüllung der jeweiligen Aufgabe rechtlich erlaubt, sachlich erforderlich und vom Umfang her notwendig sind.

Dienstanweisung „Kanzlei- und Protokollwesen, PAD“, P4/303048/3/2012 vom 15.01.2013:

Pkt. III.9.3. - anlassloses Priorieren ist bzw. Anfragen sind, die mit dem konkreten Anlassfall in keinem Konnex stehen, zu unterlassen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Nachschau in PAD-Akten, zu denen entgegen dem Auftragsprinzip kein Auftrag besteht, nicht gestattet ist.

Dienstanweisung „Datenschutzgesetz 2000, Durchführungsbestimmungen“ in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung, GZ: P4/87430/2/2013 vom 26.03.2013

Pkt. 10.1.1.- Wahrung des Datengeheimnisses: es ist allen Bediensteten, denen Daten auf Grund ihrer berufsmäßigen Beschäftigung oder Funktion bei den Auftraggebern oder Dienstleistern des Innenressorts anvertraut werden oder zugänglich sind, unbeschadet sonstiger Verschwiegenheitspflichten untersagt,

1.   sich Daten unbefugt zu beschaffen,

2.   Daten zu einem anderen Zweck als für die Besorgung der jeweils übertragenen dienstlichen Aufgaben zu verwenden,

3.   unbefugten Personen oder unzuständigen Stellen Daten mitzuteilen oder zugänglich zu machen.

Der Vorwurf lautet dahingehend, dass der Beschuldigte widerrechtlich einen PAD-Akt geöffnet und ohne behördlichen Auftrag in diesen PAD-Akt Einsicht genommen hat.

Das Beweisverfahren unter Berücksichtigung der oben genannten Dienstanweisungen hat ergeben, dass der Beamte seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und ergeben sich daraus auch nachstehende Feststellungen.

Gemäß § 95 Abs. 2 BDG ist die Disziplinarkommission nur an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung gebunden. In allen anderen Fällen – so auch bei Einstellungen der Verfahren bzw. Absehen von der Einleitung weil kein Anfangsverdacht für die StA bestand, hat der Senat den Sachverhalt eigenständig zu beurteilen.

Grundsätzlich wird seitens des Senates zum PAD folgendes festgehalten:

Beim PAD handelt es sich um ein polizeiinternes Protokollierungssystem, in welchem sämtliche Aktenvorgänge der Polizei erfasst werden. Die Verwendung des PAD zur Durchführung von Protokollierungen oder zur Einsichtnahme in bereits gespeicherte Akten/Geschäftsfälle (Datenabfragen) ist ausschließlich im Rahmen einer dienstlichen Aufgabenerfüllung zulässig. Zugang in das PAD ist nur über die BAKS-Terminals in den jeweiligen Dienststellen möglich. Zum Einstieg ist eine eigene Benutzerkennung, sowie ein individuelles Passwort nötig; jede Abfrage wird inhaltlich und zeitlich protokolliert und ist dem jeweiligen Benutzer zuordenbar. Über eine Lesehistorie ist jederzeit überprüfbar, wer welche Anfragen getätigt hat, so wurde die Lesehistorie des betroffenen PAD-Aktes überprüft und konnte der Beschuldigte eruiert werden. Beim Beschuldigten konnte keine dienstliche Aufgabenerfüllung erkannt werden.

Der Beamte führte an, dass er einen PAD-Akt an das LKA zu versenden hatte. Er hatte bereits mehrfach die Adresse des LKA falsch eingegeben und hat in weiterer Folge versucht, die richtige Adresse durch Eingabe des Suchbegriffes Suchtmittelgesetz § 27/1 zu eruieren. Willkürlich habe er einen PAD-Akt geöffnet und die Adresse für seinen Versand eruieren können.

Über Befragen, weshalb er einen Akt vom LKA öffnete, wo er doch den Versand an das LKA vor hatte, erwiderte der Beschuldigte, dass er lediglich einen LKA Akt gesucht hätte und nunmehr wisse, dass bei dieser Adresse das Wort „Wien“ auch ausgeschrieben werden muss und nicht wie bei anderen Dienststellen nur mit „W“ abgekürzt wird.

Natürlich hätte er auch den Journaldienst vom LKA anrufen können, nur dachte er, die Nachschau im PAD wäre weniger zeitaufwendig.

