TE Lvwg Erkenntnis 2020/6/15 VGW-001/022/15572/2019

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Veröffentlicht am 15.06.2020
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Entscheidungsdatum

15.06.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §31 Abs1
VStG §32 Abs2
VStG §45 Abs1 Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Dr. Lehner über die Beschwerde des A. B. gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., vom 22. Oktober 2019, Zl. …, betreffend Übertretung des 1.) § 12 Abs. 1 iVm § 4 lit c Wiener Prostitutionsgesetz 2011 (WPG 2011) und 2.) § 12 Abs. 1 iVm § 9 Abs. 5 iVm § 6 Abs. 1 lit. a WPG 2011, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 24.3.2020 und am 18.8.2020

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Gang des Verfahrens, angefochtener Bescheid und Beschwerde

Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat
C., vom 22. Oktober 2019, Zl. …, wurde der Beschwerdeführer wegen Übertretungen des 1.) § 12 Abs. 1 iVm § 4 lit. c WPG 2011 und 2.) § 12 Abs. 1 iVm § 9 Abs. 5 iVm § 6 Abs. 1 lit. a WPG 2011 (Tatort: jeweils Wien, D.-gasse 29, EG/2, Wohnung) zur Leistung einer Geldstrafe in Höhe von 1.) EUR 400,— (Ersatzfreiheitsstrafe: drei Tage) und 2.) EUR 400,— (Ersatzfreiheitsstrafe: drei Tage) verpflichtet.

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerecht bei der belangten Behörde eingebrachte Beschwerde des Beschwerdeführers vom 11. November 2019, in welcher der Beschwerdeführer vorbringt, dass er mit dieser Sache nichts zu tun habe. Er wisse nicht, worum es gehe und man habe ihn verwechselt.

Die belangte Behörde nahm von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und legte die Beschwerde samt dem bezugnehmenden Verwaltungsakt dem Verwaltungsgericht Wien vor.

Mit Schreiben vom 6. Dezember 2019, nachweislich zugestellt am 17. Dezember 2019, ersuchte das Verwaltungsgericht Wien die belangte Behörde um Bekanntgabe von Name und Adresse des in der Anzeige genannten Informanten sowie um Übermittlung der Beilagen, auf welche in der Anzeige verwiesen wird.

Mit Schreiben vom 6. Dezember 2019, nachweislich zugestellt am 11. Dezember 2019, forderte das Verwaltungsgericht Wien die E. GmBH auf, zum einen bekanntzugeben, wer die Zahlung zur Buchung des Appartements in der D.-gasse 29/2, Wien für den 22. März 2019 geleistet hatte, und zum anderen diesbezüglich eine Auskunftsperson und deren ladungsfähige Adresse bekanntzugeben.

Am 6. Dezember 2019 wurden Abfragen (ZMR, Fremdenregister und Sozialversicherungsauszug) bezüglich der in der Anzeige genannten Zeuginnen F. G. und H. K. durchgeführt, die alle negativ ausfielen.

Mit Schreiben vom 13. Dezember 2019 teilte L. M., Mitarbeiter der E. GmbH mit, dass die Zahlung für die Buchung von H. K. in bar geleistet wurde, sich die betreffende Wohnung aber an der Adresse D.-gasse 19/2, Wien befinde.

Mit Schreiben vom 23. Dezember 2019 übermittelte die belangte Behörde die Inserate, auf die in der Anzeige verwiesen wurde, und teilte die belangte Behörde mit, dass der in der Anzeige genannte Informant nicht bekannt sei.

Am 24. März 2020 und am 18. Mai 2020 führte das Verwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch.

II.      Sachverhalt

Das angefochtene Straferkenntnis vom 22. Oktober 2019 legt dem Beschwerdeführer Folgendes zur Last:

"1)       Datum/Zeit:          22.03.2019, 14:40 Uhr

Ort:                           Wien, D.-gasse 29, EG/2, Wohnung.

Sie haben es als Verantwortlicher der als Prostitutionslokal genutzten Wohnung in Wien, D.-gasse 29/2 unterlassen, für die Einstellung der Prostitutionsausübung durch Frau G. F., die die gesundheitlichen Voraussetzungen des Geschlechtskrankheitengesetz und der VO des BM für Gesundheit und Umweltschutz über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die der Prostitution nachgehen, nicht erfüllte, zu sorgen, obwohl Sie Frau G. die Wohnung zur Ausübung der Prostitution zur Verfügung stellten.

2)       Datum/Zeit:  22.03.2019, 14:40 Uhr

Ort:                      Wien, D.-gasse 29, EG/2, Wohnung.

