TE Vwgh Erkenntnis 1997/12/2 94/05/0354

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Veröffentlicht am 02.12.1997
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;

Norm

BauO Wr §101 Abs1 idF 1976/018;
BauO Wr §101 Abs3 idF 1976/018;
BauO Wr §104 idF 1976/018;
BauO Wr §134 Abs3 idF 1987/028;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §6 Abs6;
BauO Wr §6 Abs8 idF 1976/018;
BauO Wr §6 Abs8;
BauO Wr §6 Abs9 idF 1976/018;
BauO Wr §6 Abs9;
BauO Wr §70 Abs2;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Dipl. Ing. Alexander Meryn in Wien, vertreten durch Dr. Gerald Vasak, Rechtsanwalt in Wien I, Bräunerstraße 10/5, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 6. Oktober 1994, Zl. MD-VfR-B X-9/93, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Walter Kalousek in Wien X, Siccardsburggasse 65), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der mitbeteiligte Bauwerber betreibt auf den Grundstücken Wien X, Siccardsburggasse 65 und 67 eine Bauspenglerei. Mit Ansuchen vom 6. August 1992 begehrte er die Erteilung einer Baubewilligung für "Umbauarbeiten" am Baugrundstück Siccardsburggasse 67. Der Bauplatz weist die Widmung "gemischtes Baugebiet-Betriebsbaugebiet", Bauklasse III, geschlossen (die Unterbrechung der geschlossenen Bauweise ist zulässig) auf. Der Beschwerdeführer ist mit seinem Grundstück Siccardsburggasse 69 seitlicher Nachbar. Anläßlich der Bauverhandlung vom 13. Oktober 1992 wurde die geplante Bauführung wie folgt beschrieben: Unter Einhaltung der gültigen Bebauungsbestimmungen soll im Hof nach Abtragen eines Flugdaches sowie eines ebenerdigen Gebäudeteiles ein ebenerdiger Zubau in Massivbauweise samt Flachdachkonstruktion errichtet werden. Belichtung und Belüftung des geschaffenen Arbeitsraumes erfolgen über zwei Lichthöfe bzw. das Lichtband in der Decke. Der bestehende ebenerdige Hoftrakt werde aufgestockt und ebenfalls mit einem Flachdach versehen.

In dieser Verhandlung wendeten der Beschwerdeführer und der Vertreter eines anderen Miteigentümers seiner Liegenschaft u.a. ein, daß der Brandschutz durch die Situierung der Lichtkuppeln für ihre Liegenschaft nicht gegeben sei. Gegen die zu erwartenden Emissionen durch zusätzlichen Heizungsbedarf werde ebenfalls Einspruch erhoben. Das gleiche gelte für eine zusätzliche Lärmbelastung. Der Wärme- und Schallschutz sei nicht gegeben.

Mit Bescheid vom 18. März 1993 erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, die begehrte Genehmigung unter Auflagen. Die Einwendungen wurden teils ab-, teils zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer einen "Einspruch", in welchem er rügte, daß die Einwendungen ohne Angabe von Gründen zurückgewiesen worden seien. Weitere Einwendungen behielt er sich in der Berufung vor.

Die belangte Behörde führte umfangreiche Erhebungen hinsichtlich der vom Vorhaben zu erwartenden Emissionen durch. Zuletzt führte die Magistratsabteilung 22-Umweltschutz in ihrer Stellungnahme vom 8. August 1994 u.a. folgendes aus:

"Beim ggst. Bauvorhaben handelt es sich um eine Bauspenglerei. Erfahrungsgemäß kann davon ausgegangen werden, daß für metallverarbeitende Betriebe von der Gewerbebehörde das Geschlossenhalten von Fenstern und Lichtkuppeln während der Arbeiten bedungen wird. Weiters wird festgestellt, daß eine Bauspenglerei aufgrund der durchgeführten Tätigkeiten zu der leisesten Type metallverarbeitender Betriebe zählt. Dies ist dadurch zu begründen, da üblicherweise weder Schleif- noch Richtarbeiten durchgeführt werden, sondern die Tätigkeit überwiegend aus Blechzuschnitt und Biegearbeiten besteht, wobei Montage- und damit allfällige Ausrichtvorgänge sowie Bördel- und ähnliche Vorgänge, welche nicht maschinell erfolgen, erst auf den Baustellen bei der Montage vorgenommen werden. Es kann somit im ggst. Fall von einer Halbzeugproduktion gesprochen werden.

...