Dienstpflichtverletzung nach § 44 Abs. 1 BDG i.V.m der Dienstanweisung Datenschutz und PAD:

Gemäß § 44 Abs. 1 BDG hat der Beamte die Weisungen seiner Vorgesetzten zu befolgen. Das bedeutet, dass er sowohl die vom Bundesministerium für Inneres verlautbarten Erlässe, sowie auch die schriftlichen Befehle der zuständigen Landespolizeidirektion und schriftliche oder mündliche Befehle/Dienstaufträge seiner Vorgesetzten zu befolgen hat. Gerade die Befolgung von Weisungen ist in einer Sicherheitsbehörde Voraussetzung dafür, eine dem gesetzlichen Auftrag entsprechende Erfüllung der sicherheits- und kriminalpolizeilichen Aufgaben zu garantieren. Wie auch die Disziplinaroberkommission (bis 13.12.2013) wiederholt entschieden hat, zählen Verletzungen der Dienstpflicht nach § 44 Abs. 1 BDG zu den schwerwiegenden Verfehlungen gegen die grundlegendsten Pflichten im Rahmen eines jeden Beamtendienstverhältnisses und ist die Befolgung von dienstlichen Anordnungen für den ordnungsgemäßen sowie effizienten Ablauf des Dienstes von essentieller Bedeutung (57/8-DOK/08 vom 11.11.2008).

Der Beschuldigte hat gegen die oben genannten Dienstanweisungen der Landespolizeidirektion verstoßen.

Der Beschuldigte verrichtete zum damaligen Zeitpunkt Dienst in der PI. Zu seinen unmittelbaren Aufgaben gehört damit nicht nur der Vollzug des Verwaltungsstrafrechts und des Strafrechts, sondern auch der maßgeblichen datenschutzrechtlichen Bestimmungen. In der öffentlichen Wahrnehmung sind die Polizeibehörden besonderer Beobachtung und Kritik ausgesetzt. Gerade ihrem ordnungs- und gesetzmäßigen Vollzug kommt daher besondere Bedeutung zu. Dazu gehört auch, dass die Beamten die ihnen zur Verfügung gestellten Berechtigungen (EKIS- und PAD-Abfrageberechtigung) nur für dienstliche Zwecke verwenden und die Bestimmungen des DSG, sowie die internen Vorschriften über die Durchführung solcher Abfragen einhalten.

Durch das Verhalten des Beschuldigen entsteht in der Öffentlichkeit der Eindruck, Polizeibeamte würden ihnen dienstlich eingeräumte Befugnisse, wie dem Zugriff auf grundsätzlich sensible polizeiliche Datenbanken gedankenlos missbrauchen. Gerade der Datenschutz ist im Zusammenhang mit dem, dem Bundesministerium für Inneres, eingeräumten besonderen Befugnissen im Brennpunkt ständiger öffentlicher und politischer Diskussionen. Die Beamten des Innenressorts haben daher besonders darauf zu achten, alles zu vermeiden, was den Eindruck einer missbräuchlichen Ausübung von Befugnissen erwecken könnte.

Seitens der Verteidigung wurde vorgebracht, dass die PAD Vorschriften diesbezüglich nicht eindeutig sind und legte dieser einen Erlass des BMI vor, wonach die Einsichtnahme und Nachschau einer TelNr. zulässig wäre. Wenn also die Nachschau einer Tel.Nr zulässig ist, müsse dies auch für die Nachschau einer Emailadresse gelten.

Diesbezüglich wird seitens des Senates folgendes erwidert:

Vorliegender Erlass bezieht sich auf die Nachschau in einem PAD-Akt bei laufenden Amtshandlungen, wobei der Beamte, der in den Akt Einsicht nimmt wegen dieser Anfrage nicht unbedingt Sachbearbeiter sein muss, aber die dienstliche Notwendigkeit behördlich nachvollziehbar dokumentiert. Die gelb unterlegte Passage bezieht sich ausschließlich auf laufende Amtshandlungen und nicht auf administrative Tätigkeit, wie sie der Beschuldigte durchführte.

Diesem wird jedoch nach der heutigen mündlichen Verhandlung zu gute gehalten, dass er zu diesem Zeitpunkt erst einige Monate in der Vorgesetztenfunktion tätig war und ihm die Routine beim Versenden von derartigen Akten fehlte.

 

Strafbemessungsgründe gemäß § 93 BDG:

Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Disziplinarbeschuldigten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistung. Der erkennende Senat hat sich nach der jüngsten Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild des Disziplinarbeschuldigten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaße eine Bestrafung notwendig ist. Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen, oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten3, 78 ff und ihr folgend das Erkenntnis des verstärkten Senates des VwGH vom 14.11.2007, 2005/09/0115).

Maßstab für die Strafbemessung ist vor allem das Verschulden des Disziplinarbeschuldigten in der konkreten Situation und dieses verlangt aus spezialpräventiven Gründen eine Sanktion. Als Strafrahmen sah der Senat deshalb eine Geldbuße im untersten Bereich als ausreichend an. Aus generalpräventiven Gründen muss angesichts der Tatsache, dass wieder einmal in PAD-Akten Einsicht genommen wurde, den Kollegen vor Augen geführt werden, dass das willkürliche PAD-Surfen und damit das Nichteinhalten von derart wichtigen Vorschriften sanktioniert wird.

Im konkreten Fall waren jedoch die disziplinäre Unbescholtenheit, die sehr gute Dienstbeschreibung sowie 4 Belobigungen und die mangelnde Routine als mildernd zu werten.

Erschwerend wirkte, dass der Beamte als Dienstführender Vorbildwirkung hat.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2021
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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