Sie haben es als Verantwortlicher der als Prostitutionslokal genutzten Wohnung in Wien, D.-gasse 29/2 unterlassen, für die Einstellung der Prostitutionsausübung durch Frau G. F. zu sorgen, weil das Prostitutionslokal keinen unmittelbaren und gesonderten Zugangs zur öffentlichen Fläche hat, obwohl Sie Frau G. die Wohnung zur Ausübung der Prostitution zur Verfügung stellten."

Die Tatortangabe im Straferkenntnis stützt sich dabei auf eine Anzeige in der beschrieben wird, dass zur angegebenen Zeit am angegebenen Ort eine Kontrolle durch Beamte der LPD Wien stattgefunden hat, bei der entsprechende Hinweise vorgefunden wurden.

Diese Kontrolle fand jedoch nicht an der Adresse D.-gasse 29, Wien, sondern an der Adresse D.-gasse 19, Wien, statt.

Eine Tatbegehung an der Adresse D.-gasse 19, Wien war dem Beschwerdeführer nicht zur Last gelegt worden.

III.     Beweiswürdigung

Die Tatvorwürfe des angefochtenen Straferkenntnisses ergeben sich aus der im Akt einliegenden Ausfertigungen dieses Straferkenntnisses.

Dass die anlassgebende Wohnungskontrolle nicht an der Adresse D.-gasse 29 stattgefunden hat, ergibt sich aus der glaubwürdigen Aussage des Meldungslegers P. R.. Auf Vorhalt eines Fotos der Fassade des Hauses D.-gasse 29 gab er dazu als Zeuge in der mündlichen Verhandlung befragt an, dass er ausschließen könne, dass die Kontrolle in diesem Haus stattgefunden habe. Dass sich die kontrollierte Wohnung in der D.-gasse 19 befindet, ergibt sich zudem aus dem Schreiben des Zeugen L. M. vom 13. Dezember 2019. Auch der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung auf Vorhalt eines Fotos der D.-gasse 19 an, dass sich die Wohnung, die er an F. G. weitervermietet habe, in diesem Haus befindet.

IV.      Erwägungen

Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses unter anderem die „als erwiesen angenommene Tat“ zu enthalten. Der Tatvorwurf hat sich demnach auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschriften im Sinne des § 44a Z 2 VStG zu beziehen (vgl. VwGH Ra 14.10.2019, 2019/08/0144 mwN).

Demnach ist also zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dieser Bestimmung genügt oder nicht genügt, wobei eine Ungenauigkeit bei der Konkretisierung der Tat in Ansehung von Tatzeit und Tatort dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides hat, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt wird (vgl VwGH 21.11.2019, Ra 2018/10/0050).

Eine nicht ausreichende Umschreibung der Tat im Sinne des § 44a Z 1 VStG berechtigt das Verwaltungsgericht nicht, das Straferkenntnis zu beheben. Es ist vielmehr verpflichtet, in der Sache selbst zu entscheiden und dabei die Tat in einer dem § 44a Z 1 VStG entsprechenden Weise zu präzisieren, darf aber dabei die Tat nicht auswechseln (vgl. VwGH 11.4.1984, 83/11/0024; vgl. auch VwGH 23.12.1991, 88/17/0010).

Folglich ist zwar auch eine Auswechslung der Tatzeit durch das Verwaltungsgericht grundsätzlich nicht zulässig (vgl. VwGH 5. November 2014, Ra 2014/09/0018), doch ist das Verwaltungsgericht - ebenso wie vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle die Berufungsbehörde - berechtigt, eine im Straferkenntnis unrichtig wiedergegebene Tatzeit zu berichtigen, wenn das Versehen für die Partei ohne weiteres erkennbar war und die richtige Tatzeit innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist dem Beschuldigten vorgehalten worden ist (VwGH 16.12.2015, Ro 2015/10/0013). Diese Anforderungen sind auf die Änderung des Tatorts übertragbar.

Im vorliegenden Fall wurde dem Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens (Anzeige, Strafverfügung, Aufforderung zur Rechtfertigung, Straferkenntnis) eine Tatbegehung an dem Tatort D.-gasse 29 angelastet. Im Zuge des Beschwerdeverfahrens haben sich allerdings Hinweise auf eine Tatbegehung in der D.-gasse 19 ergeben. So hat der Zeuge L. M. in seinem Schreiben vom 13. Dezember 2019 erstmals angegeben, dass sich die bezugnehmende Wohnung in der D.-gasse 19 befindet. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien konnte der Zeuge P. R., der die anlassgebende Kontrolle durchgeführt hatte, zwar nicht mehr angeben, ob diese Kontrolle an der Adresse D.-gasse 19 stattgefunden hatte, er konnte allerdings ausschließen, dass die Kontrolle an der Adresse D.-gasse 29 stattgefunden hatte.