Hinsichtlich einer Rauchbelästigung wird festgestellt, daß rauchentwickelnde Arbeiten in einer Bauspenglerei üblicherweise nicht stattfinden. Feuerungstätten sind im ggst. Bauvorhaben nicht enthalten, sodaß aus diesem Grund eine Rauchentwicklung auszuschließen ist."

In seiner Stellungnahme dazu vom 26. August 1994 erklärte der Beschwerdeführer, beim Betrieb des Bauwerbers handle es sich nicht nur um eine Spenglerei, sondern auch um eine Metallschornsteinerzeugung, weshalb maschinelle Schleif- und Richtarbeiten nicht ausgeschlossen werden könnten. Solange eine entsprechende Verfügung nicht vorliege, könne es sich bei der rechnerischen Annahme des Geschlossenhaltens von Fenstern und Lichtkuppeln wohl nur um eine "zweckverfremdende Annahme" handeln. Die Verbesserungen der Schalldämmung durch zusätzliche Abschirmungen seien zufolge mangelnder planlicher Darstellung nicht nachvollziehbar. Die bemängelte Rauchemission beziehe sich auf die vorhandene Kamingruppe bzw. auf die zu schaffende Feuerungsstätte, da keine entsprechende Heizquelle den Plänen zu entnehmen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Das Bauvorhaben entspreche hinsichtlich Brand-, Wärme- und Schallschutz der Bauordnung für Wien. Durch die Verwirklichung der geplanten Zubauten und baulichen Änderungen würden weder Gefahren noch unzumutbare Belästigungen für die Nachbarschaft herbeigeführt. Das oben genannte Gutachten wurde wiedergegeben. Der projektierte Bau sei daher im Sinne des § 6 Abs. 8 der Bauordnung für Wien zulässig.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Art. IV der Bauordnungsnovelle, LGBl. Nr. 34/1992, ist auf das vorliegende, vor dem 1. Oktober 1992 eingeleitete Bauverfahren die Bauordnung für Wien in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 28/1987 (im folgenden: BO) anzuwenden. Gemäß § 134 Abs. 3 dritter Satz BO sind die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre in diesem Gesetz festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berühren. Solche Rechte werden durch jene Bestimmungen begründet, die dem Schutz der Nachbarn dienen; hiezu zählen jedenfalls alle Bestimmungen des Bebauungsplanes für die Bebauung der Liegenschaft sowie alle jene Bestimmungen, die Rechte zum Schutz vor Gefahren und Belästigungen, die sich auf die Nachbargrundstücke erstrecken können, zum Inhalt haben.

Das Baugrundstück befindet sich im gemischten Baugebiet-Betriebsbaugebiet. Die diesbezüglichen Abs. 8 und 9 des § 6 BO lauten:

"(8) In gemischten Baugebieten dürfen keine Gebäude oder Anlagen errichtet werden, die geeignet sind, durch Rauch, Ruß, Staub, schädliche oder üble Dünste, Niederschläge aus Dämpfen oder Abgasen, Geräusche, Wärme, Erschütterungen oder sonstige Einwirkungen, Gefahren oder unzumutbare Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen.

(9) In als Betriebsbaugebiete ausgewiesenen Teilen des gemischten Baugebietes dürfen unbeschadet des Abs. 13 nur Gebäude oder Anlagen für Betriebs- oder Geschäftszwecke aller Art mit Ausnahme von Beherbergungsbetrieben errichtet werden."

Zum Vorbringen, durch die Situierung der Lichtkuppeln sei der Brandschutz nicht gegeben, hat die belangte Behörde ausgeführt, daß damit keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte geltend gemacht würden. Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof zu § 101 BO ausgesprochen, daß diese Bestimmung über Feuer- und Brandmauern zu jenen Bestimmungen gehört, die dem Schutz der Nachbarn dienen (Erkenntnis vom 8. März 1983, Zl. 82/05/0147, BauSlg. Nr. 21). Nichts anderes galt für § 104 BO; allerdings hat der Beschwerdeführer nie klargelegt, inwieweit das projektierte Dach mit den Glaskuppeln dieser Bestimmung nicht entsprechen würde. Die belangte Behörde verwies im angefochtenen Bescheid auf die Stellungnahme der Magistratabteilung 35 vom 10. September 1993, wonach das Vorhaben den Anforderungen hinsichtlich des Brandschutzes entspreche und insbesondere die Lichtkuppelreihe mehr als 5 m von den aufgehenden Fenstern fremder Baulichkeiten entfernt sei. Jedenfalls ist nicht erkennbar, inwiefern die letztlich genehmigte Ausführung in nachbarrechtlich relevanter Weise Brandschutzbestimmungen verletzen sollte.

Aus den Bestimmungen über den Schutz vor Immissionen im gemischten Baugebiet erwächst den Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht auf das Unterbleiben der Errichtung und der Erweiterung von Anlagen, mit denen bestimmte, im Gesetz genannte Auswirkungen auf die Nachbarschaft verbunden sind (hg. Erkenntnis vom 29. September 1992, Zl. 89/05/0030, 0031, mit einem weiteren Nachweis). Durch die zusätzliche Ausweisung "Betriebsbaugebiet" eines Teiles des gemischten Baugebietes wird der Beurteilungsmaßstab für Emissionen nicht geändert, da die diesbezügliche Bestimmung (§ 6 Abs. 9 BO) lediglich normiert, daß in Betriebsbaugebieten - abgesehen von Wohnungen für den Bedarf der Betriebsleitung und der Betriebsaufsicht - nur Gebäude oder Anlagen für Betriebs- und Geschäftszwecke aller Art mit Ausnahme von Beherbergungsbetrieben errichtet werden dürfen (Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften3, 177). Maßstab für die Lösung der Frage nach der Zulässigkeit eines Betriebes unter dem Gesichtspunkt der Flächenwidmung ist, anders als für die Gewerbebehörde, für die Baubehörde nicht ein in seinen Betriebsmitteln und Betriebsanlagen bis ins einzelne fest umrissener (konkreter) Betrieb, sondern es hat hiebei als Maßstab eine Betriebstype zu dienen, die nach der Art der üblicherweise und nach dem jeweiligen Stand der Technik verwendeten Anlagen und Einrichtungen (einschließlich der zum Schutze vor Belästigungen typisch getroffenen Maßnahmen) sowie nach der Art der demgemäß herkömmlich entfalteten Tätigkeit einem bestimmten (abstrakten) Betriebsbild entspricht (hg. Erkenntnis vom 24. April 1990, Zl. 88/05/0188). Auch anläßlich einer bewilligungspflichtigen Bauführung bei bereits bestehenden Betrieben muß die Übereinstimmung der Type mit dem Flächenwidmungsplan von neuem geprüft werden (hg. Erkenntnis vom 17. November 1994, Zl. 93/06/0213).

Die von dem Gewerbebetrieb konkret ausgehende Belästigung ist Gegenstand eines gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens und nicht des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens, in dem die typenmäßige Zulässigkeit eines Betriebes zu beurteilen ist (Geuder-Hauer, a. a.O., 177). Allerdings darf nicht auf einen metallverbarbeitenden Betrieb im allgemeinen, sondern muß auf den konkreten Produktionstyp abgestellt werden (vgl. das zitierte Erkenntnis vom 24. April 1990).

Die belangte Behörde hat sich mit den von einer Bauspenglerei üblicherweise ausgehenden Emissionen auseinandergesetzt. Mit der bloßen Behauptung, es könnten maschinelle Schleif- und Richtarbeiten nicht ausgeschlossen werden, begründet der Beschwerdeführer nicht näher, warum die Metallschornsteinerzeugung nicht zu der von einer Bauspenglerei herkömmlich entfalteten Tätigkeit zählt. Es kommt ja, wie die Gegenschrift richtig aufzeigt, im Baubewilligungsverfahren im Rahmen der Prüfung der Widmungsgemäßheit eines Betriebes nicht auf den konkreten Betrieb oder einzelne Betriebsabläufe an.

Aus dem eingeholten Gutachten ergibt sich die Übereinstimmung des vorliegenden Betriebstyps "Bauspenglerei" mit der Widmung "gemischtes Baugebiet-Betriebsbaugebiet". Diesem Gutachten ist der Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten; da er es unterließ, in seiner Äuerßung die Widmungskonformität in Zweifel zu ziehen, bestand für die belangte Behörde keine Veranlassung zu einer weiteren Beweisaufnahme. Im Rahmen einer Betriebstypenprüfung kommt es auf Auflagen, seien sie gewerberechtlicher oder baurechtlicher Natur, aber nicht an.

Feuerungsstätten sind vom Bauvorhaben nicht umfaßt und daher im Bauplan nicht ausgewiesen. Dazu führte der Sachverständige aus, daß rauchentwickelnde Arbeiten in einer Bauspenglerei üblicherweise nicht stattfinden. Vorhandene Kamingruppen sind aber nicht Gegenstand des Projektes, daher können deren Emissionen den Beschwerdeführer nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzen.

Die Beschwerde erwies sich somit zur Gänze als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Auflagen BauRallg7 Baubewilligung BauRallg6 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6 Planung Widmung BauRallg3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1994050354.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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