Im vorliegenden Fall haben sich somit keine Hinweise auf eine Tatbegehung in der D.-gasse 29 ergeben. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Hausnummer beim Verfassen der Anzeige nach der Kontrolle unrichtig angegeben wurde und sich dieser Fehler durch das ganze Verwaltungsstrafverfahren gezogen hat. Eine Berichtigung des dahingehend fehlerhaften Spruchs des angefochtenen Straferkenntnisses ist im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nur zulässig, wenn dieses Versehen für den Beschuldigten ohne weiteres erkennbar war und der richtige Tatort dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgehalten worden ist.

Hinsichtlich der Erkennbarkeit dieses Versehens für den Beschwerdeführer ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vom 18. Mai 2020 durchaus den Eindruck erweckte, genau zu wissen, um welche konkrete Wohnung es geht. Er brachte weder – wie noch in seiner Beschwerde behauptet – vor, dass er nicht wisse, worum es gehe, noch behauptete er, an der Adresse D.-gasse 29 keine Wohnung gemietet zu haben. Vielmehr legte der Beschwerdeführer ausführlich den Buchungsvorgang über s.com im März 2019 dar und schilderte ebenso detailliert die Weitervermietung der Wohnung in der D.-gasse 19 an F. G.. Der Beschwerdeführer bestritt in der mündlichen Verhandlung zu keinem Zeitpunkt, im März 2019 eine Wohnung in der D.-gasse an F. G. weitervermietet zu haben. Er bestritt lediglich den Zweck der Weitervermietung. Aufgrund der Rechtfertigung des Beschuldigten in der mündlichen Verhandlung ist daher davon auszugehen, dass es für ihn ohne weiteres erkennbar war, dass im angefochtenen Straferkenntnis als Tatort nur versehentlich die Adresse "D.-gasse 29, EG/2" genannt wurde.

Weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit der Tatortberichtigung ist wie oben dargelegt, dass der richtige Tatort dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgehalten wurde. Es ist also zu prüfen, ob rechtzeitig eine Verfolgungshandlung gesetzt wurde, die alle der Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente – folglich auch den richtigen Tatort – enthält (vgl VwGH 21.04.2020, Ra 2019/09/0099 mwN).

Die Verfolgungsverjährung beträgt gemäß § 31 Abs. 1 VStG ein Jahr und ist ab dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat. Da die Prostitutionsausübung durch F. G. in der Wohnung an der Adresse D.-gasse 19, Wien am 22. März 2019 in Folge der Kontrolle durch die Beamten der LPD Wien beendet wurde, endete auch die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Tathandlung am 22. März 2019. Die Verfolgungsverjährungsfrist begann daher mit diesem Tag zu laufen und endete daher gemäß § 31 Abs. 1 VStG iVm § 32 Abs. 1 und § 33 Abs. 2 AVG iVm § 2 Abs. 1 Z 3 Verwaltungsrechtliches COVID-19-Begleitgesetz am 4. Mai 2020.

Verfolgungshandlung ist gemäß § 32 Abs. 2 VStG jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Beratung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat. Als Verfolgungshandlungen gelten idS aber nur Handlungen, die die Absicht der Behörde zum Ausdruck bringen, den gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Tat bestehenden Verdacht auf eine im VStG vorgeschriebene Weise zu prüfen, sohin den behördlichen Verfolgungswillen in Richtung einer bestimmten strafbaren Handlung zu verwirklichen (vgl. VwGH 20.02.2014, 2013/09/0046).

Eine solche Verfolgungshandlung, die einen Verfolgungswillen gegen den Beschwerdeführer in Bezug auf den Tatort D.-gasse 19 zum Ausdruck brachte, wurde bis zum 22. März 2020 nicht gesetzt. Ein Vorhalt des richtigen Tatortes innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist fand somit nicht statt.

Eine Änderung des Tatortes von D.-gasse 29 auf D.-gasse 19 würde daher eine unzulässige Auswechslung der Tat im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung des VwGH darstellen und ist daher im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht mehr zulässig. Eine Begehung der Tat in der D.-gasse 29 konnte hingegen nicht erwiesen werden, sodass das Strafverfahren hinsichtlich dieses Strafvorwurfes gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen ist.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Tatumschreibung; Präzisierung; Austausch der Tat; Tatort

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.001.022.15572.2019

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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